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einführung in den und kritik am antisemitismus.


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Inhalt:
1. Vorbemerkung und Aufbau des Textes
2. Von Antisemitismus zu Antijudaismus
3. Antisemitismus als bürgerliche Denkform
 3.1 allgemein
 3.2 deutsch
4. deutscher Antisemitismus nach 1945
5. Globalisierter Antisemitismus/Antizionismus
6. Antisemitismus staat Kapitalismuskritik
7. Begrifflichkeiten des Antisemitismusdiskurs
 7.1 Israel-Palästina-Konflikt
 7.2 andere Diskussionen
8. Konsequenzen
9. Fragen zum Antisemitismus
[Anmerkungen]

1. Vorbemerkung und Aufbau des Textes
In diesem Text wollen wir die grundlegenden Begrifflichkeiten und Diskussionen einer linksradikalen Kritik des modernen Antisemitismus darlegen. Wir werden dabei nur kurz auf den Antijudaismus bis zum Beginn der bürgerlichen Gesellschaft eingehen, da wir denken, dies als Allgemeinwissen voraussetzen zu können. Vielmehr wollen wir den Antisemitismus als bürgerliche, also in der heutigen Zeit aktuelle, Denkform erklären. Dies werden wir im zweiten Teil tun. Auch die Umformulierung des Antisemitismus in Deutschland [und Österreich] nach 1945 werden wir behandeln. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass ähnliche Entwicklungen weltweit von statten gingen und gehen, und der deutsche Antisemitismus weltweit Vorläufer.*.innen hatte und Nachahmer.*.innen gefunden hat. Anschließend werden wir auf die Relevanz des Antisemitismus in linken und linksradikalen Zusammenhängen zu sprechen kommen, insbesondere in den sich auf nationale Befreiungskämpfe beziehenden Solidaritätsbewegungen und der verkürzten Kapitalismuskritik. Wir werden ebenfalls versuchen aufzuzeigen, wo und wie Antisemitismus in der Gesellschaft und der radikalen Linken auftritt; gesondert werden wir in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Diskussionen um den Israel-Palästina-Konflikt eingehen. Schließlich wollen wir Konsequenzen aus einer Kritik des modernen Antisemitismus für eine linksradikale Politik skizzieren.

2. Vom Antijudaismus zum Antisemitismus
Antijudaismus, das heißt die Verfolgung von jüdischen Menschen aus hauptsächlich religiösen Gründen, ist mit dem heutigen Antisemitismus nicht gleichzusetzen, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Allerdings ist für das Verständnis des Antisemitismus die Geschichte des Antijudaismus relevant, schon weil die meisten Vorurteile, die heute aufgerufen werden, ihren Ursprung im Antijudaismus haben.

Das Christentum entstand als jüdische Sekte im Gebiet des heutigen Israel um den Beginn der heutigen Zeitrechnung. Insofern war der christliche Antijudaismus zunächst eine Abgrenzungsbestrebung der neuen Religion zum „Original“ im Kampf um Mitglieder.*.innen und das jeweilige religiöse Weltbild. Eine neue Qualität erhielt dieser Konflikt -der nicht nur zwischen diesen beiden Religionen ausgetragen wurde-, als 313 Konstantin I. das Christentum zur römischen Staatsreligion erhob. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Kirche die Möglichkeit auf die Machtmittel des Staates zurückzugreifen. Seitdem fiel der Machtanspruch der Kirche mit der realen Macht der Kirche zusammen und dieser Anspruch wurde auch zur Ideologie der jeweiligen Herrscher und wenigen Herrscherinnen. Diese Konstellation blieb auch nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches in den nachfolgenden Reichen in Europa und -bis zur Begründung des Islam- im Mittelmeerraum bestehen. Das Christentum war die Religion des Staates und der meisten Menschen, und das Judentum eine Religion von einigen Wenigen. Im Gegensatz zu den anderen damals existenten Religionen, welche als Heidentum -also Gottlosigkeit- verstanden wurden, wurde das Judentum als Bibelreligion akzeptiert, die sich zwar auf das gleiche Buch und Gotteskonzept bezog wie das Christentum, aber trotzdem an den falschen Gott glaubte. Während die anderen Religionen als gänzlich anders und falsch verworfen und ihre Träger.*.innen und Anhänger.*.innen massakriert wurden, beschränkte sich der Kampf der christlichen Kirche gegen das Judentum zunächst auf Gelehrtenstreite. Die bloße Existenz einer anderen Religion unterminierte aber den absoluten Machtanspruch der Kirche den einzig wahren Gott zu vertreten, somit stellte die jüdische Religion die religiös begründete Herrschaftsideologie in Frage.
Die Zeit der relativen Friedfertigkeit endete als 1096 im Rahmen des ersten Kreuzzuges in Speyer, Worms und in Frankreich die ersten Pogrome von Kreuzfahrern verübt wurden. Seitdem ist das Massakrieren von Jüdinnen und Juden regelmäßiger Bestandteil christlicher Praxis. Seit dieser Zeit haben sich aus den Begründungen, die schon damals falsch waren und den Charakter einer „verfolgenden Unschuld“ [1] trugen, auch heute noch gebräuchliche antisemitische Vorurteile gebildet und tradiert. Auch wenn einige religiös orientierte, wie der angebliche Verkauf Jesus an die Römer oder die behauptete Hostienschändung, heute kaum noch eine Rolle spielen, sind Varianten des Vorwurfes des Ritualmordes an Kindern, der Brunnenvergiftung oder weltweiten Verschwörung immer noch relevant. Wichtig für antisemitische Weltbilder ist der Vorwurf, jüdische Menschen würden ihren Lebensunterhalt einzig durch Geldgeschäfte bestreiten. Hier schließt das Bild von „den Juden” hinter den heutigen Finanzinstitutionen an. Bei all diesen Pogromen und schrecklichen Lebenssituationen, in welche das Christentum die Juden und Jüdinnen zwang -zum Beispiel das Leben in Ghettos-, waren all diese Vorgänge immer noch religiös konnotiert. Das hieß, es gab für jüdische Menschen immerhin den Ausweg zum Christentum zu konvertieren und sich taufen zu lassen, um dieser Situation zu entgehen. Beim modernen Antisemitismus, zu dem wir nun kommen werden, bestand und besteht diese Möglichkeit nicht mehr.

3. Antisemitismus als bürgerliche Denkform [Ideologie]
3.1 allgemein
Der moderne Antisemitismus ist nicht ohne die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft denkbar; er ist direktes Resultat dieser. Unter bürgerlicher Gesellschaft wird grob gefasst das Entstehen und die Durchsetzung der kapitalistischen Ökonomie, der modernen Nationalstaaten und die Formulierung vernunftbasierter Philosophien und Ideologien, zum Beispiel der Menschenrechte, verstanden. So organisierte Gesellschaften produzieren „gesetzmäßig“ Krisen [2], wobei Antisemitismus gemeinhin als Lösungsstrategie für diese Krisen verstanden werden kann. Die bürgerlichen Subjekte, also die in und durch solche Gesellschaften konstituierten Menschen, welche die Strukturen und internen Gesetzmäßigkeiten ihrer Gesellschaft nicht kennen oder nicht erkennen wollen, brauchen einen Erklärungsansatz um sich diese auftretenden Krisen zu erklären und trotzdem weiter zu funktionieren. Dieser muss, da er nicht die Strukturen der kapitalistischen Ökonomie angreift, die Krisen mit dem Wirken einzelner böser Menschen erklären, die eine vorgeblich gut eingerichtete und vernünftige Gesellschaftsordnung aus Eigennutz, Habgier, Raffgier, Machtgier [und Ölinteressen] hintertreiben würden. Diese Einteilung der Welt in Gut und Böse ist charakteristisch für den Antisemitismus. Er funktioniert gar nicht ohne diese. Aus der Geschichte des Antijudaismus bot sich für den angeblich bösen Menschen das Bild „des Juden“ an. Dieses war überliefert und gesellschaftlich akzeptiert.

3.2 deutsch
Mit der Entstehung der bürgerlichen Naturwissenschaften verlor jedoch der wesentlichste Bestandteil des Antijudaismus, die religiöse Begründung, zusehends an Bedeutung. Im gleichen Masse, indem Jüdinnen und Juden sich in der bürgerlichen Gesellschaft emanzipieren konnten, religiöse Unterschiede wegen der universalistisch [allumfassend geltend- also für alle Menschen gleich geltend] postulierten Vernunft in den Hintergrund traten, wurde versucht, weniger offensichtliche Unterschiede doch noch begründen zu können. Besonders in der deutschen Nationalbewegung, die sich gerade gegen die universalistischen Prinzipien der französischen Revolution konstituierte [3], war man auf Suche nach dem einzigartigen deutschen Wesen, welches am deutschen Blut festzumachen sein sollte. Dementsprechend wurde natürlich auch für alle Nichtdeutschen eine durch die „Blutsabstammung“ festgeschriebene angeborene Identität behauptet.
Menschen waren dieser Auffassung also nicht durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt, sondern durch ein angeblich ewiges, unveränderliches Wesen. „Deutsche“ blieben qua Geburt deutsch und „Juden“ eben jüdisch. Während die Aufklärung zumindest noch die Veränderbarkeit der Menschen zum Programm hatte, bleibt einem derartigen biologistisch motivierten Antisemitismus konsequenterweise nur noch die Vernichtung der jüdischen Menschen, die angeblich für das Übel dieser Welt verantwortlich sein sollen, um eine „bessere“ Welt zu erreichen. Die Shoah, der industriell organisierte Massenmord der Deutschen an den, von ihnen zum absoluten Gegenprinzip erklärten, Jüdinnen und Juden Europas war die konsequenteste Realisierung dieses Denkens.

4. deutscher Antisemitismus nach 1945
Nachdem die Alliierten 1945 -dankenswerterweise- das nationalsozialistische Deutschland besiegt hatten und damit unter anderem ein positiver Bezug auf den Antisemitismus in der Gesellschaft verpönt war, entwickelte sich eine neue Form des Antisemitismus. Es war nicht mehr möglich sich einfach positiv auf den Antisemitismus zu beziehen, dem stand die soziale Ächtung dieses Begriffes entgegen. Aber die „besondere Stellung“ jüdischer Menschen wurde dennoch in die „neue“ Gesellschaft transportiert.
Anstaat die Jüdinnen und Juden als Menschen, die einer Religion angehören, zu begreifen, wurde ihnen weiter ein „inner Zusammenhalt“ zugeschrieben und ihnen außerdem unterstellt, „den Deutschen“ eine kollektive Schuld nachzutragen. Diese Form des Antisemitismus wurde die gesellschaftlich domiante Form der Bundesrepublik, Österreichs und auch der DDR. Die Juden und Jüdinnen wurden nach 1945 als große Gruppe sich moralisch besser dünkender Menschen betrachtet, die in letzter Konsequenz die Shoa für „ihre Zwecke“ gegen die Deutschen ausnutzen würden.
Dabei ist und war es vollkommen egal, was Jüdinnen und Juden oder auch jüdische Gemeinden oder Organisationen wirklich taten oder tun, es konstituierte sich unabhängig davon in der Nachkriegszeit der Mythos vom ausgebeuteten Volk und den -jetzt nicht mehr Weltbeherrschenden, aber doch angeblich immer noch „mächtigen Juden“, die vor allem raffgierig seien- die Schuld der Deutschen ausnutzenden Jüdinnen und Juden. Dieses Denken wurde zum Beispiel bei den Verhandlungen um die Zwangsarbeiter.innen.*entschädigungen oder auch die sogennante „Affäre Friedman“ sichtbar. Gerade bei dieser sogennanten Affäre wurde Michel Friedmann nicht vorrangig wegen dem Gebrauch von Drogen und der Prostitution öffentlich belangt, sondern vor allem deswegen, weil hier ein angeblich sich besser und moralisch höherstehend dünkener Jude betroffen war. [4]

5. Globalisierter Antisemitismus/Antizionismus
Auch wenn die Shoa in Deutschland, beziehungsweise in von Deutschland kontrollierten Gebieten stattfand, heißt das natürlich nicht, dass sich der Antisemitismus nur auf Deutschland beschränken würde. Die oben aufgestellte These besagt, dass Antisemitismus ein -falscher- Erklärungsansatz für die kapitalistisch eingerichtete Welt ist; insoweit ist Antisemitismus dort möglich, wo die Welt kapitalistisch organisiert ist. Und das ist sie überall [5]. Es sollte also keinen Menschen überraschen, wenn sie.*.er antisemitische Denkmuster auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes vorfindet.
Gerade ein Blick in den Nahen Osten zeigt die Existenz eines solchen Denkens in der pälestinesischen und anderen Gesellschaften, die nicht auf die reale Politik des Staates Israel, als einen Staat unter vielen -und den zur Zeit einzig demokratisch organisierten in dieser Region- reagieren, sondern so, als ob Israel die offizielle Filiale der „großen jüdischen Verschwörung“ sei. Dagegen stellen sich die gesellschaftlichen Kräfte dieser Länder als die ausnahmslos Guten und Freiheitsliebenden dar. [6]

6. Antisemitismus statt Kapitalismuskritik
Die eigentlich zu jeder linken und linksradikalen Theoriebildung und Praxis gehörende Kapitalismuskritik bietet ein Feld für modernes antisemitisches Denken. Natürlich muss diese Gesellschaft und mit ihr die kapitalistische Ökonomie abgeschafft werden, wenn dies aber unter den falschen Vorzeichen geschehen sollte, ist das von Linken aber auch konsequent abzulehnen.
In vielen linken Publikationen wird zumindest der Eindruck vermittelt, es genüge irgendetwas kaputt zu machen um diese Ziel zu erreichen, was sich in der Parole „smash capitalism“ ausdrückt. Oft genug finden antikapitalistische Proteste in Angriffen auf Banken- und McDonaldsfilialen statt, als wenn diese für ein funktionierendes Gesellschaftssystem verantwortlich seien und alle Unterdrückungsverhältnisse hervorgebracht hätten. Dies alleine wäre nicht so tragisch, stünde dahinter nicht ein Denken, welches Kapitalismus nicht auf die Strukturen der Gesellschaft zurückführt, sondern nur auf das Handeln von Personengruppen. Hier stehen angeblich gute GegnerInnen des Kapitalismus den angeblich bösen KapitalistInnen gegenüber. Diese Pseudo-Kapitalismuskritik ist, wie wir bereits gezeigt haben, eine Form des Antisemitismus. Bei einzelnen Gruppen wie „attac“, „linksruck“, „sav“ oder „anticapitalistas“ ist dies weiter differenziert. In ihren Publikationen erscheint eine von der Gesellschaft abgetrennte Finanzsphäre, deren ProtagonistInnen aus reinem Profitdenken heraus die Gesellschaft ausnutzten. Sie verursachten soziale Missstände, Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung, Unterdrückung und Krieg. Der Ausweg aus dieser gesellschaftlichen Dauerkrise wäre ein vereintes Vorgehen gegen diese ProtagonistInnen. Abgesehen davon, dass jegliche andere Gesellschaftsstruktur – wie Nationalstaat, Rassismus, Sexismus etc.– und die Akzeptanz dieser Verhältnisse durch viele Menschen ignoriert und verdeckt wird, läuft dieser Ansatz auf einen „letzten Krieg“ zwischen Gut und Böse hinaus, an dessen Ende die guten Menschen in einer „anderen Welt“ [attac] leben würden.
Durch diese Plattheit und eindeutig antisemitische Position bieten sich für Neonazis Ansatzpunkte, da sie ähnliche Positionen vertreten. Dies passiert dann auch immer wieder. [7]

7. Begrifflichkeiten des Antisemitismusdiskurses
Antisemitismus ist ein in der radikalen Linken diskutiertes Thema. Wer immer sich in dieser Szene bewegt, mit und in ihr Politik macht, wird um Diskussionen dazu nicht herumkommen. Deshalb wollen wir in diesem Teil unseres Textes einige dieser Debattenfelder aufzeigen.

7.1 Israel-Palästina-Konflikt
Der Staat Israel ist eine der, wenn nicht die wichtigste Konsequenz aus dem Holocaust. Nachdem sich ganz eindeutig herausgestellt hatte, dass die restlichen Staaten der Welt entweder nicht in der Lage waren, die Jüdinnen und Juden vor dem Nationalsozialismus zu schützen oder es trotz Möglichkeiten nicht taten, soll dieser Staat -im Anschluß an die zionistische Bewegung- in einer Welt, in welcher Antisemitismus beständig produziert wird, potentiell allen jüdischen Menschen Schutz bieten. Daran sollte eigentlich nicht zu rütteln sein.
Dennoch wird diese Konsequenz in der Linken immer wieder untergraben. Vom Tag der Gründung Israels an ist dieser Staat von den ihn umgebenden Ländern bedroht, deren Gesellschaften auf antisemitische Denkmuster aufgebaut sind. Auch die palästinensische Gesellschaft ist davon nicht auszunehmen. Gerade auf diese aber bezieht sich ein Teil der Linken in ihren Publikationen und Auftritten. Sie reproduziert die bekannten antisemitischen Stereotype und kann die Politik Israels nur als bösartige und „völkermörderische“ [8], hinter der ein fieser Plan stände, begreifen.
Kurz gefasst: erst nach der -wie auch immer bewerkstelligten- Abschaffung der Grundlagen des Antisemitismus -also der Kapitalismus- kann über ein Ende Israels überhaupt geredet werden. Vor allem von deutschen Linken, die ihre Identität noch immer in den ähnlichen Strukturen konstituieren, wie jene, welche den Nationalsozialismus bedingten, sollten -so sie den Staatskritik üben wollen- nicht automatsich auf Israel schauen, wenn es gleichzeitig über 190 Staaten auf der Welt gibt.

7.2 andere Diskussionen
Andere Diskussionsfelder seien kurz angerissen:

  • „Palitücher“. Die Palitücher genannten Kleidungsstücke werden von einigen Menschen als Symbol einer „linken Haltung“ ;getragen. Allerdings gibt es daran berechtigte Kritik. Die Geschichte dieses Kleidungsstückes ist keine linke, sondern eine völkische: eingeführt von Großmufti von Jerusalem Hadji Mohammed Amin el Hussein, der mit den Nazi zusammenarbeitete, galt und gilt es als Kleidungsstück der „palästinensischen Befreiungsbewegungen“. Es ist also ein antisemitisch konontiertes Kleidungsstück; das tatsächlich auch von Nazis getragen wird, die sich damit solidarisch mit dem anti-jüdischen Kampf des palästinensischen Volkes erklären.
  • „Bonzen“ etc. Es gibt eine -auch linke- Tradition, die Welt gerade deshalb als schlecht zu erklären, weil einzelne Menschen „die Fäden” ziehen würden. Dies wird zum Beispiel in Bilder deutlich, in dem „der Bonze“ ;als übergroßer, dicker, grinsender Mann mit Zylinder dargestellt wird, der manchmal auch tatsächlich Marionetten führt; oder aber dann, wenn einzelne Menschen -gerne us-amerikanische Präsidenten- für Kriege verantwortlich gemacht werden. Ein solches Denken kann tatsächlich antisemitisch genannt werden. Die Welt aber ist komplizierter, es gilt nicht einzelnen, bösen, angeblich fast allmächtige Menschen die Macht zu entreizen, sondern darum die Strukturen der Welt zu verändern.
  • „Antiamerikanismus“, „Antiimperialismus“. Auch dies ist eine zum Teil linke Tradition: sich vor allem durch Abgrenzungen zu den USA und einer „amerikanische“ Lebensweise zu definieren und sich gleichzeitig das angeblich und reale Handeln der us-amerikanischen Regierung aus deren angeblichen unbändigen Drang nach Expansion zu erklären. Das ist natürlich non-sense, denn -wie wir eben schon sagten- die Welt ist leider etwas komplizierter. Fakt aber ist, dass solch plattes Denken zumindest an antisemitische Denkmuster angelehnt ist.


8. Konsequenzen und Strategien gegen Antisemitismus
Was aber ergibt sich nun aus dem Gesagten?
Zuerst die Erkenntnis, das Antisemitismus kein Merkmal „der Nazis“ alleine ist, sondern eine Denkweise, die sich durch alle Szenen und gesellschaftlichen Bereiche zieht, ergo auch durch „die Linke“. Gleichzeitig aber sollte klar geworden sein, dass Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Formen nichts mit einer Emanzipation von der heutigen Welt zu tun hat, sondern „nur“ ein Erklärungsansatz bleibt, der Feinde ausmacht, die es nicht gar nicht gibt und Strukturen, die auch nicht existieren; ergo nie „die Welt erklären“, sondern nur dazu beitragen kann, die realen Unterdrückungsverhältnisse und die Bedingungen für diese Unterdrückungsverhältnisse nicht zu thematisieren. Daraus wieder ergibt sich der Aufruf, die Opfer dieses Denkens, so den nötig, zu unterstützen und gegen solch antisemitisches Denken vorzugehen. Das heißt auch, mit bestimmten Gruppen, auch wenn sie sich unbedingt als „Links“ bezeichnen nicht zusammen zu arbeiten. Und das heißt letztlich auch, sein eigenes Weltbild und auch die eigene Motivation sich „links“ zu nennen, zu hinterfragen und zu verändern.

9. Fragen zu Antisemitismus
Es bleiben allerdings immer noch Fragen offen, die in diesem Text nicht beantwortet werden konnten.
  • Kann es eine Form des Antisemitismus ohne Kapitalismus geben? Und wenn ja welche. Dafür spricht, dass es ja auch vor dem Antisemitismus Antijudaismus gab. Was ergibt sich aus den möglichen Antworten auf diese Frage?
  • Gibt es Formen der „verkürzten Kapitalismuskritik“ ohne Antisemitismus?
  • Wie sähe eine nicht verkürtzte Kapitalismuskritik aus?
  • Inwieweit ist antisemitisches Denken und andere Unterdrückungsverhältnisse miteinander verschränkt? Ansatzpunkt hierfür wäre zum Beispiel die feministische Analyse der Geschlechterverhältnisse, die von einer Binarität des Blicks auf die Welt ausgeht.
  • Was heißt -angesichts des Antisemitismus in der Linken- eigentlich links?


Anmerkungen
1. „Verfolgte Unschuld“ meint das Phänomen, dass die Täter.*.innen ihr Handeln aus ein nicht reel gegebenen Notwehrsituation heraus rechtfertigen; also den Opfern ihres Vernichtungswillens und einen Plan unterstellen, den es abzuwehren gegolten hätte. Nach dieser Erklärung sind angeblich immer die Opfer.*.innen Schuld für die Taten und Denkweisen der Täter.*.innen. [zurück]

2. Will heißen: sie klappen nie so wie es sich vorgestellt wird und das ist in ihnen angelegt und nicht etwa „Schuld widriger Umstände“. [zurück]

3. Also: der Kampf gegen Napoleon Bonaparte wurde auch ideologisch gegen die Thesen der französischen Revolution geführt. Dieser Kampf gegen „Gleichheit – Freiheit – Brüderlichkeit“ war Bestandteil der Begründung des deutschen Nationalstaates. [zurück]

4. Das bezieht sich natürlich auf den medialen und öffentlich wahrnehmbaren Diskurs, nicht auf die rechtlichen Schritte gegen Michel Friedman. Anders belangt wird in Deutschland zumindest qua Gesetz niemand mehr, weil sie.*.er jüdischen Glaubens ist. Immerhin. Es stellt sich aber für den öffentlichen Diskurs die Frage, wie den reagiert worden wäre, wenn es „jemand anderes getroffen“ hätte und warum Friedman gerade zu diesem Zeitpunkt -kurz nach dem Unfall oder auch Freitod Jürgen W. Möllemanns- „aufflog“. [zurück]

5. Ja, auch in Kuba oder Südkorea, bevor dies diskutiert wird. Kapitalismus verschwindet nicht dadurch, dass die jeweilige Staatspartei behauptet, er sei nicht mehr da, sondern indem die Gesellschaft und das Denken der Menschen sich ändert/geändert wird. [zurück]

6. Ausgenommen hier erstmal die Vertreter [-Vertreterinnen?-] der Studierenden im Iran, die hoffentlich mit den gerade laufenden Protesten zu einer gesellschaftlichen Kräft werden und sowohl eine Demokratisierung ihrer Gesellschaft erreichen könnten -was dann dem Umbau des gesamten Staates Iran und den Sturz der Herrschenden bedeuten würde- und gleichzeitig zu einem nicht-antisemitischen Denken beitragen könnten. [zurück]

7. Spätstens wenn so etwas passiert, sollten radikale Linke auch über ihr eigenes Denken und ihre eigenen Auffassungen reflektieren und diese verändern. [zurück]

8. Nebenbei: wer sich positiv auf Völker, besonders auf das eindeutig antisemitisch identitäre palästinesische bezieht, sollte sich nicht mehr Vorhalten „das Beste“ für sich oder alle Menschen zu wollen. Eine radikale Linke sollte -spätestens nach den nicht mehr erfolgreichen Versuchen linke Volks- und Nationalbewegungen zu finden- immer die Kategorie Volk als das be- und angreifen, was es ist: ein Konstrukt. [zurück]

eine Veranstaltung by a radical theory. [art.e], juli 2003