Die historische Parallele zum Nationalsozialismus im Hinterkopf, folgen kritische Anmerkungen zum Muttertag.
Besonders vor dem Hintergrund der „Demographiedebatte“ lohnt ein Blick auf den Tag, welcher der „Mutter“ gewidmet ist. Klar: hier geht es primär nicht um die Eigenschaften einer konkreten Person und ein etwaiges Verhältnis zu dieser. Vielmehr wird eine abstrakte Rolle bestimmter Frauen gefeiert, nämlich dieser, welche die Nation mit mehr oder weniger Menschenmaterial versorgt haben. Ein Dienst an der Nation, welcher angesichts von Schreckenszenarien der „Rentnerlast“ wieder besonders gefordert wird: anstatt Karriere zu machen, soll die Mutter, ganz dem „konservativen Feminismus“ entsprechend, in eine Rolle schlüpfen, welche dem „weiblichen Wesen“ angeblich am meisten gerecht werde und nebenher die erwünschte gesellschaftliche Funktion erfüllen.
Das ist keineswegs die idealistische Spinnerei von einem reaktionären Häufchen, welche leicht abgetan werden kann. Die „Demographiedebatte“ nämlich, welche ein unheilvolles Amalgam aus Kampfrhetorik, Verzichtsappellen, Überwältigungsphantasien, positivistischen Datenfluten und Rassismus formte, hat gezeigt, wie schnell sich die „nationale Sache“ gegen Frauen richten kann. Es fand und findet eine doppelte Stigmatisierung der Frau statt. Akademikerinnen ohne Kinder werden aufgrund ihrer Kinderlosigkeit stigmatisiert, Mütter mit niedrigem Bildungsstatus, weil sie keine familieninternen „Hilfslehrerinnen“ sind. Dementsprechend ist die Familienpolitik konzipiert, welche pronatalistisch und sozial differenzierend ausgerichtet ist: besonders besser gebildete Frauen und Familien werden staatlicherseits gefördert (zur Vertiefung der Thematik sei hier auf Text von Heike Kahlert in der PROKLA 146 verwiesen).
Das „Geschlecht“, sowie die entsprechende gesellschaftliche Rolle, ist also keineswegs unabhängig vom sozioökonomischen Rahmen zu denken.
Am Muttertag soll eben diese Rolle feierlich reproduziert und gefestigt werden. In den typischen Gedichte von Grundschulkindern zum Muttertag etwa, schlägt sich dies besonders nieder. Die Rolle (und der gesellschaftliche Zwang dieser zu entsprechen) wird auf zwei Ebenen gefestigt. Die kapitalistische Trennung von Produktion und Reproduktion und die Ausdifferenzierung dieser Bereiche in eigenständige Sphären erfordert je eine entsprechende Organisation dieser Tätigkeitsfelder. Die Frau ist traditionell für den Bereich der Reproduktion verantwortlich, worunter Erziehung des Nachwuchses, Versorgung des Ehemannes und gegebenenfalls Sorge um die eigenen Eltern fallen. Am Muttertag werden die Kochkünste, das abendliche Vorlesen usw. angepriesen, also die reproduktiven Tätigkeiten, welche der Frau zufallen. Weiterhin wird aber auch die „liebevolle Zärtlichkeit“, also die „sinnliche Emotionalität“ bemerkt, also ein angeblich „weibliches Schema“ bestätigt und damit duale Geschlechterverhältnisse auf einer quasi-natürlichen Ebene zementiert.
Eingangs wurde erwähnt, am Muttertag gehe es primär um ein abstraktes Muster der „Mutter“. Allerdings kann dieses Muster durchaus konkret und individuell aufgeladen werden. Einzelne Individualerfahrungen etwa, sind dann (neben dem Lob der Erziehungsqualität) nicht unwichtig und reichern das generelle Lob der Mutter an. Eine solche Modifikation wirft den ohnehin schon verworrenen Verhältnissen einen moralisch-liebevollen Schleier über, um einen authentisch stilisierten Schein der Humanität zu wahren. Das Konkrete widerspricht dem Abstrakten also nicht, sondern geht mit diesem eine Verbindung wechselseitiger Ergänzung ein.
Erstaunlich auch, mit welchem Konkurrenzbewusstsein Kinder an den Muttertag gewöhnt werden. Beiweilen dient das gemachte Geschenk der Darstellung der eigenen Erziehungsqualität im Bekanntenkreis, die sich normalerweise ja nicht der kapitalistisch üblichen Konkurrenz zu unterwerfen hat, abgesehen von der Möglichkeit, das Kind auf ebensolche vorzubereiten; ebenso sind Urteile wie “Die beste Mutter der Welt” keine Seltenheit.
(V)Erziehung at it’s best!
@Antikryst:
“Beiweilen dient das gemachte Geschenk der Darstellung der eigenen Erziehungsqualität im Bekanntenkreis, die sich normalerweise ja nicht der kapitalistisch üblichen Konkurrenz zu unterwerfen hat, abgesehen von der Möglichkeit, das Kind auf ebensolche vorzubereiten”
Wie Du schon sagts, Antikryst, wie gut die gehuldigte Mutter es schafft, den Sproß auf die kapitalistische Konkurrenz vorzubereiten, ist das Maß des Erziehungserfolges. Wenn aus dem Kind “was wird”, es sich also durchsetzt im Leben, in Schule und Beruf besser ist als andere, eben in der Konkurrenz “gewinnt”, dann war die Erziehung erfolgreich. Der “üblichen Konkurrenz” unterworfen sind aber in diesem Laden alle Bereiche, das “Private” und die Reproduktion. Das Kind auf die übliche Konkurrenz vorzubreiten, hat, wenn die Investition sich rentiert, den Vorteil, dass der Sproß sich im Berufsleben gegen andere behauptet, deren Nachteil sein Gewinn wird und er so vielleicht eher in der Lage ist, den Erzeugern ein wenig mehr Lebensqualität nach Ableistung ihres Dienstes fürs Kapital zu spendieren. Für einen sorgenfreien Lebensabend reicht nämlich die Rente, die Vater Staat denen vom Lohn abzieht, die sich noch an der von ihm eingerichteten Produktionsweise beteiligen “dürfen”, mitnichten. Da ist dann die “Verantwortung” der Familie gefragt. Nicht umsonst ist Familienpolitik bei allen Parteien, die sich regelmäßig zum Regieren berufen lassen wollen, so ein wichtiges Thema. “Familie” bringt immer etwas Stabilisierendes hervor, die Wohlhabenden sorgen für Elitennachschub und der Familiensinn der “Abgehängten” läßt die Übriggebliebenen das Beste aus ihrer Knappheit machen und entlastet so die staatlichen Fürsorgeorgane. Familie ist ein ungeheuer praktikables Konzept für die herrschende/aufgeherrschte Wirtschaftsweise. Es moralisch-romantisch zu verklären und mit Feiertagen zu huldigen ist die logische Konsequenz und eben Mittel zum Zweck.
Zu bemerken wäre auch, dass hier ein Kitt gebildet wird, der den antagonismus der beiden rollen, nämlich kind und mutter, also das beidseitige falsche zugeständniss ans realitätsprinzip, durch emotionales gedümpel verwischt und verwässert.