Sonntag, 02.11.2008
Die Welt-Finanzkrise: was ist los mit Commerzbank, Dresdner Bank, UBS und Fortis? Ein Update.
Die Furcht, daß Belgien es allein nicht machen wurde, war möglicherweise berechtigt, und wurde – zum Glück! – durch den gemeinsamen Eingriff von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg gelöst. Für die UBS hat die Schweizer Regierung am 16. Oktober einen Bailout-Plan beschlossen: hoffen wir mal, daß er reicht. Und schließlich: die Commerzbank (und damit auch die Dresdner Bank, die demnächst komplett zur Commerzbank gehört) wird Anfang November die Bundeshilfe in Anspruch nehmen, wie am Freitag, den 30. Oktober bekannt wurde. Es ist erst die zweite Bank, nach der offensichtlich-zu-rettenden HRE. Und wie in meinem Blog vom 21.10. versprochen, hat das unmittelbar zu einem weiteren Kursrutsch der Commerzbank geführt. Kein Wunder, daß sich die anderen Banken zieren!
Allerdings – und das ist ja auch eine gute Nachricht – sind bisher bloß die Banken in Island “too big to rescue” gewesen, d.h., der Rettungsplan in Island hat dort auch den Staatshaushalt in Bankrott-Gefahr gebracht. Island hat daher am 24. Oktober einen Kredit des Internationalen Währungsfond in Höhe von 2 Milliarden Dollar in Anspruch genommen. Nicht wenig für ein Land mit 320 169 Einwohnern – also etwa so groß wie Bielefeld. Hoffen wir einmal, daß sich dieses Szenario bei anderen Ländern (Ost-Europa, zum Beispiel?) nicht wiederholen wird.
Kommentare und Trackbacks
Christian Jäger kommentiert:
Martin B. kommentiert:
Das Rettungspaket ist ein deutlicher backbone für die Finanzierungsbasis und erheblicher Wettbewerbsvorteil. Die akzeptierende Bank wird von der schlechten zur "sicheren Bank".
Eine Einschränkung: Die Banken - allen voran die Deutsche - werden zögern, um den politischen Druck groß genug werden zu lassen, damit die Akzeptanz des Hilfspakets nicht allzu freiwillig aussieht (sonst müsste man sich ja schämen). Vor allem ist das Abwarten dadurch attraktiv, dass später vielleicht doch noch die Gehaltsdeckelung gekappt wird.
dakra kommentiert:
Die bis jetzt von der Bundesregierung angestrebte Gehaltsdeckelung macht einfach keinen Sinn. Die Manager verdienen zuwenig und geben damit gleichzeitig ein negatives Signal an die Börse ab. Dadurch sind weder die Bank als Institution noch deren Manager zu diesem Geschäft bereit.
Ich verstehe zwar, dass die hohen Gehälter von vielen Menschen als ungerecht empfunden werden. Leider lässt sich nichts daran ändern, dass die hohen Gehälter durch eine entsprechende Gegenleistung gerechtfertigt werden können. Werden sie nicht bezahlt, wandern die hochbegabten Manager in vielen Fällen nun mal ab bzw. wenden sich nicht an den Staat. Das ist die Realität, nur an dieser kann man Lösungen erarbeiten.
Die Bundesregierung sollte die durch Kaufoptionen geschaffenen Fehlanreize vielmehr beheben. Kaufoptionen erhöhen den Anreiz zu erhöhtem Risikoverhalten, weil der Manager im Falle einer Entwicklung der Aktie unter dem Basispreis der Option immer einen gleich hohen "Verlust" trägt. Der Basispreis ist der Preis, zu dem der Manager die Aktie innerhalb eines festgelegt Zeitraums oder eines festgelegten Zeitpunkts erwerben kann.
Sinnvoll wären Aktien statt Optionen. Nur diese sollten den variablen Anteil der Managementvergütung (neben einer relativ geringen fixen Vergütung) ausmachen. Sinkt der Kurs, verdient der Manager entsprechend weniger. Steigt er, verdient er gerechterweise mehr. Der Manager hat nun keinen Anreiz mehr, unnötig hohe Risiken einzugehen.
Der zusätzliche Vorteil einer solchen Vergütungsstruktur ist nicht nur seine größere Einfachheit gegenüber den Optionen, sondern auch die Signalwirkung an der Börse. Denn eine solche Gehaltsstruktur gleicht die Interessen der Aktionäre und der Manager stärker an. Es stärkt die Corporate Governance. Ein Umstieg von Aktienoptionen auf Aktien, würde damit positive Signale an die Börse senden und somit den Kurs der Bank steigern. Das von Herrn Uhlig beschriebene Anreizproblem kann durch diese Maßnahme verringert werden.
Martin B. kommentiert:
Außerdem: Möglicherweise sind gute Managementpositionen ein noch knapperes Gut als gute Managerpersönlichkeiten. Stimmt dann die Regel mit den hohen Gehältern und guten Managern?
Bankenmanager, die die Finanzhilfen nicht annehmen und deren Bank dadurch bankrott geht, wären schon ab jetzt in der persönlichen Haftung mit ihrem Privatvermögen. Sie hätten die Finanzhilfen ja nutzen können. Reicht das nicht als Anreiz?
dakra kommentiert:
Kennen Sie ein Modell, dass die neoklassischen Annahme realitätsnah so modifiziert, dass die Gehaltskappung keine signifikanten Auswirkungen auf die Qualität der Manager hat?
Dass die Manager in den USA zwar mehr verdienen, aber die Unternehmen trotzdem angeblich nicht besser dastehen kann doch auch zahlreiche andere Gründe haben. Solange da keiner das Gegenteil beweisen kann, bleibe ich bei den für mich plausibleren Annahem...
Dass das bad signalling für die Börse durch eine Gehaltskappung in Bezug auf diesen Punkt wahrscheinlich ist, da sind Sie aber schon der gleichen Meinung, oder?
dakra kommentiert:
"Außerdem: Möglicherweise sind gute Managementpositionen ein noch knapperes Gut als gute Managerpersönlichkeiten. Stimmt dann die Regel mit den hohen Gehältern und guten Managern?"
Das wäre natürlich eine Erweiterung des neoklassischen Modells. Dies könnte tatsächlich ein Grund dafür sein, dass eine Gehaltskappung keine signifikanten Auswirkungen auf die Managementqualität hat.
Obwohl ich nicht daran glaube, dass dieser Effekt stark genug ist...
Martin B. kommentiert:
Ich würde übrigens gar nicht mit Neoklassik argumentieren, da abgeleitete Modelle zu oft empirisch widerlegt werden. Ich denke, dass Mechanism Design und Spieltheorie schon das richtige Werkzeug sind, um mit Informationsasymmetrien fertig zu werden und die Interessen der Marktteilnehmer mit denen des Staates zu "harmonisieren".
Max Munter kommentiert:
Daniel kommentiert:
Und diese „lahme Ente“ wird – so der Deal von vor zwei Monaten - für knapp 10 Mrd. Euro übernommen. Längst ist die Transaktion vor allem wegen des stark gesunkenen Commerzbank-Aktienkurses keine 8 Mrd. Euro mehr wert.....
Wieviel wird bezahlt werden?
Mehr auch hier:
http://www.sharewise.com/news_articles/1993-Automobilbranch-Commerzbank
Gruß Daniel
mariana mayer kommentiert:
Es gilt weiterhin: Frauen erhalten in Deutschland keine Arbeitsplatz, werden finanziell ausgegrenzt und haben keine Rechte.
Mariana Mayer
dakra kommentiert:
"Zahlreiche Verbesserungsvorschläge befassen sich mit der Arbeit der Rating-Agenturen. Ihnen wird eine erhebliche Mitschuld an der gegenwärtigen Misere zugeschrieben, weil sie für viele Finanzprodukte, die sich im Nahhinein als unsolide herausstellten, zu gute Bonitätsnoten vergaben. Ursache war ein klassischer Interessenkonflikt: Banken, die komplizierte Finanzprodukte anboten, bezahlten die Agenturen für deren Bewertung. Viele Rating-Experten schreckten davor zurück, dem Angebot ihrer Kunden ein schlechtes Zeugnis auszustellen."
Diesen Interessenskonflikt kann man doch nur beheben, indem nicht diejenigen, die bewertet werden, die Ratingagentur bezahlen. Oder sehe ich das etwa falsch?
Der Artikel geht folgendermaßen weiter:
"Im einzelnen sehen die Vorschläge vor, dass künftig auch Rating-Agenturen von den Regulierungsbehörden beobachtet werden. Eine neue zentrale Aufsichtsbehörde soll in einem jährlichen Report Arbeit und Praktiken der Agenturen beurteilen. Die Maßnahme werde Qualität und Integrität der Risikoeinschätzungen erhöhen, hoffen die Experten."
Ich glaube ja schon daran, dass eine Aufsicht über die Ratingagenturen deren Risikobewertung verbessern könnte. Ich frage mich aber, ob das nicht auch einfacher ginge. Immerhin bleibt der grundlegende Konflikt, dass der Bewertete den Bewerter bezahlt weiterhin bestehen.
Das beste wären doch irgendwelche Mechanismen, die die Ratingagentur dazu bewegen eine wahrheitsgemäße Bewertung vorzunehmen. Ich denke, eine Abgabe der Kunden an eine Ratingagentur-Aufsicht, die wiederum die Ratingagenturen beauftragt, eine Bewertung vorzunehmen, könnte schon mehr helfen.
Abschließend folgt im Artikel
"Darüber hinaus sollen die Gebühren der Rating-Agenturen abhängig sein von deren Erfolg beim Einschätzen von Risiken"
Diese Aufgabe könnte dann die von mir vorgeschlagene Ratingagentur-Aufsicht übernehmen. Dadurch treten auch die Ratingagenturen untereinander in einen Wettbewerb, der die Qualität der Risikobewertungen steigern dürfte.
Ich freue mich über eure Meinung zu diesem Thema und meinem Vorschlag
Mfg
maze kommentiert:
Entweder verstaatlichen oder gescheite Aufsicht, wobei die Frage ist, welche Regeln verhindern können, dass Ratingagenturen falsche Bewertungen ausführen.
Ein ähnliches Problem existiert übrigens bei Wirtschaftprüfern, die ja auch vom Unternehmen, welches sie durchchecken, bezahlt werden. Was da bei rauskommt kann bei bei Siemens sehen. Da helfen auch die strengsten Transparenzregeln nichts, wenn die Räuber die Polizisten bezahlen :D
peter kommentiert:
maze kommentiert:
Und falls sie etwas tatsächlich betrieben haben hat immer noch der CEO die Verantwortung für seinen Laden. Sehr traurig dass man momentan nur mit Schadenbegrenzung sowie internationaler Koordination der zukünftigen Regulierung der Finanzmärkte beschäftigt ist und keiner die Verantwortlichen aus Ratingagenturen und Banken zur Rechenschaft zieht. Abgesehen davon, dass dieser Interessenskonflikt weiterhin besteht und die rechten Medien nur Fanny und Freddie Mae sowie die böse Niedrigzinspolitik des Herrn Greenspans verantwortlich machen, anstatt den Interessenskonflikt zwischen Ratingagenturen und Banken sowie die mangelnde Eigenakpitalunterlegungspflicht für verbrirefte Kredite, die auf einmal wieder in der Bilanz auftauchen, als wahre Ursachen dieser Krise aufzuzeigen.
q___j kommentiert:
Nochmal: ich habe keinen Informationen über die Wertentwicklung der Assets der DB.
(1) Quelle: http://ftalphaville.ft.com/blog/2008/10/20/17216/time-for-the-darwinian-flush/
q___j kommentiert:
Die 20% fuer die DB wirken daher gar nicht so unrealistisch.Frage ist nur, was davon jetzt schon eingepreist ist. Die Aktie hat ja schon einiges verloren.
(1) http://delong.typepad.com/sdj/2008/11/le-citi-toujour.html
Claus the mouse kommentiert:
Alle Diskussionen um Regulierungen nützen und bringen nichts. Wir sehen hier die Wirren einer zu Ende gehenden Zeit oder die Geburtswehen einer neuen. Der Maya Kalender endet mit dem Jahr 2012.
Vielleicht ist es so, dass das, was bisher als besonders klug und intelligent galt, sich so in in seinen Widersprüchen blossstellen MUSS, dass es nicht mehr tragbar ist. Das Bankensystem als solches wäre ein solches Beispiel in der aktuellen Situation . Das was die Wirtschaft beatmen soll würgt sie systembedingt ab. Da hilft es auch nicht, wenn Herr Ziesemer besonders tiefe Schützengräben zur Verteidigung der sogenannten Finanzindustrie aushebt, die eben jene "Massenvernichtungsmittel" produzierte, um deren Folgen es jetzt geht.
Bei den "Gehältern" stellt sich doch daher überhaupt nicht mehr die Frage, wieviel gerecht ist als Gehalt oder gut sondern ganz ketzerisch, ob überhaupt noch etwas gerechtfertigt ist.
Aber das hier ist nicht allein ein Problem der sogenannten Finanzindustrie. Es wuchert in der Wissenschaft genauso.
Es gibt Messergebnisse in der Physik, die genau das Gegenteil von dem beweisen, was zu erwarten wäre und dann gibt es dort wie hier eine Zensur durch die Meinungsmache der sogenannten Grossen. Die Frage ist immer nur, wie lange so etwas hält.
Frau Merkel mit ihren ungehaltenen Bemerkungen zur Kreditvergabe der Banken hat offensichtlich gemerkt, dass man sich das in der Wissenschaft wohl eine gewisse Zeit ohne grossen Schaden erlauben mag, in der Wirtschaft aber eben nicht.
otti kommentiert:
Wirtschaft hat doch nichts mit Anstand zu tun!
Claus the mouse kommentiert:
In Zukunft wird nichts mehr gehen oder Bestand haben ohne denselben. Und wenn man innerbetrieblich bemerkt, dass sich das auch finanziell auszahlt, weil man so gut wie alle mit innerer Kündigung durch gute Behandlung aus ihrer Ecke zur Kreativität und Produktivität oder schlicht von innen heraus motivierten Arbeitsfleiss führen kann und es spricht sich herum, dann wird alles gut. Nicht so negativ. Und es gibt in der Wirtschaftstheorie bereits Ansätze, die das berücksichtigen.
Das Geldzählen allerdings ist per se eine andere Arbeitswelt. Ich bin gespannt, wie lange die Regierungen noch den Kotau vor dem "Rückgrat unserer Wirtschaft" in der Form, wie wir es heute haben, machen und was das den Steuerzahler noch kosten wird. Frau Merkel hat zumindest schon einmal eine parallele Bankenwelt angedacht. Das ist schon was, allein den Gedanken zu fassen und auch auszusprechen. Unmöglich in den Staaten. Es steht also gar nicht so schlimm mit der Politik in D.
Und die Vorschläge jenes Wirtschaftsprofessors, der Barroso in Bezug auf die Regulierung der Banken berät läge wohl richtig im ersten Schritt: auf den Kapitalmärkten haben die Banken nix zu suchen. Das brächte in Kürze jene Transparenz, die jetzt alle für die Zukunft einfordern.
Claus the mouse kommentiert:
http://nachrichten.finanztreff.de/news_news,awert,ticker,bwert,,id,28082793,quelle,,r,0,sektion,uebersicht.html
"FTD: Was Ökonomen vom Finanzgipfel erwarten
14.11.2008 - 15:32 und da
Paul de Grauwe: Banken vom Kapitalmarktgeschäft fernhalten
"Blasen und Zusammenbrüche gehören seit Jahrhunderten zur Geschichte der Kapitalmärkte dazu. Den Banken zu erlauben, sich stark an den Finanzmärkten zu engagieren, ist ein sicheres Rezept für die Katastrophe. Die Lösung besteht darin, die Banken auf ihre traditionelles Kerngeschäft mit zu beschränken. Bei Unternehmen, die stark an den Kapitalmärkten partizipieren, muss darauf geachtet werden, dass Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ähnliche Fristigkeiten aufweisen."
Paul De Grauwe ist Professor für internationale Wirtschaft an der Universität von Leuven in Belgien. Er berät Manuel Barroso, den Präsidenten der EU-Kommission."
Beim Kerngeschäft müsste man mal nachfragen, wie er das definiert oder meint, was da dazu gehört. Wie ist das mit einer Fristigkeit ohne klare Risikoregulierung, wenn die Bank shorted wie Adolf Merckle oder ein noch grösseres Rad dreht und vielleicht nicht nur eines??
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