http://www.fhuisken.de/DemFasch.htm
1.
Einleitung
1. Die NPD und andere Neofaschisten haben im letzten Jahr wieder vermehrt Schlagzeilen gemacht. Beispielsweise erzielte die NPD in Sachsen ein zweistelliges Wahlergebnis, da gab es den inszenierten Skandal um das Schlagwort vom ”Bombenholocaust” und andere rechtsextreme Verkündigungen.[2] Empörung ob ihrer im Landtag demonstrierten Verweigerung des nationalen Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, politische und öffentliche Mobilisierung gegen neofaschistische Aktionen zur 8. Mai Demo in Berlin[3], daraufhin folgende sogenannte ”Lex NPD”[4] und die wiederkehrende Debatte über ein generelles NPD-Verbot. Aber auch in anderer Hinsicht sind Neofaschisten aufgefallen, nämlich durch ihre Beteiligung an Protesten, die allgemein dem linken Lager zugerechnet werden, bspw. auf Demos gegen den durch Hartz IV exekutierten Sozialabbau, gegen die Globalisierung und gegen den Irakkrieg. Bei diesen Demos sind die Rechten mit Parolen und Flugblättern angetreten, vor denen die Linke teilweise recht verlegen und ratlos stand, weil sie kaum von ihren eigenen Slogans und Pamphleten zu unterscheiden waren.
Und
wieder einmal wird prompt vermehrte öffentliche Auseinandersetzung und
Aufklärung angemahnt. Bundespräsident Köhler ruft z.B. die Nation auf, sich inhaltlich
mit Neofaschisten auseinanderzusetzen. Der allgemeine Tenor seiner
Botschaft lautet: ”Es kann in dieser deutschen Demokratie nicht hingenommen
werden, dass relevante Teile des Volkes Neofaschisten wählen bzw. mit ihnen
sympathisieren.” Für sich genommen ist Auseinandersetzung ein korrektes
Anliegen. Aber was hat man sich unter einer vernünftigen ”inhaltlichen Auseinandersetzung”
vorzustellen? Doch wohl, dass man sich die neofaschistischen Parolen und die in
den NPD-Programmen dargelegten Grundsätze neofaschistischer Politik vornimmt,
um diese zu kritisieren und darüber die Leute mit guten, richtigen
Argumenten vom Neofaschismus abzubringen.
Die in der Öffentlichkeit inszenierte Auseinandersetzung nimmt sich allerdings ganz anders aus.
2.
Begonnen wird sie mit einer merkwürdigen Form der Identifizierung von
Personen.: Rechtsextremismus-Fachleute z.B. vom Verfassungsschutz reisen durch
die Schulen und klären darüber auf, woran man die Rechtsextremisten erkennt.
Man erkennt sie, so wird man aufgeklärt, nicht etwa an ihren Parolen und
Programmen, sondern an ihrem Aussehen; an Kleidung, an Symbolen,
an ihrer Sprache, an ihrer Musik. Vielfach wird auf Codes und Akzidentien
hingewiesen, die auf den deutschen Nationalsozialismus verweisen; SS-Runen, die
Zahlen ”88” ”18” und ”192”.[5]
Den Kids muss man demzufolge nur einen Katalog von Erkennungsmerkmalen
unterbreiten, anhand derer sie seine Träger als Faschisten identifizieren
können, damit sie auf die “Rattenfängern” nicht hereinfallen. [6]
Das ist eine ebenso verbreitete wie geständige Art der ”Auseinandersetzung”.
Sie lebt von der Vorstellung, deutsche Jugendliche würden sich sofort von Neofaschisten
abwenden, wenn sie nur wüßten, wer aus ihrem Umfeld zu den neuen
Rechtsradikalen gehört. Da es dazu offensichtlich einer Art Enttarnung
der Neonazis braucht, scheinen den Verfassungshütern deren politische
Auffassungen fast wie eine Tarnung vorzukommen. Das ”Böse” und
”Ungehörige” neofaschistischer Parolen wird für sie offensichtlich nur
kenntlich, wenn ihre Verkünder getrennt vom Gehalt markiger Sprüche
”demaskiert” werden – eben mit der Deutung auf Springerstiefel, Runen oder
Zahlensymbole. [7]
Die Demaskierung ersetzt hier - zum einen - die politische
Kritik: Wenn eindeutig an Schnürsenkeln und Tatoos identifizierte Neofaschisten
erklären, dass es mit Deutschland wegen der Ausländer bergab geht, dann darf
man ihnen kein Wort glauben. Was ja wohl umgekehrt bedeutet, dass es etwas
völlig anderes ist - z.B. ein Zeichnen von nationalem Verantwortungsbewusstsein
-, wenn anerkannte Demokraten vom Range eines Innenministers dasselbe von sich
geben. Sie gibt damit - zum anderen - zu verstehen, dass aus den Urteilen der
Neofaschisten die hierzulande gewünschte Ausgrenzung – ihre Parolen seien ”ungehörig”,
”gefährlich” und ”unerlaubt”; es handele
sich um die braunen ewig Gestrigen, die nicht zur deutschen
Demokratie passen und Deutschlands Ansehen besudeln - gar nicht zu folgern ist.
Folglich gilt auch jede Auseinandersetzung mit dem neofaschistischen Gedankengut
als überflüssig und vielen sogar als Aufwertung der Rechtsextremen. Dumm
ist nur, wenn sich diese Rechtsextremen
gleich doppelt tarnen, wenn sie zusätzlich zur getarnten Politik auch noch ihr
Outfit tarnen. Die “Nadelstreifenfaschisten” stellen dann ein besonderes
Problem dar: Wie soll man die Nadelstreifen der neuen Faschisten von den
Nadelstreifen eines Schröder, Fischer
oder Stoiber unterscheiden? Da helfen nur noch Steckbriefe – auf die sich
besonders Antifas spezialisiert haben.
Um
die Absurdität dieser Vorgehensweise einmal explizit herauszustreichen: Wer
eine begründete Kritik an den politischen Grundsätzen des
Neofaschismus hat, für den ist es völlig gleichgültig, wie deren Vertreter
aussehen, der muss weder ihren gewöhnlichen Phänotypus noch in der Szene
gebräuchliche Codes studieren. Der muss weder wissen, dass die Vertreter dieser
Grundsätze politisch unter die Kategorie ”neofaschistisch” subsumiert sind,
noch muss er über Kenntnisse des historischen Faschismus verfügen, weil er sich
nämlich weder an der Präsentation der Repräsentanten dieser Grundsätze,
noch an deren Rückgriff auf die NS-Vergangenheit stört, sondern an den in den
Grundsätzen zum Ausdruck kommenden politischen Überzeugungen und Programmatiken.
Die
öffentlich inszenierte Trennung der Demaskierung der Neofaschisten von
der Kritik des Gehalts ihrer Politik setzt sich in einer verbreiteten
Denunzierung der Neofaschisten fort: Es kann sich bei ihnen, so lautet sie, nur
um verwirrte, irregeleitete, dumme Menschen handeln, die obendrein
zumeist aus einem asozialen Milieu kommen. Kurz: Vielen gelten sie als
die “braune Pest”, “rechtes Gesocks”, als “Abschaum eben! Die Konsequenz dieser
Ab- und Ausgrenzung ist eindeutig: Wer dumm und irregeleitet
ist, dem muss man gar nicht erst zuhören. Mit dessen Parolen muss
man sich gar nicht ernsthaft auseinandersetzen. Der ist , weil verwirrt und
ewig gestrig, also realitätsfern, fast schon geistig nicht mehr
zurechnungsfähig, , also krank im Kopf .[8]
Auch diese geläufigen Urteile über Neofaschisten werden benutzt, ohne
dass an den neofaschistischen Parolen
oder Konzepten eine “Dummheit” oder eine an “Verwirrung” grenzende Absurdität nachgewiesen
worden wäre. Allenfalls wird die Ausgrenzung durch Erfolge bei der Fahndung
nach NS-Anleihen oder NS-Verherrlichungen unterfüttert. Da ersetzt dann der
Verweis auf eine antisemitische Äußerung eines NPD-Fraktionärs die Kritik an
seiner neofaschistischer Sozial- oder Familienpolitik. Da gilt dann das “Unwort”
vom ”Bombenholocaust” als Beleg für das ewig Gestrige und macht
es unnötig, die heutige NPD, etwa ihre Wirtschafts- oder Außenpolitik
einer Kritik zu unterziehen.[9]
Eine
Form der Auseinandersetzung, die diese Ausgrenzungslogik fortsetzt, bot vor
einiger Zeit Müntefering, der zu den Wahlerfolgen der NPD klarstellte:
”Verantwortlich für die Wahlerfolge der NPD sind allein die Wähler.
Niemand hat das Recht, aus Protest die Rechtsradikalen zu wählen.” [10]
Hier wird die Ausgrenzung der NPD gleich zum Wählerauftrag erklärt. Was dann
wohl umgekehrt heißen soll, dass alle diejenigen, die diesem Auftrag nicht
nachkommen, gegen demokratisches Recht verstoßen. Merkwürdig ist das schon. Man
soll zugelassene rechtsextreme Parteien nicht nur nicht wählen,
man soll sie gleich nicht wählen dürfen. Wer sich daran nicht hält, hat
eigentlich, so “Münti”, sein Wahlrecht verwirkt. Er hat glatt die Falschen
gewählt.[11]
Da
nun regierende Demokraten bei zugelassener NPD und festgeschriebener
Wahlfreiheit Falsch-Wähler nicht verbieten können bzw. wollen, erwägen
sie erneut, die rechtsextremen Wahlparteien zu verbieten. Dann können
Falschwähler nur richtig oder – was für die regierenden Demokraten immer noch
besser ist – gar nicht wählen. Bekanntlich sind die Demokraten mit ihrem
NPD-Verbotsantrag schon einmal gescheitert, weil als Quellen verfassungsfeindlicher
Äußerungen aus den NPD-Reihen fast mehr Spitzel vom Verfassungsschutz aufgeboten
wurden als echte Rechte. Zusätzlich basteln Demokarten an neuen und
verschärften Verbotsverfahren und Auflagen – Stichwort ”Lex NPD” –, mit denen
unterhalb des Parteienverbots jede störende politische Aktivität verboten
werden kann. So wird der politische Konkurrent kriminalisiert. Neu ist
das wahrlich nicht. Schon immer war es die probate Antwort auf unerwünschte
politische Agitation, (rechts-)radikale Verlautbarungen und Betätigungen unter
Strafandrohung zu stellen. Das Strafgesetzbuch enthält nicht umsonst zu diesem
Zweck diverse Verbots-Paragraphen wie ”Volksverhetzung”, ”Verunglimpfung des
Andenkens Verstorbener”, ”Verbreiten von Propagandamitteln” und ”Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen”.[12]
Aber den Innenministern reicht das nicht. Fleißig entdecken sie im
Versammlungs- und Demonstrationsrecht neue Lücken, die es dringend zu schließen
gilt. Denn diese Rechte, die sind sich alle regierenden Demokraten einig, sind
wirklich nicht für die rechten “Rattenfänger” gemacht.
Leider
beteiligen sich auch Teile der Antifa an dieser Weigerung, sich inhaltlich
mit dem Neofaschismus zu befassen. Gefasst ist dieser Unwille in ihrer Parole
”Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen”. Diese Ausgrenzung setzt
die Kriminalisierung der Staatsschützer als Befund fort: Was Faschisten denken
und sagen, das fällt nicht unter geschütztes freies ”Meinen”, sondern fällt
unter Verbrechen. Und was ist ein Verbrechen? Ein Verbrechen ist der
Verstoß gegen herrschende Rechtsordnung. Die Antifa beruft sich auf die Gewalt
des Rechts - ausgerechnet: wo diese ihr doch selbst gelegentlich übel
mitspielt. Wie die Initiatoren des politischen Verbots plädieren auch sie
dafür, die neuen Faschisten qua Einsatz der Staatsgewalt zu bekämpfen. Klar
doch: Verbrecher gehören aus dem Verkehr gezogen, vertrieben, weggesperrt. Jede
sachliche Auseinandersetzung mit der Politik den neuen Rechtsextremen kann
damit, ja muss damit entfallen.
Die
Logik der Befassung mit der NPD, mit dem Neofaschismus, geht also
folgendermaßen: Demaskierung, Stigmatisierung, Ausgrenzung, Kriminalisierung
und Verbot seiner Organisationen wegen ungehöriger, verbotener,
verbrecherischer politischer Auffassungen.[13]
Das ist die herrschende Form der Befassung mit dem Neofaschismus; so
geht in aller Regel demokratische ”Auseinandersetzung”.
3.
Daraus sind zwei Schlüsse zu ziehen: Erstens zeugt diese Logik von einem
Umgang mit dem politischen Gegner, in welchem sich Demokraten und Faschisten
nichts nehmen. Demokraten handhaben ihre Macht so totalitär
gegen Neofaschisten, wie es die NPD erst anstrebt und wie sie diese
gegen alles, was sie für Links bzw. deutschlandschädlich hält, gern
einsetzen würde. Das ist ein wichtiger Befund: Im Umgang mit dem politischen
Gegner zeichnen sich beide Seiten offenbar durch viel Gemeinsamkeit aus. Zweitens
wird gar nicht erst versucht, die Leute – große wie kleine – mit guter,
überzeugender Kritik von der NPD und anderen Neofaschisten abzubringen. Weder
von den demokratischen Volksparteien noch von den öffentlichen Organen und auch
nicht von der linken Antifa wird der Nachweis erbracht, dass bzw. warum
neofaschistische Parolen und Konzepte falsch und unvernünftig sind.
Beide
Befunde sind bemerkenswert und gar nicht zufällig. Sie führen mich zu meiner
zentralen These: Die etablierten Demokraten - und mit Abstrichen gilt das auch
für die antifaschistischen Demokraten - können die politischen Konzepte
und Parolen von Neofaschisten nicht kritisieren. Denn jede inhaltliche
Kritik würde immer zugleich ihre eigene, ihre demokratisch-kapitalistische
Politik in ganz zentralen Bereichen mit treffen. Um Missverständnissen
vorzubeugen: Es verhält sich dabei, so meine These, nicht so, dass die
Demokraten eine Kritik, die sie haben, nur
unterlassen, um sich mit dieser nicht selber kritisieren zu
müssen. Vielmehr haben sie in den zentralen Bereichen keine Kritik
an neofaschistischer Politik. Sie wissen an vielen Teilen
neofaschistischer Politik nichts anderes auszusetzen, als dass sie von den Falschen
vertreten wird.
Hier
besteht Nachholbedarf. Grundlage meiner Befassung mit den Inhalten dieser Sorte
Politik sind einige Zitate, mit denen sich die NPD in die Kritik der Linken an
Sozialstaatsabbau, Globalisierung und Irakkrieg eingemischt hat. Die Fragen,
denen ich im folgenden nachgehen will, lauten: Wie ist die neofaschistische Kritik
beschaffen, und welche Schlüsse ziehen Neofaschisten aus ihrer Kritik?
2.
Ziele und
Maßstäbe der NPD
2.1. Kritik der Sozialstaatsdemontage
Die
NPD spricht sich gegen Hartz IV aus. Hier der erste Teil einer ihrer
Verlautbarungen:
”Zum 1. Januar 2005 findet der größte Raubbau unserer
Nachkriegsgeschichte statt. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfegeld zum Arbeitslosengeld II werden Arbeitslose zu
Sozialhilfeempfängern gemacht und systematisch in die Armut getrieben.” (NPD Sachsen im Internet)
Diese Aussagen kommen
einem sehr bekannt vor. Sie unterscheiden sich nicht von gängigen linken
Kritiken am rot-grünen Sozialstaatsumbau. Es ist deswegen auch unerfindlich,
was an dieser Erklärung ”verwirrt”, “krank”, ”verbrecherisch” oder ”ewig
Gestrig” sein soll. Gegen den Befund lässt sich erst mal gar nichts einwenden.
Es handelt sich um eine zutreffende Beschreibung resp. Darstellung
der Lage. Nähme man diese Diagnose für sich einmal ernst und würde man
fragen, was aus ihr folgt, dann käme man schnell darauf, dass mindestens so
etwas wie ein Lohnkampf gegen das Kapital und ein Generalstreik gegen die
staatlich flankierende Verarmungspolitik ansteht. Schließlich ist es das
Kapital, dass Leute arbeitslos macht, und schließlich, so wird zutreffend
festgestellt, ist es der Staat, der die Hilfsgelder für jene Lohnabhängigen
kürzt, für die das Kapital keine Verwendung hat. Die NPD zieht jedoch gänzlich
andere Schlussfolgerungen. Teil zwei des Zitats lautet:
”Wir fordern die Rückführung der hier lebenden Ausländer in ihre
Heimat. Jeder beschäftigte Ausländer macht einen Platz für Deutsche frei; jeder
ausländische Sozialhilfeempfänger, der geht, liegt uns nicht mehr auf der
Tasche!”
Eigentlich passen die
beiden Teile dieses Zitats gar nicht zusammen. Teil eins spricht von der
Verschlechterung der sozialen Lage, von Lohnraubbau und Verarmung, nennt
die Täter und spricht die Opfer an, verweist damit auf einen
bestehenden Klassengegensatz. Teil zwei hingegen spricht nur noch von
verschiedenen Nationalitäten. In Teil eins wird die identische
Lage aller hier beschäftigten oder unbeschäftigten Arbeitnehmer
angesprochen: deutsche, türkische oder zentralafrikanische Lohnabhängige haben gemeinsam
Staat und Kapital als ihre Gegner; sind Kollektivopfer der Agenda 2010.
Im zweiten Teil des Zitates werden die Opfer dagegen nicht nur nach ihrer
Nationalität auseinander sortiert. Obendrein werden die ausländischen
Opfer plötzlich zu Tätern erklärt. An ihrer Anwesenheit, an ihrer
miesen Lage als Lohnabhängige soll es liegen, dass so viele deutsche
Lohnarbeiter keine Arbeit haben oder mit ALG II-Almosen abgespeist werden. Nur
weil die Ausländer auch Arbeit brauchen oder haben, auch auf
Sozialgelder angewiesen sind und sie beziehen, sollen sie verantwortlich sein
für die Armut deutscher Lohnarbeiter. Für Rechtsextreme besteht
der Skandal der Hartz-IV-Maßnahmen also darin, dass Ausländer genauso
(schlecht) behandelt werden wie Inländer. Und bezogen auf die Arbeitslosigkeit
heißt das: Nicht dass es sie gibt ist, ist kritikabel, sondern dass es
glatt Ausländer gibt, die nicht von ihr betroffen sind, also
Arbeit haben, während Deutsche arbeitslos sind.[14]
Es wird also gar
nicht an der dem ersten Teil zu entnehmenden Klassenscheidung – Staat und
Kapital stehen den Interessen der Lohnabhängigen gegensätzlich bzw. feindlich
gegenüber – weitergedacht, sondern allein an der nationalen Sortierung
in Inländer und Ausländer. Ein sozialer Missstand wird korrekt benannt,
doch taugt er nur als Material, als Bebilderung für die Anprangerung
eines ganz anderen Missstandes, der für die NPD der eigentliche und viel
weitergehenden ist. Es handelt sich um den Missstand der nationalen
Überfremdung. Dies wird zum Hauptskandal und zugleich zum Grund für
Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, Armut erklärt.
2.2. Globalisierungskritik
Die NPD hat auch
etwas gegen die Globalisierung. Wieder beginne ich mit dem ersten Teil eins
eines Zitates, welchem ihre Kritik der Sache zu entnehmen ist:
”Die Möglichkeiten des Staates, Einfluss auf die Wirtschaft zu
nehmen, werden immer geringer. (...) Neben massivem Sozialabbau fördert die
Globalisierung auch Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzexport.” (Kurzprogramm der NPD)
Auch diese Kritik
kennt man - zum Beispiel von Attac. Diese Gruppierung sieht die Sache genauso.
Und wenn die Neofaschisten noch hinzufügen, die Globalisierung sei heute ein
Werk des Finanzkapitals, findet das in Kreisen der linken Globalisierungsgegner
ebenfalls Beifall. Auch an dieser Erklärung ist das ”Verwirrte” resp. ”Kranke”,
welches neofaschistischem Gedankengut auszeichnen soll, nicht auszumachen. Bis
in den SPIEGEL und die FR hinein lassen sich solche Diagnosen finden.
Allerdings muss
diesmal – im Unterschied zum Urteil der Neofaschisten über den Sozialkahlschlag
- angemerkt werden, dass der genannte Befund den Sachverhalt der Globalisierung
nicht trifft. Deshalb dazu eine kurze Klarstellung: Die Globalisierung ist
nicht das Werk von Multis, mit dem sie demokratische Nationalstaaten entmachten
und denaturieren. Der Weltmarkt aktuellen Zuschnitts ist statt dessen
das Werk der führenden imperialistischen Staaten. Die sorgen mit
Verträgen, Erpressungen oder Kriegen dafür, dass grenzüberschreitend Geschäfte
getätigt werden; dass auswärtiger Reichtum der nationalen Ökonomie zur
Benutzung freisteht und dem Staatshaushalt zu Gute kommen kann. Dafür haben
sich diese Staaten selbst neue Regeln für den internationalen Waren-,
Geld- und Kapitalverkehr gegeben. Dagegen deuten NPD und Attac die Konsequenzen
imperialistischer Staatsmacht als Zeichen nationalstaatlicher
Ohnmacht. Was die G7-Staaten offensiv treiben, ist ihnen nur Zeichen eines
Zwangs, der von (Finanz-) Multis ausgeht, der den Staat in die Defensive treibt
und fehlende staatliche Souveränität belegen soll. Dabei ist gerade der Verzicht
auf Kontrolle z.B. von grenzüberschreitendem Waren-, Geld-, Kapitalverkehr das Resultat
staatlicher Regelungskompetenz. Die Staaten selbst haben Kontrollen
abgeschafft – und führen sie umgekehrt bei Bedarf auch wieder ein, woraus sich
bekannte Wechselspiel von Freihandel und Protektionismus erklärt.[15]
Fragen kann man
trotzdem mal, was aus der im Zitat konstatierten (falschen) Lageschreibung
folgen würde: Erneut wohl ein Kampf gegen die international agierende Macht des
Kapitals, ein internationaler Kampf gegen das kapitalistische
Produktionsverhältnis. Was aber folgert und fordert die NPD? Sie fährt fort:
”Wir fordern: Arbeitsplätze zuerst für Deutsche, Einführung von
Schutzzöllen, Entflechtung der internationalen Konzerne!”
Erneut nehmen sich
die zunächst genannten Schäden der Globalisierung etwas anders aus: Beklagt
wird wieder nur deutsche Arbeitslosigkeit, das Brachliegen der
Arbeitskraft eines Teils des deutschen Volkes wegen ausländischer
Arbeitskraftkonkurrenz. Beklagt wird nicht kapitalistische Ausbeutung,
sondern dass sich die hierzulande wirtschaftenden Kapitale mit auswärtiger
Konkurrenz herumschlagen müssen. Angeprangert wird, dass nicht rein deutsche
Lohnarbeiter von rein deutschen Kapitalen ausgebeutet werden. [16]Gegen
Arbeitslosigkeit hätte die NPD demzufolge umgekehrt kaum noch etwas
einzuwenden, wenn nur keine Ausländer mehr bei deutschem Kapital
beschäftigt wären. Und sie hat nichts gegen Ausbeutung, wenn sie nur rein
deutsch vonstatten geht. Sie hat nichts dagegen, dass der Warenmarkt
eine einzige Attacke auf den Lohn als Kaufkraft, d.h. als Ausplünderung der
Einkommensbezieher organisiert ist, wenn diese Waren nur ”made in Germany”
sind. [17]
Die Forderung der NPD
setzt erneut einen rein nationalistischen Akzent. So wird erstens alles,
was den Kapitalismus ausmacht – Lohnarbeit, Ausbeutung, Akkumulation
etc. – im Prinzip gebilligt, doch zweitens mit einer
entscheidenden Modifikation versehen. Das kapitalistische
Produktionsverhältnis wird unter einen politischen Vorbehalt gestellt.
Dieser heißt: Das gesamte kapitalistische Inventar hat schwarz-rot-gold zu
sein; nicht (bloß) schwarz-rot-gold nützlich, sondern schwarz-rot-gold zu
sein. Gegen den reinen Kapitalstandpunkt der Geldvermehrung
halten die Rechtsextremisten ihren Standpunkt der deutschen Volks-
und Wirtschaftsgemeinschaft. Das Deutsche stellen sie über alle
anderen gesellschaftlichen Lebensziele. Und allein diese patriotische
Gretchenfrage ist es denn auch, die sie an alle Abteilungen der nationalen
Politik und Ökonomie stellen. Nichts gegen Armut und Reichtum, Beschäftigung
und Arbeitslosigkeit, Kapital und Lohnarbeit – nur deutsch muss alles
sein.
Damit bringt die NPD
zum Ausdruck, dass das Geldverdienen, Gewinne machen, Profitmaximierung eben nicht
das Wichtigste im Leben der deutschen Nation sein darf, sondern nur das Zweitwichtigste.
Das Wichtigste hat die Nation selbst, die Zugehörigkeit zu ihr, ihre Reinheit
und ihre weltweite Geltung zu sein. Subsumiert unter diese Prämisse geht der
Kapitalismus voll in Ordnung. Dann dient nationale Politik nicht mehr
dem Kapitalerfolg. Sondern dann steht der Kapitalismus im Dienste
der deutschen Volksgemeinschaft. Das hat der deutsche Staat als
seine vornehmste Aufgabe durchzusetzen, fordert die NPD. Der ganze Kapitalismus
wäre demnach für sie die reinste Idylle, wenn er nur ganz deutsch wäre
und alles Nichtdeutsche ausgrenzen würde. Abbau von Überfremdung - und schon
wäre Ausbeutung, sozialer Arbeitsdienst, Geldmangel etc. ein reiner Segen;
schlicht deshalb, weil er rein deutsch wäre. Jedes materielle Anliegen
gilt der NPD dann als bedient, wenn nur die Ausgrenzung der Fremden
gewährleistet ist und das deutsche Staatsvolk seiner Benutzung in der
Heimeligkeit urdeutschen Ambientes zugeführt wird.
2.3. Kritik am US-Imperialismus
Neofaschisten liefen
auch auf Antikriegsdemos – gegen den Balkankrieg ebenso wie gegen den
Afghanistanfeldzug und den Irakkrieg - auf und sprachen sich gegen die
amerikanische Kriegführung sowie ihre deutsche Unterstützung aus ....
”Die USA führen weltweit Kriege zur Durchsetzung der Interessen der
US-Wirtschaft. Das Schröder-Regime unterstützt die USA bei der Führung von
Angriffskriegen mit Geld und deutschen Soldaten (...).” (Kurzprogramm der NPD)
.... und fahren fort:
”Die NPD fordert: Abzug aller fremden Truppen aus Deutschland,
Austritt aus der NATO; Deutschland muss ein freies Land werden. Europa darf
nicht länger US-Kolonie bleiben.”
Wieder lässt sich
dieselbe Feststellung treffen: Der erste Teil des Zitats kommt einem sehr
bekannt vor. So kann man es auch bei linken Kriegsgegnern lesen. Und ich will
auch erst einmal nichts dagegen einwenden, obwohl in dem Urteil schon ein
falscher Schlag enthalten ist, denn es ist eben nicht so, dass Öl-Multis Bush
das Kriegsprogramm diktieren würden.[18]
Dem zweiten Teil ist
dagegen erneut zu entnehmen, dass die Kritik der NPD am US-Imperialismus gar
nicht den tatsächlichen (Kriegs-) Zwecken und Wirkungen
gilt. Wenn man sich die Blutbäder anschaut, die die letzten US-Kriege
angerichtet haben, dann ist klar, das deren Opfer die afghanische bzw.
irakische Bevölkerung ist. Bei der NPD hingegen ist das Opfer der
imperialistischen Kriege der USA Deutschland, der deutsche Staat. Fragt
sich, wieso, wo dieser doch gar nicht ge- bzw. betroffen ist? Für die NPD ist
Deutschland deswegen das Opfer, weil es angeblich ganz nach der Pfeife der USA
tanzen muss. Am US-Imperialismus kritisieren sie eine deutsche Entwürdigung,
deutsche Unfreiheit, den Verlust deutscher Souveränität. Deswegen folgt aus der
NPD-Kritik am US-Imperialismus natürlich auch kein weltweiter Kampf gegen
imperialistische Anliegen aller Art und jedes Staates, sondern wieder deren nationalistische
Sortierung: Die NPD fordert Freiheit für deutsche imperialistische
Anliegen; Abzug aller nicht-deutschen Truppen aus Deutschland; Abbau aller internationaler
Schranken und die Aufkündigung fast aller internationaler Verpflichtungen, also
freie Fahrt für rein deutsche imperialistische Bestrebungen. Die
NPD ist gegen den Imperialismus der anderen, besonders der stärkeren
Nationen. Sie vertritt einen aus dem
Geiste des völkischen Nationalismus geborenen Antiimperialismus.
Fazit:
Weil die NPD und
andere Neofaschisten tatsächlich eine Kritik am Sozialabbau, an der Globalisierung
und am US-Imperialismus haben, tauchen sie auch auf den Demos gegen
Hartz IV, gegen die Globalisierung und gegen den Irak Krieg auf. Sie
protestieren gemeinsam mit Linken nicht
etwa deswegen, weil sie ”Kreide gefressen” haben und auch nicht, weil sie sich
mit linken Parolen tarnen wollen, um als Demagogen ihre wahren Absichten zu
verbergen. Das wäre auch wirklich absurd: Niemand wirbt für sich mit Parolen,
die im Gegensatz zu eigenen politischen Programmatik stehen. Schließlich
wollen auch die Neofaschisten für ihre Sache und nicht für die Sache ihrer
Gegner gewählt werden. Es verhält sich also nicht so, dass die Neofaschisten
ihr “wahres Gesicht” hinter linken Parolen verbergen. Sie benennen vielmehr
“Missstände”, die es wirklich gibt – Sozialabbau, Arbeitslosigkeit,
Kriege –, und sie teilen zudem die Kritik von Linken an erfundenen
Missständen – der Staat als Opfer der Globalisierung. All dies deuten sie aus
deutsch-nationalem Geist heraus und entdecken allerorts Verstöße gegen das Reinheitsgebot
des völkischen Nationalismus. Allein das ist ihr “wahres Gesicht”: Was ist an
der Arbeitslosigkeit und am ALG II schlimm? Nicht die Sache selbst, nicht dass
die Leute ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, nicht ihre pure
materielle Existenznot, sondern die Überfremdung des deutschen Volkes. Was ist
an der Globalisierung schlimm? Nicht die weltweite Armut und Ausbeutung durch
Multis für die Konkurrenz der Standorte, sondern dass Deutschland über den
Weltmarkt mit ausländischen Lohnarbeitern, ausländischen Waren und
ausländischen Kapitalen überfremdet wird. Was ist an den US-Kriegen schlimm?
Nicht Tod, Elend, Verwüstung und Siechtum in den bekriegten Ländern, sondern
eine Knechtung Deutschlands durch den überlegenen US-Imperialismus und eine
Überfremdung durch imperialistische Anliegen fremder Staaten. Immer stellt der
eigentliche Missstand für sie nur das Material zur Bebilderung eines anderen,
des eigentlichen, des viel schlimmeren dar, dessen Opfer immer wieder nur
Deutschland ist.
Den behandelten drei
Fragen der NPD sind die Maßstäbe, die ihrer Kritik zugrunde liegen,
leicht zu entnehmen.
Der erste
Maßstab lautet: Der deutsche Volkskörper muss vor allem Fremden geschützt
werden, nur so taugt er als Ressource für die deutsche Nation.
Der zweite:
Deutschland braucht eine ganz dem Nationalen verpflichtete Wirtschaft.
Und der dritte:
Deutschland muss jede Bevormundung durch fremde Herrschaft abschütteln und ein
starker souveräner Staat sein.
3.
Wie steht die
Demokratie zu den Maßstäben der NPD?
Angesichts der
demonstrativen Fassungslosigkeit und in Anbetracht der Kriminalisierungsanstrengungen,
mit der die demokratische Politik auf die Erfolge der NPD reagiert, könnte man
schließen, dass die Demokratie sich in ihren politischen Grundsätzen und
Maßstäben ganz prinzipiell von den politischen Anliegen des
Neo-Faschismus unterscheidet. Und so haben wir alle es auch in der Schule
gelernt: Einen größeren Gegensatz als den zwischen Demokratie und Faschismus
soll es im politischen Leben nicht geben. Immer noch behauptet die Demokratie
von sich, sie stelle das einzige Bollwerk gegen den Faschismus, diesen höchsten
denkbaren Grad an Verwerflichkeit dar.
Die Sache verhält
sich, wie sich in der Kritik der neofaschistischen Programmatik bereits angedeutet
hat, anders: Die genannten drei zentralen Maßstäbe faschistischer Politik
stehen auch bei Demokraten hoch im Kurs – auch wenn sie anders umgesetzt
werden als dies die NPD fordert.
3.1. Gemeinsamkeiten
...
Die NPD fordert eine
ganz dem Nationalen verpflichtete Wirtschaft. Doch welcher demokratische
Politiker würde da widersprechen? Keine der Volksparteien will Kapitalgewinne statt
Staatsreichtum, Unternehmerprofite statt Wachstum der nationalen
Wirtschaft. Alle Parteien wollen Kapitalerfolge für nationales Wachstum.
Sie wissen nur zu gut, dass darauf die Finanzierung ihrer Politik basiert. Ein
solider Haushalt ist nun einmal ihre Machtbasis, von der die Ausstattung ihrer
Herrschaft mit einem soliden Gewaltapparat, mit einem soliden Indoktrinations-
und Registrierungswesen, mit konkurrenzfähiger Infrastruktur etc. abhängt.
Die NPD fordert des
weiteren den Schutz des deutschen Volkskörpers vor Überfremdung. Auch hier
stehen die Demokraten den Neofaschisten kaum nach, was den Reden von Schily,
Beckstein, Stoiber, Fischer ebenso zu entnehmen ist wie ihrer praktizierten
Politik. Jedes Ausländergesetz lebt von der Sortierung nach Inländern und
Ausländern, deren immer radikalere Durchsetzung die NPD anmahnt. [19]
Dabei ist der Vorrang der Beschäftigung einheimischer vor ausländischen
Arbeitern, das sog. ”Inländerprimat”, längst demokratisch gesetzlich festgeschrieben.
Vermittels des Schengen-Abkommens hat sich Europa zur Festung ausgebaut, die
sich vor unerwünschten Eindringlingen schützen will. Und wenn die
demokratischen Regenten schon einige Millionen Zugereiste nicht mehr loswerden
können oder wollen – schließlich leisten viele wertvolle Billigarbeit im
Dienstleistungssektor –, dann erlassen sie Integrationsvorschriften, die sich
gewaschen haben. Diese legen an Ausländer Maßstäbe in Sachen Gesetzestreue,
politischer Loyalität, Sprachkenntnisse und Anstand an, an denen die meisten ”reinrassigen Deutschen” scheitern würden.
Schließlich fordert
die NPD die Sicherung der deutschen Souveränität gegenüber der US-Hegemonie.
Hier gilt dasselbe: Die gesamte demokratische deutsche Nachkriegspolitik, die
von Adenauer über die von Brandt und Kohl bis hin zu Schröders
”Friedenspolitik” galt letztlich diesem Ziel: der Wiederherstellung eines
eigenständigen starken Nationalstaats. Heute wird das von Fischer und Schröder
etc. offen ausgesprochen. Sie fordern ”Politik auf gleicher Augenhöhe” mit den
USA. Schröders Vorschläge zur Politisierung der NATO insistieren darauf, dass
die USA sich gefälligst in der NATO regelmäßig mit Deutschland abstimmen soll.
Zudem fordert Deutschland stärkere internationale Anerkennung und ein
etabliertes Mitspracherecht über einen festen Platz im UN-Sicherheitsrat. Schließlich
sei die deutsche Absage an den Irak-Krieg erwähnt: Die war kein Anfall von
Pazifismus. Wie auch, schließlich ist Deutschland nicht generell gegen Krieg.
Krieg ist und bleibt eine ”Option”, wie es so schön heißt; weshalb sich
Deutschland auch im Balkan und in Afghanistan ordentlich militärisch
eingemischt hat. Die Absage an eine Beteiligung am Irak-Krieg war eine Absage,
die alles andere als pazifistisch motiviert war. Sie galt gar nicht dem Krieg,
seinen Zwecken und Auswirkungen, sondern allein der untergeordneten Rolle,
die Deutschland darin spielen sollte. Bloß Befehlsempfänger der
US-Regierung wollte man eben nicht sein! [20]
Von dieser Position aus ließ und lässt sich gut auf Pazifismus machen. Und
leider sind viele Deutsche drauf reingefallen: linke, die den
Friedens-Schröder/Joschka stützen wollten; und rechte, die darin die Preisgabe
wehrhafter deutscher Außenpolitik sahen. Beide hatten und haben unrecht.
Fazit
Von einem politischen
Gegensatz zwischen Faschismus und Demokratie kann also keine Rede sein.
Die drei zentralen Maßstäbe, die die NPD propagiert, werden von Demokraten geteilt.
Mehr noch: Demokraten traten immer schon und treten weiter unter diesen
politischen Maßstäben zur bürgerlichen Herrschaftsausübung an. Folglich handelt
es sich bei Demokraten und Neofaschisten auch nur um zwei Lager derselben
bürgerlichen Politik. Damit ist die Behauptung, dass Demokraten Faschisten
nicht kritisieren können, eingelöst. Denn mit der Kritik der drei
Kernprinzipien (neo-)faschistischer Politik würden Demokraten sich ihr eigenes
politisches Fundament, d.h. die zentralen Zwecke jeder bürgerlichen
Politik bestreiten.
3.2... und
Differenzen
Jetzt stellt sich
natürlich erst recht die Frage, was diese beiden Lager bürgerlich-nationaler
Politik hierzulande derart entzweit, dass das eine das andere am
liebsten verbieten und seine Funktionäre wegsperren möchte. Ihre wechselseitige
Beschimpfung gerät regelmäßig zu einer Feindschaftserklärung, in der die
dargestellte Einigkeit in den Grundsatzfragen nationaler Politik kaum noch
wiederzufinden ist. Rekapitulieren wir: Von der demokratischen Seite erfährt
man, dass die Rechtsextremisten ewig Gestrige sind, die in unserer Demokratie
keinen Platz haben. Es handele sich bei ihnen um Rattenfänger und Populisten,
die verboten gehören. Von der NPD hört man, dass die nationalen
Fehlentwicklungen – Verarmung, Arbeitslosigkeit, Staatsohnmacht – die
katastrophalen Folgen demokratischen Fehlentscheidungen sind, die vom Verrat
an der nationalen Sache, von ihrem Auskauf an fremde, undeutsche
Einflüsse zeugen.[21]
Grund genug, die tatsächlich existierenden Differenzen näher zu
beleuchten. Sie können allein in der Art und Weise liegen, wie beide
Lager den gemeinsamen Zweck betreiben bzw. betreiben bzw. betreiben wollen.
So soll über den
Populismusvorwuf eingeleitet werden, den Demokraten gegen Faschisten erheben.
Dieser Vorwurf ist nämlich so falsch nicht. Was zeichnet denn einen Populisten
aus? Ein Populist ist jemand, der im Unterschied zu einem Demokraten auf alle
Fragen ”einfache Antworten” geben kann und für alle Probleme ”einfache
Lösungen” bei der Hand hat. Was passt den Demokraten daran nicht? Gegen
”einfache” Lösungen, wenn sie denn gehen, könnten man doch nichts einwenden. Im
Gegenteil, wenn es funktionierende Lösungen wären, wären die einfachen den
schwierigen allemal vorzuziehen! Demokraten sehen das anders und stellen das in
der Werbung für ihre Sache auch dar. Sie machen es sich komplizierter.
Den Bürgern stellen sie ihre Politik vom Prinzip her mit einem Ja-Aber, mit
einem Einerseits-Andererseits vor. Einerseits wenden sie sich an die Bürger mit
dem Versprechen, sie würden sich um die Lösung aller existierenden Probleme, um
alles, was den Bürger drückt, kümmern. Andererseits erklären sie den
Volksgenossen, dass die ja nicht glauben dürften, Politiker könnten
einfach alles so lösen, was sie lösen wollen. Einerseits agitieren sie
für den Glauben an die Macht der Politik als Mittel politischer
Interessen, andererseits verweisen sie in der Regel zugleich auf ein Moment der
Ohnmacht ihrer Politik. Sie wollen immer nur das Beste, aber wenn
das nicht herauskommt, dann liegt es, so verkünden sie, nicht zwangsläufig an
fehlender Könnerschaft der Politiker. Sie wollen immer zugleich betonen, dass
die Politik nicht allmächtig ist, dass auch
ihr hier und da ”die Hände gebunden” sind: Sie muss Rücksicht nehmen und
sich anpassen, ihr guter Wille stößt auf lauter Schranken und Sachzwänge, mit
denen sie umgehen muss etc.. Der aktuell in Anschlag gebrachte Renner ist der
Sachzwang “Globalisierung”, der die Staatsmänner bekanntlich zu allerhand
“zwingt”. Die Argumente, dass “wir nun einmal nicht alleine auf der Welt” sind,
dass der “Handel ein wechselseitiges Geben und Nehmen” ist, weshalb man nicht
immer nur Haben wollen und Sieger sein kann, werden von demokratischen
Politikern auch gerne zur Begründung dafür angebracht, dass Drittes bzw. Dritte
dafür verantwortlich sind, wenn die Politik nicht das auf die Reihe kriegt, was
sie will und was sie ihren Bürgern versprochen hat.[22]
Der Populist hingegen
– und insofern trifft der Populismusvorwurf etwas am Faschismus – beruft sich
nicht auf dieses Verhältnis von Wollen und Können, von Macht und Ohnmacht. Er
steht auf dem Standpunkt, dass man das, was man will, gerade, wenn man
es als Staatsmacht will, auch zustande bringt. Sein Credo lautet:
Wozu hat man schließlich die Staatsmacht, wenn nicht dazu,
durchzusetzen, was Politik beschlossen hat. Natürlich – weiß er - muss die Macht
dafür auch ordentlich, d.h. immer mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit
eingesetzt werden Der Populist kennt also nur den ersten Teil der
demokratischen Werbung: Macht ist das Mittel, mit dem sich
die nationale Sache erfolgreich betreiben lässt. Ohnmacht kommt bei ihm
nicht vor. Sie gilt den Populisten als Schwäche bzw. Zeichen fehlenden
Willens, die nationale Sache unbedingt zu betreiben. Populisten verachten
deswegen auch das Sachzwang-Argument, mit dem demokratische Politiker agitieren
gehen. Es gilt ihnen als Indikator für Volksverrätertum.
Nur allzu deutlich
wird daran, dass der (Neo-)Faschismus aus enttäuschtem Nationalismus,
aus von der Demokratie enttäuschtem Nationalismus resultiert. Faschisten wissen
sich einerseits mit den Demokraten darin einig, dass Politik nichts als die Sache
der deutschen Nation zu betreiben hat. Das aber, sagen Faschisten, machen
Demokraten nur inkonsequent. Faschisten ist der Nationalismus der Demokraten
folglich nicht bedingungslos genug..
3.3. Der sachliche
Kern des Streits
Schaut man sich nun
die betriebene Politik der Demokraten etwas genauer an, dann wird
auch der sachliche Kern dieses Streits deutlich: Was treibt Politik
hierzulande, wie wird die nationale Sache auf demokratisch vorangetrieben?
3.3.1. Die Sache ist
eigentlich recht einfach: Deutsche Demokraten haben, wie es sich für sie
gehört, beschlossen, dass die deutsche Nation mit der kapitalistischen
Organisation der Ökonomie voran gebracht werden soll. Für den Erfolg des
Nationalstaats braucht es folglich Erfolge der kapitalistischen
Wirtschaft. Wenn aber die Nation mit den ökonomischen Erfolgen ihrer Wirtschaft
steht und fällt, dann muss staatliche Politik sich auch der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten
des kapitalistischen Wirtschaftens annehmen, sich ihnen aus eigenen, staatsmaterialistischen
Gründen unterwerfen, sprich: sie muss das deutsche Wirtschaftswachstum
nach allen Kräften fördern. Das schließt nun einmal ziemlich viel von
dem ein, was bei Faschisten Bedenken auslöst, es würde nationaler Ausverkauf
betrieben [23]: freier
grenzüberschreitender Kauf und Verkauf, weltweiter Handel und vor allem auch
Verträge mit anderen Staaten. Denn um deren Reichtum nutzen zu können, muss
auch ihnen einiges an Kauf und Verkauf, an Geld- und Kapitalanlage
erlaubt sein. Solange müssen Zugeständnisse vertraglich zugesichert werden, bis
sie durch Konkurrenzerfolge überflüssig werden. All dies erfordert, dass
die deutsche Ökonomie zum wuchtigen Kapitalstandort ausgebaut wird, der
zusätzlich fremdes Kapital in Massen anlockt, das hier und von
hier aus Gewinne macht. Das schließt bekanntlich – das letzte Jahrzehnt
hat es gezeigt – ein, dass den internationalen Konzernen adäquate Bedingungen
für rentable Produktion bereitgestellt werden: billige Löhne, niedrige
Sozialkosten, ein ”reformierter” Arbeitsmarkt mit Niedriglohnsegmenten,
Leiharbeit, Abbau von Schranken in der Frage von Entlassungen und Einstellungen
etc..[24]
Damit zurück zur
Dialektik von Wollen und Können, Macht und Ohnmacht: Das Wollen demokratischer
Politiker und ihr Machteinsatz bewegt sich also – wie dieser kleine Exkurs gezeigt
hat - ganz im Rahmen des Interesses an der kapitalistischen Ökonomie als
dem Erfolgskonzept für die Nation. Und weil das so beschlossen ist,
haben die Verwalter der Nation die Entscheidung über den letztlichen Erfolg
dieser Politik aus der Hand gegeben. Der ist mit dem puren Wollen eben
dort nicht gesichert, wo Konkurrenzentscheidungen privater Unternehmer
und Konkurrenzresultate auf dem Weltmarkt über Sieger und Verlierer
entscheiden. Und wenn Demokraten sagen, dass sie Kapitalismus, sprich: die
Marktwirtschaft wollen, dass sie die Geldherrschaft des Privateigentums wollen,
dann können sie nicht zugleich behaupten,
dass sie keine Arbeitslosigkeit, keine Pleiten, keine
Krisen zulassen würden etc. Wenn sie das Ganze gar imperialistisch, also
weltweit wollen – und anders ist dies Projekt nicht zu haben - , dann
können sie nicht zugleich sagen, dass Standortniederlagen, Verluste
auf dem Weltmarkt, fremden Protektionismus mit der Macht ihrer
Politik unterbinden werden. Dann hängen ihre Erfolge eben immer zugleich von
dem ab, was auswärtige Kapitale in der Konkurrenz zustande bringen und
was andere Mächte in derselben Absicht treiben und aufzubieten
haben Wer die internationale Konkurrenz gewinnt, liegt nicht in der Hand
regierender demokratischer Politiker und ihrer Machtmittel. [25]
Den weltweiten Produktivitätsvergleich des Privatkapitals zulassen und
zugleich deren Erfolg garantieren, so etwas gelingt nur politischen
Sonntagsrednern – und denjenigen, die die imperialistische
Staatenkonkurrenz bereits für sich entschieden haben.[26]
Das Mittel ihrer
nationalen Größe, für das Demokraten sich entschieden haben, der Kapitalismus,
ist eben so gestrickt, dass es zugleich Bedingung und Schranke
des Erfolgs ist. Dies zeichnet ebenfalls Bündnispolitik aus, also alle
internationalen Einrichtungen und Zusammenschlüsse, an denen die NPD immer nur
das ”unfreie Deutschland” entdeckt; also für die EU, die NATO, die WTO etc.,
die lauter zwischenstaatliche globale politische, ökonomische und militärische
Einrichtungen repräsentieren, in denen Deutschlands Regierung ein Mittel für
ihr Anliegen sieht, sich zur Weltmacht aufzubauen. Doch bedeutet die EU, die
ein Zusammenschluss mit dem Zweck darstellt, den USA Konkurrenz machen zu
können, zugleich, dass Deutschland bzw. alle EU-Länder wechselseitig
aufeinander Rücksicht nehmen müssen, dem Nationalismus der Mitgliedsländer
Konzessionen machen müssen, wenn das Vorhaben gelingen soll.[27]
Ebenso verhält es sich bei der NATO: Die NATO ist ein militärisches Großbündnis
unter US-Führung. Um an diesem einzigartigen Drohpotential partizipieren zu
können, muss man es sich gefallen, dass der mit Abstand stärkste “Partner” in
diesem Bündnis, also die USA, die Richtung vorgibt.
Schließlich bleibt
noch die Ausländerfrage. Auch hier liegt ein ähnlicher Sachverhalt vor: Demokratische
Politik betrachtet und behandelt ihre freien, rechtlich gleichgestellten und
mit Privatsphäre ausgestatteten Bürger als Ressource für die nationalen
Anliegen. Als diese freien Bürger können sie über ihre Nachwuchsproduktion nach
eigenen Kalkulationen ganz frei entscheiden. Wenn diese privaten
Kalkulationen nicht mit dem Wollen der Politik übereinstimmen, stellen
Politiker plötzlich fest, dass “die Deutschen aussterben”, dass “wir einen Rentnerberg”
haben, dass ihnen quasi die völkischen Ressourcen auszugehen drohen. Dann
äußern sich Politiker besorgt über “die Entwicklung, dass immer weniger
Deutsche Kinder haben wollen” und rufen zu einer Wertedebatte gegen eine
“lebensfeindliche, zukunftsverneinende und egoistische Tendenz in unserer
Gesellschaft” auf (Schily). [28]
Da sie niemanden zum Kinder kriegen zwingen können, versuchen sie mit
Moral und Kindergeld, ihren Bürgern schmackhaft zu machen, Nachwuchs zu
produzieren.[29] Dennoch
bleibt es dabei: Wie viel an Volks-Ressource jeweils zur Verfügung
steht, das hat demokratische Politik nicht in der Hand.
Dennoch – und jetzt wird Ausländerfrage gestellt - haben
Demokraten nicht vor, den deutschen “Volkskörper” mit all jenen Menschen
anzureichern, die draußen vor der deutschen Tür stehen und hinein wollen. Dabei
wären sie rein unter Nutzengesichtspunkten betrachtet als Arbeitskräfte, als
Einzahler in Renten- und andere Kassen und als Familiengründer durchaus
brauchbar. Doch das reicht auch Demokraten nicht. Auch sie treibt die
rassistische Sorge um, was wohl bei einem neuen Ausländerzustrom aus dem
deutschen Volkskörper und aus der deutschen Leitkultur werden würde. Ausländer,
so heißt eben ihr prinzipieller Verdacht, bringen deutsche Lebensart, Ordnung
und Kultur durcheinander, da es sich bei ihnen um Elemente handelt, die einer fremden
Herrschaft unter- und ergeben sind. Heute würde so etwas - und zwar quer durch alle Parteien in Regierung und
Opposition - als ein Rückfall hinter die überwundenen, weil gerade unter
Berufung auf und unter Benutzung von ”islamistischen Terrorsumpf” für
gescheitert erklärten Multi-Kulti-Zeiten gelten.
Vielleicht macht die
Politik mal für begrenzte Zeit eine Ausnahme von ihrer Regel des prinzipiellen
Verdachts, den Demokraten ebenso wie Neofaschisten gegen Ausländer hegen und
holt sich unter rein ökonomischen Nutzenkriterien Ausländer als
Arbeitskräfte ins Land. Wenn die dann nicht wieder gehen wollen, stellt die
Politik neue Kalkulationen an und sortiert die Ausländer neu durch. Die einen
wirft sie mit Gewalt hinaus – so die Ausländerpolitik ab 1975 -, einige, die
sich hierzulande derart bewährt und so sehr assimiliert haben, dass sie sich
von den Urdeutschen nicht mehr unterscheiden, werden evtl. den Ressourcen des
nationalen Volkes zugeschlagen.
3.3.2. Nun zur NPD.
In allen Abteilungen – der Wirtschafts-, Sozial-, Außen- und Ausländerpolitik –
steht sie dagegen auf dem rigorosen Standpunkt, dass es nicht sein kann
bzw. nicht sein darf, dass die eingesetzten Mittel – Kapitalismus, Volk
als Ressource und nationale Souveränität mit ihren Gewaltinstrumenten – nicht
den gewünschten Erfolg garantieren. Den Kapitalismus wollen auch
sie, aber sie wollen ihn ohne Arbeitslosigkeit und Pleiten, ohne
auswärtiges Kapital, ohne ausländische Waren und Arbeitskräfte.
Weltweite Erfolge nationaler Souveränität wollen auch sie, aber ohne
die Unterwerfung unter die Staatenkonkurrenz, ohne das Eingehen von
Bündnissen, die immer auch Verpflichtungen gegenüber den Verbündeten
einschließen. Das Volk wollen betrachten auch sie als nationale Ressource, aber
sie wollen es ohne Anleihen auf dem weltweiten Arbeitsmarkt, ohne
die Benutzung ausländischer Arbeitskräfte, ohne die “Verunreinigung” des
deutschen Volkskörpers zum Einsatz bringen.[30]
Damit ist der
zentrale sachliche Kern der Differenz zwischen neofaschistischer und demokratischer
Politik benannt: Faschisten idealisieren die Freiheit politischer Macht.
Für sie ist die Macht identisch mit der Freiheit zur Durchsetzung
ihres politischen Willens; sie gilt ihnen grenzenlos und unbedingt. Faschisten
sind deshalb Extremisten, Fanatiker der Souveränität ihrer Macht
und bestehen auf der Identität zwischen Wollen und Können,
Absicht und Ergebnis ihrer Politik. Demokraten setzen dagegen auf
den Realismus der politischen Macht, nicht aus Bescheidenheit, sondern
aus der Kenntnis der Bedingungen heraus, die sie gerade als ihre Erfolgsmittel
für sich einsetzen. Ihr Realismus schließt die Kenntnis darüber ein, dass sie
es mit Schranken dieser eingesetzten Mittel zu tun bekommen. Sie wissen, dass
sie, wenn sie Kapitalismus, Volk, EU und NATO als Mittel ihrer Weltmacht
einsetzen wollen, dann auch dafür Sorge tragen müssen, dass diese
Mittel funktionieren, weshalb sie sich eben deren Gesetzmäßigkeiten unterwerfen
müssen. Und das bedeutet – wie gesagt -, dass sie das Wirtschaftswachstum
befördern, das Arbeitslosigkeit, Pleiten und Krisen einschließt, und das bedeutet
auf Souveränitätsfortschritt zu setzen, der ohne Souveränitätsrelativierung
nicht zu haben ist.
Facit: Es geht beiden Fraktionen um den Erfolg
der nationalen Sache, beide setzen dafür auf dieselben
Instrumente: Kapitalismus, Volksressource, nationale Souveränität. Doch im Einsatz
dieser Instrumente unterscheiden sie sich: Demokraten lassen sich auf
die Logik der ökonomischen Interessen ein, wissen, dass sie das müssen,
wenn sie Erfolg haben wollen und nehmen dafür in Kauf, dass sie dessen
Aufgehen gerade nicht in der Hand haben. Das ist der erfolgsorientierte
Realismus demokratischer Politik.[31]
Faschisten hingegen wollen mit dem nationalistischen Vorbehalt, unter
den sie den Einsatz dieser Mittel stellen, ernst machen. Sie wollen dem
Kapitalismus seine unbedingte nationale Nützlichkeit notfalls gegen seine
ökonomischen Gesetze aufzwingen. Und in diesem ihrem Idealismus - Macht ist
die Erfolgsgarantie - gehen sie sehr rigoros mit den Erfolgsmitteln um,
so rigoros, dass sie darüber schon mal dem Kapital ihre nationale Raison
aufzwingen; etwa indem sie für Arbeitsplätze sorgen, die das Kapital nicht
eingerichtet hätte, oder indem sie dem Kapital die Produktion bestimmter Waren
aufzwingen, die ihm seine eigene Profitkalkulation nicht diktiert hätte.[32]
***
Soweit Einiges zum
theoretischen Begriff von Demokratie und Faschismus, der Identität von und der
Differenz zwischen beiden Herrschafts- und Politikformen. Ich könnte hier
Schluss machen mit meiner Kritik, denn geklärt ist, warum Demokraten die
(Neo-)Faschisten nicht kritisieren können. Allerdings steht die Einlösung der
zweiten Behauptung noch aus: Warum wollen sie diese (neo-)faschistischese
Konkurrenz um die bürgerliche Machtausübung unbedingt verbieten? Die
Behauptung wird, obwohl sie sich auf aktuelles Material stützen kann,
inzwischen sogar immer fragwürdiger, da die gemeinsamen nationalen Anliegen
beider Fraktionen einen ganz anderen Schluss nahelegen würden.[33]
Vielleicht hilft es weiter, sich einmal die Frage zu stellen, wie die
faschistische Machtausübung heute aussähe.
4.
Wie sähe
faschistische Machtausübung heute aus?
Eine Antwort auf
diese Frage wäre mit Sicherheit falsch. Wer den Hitler-Faschismus von 1933-1945
schlicht auf das Jahr 2005ff übertragen will, also KZ’s für Türken, Farbige und
Linke, Umstellung auf Kriegswirtschaft und Vorbereitung des dritten Weltkriegs
prognostiziert, gibt zu verstehen, dass er die mörderischen Besonderheiten des
historischen Faschismus zwischen 1933 bis 1945 für ihren Begriff hält.[34]
Dass faschistische Politiker nicht mitbekommen würden, dass ihr geliebtes
Deutschland heute ziemlich anders dasteht als das Deutschland von 1933,
wird man vergessen können – so “ewig gestrig” sind die nämlich gar nicht.
Machen wir einen knappen Vergleich: 1933 lag Deutschland – immer gemessen an
seinen eigenen imperialistischen Maßstäben - noch am Boden; 15 Jahre nach
Kriegsende war es politisch, ökonomisch, national und international entkräftet,
Versailles war noch in Kraft, Reparationen mussten bezahlt und Gebiete
abgetreten werden. Die Weltwirtschaftskrise war gerade vorbei und
kommunistische Arbeiterbewegung und Klassenkämpfe mischten die Weimarer
Republik auf. Die 60 Jahre zwischen 1945 und 2005 sind dagegen eine einzige Erfolgsgeschichte
– wenigstens für Anhänger des deutschen Nationalstaates: Die
deutsch-deutsche Teilung ist Geschichte, die ehemalige DDR ist annektiert; mit
der DM hat Deutschland es zu einer ökonomischen Großmacht und darüber zu einer
führenden Nation in der EU sowie in der Gruppe der G7 gebracht. Deutschland hat
die EU auf den Euro, als einen mit dem Dollar konkurrierenden Weltgeld
verpflichtet, ist weiterhin Exportweltmeister und deutsches Wort gilt weltweit.
Inzwischen ist Deutschland auch längst wieder Militärmacht bzw. partizipiert an
der Schlagkraft der NATO. Klassenkämpfe gibt es nicht, es herrscht der “soziale
Friede”, sprich: der Klassenkampf ist einseitig und zwar mit Hilfe der
Gewerkschaft gegen die Arbeiterklasse entschieden. Und auch der internationale
Kommunismus ist als Weltmacht und leider auch weitgehend als nationale Bewegung
besiegt.
So ist die Lage; und
diese Erfolgsbilanz der Nation ist Faschisten nicht entgangen, weswegen
es nicht verwundern darf, dass sie in ihren Programmen – siehe NPD, DVU, Reps –
in der Kritik der politischen und ökonomischen Erfolgsmittel, die die
Demokraten zum Einsatz gebracht haben, inzwischen durchaus etwas
zurückhaltender geworden sind. Sie sehen sich nämlich vor die Frage gestellt,
ob sie ihren national-moralischen Rigorismus – alles Undeutsche zerstört
Deutschland und weiht die Nation dem Untergang – mitsamt ihrem Idealismus der
Freiheit politischer Macht über die offensichtlich doch ziemlich
funktional und vor allem erfolgreich eingesetzten Mittel des demokratischen
Kapitalismus stellen wollen, oder ob sie nicht dem Realismus der Macht, den die
herrschenden Demokraten pflegen, Konzessionen machen müssen – und zwar wegen
seines offenkundigen Erfolges.[35]
Die Antwort auf die
Frage, was Faschisten heute mit der Macht anfangen würden, hängt also immer
auch von ihrer Einschätzung der Lage der Nation ab, die sie vorfinden.
Es liegt auf der Hand, dass Faschisten sich in einer Erfolgsnation die
Beschäftigungsfrage anders vorlegen als in einer Nation, die nach einer
Weltwirtschaftskrise schwer am Boden liegt. Heute müssen sie sich die Frage
stellen, ob das Motto “Alle Deutschen an die Arbeit” die Nation wirklich
stärkt, wo es doch Deutschland mit steigenden Arbeitslosenzahlen zur
ökonomischen Weltmacht gebracht hat. Auch wird sich ihr Motto, “der Unternehmergewinn hat dem
deutschen Volk zu dienen”, angesichts der Tatsache, dass es Deutschland als
Nettozahler in der EU zum Exportweltmeister gebracht hat, eine Überprüfung
gefallen lassen müssen. Es darf also nicht verwundern, dass beispielsweise die
Anträge der NPD im sächsischen Landtag erstens konstruktiv sind und – zunächst
einmal – gar nicht faschistisch klingen. Da will die sächsische NPD z.B. die
Familienpolitik nicht auf den Kopf stellen, sondern nur das Landeserziehungsgeld
erhöhen, will sie die Unternehmensgewinne nicht konfiszieren, sondern die
Ausgaben zur Rettung sächsischer Unternehmen verdoppeln, nicht
Arbeitsdienste einführen, sondern Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verstärkt
fördern usw. Und wenn nicht der sog. ”Bombenholocaust”-Skandal inszeniert
worden wäre, wäre niemandem aufgefallen, dass da eine neofaschistische Fraktion
sitzt. Mit dem Verzehr von Kreide oder
Tarn- und Täuschungsmanövern hat das nichts zu tun.
Studiert man
zusätzlich die Programme der NPD, dann stellt man fest, dass sie weder der
Öffnung der nationalen Ökonomie zum Weltmarkt eine generelle Absage erteilen – ”Der
internationale Handel ist eine notwendige Ergänzung(!) der heimischen
Wirtschaftsbasis,...” - , noch dass sie das kapitalistische Gewinnprinzip
ganz nationalen Gesichtspunkten unterwerfen wollen – ”Die im
kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftssystem florierende schrankenlose (!)
Vermehrung des Geldkapitals durch Subventions-, Steuer-, Kredit- und
Zinsprivilegien muss eingedämmt(!) werden.”. Sie befürworten weder ein
Programm, das allen Deutschen sofort Arbeitsplätze verschafft, damit die
(deutsche) Arbeitslosigkeit aufhört – ”Jeder Deutsche hat das Recht auf
Arbeit. Arbeitsplätze sind zuerst(!) an Deutsche zu vergeben.”-, noch
erklären sie das ”raffende Finanzkapital” zu einer Deutschland zersetzenden
Macht (s.o.) Weder wollen sie aus der EU austreten – ”Grundlage einer
europäischen Neuordnung muss das Bekenntnis zum nationalstaatlichen
Ordnungsprinzip sein....So kann es gelingen, das ‚EU-Europa‘ durch ein Europa
der Völker(!) zu ersetzen....”[36]-,
noch erteilen sie militärischen Bündnissen eine bedingungslose Absage – ”Deutsche
Streitkräfte dürfen nicht Mittel internationaler Großmachtpolitik sein. Daher
fordert die NPD den Austritt aus der NATO und die Schaffung eines
gesamteuropäischen (!) Sicherheitssystems.”. Sie relativieren ihren
nationalistischen Rigorismus und machtpolitischen Idealismus an den sichtbaren
Erfolgen, den der demokratische Kapitalismus der deutschen Nation
eingetragen hat; ohne dabei den Verdacht ganz aufzugeben, Demokraten seien
Vaterlandsverräter.
In einem Punkt werden
sie denn auch immer wieder fündig und in diesem Punkt bleiben sie auch ziemlich
radikal. Der betrifft die Ausländerfrage: ”Die deutsche Volkssubstanz muss
erhalten bleiben!” (...) ”Ausländern ist die Rückkehr in ihre Heimat zu
erleichtern.” – heißt in diplomatische Fassung ihrer ungebrochenen
Abschiebeforderung. So schwer sich Faschisten tun, in Sozialpolitik, in
Wirtschaftspolitik, in Außenwirtschaftspolitik, in Bündnis- und Militärpolitik
Beweise für den nationalen Untergang zu finden, den demokratische
Politik betreibt, in der Ausländerfrage versuchen sie weiterhin das
Abgrenzungsmaterial zu finden. Doch selbst da fällt es ihnen gar nicht
unbedingt leicht, an der demokratischen Ausländerpolitik den Ausverkauf
Deutschlands und die Gefährdung der deutschen Volkssubstanz immer wieder ausfindig
zu machen. Zu eindeutig ist das Interesse der Demokraten selbst, den Volkskörper,
wenn zwar nicht rein deutsch, so doch für rein deutsche Ziele
funktional zu halten.[37]
Zwischenfazit:
Der Faschismus an der
Macht ist nicht die Wiederholung der Hitlerei und schon gar nicht die
Wiederholung jener reduzierten Vorstellung von Hitlerei, die unter
Faschismus allein den Holocaust und den (verlorenen) 2. Weltkrieg versteht.
Faschisten an der Macht bzw. in der Vorbereitung auf die Teilhabe an der Macht
nehmen natürlich Bezug auf die Erfolgs- oder Misserfolgslage der jeweiligen
Nation und wissen um die Notwendigkeit, daran ihre Politik auszurichten. [38]
Gründe für die Verbotsvorhaben und Ausgrenzungsbeschlüsse der Demokraten sind
also immer noch nicht zu entdecken.
Obendrein gilt es in
diesem Zusammenhang eine weitere politische Entwicklung zu konstatieren, die es
im Einzelfall praktischer Politik und besonders bei ihrer öffentlichen
Darstellung noch schwerer macht, zwischen demokratischer und faschistischer
Politik jene Differenz ausfindig zu machen, die den deutschen Demokraten
einen Grund für all jene Vorkehrungen zur Ausschaltung der NPD liefert, die sie
beschließen und debattieren. Während nämlich die NPDler heute Konzessionen an
den Realismus demokratischer Erfolgspolitik machen und sich einsichtig zeigen,
dass es ganz ohne EU, Militärbündnisse, Weltmarkt, Wachstum als Ziel und
Arbeitslosigkeit nicht geht, bauen ganz umgekehrt die regierenden und
opponierenden demokratischen Volksparteien zwecks Absicherung und Ausbau
imperialistischer Erfolge Deutschlands in der Welt ihren Standort derart rigide
zum nationalen Instrument imperialistischer Konkurrenz um, dass gelegentliche Anleihen
bei der Praxis und erst recht bei der Argumentation faschistischer Politik
unübersehbar werden. Demokraten propagieren ihren Nationalismus heute ganz
offen, wo die Republik mit ihrer Erfolgsgeschichte die materielle Grundlage für
ihren praktischen Nationalismus gelegt hat: Deutschland, heißt es, ist wieder
wer und will das auch sein dürfen; schließlich hat es nach 60jähriger
Entschuldigung ja wohl auch moralisch ein Recht drauf. Das Volk wird ganz offen
nur noch als nationale Ressource behandelt, als Dienstleister an der nationalen
Sache. Das Volksverarmungsprogramm der Agenda 2010 liefet dafür den eindrucksvolle Belege. Im Wahlkampf im
Herbst des Jahrs 2005 wird unverhohlen damit für die eigene Partei geworben,
dass das Volk sich auf noch mehr ”Grausamkeiten” einstellen müsse, die einfach
notwendig seien, um Deutschland wieder aus der “größten nationalen Krise der
Nachkriegszeit” (Koch) herauszuführen. Eine Volkskontrolle als Schutz gegen – islamistische
- Feinde des westlichen Systems ist flächendeckend installiert; die
Notstandsgesetze werden zeitgemäß ergänzt [39],
gegen undeutschen Islamismus und Kopftücher wird strafrechtlich vorgegangen und
die demokratische Leitkultur ist verbindlich gemacht. Die Gewerkschaften sind
vor die Alternative gestellt, mitzumachen oder entmachtet zu werden. Die
Familienpolitik liebäugelt damit, jenen, die deutschen Nachwuchs produzieren,
über das Familienwahlrecht eine Art demokratisches Mutterkreuz zu verleihen und
mit Hartz IV sind längst Beschäftigungsformen eingeführt, die der Form nach an
den Arbeitsdienst erinnern.
5.
Warum Demokraten
Neofaschisten nicht kritisieren, sondern nur verbieten können.
Es bleibt dabei.
Demokraten haben an neofaschistischer Politik, an neofaschistischer Programmatik
und deren Maßstäben einfach nichts zu kritisieren. Sie entdecken den falschen
Gehalt dieser Politik nicht, weil sie deren Grundsätze, dass Deutschland eine
dem Nationalen verpflichtete Wirtschaft, einen von störendem Fremden
gereinigten Volkskörper und den Ausbau nationaler Souveränität braucht, teilen. Auch daran, dass NPD und
Demokraten diese Prinzipien durchaus unterschiedlich verfolgen, machen
Demokraten heute die Ausgrenzung und Kriminalisierung der Faschisten nicht
fest. Eher schon entdecken sie in Grundsätzen der NPD – das Gewinnprinzip
hat sich dem Nationalen unterzuordnen, in Sachen Überfremdung
darf es keine Ausnahmen geben und Bündnisse schwächen Deutschland
– Varianten bürgerlicher Politik, die ihnen aus ihrer innerdemokratischen
Konkurrenz bzw. deren moralischer Überhöhung in Wahlkämpfen bekannt sind; in
der regelmäßig neu aufgelegten
Patriotismusdebatte bezichtigen sich demokratische Politiker selbst
wechselseitig des Verrates an der nationalen Sache und hetzen, dass die
Programmatik der jeweils anderen Parteien den Ausverkauf Deutschlands bedeute.
So ist das einzige
Feld, auf dem die Demokraten die NPD überhaupt noch als Partei der neuen
Faschisten identifizieren, der Gegensatz in der Traditionspflege, der
Gegensatz in der Vergangenheitsbewältigung. Wenn Faschisten Hitlers
Geburtstag feiern, wenn sie den Holocaust leugnen, ihn in der Bombardierung
Dresdens entdecken oder wenn ihre Bodyguards aus der Skinheadszene sich auf
einem jüdischen Friedhof austoben, dann verlangt die aufgeregte Öffentlichkeit,
was Politikern ohnehin vorschwebt: die Zerschlagung, das Verbot der rechtsextremen
Gruppierungen etc.
Worin besteht nun der
Gegensatz in der Traditionspflege? Es ist dies ein Feld, auf dem regelmäßig die
Selbstdarstellung der Politik stattfindet. Es handelt sich folglich
nicht um eines jener Felder, auf dem politische Interessen praktisch
verfolgt werden. In der Abteilung ‚Traditionspflege’ geht es den Demokraten darum, weiterhin regelmäßig Scham über und
Schuld an den Verbrechen des NS-Regimes zur Schau stellen, um aus dieser
demonstrativen, heuchlerischen Pflege ihrer Verantwortung für “das Geschehene”
ihren neuen, sauberen Nationalismus zu begründen. Dies folgt der
Logik, die besonders die Grünen beherrschen: “Wir können stolz
auf eine Nation sein, die sich seit sechzig Jahren schämt.” Eben weil
Deutschland sich seit sechzig Jahren schämt, weil Deutschland seine
Vergangenheit weder verleugnet noch schönredet, deshalb – so weiß man
spätestens seit Fischers Begründung für die Teilnahme am Kosovo-Krieg gegen
Serbien - ist das heutige Deutschland dazu prädestiniert, weltweit gegen
Tyrannei und Despotie vorzugehen. Die deutsche Buße für Auschwitz besteht nach
dieser Logik darin, dass Deutschland den moralischen Auftrag besitzt, alle
Völker von Diktaturen zu befreien. Aus der öffentlich zelebrierten
demokratischen Vergangenheitsbewältigung, mittels derer Deutschland sich selbst
dauerhafte Verantwortung für die Taten des NS-Regimes zuschreibt, leitet es
seine gegenwärtige und zukünftige weltweite Verantwortung, seine Pflicht zum
weltweiten Engagement ab. Was ursprünglich einmal für die Beschränkung
deutschen Machtgebrauchs stand – weil Deutschland in der Vergangenheit so
schlimme Erfahrungen mit Krieg gemacht hat, deshalb soll nie wieder Krieg von
deutschem Boden ausgehen – taugt heute als ideologische Begründung für die Entschränkung
deutschen Machtgebrauchs: Weil wir so schlimme Erfahrungen mit Krieg gemacht
haben, sind wir dazu verpflichtet, bei Greueltaten in anderen Staaten nicht
bloß zuzusehen und diplomatisch zu intervenieren, sondern auch militärisch
einzugreifen. Deutsche Demokraten instrumentalisieren auf diese Weise
die NS-Vergangenheit und ihre Bewältigung in der Außenpolitik dafür, die
Durchsetzung ihrer eigenen nationalen Interessen moralisch zu legitimieren.
Deswegen kann es nicht verwundern, dass sie ihrer moralischen
Selbstverpflichtung allein dort nachkommen, wo sie sich an der Machtausübung
fremder Herrschaften stören. Nach der intendierten Lesart dienen deutsche
Militäreinsätze dann nicht dafür, nationale Interessen, die Deutschland
in der Gegenwart durchsetzen will, zu realisieren, sondern sie stehen
für eine moralische Pflicht, der Deutschland wegen seiner Vergangenheit
nachkommen muss. Die Öffentlichkeit soll sich über diese Tour
einleuchten lassen, dass Kriege nicht geführt werden, um konkurrierende, den
eigenen imperialen Anspruch beschränkende bzw. durchkreuzende politische
Souveräne auszumerzen, sondern um deren Völker qua Bombeneinsatz zu beschützen
und zu befreien.
All dies geht den
Nationaldemokraten schwer gegen den Strich. Diese durchaus knifflige Form der
Vergangenheitsbewältigung, die aus negativem
Nationalismus ein neues nationales Aufbruchsprogramm ableitet, verstört
alle schlichteren nationalen Demokraten zutiefst. Denn de sehen nicht ein, wie
man auf eine Nation stolz sein kann, die man selbst so abgrundtief schlecht
macht, die man selbst eines fürchterlichen und sogar singulären Verbrechens
bezichtigt. Ihnen leuchtet nicht ein, wie gerade aus dem Eingeständnis
vergangener Verbrechen gegenwärtige Rechts- und Machtansprüche
abgeleitet werden können. Neofaschistische Attacken gegen diesen vom
Nachkriegsdeutschland berechnend betriebenen ”Schuldkult” treffen also
durchaus einen in der Bevölkerung vorhandenen Nationalismus. Sie kommen damit
an und nehmen jede Gelegenheit wahr, ihn anzuprangern. Nationale Demokraten, ob
organisiert oder nicht, mögen sich nämlich mit diesem umgekehrten Nationalismus
partout nicht anfreunden, sondern halten daran fest, dass ein Deutscher auf
Deutschland stolz sein kann und betonen wider die herrschenden Maßstabe von
political correctness, dass der nationalsozialistische Rechtsvorgänger durchaus
noch hier und da als Vorbild für die deutsche Sache gelten kann. Und damit,
besser: allein damit handeln sie sich jede Menge Ärger ein.
Allein die Angriffe
der NPD auf diese verzwickte, aber ziemlich erfolgreiche Art und Weise
nationalmoralischer Selbstdarstellung der demokratischen Republik sind
es, der immer wieder Anlass zu öffentlicher Aufregung geben und als Begründung
für Ausgrenzungen und zu Verbotsanträgen herhalten müssen. Das ist insofern
recht paradox, als die Heftigkeit der politischen und öffentlichen
Reaktion auf entsprechende “Vorfälle” – vgl. das “Bombenholocaustheater” [40]
- in keinem Verhältnis zu irgend einem tatsächlich angerichteten politischen
Flurschaden steht. Nirgendwo gerät dadurch in Wirtschaft und Politik wirklich
etwas durcheinander. Deswegen und weil von dieser Sorte Selbstdarstellung
Deutschlands Stellung in der Welt längst nicht mehr abhängt [41]
– zu irreversibel hat sich Deutschland inzwischen in der Welt als Macht
etabliert - , dienen Verbots- und ähnliche Maßnahmen auch nicht in erster Linie
dazu, braune Flecken von der blütenweißen Weste der Vergangenheitsbewältiger zu
waschen. Die Sache ist wohl schlichter: Sie wollen sich vor allem eine unerwünschte
Konkurrenz vom Halse schaffen; eine Konkurrenz, die bei noch größeren
Erfolgen einerseits die sorgsam eingerichteten und zwischen den etablierten
Parteien aufgeteilten demokratischen Machtverhältnisse im Innern durcheinander
bringen würde; und die damit andererseits - und zwar zur Unzeit [42]-
die Debatte über die vorläufig demokratisch entschiedenen Grundprinzipien und
Erfolgswege aktueller deutscher Innen- und Außenpolitik neu entfachen würde. So
wird denn die “Keule” der erfolgreichen Vergangenheitsbewältigung in der
Innenpolitik – die Dienste, die sie in der Außenpolitik spielt, sind
gerade erwähnt worden - in erster Linie in Anschlag gebracht, um die
Konkurrenten um die Staatsmacht nach erlaubt und unerlaubt, nach anständig und
unanständig, nach nützlich und störend durchzusortieren. Der staatsoffizielle
Antifaschismus taugt dafür übrigens ebenso sehr wie der für diese Zwecke immer
noch brauchbare Antikommunismus.
Demokraten und NPD
sind neue Konkurrenten um Dasselbe, um die Erringung der
Macht im bürgerlichen Staat. Der ist fest in den Händen der etablierten
demokratischen Parteien, die sich einig sind im deutschen Weg zur Weltmacht.
Und da soll er auch bleiben. Deshalb erklären Demokraten den Neofaschisten die Feindschaft
und setzen die Machtmittel, über die sie verfügen, dafür ein, die NPD und
andere als Störung der eingerichteten politischen Ordnung in Deutschland
eingestufte politische Gruppierungen - so oder so oder so - auszuschalten.[43]
[1] Der Text ist die überarbeitete Fassung einer Vortragsabschrift.
[2] In der Debatte des niedersächsischen Landtags über das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg bezeichneten NPD-Fraktionäre den Luftangriff der Alliierten als ”Bombenholocaust” und bekundeten: "Mit dem heutigen Tag haben wir auch in diesem Parlament den politischen Kampf gegen die Schuldknechtschaft des deutschen Volkes und für die historische Wahrhaftigkeit aufgenommen". Demokraten ließen daraufhin prüfen, inwieweit diese Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen und forderten die Indemnität für NPD-Abgeordnete. Die Staatsanwaltschaft Hamburg befand die Verwendung des Begriffes ”Bomben-Holocaust” als Bezeichnung für die alliierte Bombardierung Dresdens allerdings nicht für strafbar, wenn auch moralisch für höchst verwerflich.
[3] Die ”Jungen Nationaldemokraten”, eine Jugendorganisation der NPD, stellten ihren 8. Mai Aufmarsch unter das Motto ”60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult.” Berlins Innensenator Kröning vertrat sogleich die rechtliche Einschätzung, dass eine Veranstaltung, die ”die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verhöhnt, nicht zulässig sei”, weshalb man prüfen müsse, inwiefern diese Aktion verboten oder mit rechtlichen Auflagen versehen werden könne.
[4]Der Sache nach ist die sog. Lex NPD eine Verschärfung in Sachen Versammlungsfreiheit, die nicht nur Rechtsextreme betrifft. Denen wurden vom Berliner Polizeipräsidenten Auflagen hinsichtlich ihrer geplanten Demo zum 8. Mai erlassen; insbesondere wurde ihnen verboten, ihren Aufzug am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vorbei zu führen und ihre Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor vorzunehmen.
[5] Die 88 steht hier für die doppelte Nennung des achten Buchstabens im Alphabet und bedeutet ”Heil Hitler”, die 18 hat in dieser Logik die Bedeutung ”Adolf Hitler” und die 192 signalisiert ”Adolf is back”.
[6] Das nimmt geradezu aberwitzige Formen an. Jugendlichen wird explizit erklärt, dass sie Rechte schon erkennen, bevor – also ohne dass – sie den Mund aufmachen, an ihrem Outfit nämlich. Zur Identifizierung wird ihnen vermittelt, welche Textilmarken Neofaschisten favorisieren; die englischen Textilmarken Consdaple, Pittbull oder ”Lonsdale” – wegen der Buchstabenkombination ”nsda”; sie müssen Schnürsenkelkunde betreiben, um rechtsextreme Unterabteilungen identifizieren zu können etc. In diesem Hinsicht mutet es fast schon widersinnig an, dass die Berliner Versammlungsbehörde den Neofaschisten auf ihrer 8. Mai Demo die Einhaltung einer Kleiderordnung gebot; keine Springerstiefel, keine Schuhe mit Stahlkappen, keine Bomberjacken, keine verbotenen Kennzeichen oder Zeichen, die Kennzeichen verbotener Organisationen sind. Aber wie sollen rechtschaffene demokratische Bürger dann nur den Feind erkennen, wenn sogar der NPD-Vorsitzende Udo Voigt ”in weißem Hemd, Krawatte und schwarzer Winterjacke auf dem Berliner Alexanderplatz (erscheint) - ganz wie ein Familienvater, der mit Frau und Kindern im Park Spazieren gehen will.” Obwohl er doch tatsächlich ”gekommen (war), um mit seinen Parteigängern gegen das Gedenken zum 8. Mai zu polemisieren”. (tagesschau.de, 09.05.05)
[7] So sollen Jugendliche sich bspw. einleuchten lassen, dass das bedeutendste Netzwerk neonazistischer Musik, Blood & Honour – Blut und Ehre – deswegen kritikabel ist, weil sein Name seinen Ursprung in den Nürnberger »Blutschutz-Gesetzen« des Nationalsozialismus von 1935 hat, welches ausführlich Gesetz »zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« hieß.
[8] Die ”Kritik” am Neofaschismus, die sich der DGB zur 8. Mai Demo in Berlin einfallen ließ, bebildert diesen ärgerlichen Standpunkt anschaulich: Der DGB stellte große aufblasbare Plastikflaschen mit dem Etikett ”Braune Flaschen zum Altglas” auf. An Recycling wird er dabei nicht gedacht haben.
[9] Das ist einerseits die Verharmlosung der NPD zum Traditionalistenverein, der bloß Führers Geburtstag zelebriert und die SS glorifiziert, und andererseits die Weigerung, sich mit der Frage zu befassen, wie eigentlich neofaschistische Politik 60 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit, nach 60jähriger Erfolgsgeschichte der deutschen Nachkriegspolitik aussieht bzw. aussehen würde. Siehe dazu besonders Teil 3.
[10] Mitschrift nach Interview in den Tagesthemen.
[11] Nebenbei ist dies eine schöne Auskunft über die Demokratie, die da regierende Erz-Demokraten dem Volk erteilen. Wenn Parteien zugelassen werden, heißt das noch lange nicht, dass man sie wählen darf! Oder: Wahlfreiheit bedeutet die Freiheit des Bürgers, die richtigen, die erwünschten Parteien zu wählen. Die Rechtsextremen gehören nicht dazu und – ginge es nach den Parteien, die sich seit Jahrzehnten die Macht in Bonn bzw. Berlin einträchtig teilen – die Linksextremen erst recht nicht.
Dazu passt auch die Stoiber-Schelte, dass die ”frustrierten” Ossis doch nicht erneut über die Wahl der Linkspartei/PDS Einfluss auf die Kanzlerwahl nehmen dürften. Irgendwie sind sie für Stoiber noch nicht reif für die Demokratie. Und übrigens nicht nur für ihn: Gerade die Art und Weise, wie die SPD diese ”Entgleisung” ausschlachtet, macht deutlich, dass sie sich als der wahre Ossi-Anwalt präsentieren möchte – gegen die “verbohrten Stalinisten” von der PDS.
[12] Weil der gemeine Bürger selten in Gesetzbüchern schmökert, und folglich nicht genau weiß, was seine Herrschaft gerade als verboten definiert, agitiert die Politik ihn qua Nutzung von Bildung und Öffentlichkeit zur Denunziation, erläutert ihm, welche Symbole, Grüße, Lieder, Parolen verboten sind und ruft ihn dazu auf, als anständiger Deutscher seiner Funktion als Hilfssheriff gerecht zu werden; Ausgrenzung als Bürgerauftrag. Die sollen es zur Anzeige bringen, wenn jemand den Hitlergruß zeigt oder ”Die Fahne hoch ... die Reihen dicht geschlossen” anstimmt etc.
[13] Man muss sich schon einmal klar machen, was dies eigentlich für Befunde sind: Gedanken – egal welchen Inhalts - können nun einmal nur richtig oder falsch sein, sonst nichts. Gefährlich kann die praktische Anwendung falscher Gedanken werden, was jedoch bedeutet, sie erst einmal ihrer Fehlerhaftigkeit überführt zu haben. Wo sie selbst schon für ungehörig, unerlaubt oder gefährlich erklärt werden, da ist eine Stellung zum Denken am Werk, die das Urteilen nur als Zustimmung oder Ablehnung zu herrschenden Staatsraison zur Kenntnis nimmt. Welches Denken ist gut, welches ist schlecht für Deutschland, lautet dann die alles beherrschende Frage. Die Kriterien für solches obrigkeitliche Gedankensortieren bekommt der Bürger regelmäßig von ”oben” mitgeteilt. In die Versuchung, diese an der Stimmigkeit der Gedanken selbst ausfindig zu machen, kommt er so gar nicht erst.
[14] Wie auch den linken Kritikern gilt der NPD die Verrichtung von Lohnarbeit nach Maßgabe kapitalistischer Rentabilitätskriterien, denen Kapitalisten zugleich auch die Entscheidung über die Nichtbeschäftigung entnehmen, als das erstrebenswerteste Ziel, das einkommensabhängige Menschen erreichen können.
[15] Vgl. dazu auch den jüngsten Streit um den Zuckerexport. Europäischer Zuckerexport wird subventioniert und zusätzlich werden Importkontrollen zum Schutze einer europäischen Zuckerindustrie staatlich bzw. suprastaatlich beschlossen; exakt jene Exportschutzmaßnahmen, die bei jedem Konkurrenten als Verletzung der WTO-Regeln für freien Handel angeprangert werden Von wegen ”Ohnmacht des Staates”.
[16] Übrigens würde die Ausweisung aller ausländischen Arbeitsplatzbesitzer nicht einmal allen deutschen Arbeitslosen Arbeit bringen. Einmal davon abgesehen, ob das überhaupt ein vernünftiges Anliegen wäre, geht das bei fünf bis sechs Millionen Arbeitslosen und zwei bis drei Millionen ausländischen Arbeitern nicht einmal arithmetisch auf .
[17] Diese Parteinahme für deutsches
Kapital und deutsche Ausbeutung würde den hiesigen Kapitalisten gar nicht schmecken.
Die Einführung von Schutzzöllen wäre für Unternehmer nämlich gleichbedeutend
mit einer Verteuerung der Kostpreise ihrer (aus dem Ausland bezogenen)
Produktionsmittel; die Ausweisung von bzw. ein Beschäftigungsverbot für
Ausländer würde das Verbot der Ausnutzung von Billiglöhnern bedeuten, was die
Kosten für Arbeit steigern würde; eine ”Entflechtung” bzw. ein Verbot von
unternehmerischen Zusammenschlüssen zu internationalen Konzernen wäre
zusätzlich ein Anschlag auf die eingesetzte Kapitalgröße als Konkurrenzmittel.
Dem ist zu entnehmen, dass sich die NPD-Programmatik gar nicht rein auf die
Bedienung von Kapitalinteressen bezieht. Aber antikapitalistisch ist sie
deswegen noch lange nicht; wie dies die NPD
gelegentlich von sich behauptet. Wiewohl sie sich mit der Sorte
Antikapitalismus, wie Müntefering ihn heute buchstabiert – Unternehmer hätten
ihrer ”Verantwortung” für Deutschland nachzukommen – durchaus messen kann.
[18] Die immer wieder vorgelegte Beweisführung, derzufolge Ex-Ölmanager, die in der Bush-Regierung sitzen, dort staatliches Interesses unter das des Ölkapital beugen , ist keine. Denn abgesehen davon , dass so ein ”Beweis” redlicherweise wohl auch die Herkunft aller anderen Minister untersuchen müsste (mit der Stanfordabsolventin und Schuhfetischistin C.Rice als Außenministerin folgt die Regierung jetzt den weltweiten Interessen der politischen Wissenschaft oder der Schuhindustrie), ließe sich die Logik erstens auch ebenso gut umdrehen – die Ölmultis hören jetzt auf das Diktat der Regierung – und wäre wohl zweitens der Schluss sicher auch nicht ganz von der Hand zu weisen, dass so etwas wie partielle Interessenidentität zwischen Ölkapital und us-amerikanischer Außenpolitik vorliegt.
[19] Nicht jedoch ohne gelegentlich feststellen zu müssen, dass sie von der praktizierten Ausländerpolitik der herrschenden Demokraten rechts überholt werden. Abschiebeknäste auf deutschen Flughäfen beispielsweise oder Auffanglager im Norden Afrikas zu fordern, wäre ihnen wohl als überzogen erschienen. Den Demokraten nicht.
[20] Im Wahlkampf 2005 liest man z.B. auf einem SPD(!)-Plakat: “Für den Frieden. Gegen blinde Gefolgschaft”
[21] Die Rede der Neofaschisten vom Verrat enthält ein Moment von Wahrheit. Verrat liegt bekanntlich dann vor, wenn ein Lager sich von einer gemeinsam verfolgten Sache ab- und einer anderen zugewandt hat; verraten kann man nur die Politik, die man selber einmal betrieben hat. Die Neofaschisten kritisieren in der Tat an den Demokraten, dass sie das gemeinsam geteilte Anliegen, die Beförderung der deutschen Sache auf dem Globus, durch die Art und Weise, wie sie es durchzusetzen versuchen, verraten
[22] Dieser
Logik folgte z.B. Münteferings Kapitalistenschelte. Denen warf er vor, dass sie
trotz all der schönen Bedingungen, die die Politik ihnen fürs
Geschäftemachen geschaffen hat, einfach keine Arbeitsplätze schaffen. Und das
soll dann der Beleg dafür sein, dass sie sich aus ihrer nationalen
Verantwortung für Deutschland gestohlen hätten.
Kurios ist Münteferings
Argumentation schon. Schließlich erklärt er selber, dass die Politik dem
Kapital gute Bedingungen für ihre Geschäftstätigkeit bereitgestellt
hat, die entgegen anders lautenden Gerüchten eben nicht darin besteht, Leute zu beschäftigen, sondern Gewinne
zu erwirtschaften Weshalb sie selbst eingestehen, dass sich die Beschäftigung
immer an diesem Kriterium relativiert.
[23] Dass die Faschisten unter Hitler sich einiges aus diesen Abteilungen geleistet haben – Rohstoff-Importe z.B. – fällt zum einen unter ökonomische Notwendigkeiten, denen auch sie Tribut zollen mussten, zum anderen unter politische Vorkriegskalkulationen.
[24] Wenn A.Merkel als (Noch-)Oppositionsführerin der Rot-Grünen Regierung vorwirft, dass ”5 Millionen Arbeitslose unpatriotisch” seien – ein Vorwurf, der schon sehr dicht an dem NPD–Vokabular dran ist – , dann ist das so eine Sache. Vom Standpunkt der bedingungslosen Beschäftigung deutscher Arbeiter trifft diese Schelte zu. Aber von dem gleichfalls ganz der deutschen Sache verpflichteten Standpunkt, dass nur rentable Arbeitsplätze die Weltmarktsiege bringen, die Deutschland für sein Wirtschaftswachstum braucht, ist sie falsch. Dann sind 5 Millionen Arbeitslose ziemlich patriotisch, zeugen sie doch davon, dass das Kapital nicht gegen seine Interessen, also zum bedingungslosen Schaffen von Arbeitsplätzen genötigt wird Eine Merkel-Regierung wird sich natürlich hüten, jene Bedingung mit politischer Gewalt außer Kraft zu setzen, unter der das Kapital hierzulande überhaupt nur ”Arbeit gibt”.
[25] .Was Politiker hingegen schon machen könnten ist, den weltweiten ökonomischen Vergleich zu unterbinden; sie könnten Grenzen dicht machen und auf Autarkie setzen.
[26] Es hat also das Sachzwang-Argument etwas Verlogenes an sich und ein Moment an Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass die demokratische Politik beschlossen hat, den Erfolg ihrer Nation von kapitalistischen Konkurrenzerfolgen abhängig zu machten. Damit ist durchaus einiges erzwungen; wer die Konkurrenz gewinnen will, muss sich der Eigenlogik dieser Sorte Ökonomie unterwerfen. Die Lüge besteht darin, dass Politiker behaupten, sie könnten nicht, wie sie wollten. Denn ihr politischer Wille schließt ja gerade die freie Entscheidung über das Instrument, über das Mittel ihrer Wahl – den Kapitalismus – ein. Und damit sind auch dessen Erfolgsschranken wenn nicht unbedingt gewollt, so doch gebilligt.
[27] Man muss kein Neofaschist sein, um sich permanent an der Dialektik dieser EU-Politik zu stoßen, zumal wenn man als deutscher Politiker davon ausgegangen ist, dass sich europäische Erfolge automatisch in deutsch-nationale niederschlagen. Oder anders formuliert: Erneut finden sich beide Konkurrenten in der nationalen Betrachtungsweise der EU-Politik. Es wird zu klären sein, warum die NPD im Wahlkampf 2005 mit ”EU no!” und der Rest der Demokraten mit einem kaum relativierten ”Ja” zur europäischen Verfassung Wahlkampf betreibt.
[28] Dass Leute vielleicht auch deswegen keine Kinder haben wollen, weil sie sie mit ihrem mageren Einkommen nicht großziehen können, weil sie fürchten, sie könnte eine ”Last” für sie darstellen, und dass dies vielleicht mit der Zurichtung des Kapitalstandortes Deutschland etwas zu tun hat, möchten Politiker nicht einsehen.
[29] Dass diese Sorge neben der Klage über die zunehmende Zahl an überflüssig gemachten Arbeitskräften steht, stellt einen Widerspruch der Politik dar, deren instrumentelle Kalkulation mit Volksgröße und –zusammensetzung nicht mit dem Interesse an (Voll-)Beschäftigung ihrer nationalen Mannschaft überein geht, da sie selbst die Frage der Beschäftigung dem kapitalistischen Rentabilitätskalkül überantwortet haben.
[30] Es sei noch einmal darauf verwiesen, dass hier zunächst einmal prinzipielle Auskünfte erteilt werden. (Über “Realpolitik” der Faschisten wird im nächsten Abschnitt etwas gesagt.)Davon abweichende Politik der Faschisten - und Demokraten - ist folglich als Abweichung von der Regel des Prinzips zu erklären, nicht aber als dessen Widerlegung.
[31] Der übrigens nicht ausschließt, dass Demokraten auch so ihre Ideale über Ziele und Mittel nationaler Politik im Kopf haben und sie gelegentlich auch einmal aus demselben herauslassen. So etwa, wenn sie ihrem Anti-Amerikanismus freien Lauf lassen, wenn ein deutscher Außenminister die nationale Geschichte in dem Satz zusammenfasst, dass Deutschland einen dritten Weltkrieg nicht verlieren werde, oder wenn sie sich darüber beklagen, dass ihre Bürger wieder einmal falsch gewählt hätten.
[32] Im deutschen Faschismus ab 1933 haben sich die Kapitalisten gern zwingen lassen, da sich die Unterwerfung unter die Prinzipien der Kriegswirtschaft für die Großen unter ihnen allemal ausgezahlt hat.
[33] Für den es in der europäischen Politik der Gegenwart übrigens ebenfalls Belege gibt: Österreich hat mit Haiders Partei, Italien hat mit Fini einen Politiker in die Regierung geholt, die dem “rechten Rand” zugeordnet werden.
[34] Jedoch stellt sich das ungefähr so ein Teil der Antifa vor. Weswegen sie ja im Faschismus ihren Hauptfeind sieht und darüber – ob sie das will oder nicht –Reklame für den demokratischen Kapitalismus macht. An dem hat sie zwar allerhand auszusetzen, aber der gilt ihr immer noch als nicht so schlimm wie das, was kommen könnte. Dass aus der Gegnerschaft zum Faschismus allerdings mitnichten eine Befürwortung der Demokratie folgt, ist nun hinlänglich nachgewiesen.
[35] Dass gegenwärtig von regierenden und opponierenden Demokraten durchaus eine ganz andere nationale Bilanz gezogen wird, belegt gerade diese Analyse: Gemessen am bereits erreichten Stand nationaler Geltung und ökonomischer Durchsetzung signalisieren ausbleibende Wachstumsraten, Kapitalexport etc., dass der weitere Aufstieg Deutschlands zu einer führenden Weltmacht offensichtlich nicht automatisch so weitergeht, sondern mit etlichen Steinen gepflastert ist.
[36] Daraus ergibt sich ihr Plakat: ”EU no!” Es meint: So wollen wir das Europa nicht! Also Eu ja, EU-Verfassung no! Schon wieder wie die Linken!
[37]Vgl. die Greencard-Affäre, das Kopftuchurteil, die Multi-Kulti-Debatte, und Leitkultur- bzw. Integrationsdiskussion etc..
[38] Dabei ist klar, dass Neofaschisten – die, wie gesagt, ihre Politik selbst aus enttäuschtem Nationalismus heraus betreiben – immer dann vermehrt Wahlerfolge verbuchen können, wenn Teile des Volkes von der Art enttäuscht sind, wie die Sache der Nation betrieben wird.
[39] Besonders alle Beschlüsse, die sich auf den inneren Antiterrorismuskampf beziehen, fallen darunter.
[40] Das sich im übrigen die regierenden Christdemokraten selbst eingebrockt haben , da sie es waren, die zur Abwechslung auch mal der deutschen Opfer gedenken wollten.
[41] Ob bzw. inwieweit sie überhaupt nach 1945 je davon abgehangen hat, ist eine andere Frage. Die USA haben das wenigstens nüchterner gesehen: Sie brauchten Westdeutschland als Bollwerk gegen den Kommunismus und haben ihre Arbeit an diesem Werk nicht von glaubwürdiger deutscher Vergangenheitsbewältigung abhängig gemacht.
[42] Zur Unzeit nicht wegen der NPD, sondern wegen des sachlichen Gehalts einer solchen Debatte. Es könnte die öffentliche Selbstverständigung über die bestehenden Differenzen zwischen Demokraten und der NPD in Sachen EU, NATO, USA oder in der Ausländerfrage diplomatische “Irritationen” auslösen, die bei den deutschen “Partnern” schon zu Zweifeln an der “Glaubwürdigkeit” und “Verlässlichkeit” Deutschlands führen würden, einer “Verlässlichkeit”, die aber noch die unverzichtbare Grundlage des deutschen Erfolgsweges ist. Man denke nur an die “Irritationen”, die Italiens Überlegung zur Lira zurückzukehren oder die Lautgedachtes aus Frankreichs über ein Europa der Starken usw. ausgelöst haben.
[43] Was sie ja mit der PDS und der Linkspartei genau so versucht haben und weiter versuchen.