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Beschwerde, darauf zu bestehen, dass wenigstens bloß Deutsche in den Genuss von Ausbeutung
und sozialpolitisch betreutet Armut gelangen.
b) Die Rechten malen gar kein Ideal einer Volksgemeinschaft aus, die mit rasserein deutschen
Proleten und Sozialhilfeempfängern wunderbar harmonisch funktionieren würde. Das geht nega-
tiv: Die Ausgrenzung derer, die auf alle Fälle nicht dazugehören, was man schon daran erkennt,
dass sie nicht mit einem deutschen Pass auf der Glatze geboren sind, steht dafür, dass innerhalb
der dicht gemachten Grenzen der Kapitalismus zur Idylle wird. Die Grenzen nicht dicht gemacht
zu haben, ist der eigentliche Vorwurf der Neofaschisten an die Bundesregierung mit ihrer Agenda
2010. Weil sie den rechten Fanatismus der Ausgrenzung nicht bedient, wird der Staat zum „BRD-
Apparat“ und Büttel internationaler Konzerne, die als vaterlandslose Gesellen doch glatt deutsche
und ausländische Lohnarbeiter ausbeuten.
c) Mit der Parole „Deutschland den Deutschen“ sind die Neofaschisten gar nicht so weit weg von
demokratischen Innenpolitikern wie Schily und Beckstein, die der Überfremdung entgegenarbeiten
und zwischen den „Ausländern, die uns nutzen und denjenigen, die uns nur ausnutzen“, unter-
scheiden. Unerträglich ist die rechte Ausländerfeindschaft für die regierenden und oppositionellen
Demokraten, weil die Neofaschisten damit erstens die über jeden Zweifel erhabenen, weil für den
wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands nötigen Sozialreformen der Regierung angreifen, zweitens
ausgerechnet den regierenden Schilys und Becksteins Pflichtvergessenheit in Sachen Begrenzung
und Kontrolle der Ausländer vorwerfen, sich drittens mit ihrer patriotischen Polemik gegen eine
Etikette der deutschen politischen Moral vergehen, nämlich die von allen demokratischen Parteien,
also auch den C-Gruppen geteilte Manier, das Ausgrenzende am Nationalismus - die Ausländer-
feindlichkeit, an die sie appellieren, wenn sie vor Überfremdung warnen, gegen Multikulti polemi-
sieren und vor den Türken in der EU warnen – zugleich zu dementieren; und viertens, dass sie mit
ihrer Ausländerhetze beim Wahlvolk gut ankommen, deutlich oberhalb der 5 %-Hürde abschnei-
den und den Christdemokraten ihr Monopol auf nationalistische Wählerstimmen streitig machen.
d) Die Lehren, die demokratische Parteien aus den Wahlerfolgen der Rechtsextremen ziehen, lau-
ten: erstens, die wahre Heimat für alle Wähler, die die Überfremdung Deutschlands für den Skan-
dal halten, sind CDU/CSU, aber auch Schilys SPD; und zweitens, am besten den nationalistischen
Wählern gar nicht mehr die Gelegenheit geben, NPD und DVU zu wählen. Ein Parteiverbot ist für
demokratische Parteien das schlagendste Argument gegen die Wahlerfolge von Neofaschisten, aus
dem nationalistischen Bewusstsein deutscher Wähler Kapital zu schlagen.
Vergleich von Gestern und Heute: Der imperialistische Erfolg der deutschen Demokratie
macht Faschismus überflüssig
Was ist Identität, was Differenz von Deutschland im Jahr 1933 und 2005?
a) Damals: Politiker und die Mehrheit des Volks leiden unter der Krise Deutschlands, i.e. Kriegs-
niederlage (=imperialistische Konkurrenten halten gewaltsam den Weltmachtanspruch Deutsch-
lands nieder) und Wirtschaftskrise (=Deutschland bereichert sich nicht am Weltmarkt, sondern ist
auch dort Verlierer); Faschisten treten gegen die „Unfähigkeit“ der demokratischen Parteien an,
die deutsche Weltmacht wieder herzustellen. Argument: Wenn der Wiederaufstieg Deutschlands
eine Frage der politischen Führung ist, wie auch die Weimarer Demokraten behaupten, dann muss
aber endlich Schluss sein mit dem demokratischen Geschacher und kleinkarierten Parteiengezänk,
eine wirkliche nationale Führung muss her. Arbeitslosigkeit und Massenelend als Indiz für die
nationale Katastrophe und die Bedrohung der Nation – durch äußere Feinde, vor allem auch durch
innere, die vaterlandslosen Kommunisten (mit den Juden dahinter). Faschisten bieten sich an als
Retter der Nation gegen Bolschewismus und internationales Judentum – und werden von der herr-
schenden Klasse (Politik, Wirtschaft, Militär) der Weimarer Republik dafür geschätzt und prote-
giert. Dies entscheidender Unterschied zu heute, dass damals noch ein klassenbewusstes Proletari-
at existierte, das für eine sozialistische Revolution statt nationaler Machtentfaltung kämpfte.
Und das von heutigen Demokraten gegen die Faschisten angeführte (Misserfolgs-)Argument –
Hitler hat Deutschland in die Katastrophe geführt – gab es damals nicht: eher umgekehrt, konnten
doch die Faschisten den Demokraten der Weimarer Republik vorwerfen, sie hätten Deutschland im
Ersten Weltkrieg mit ihrem Dolchstoß den Feinden ausgeliefert und in die Niederlage geführt.
b) Heute: Politiker und Volk leiden auch wieder unter einer Krise, aber die ist etwas anders gela-
gert als damals: Deutschland ist eine globale Ordnungsmacht (Spätestens „seit der Wiedervereini-
gung zwingt uns das gewachsene weltpolitische Gewicht, mehr Verantwortung auf dem Globus zu
übernehmen“ – so präsentiert sich heute ein Imperialismus, der den Wiederaufstieg vom Welt-
kriegsverlierer zu einer Weltmacht der zweiten Garde bewerkstelligt hat) und eine der sieben füh-
renden Weltwirtschaftsmächte. Die fünf Millionen Arbeitslosen heute gelten den demokratischen
Parteien als Indiz, dass Deutschland zu wenig Wirtschaftswachstum und zu wenig Erträge aus dem
internationalen Geschäft zieht, und sie gelten als Auftrag, durch die Verbilligung des arbeitenden
Volkes dafür zu sorgen, dass Deutschland in der internationalen Konkurrenz wieder einen Spit-
zenplatz einnimmt, die deutsche Wirtschaft wieder wächst und entsprechend Macht und Hand-