Bernd Rabehl
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Subjektiver Faktor - Zur Offensivtheorie von Rudi Dutschke

(Vortrag in Bad Boll, 6. Februar 1998)

Vorlauf

Ein paar Tage vor dem Vietnam-Kongreß in Berlin Mitte Februar und nur wenige Wochen vor dem Attentat Anfang April 1968 plauderten exponierte Vertreter aus Politik und Wissenschaft auf dem neutralen Boden der evangelischen Akademie in Bad Boll mit Rudi Dutschke über die Revolution in Deutschland. Unfaßbares war Gegenstand einer Kontroverse, an der die Hauptperson, Rudi Dutschke, nur zum Schluß teilnahm. Er hatte den Abflug in Berlin verschlafen, wie er offen bekannte. Vor allem mit dem alten weisen Ernst Bloch sprach er dann über die Revolution im philosophischen und marxistischen Sinn. Hier tasteten sich zwei Persönlichkeiten ab, die einander über Bücher oder über die Medien kannten und nicht so richtig wußten, was sie voneinder halten sollten. Für Dutschke war Ernst Bloch zu diesem Zeitpunkt nicht der Ideengeber der Studenten- und Generationsrevolte im westlichen Deutschland. Diese Rolle nahmen Herbert Marcuse und Georg Lukacs ein. Trotzdem hatte Dutschke eine tiefe Ehrfurcht vor diesem Philosophen. Dessen Schrift über "Thomas Müntzer" hatte ihn tief beeindruckt. Fremd blieb ihm dessen Annäherung an den Stalinismus und die Lobhudelei Stalins und der Sowjetunion als reale Utopie in den Texten der vierziger und fünfziger Jahre. Über die Revolution zu reden, war deshalb Anliegen des greisen Bloch und des jugenhaften Dutschke, die sich persönlich kennenlernen und einen Zugang zueinander finden wollten. Bloch empfand die Protestbewegung und auch Dutschke merkwürdig: "nämlich die geringe Klarheit und Sichtbarkeit oder gar Plastik dessen, wofür und wozu man kämpft. Das Negative ist sichtbar. Die objektive Unzufriedenheit, Erbitterung und Empörung mit dem, was vorliegt, ist klar. Darin ist ja auch schon das Positive enthalten. Aber nur nicht ausgeführt! Man kann nicht unzufrieden sein, wenn man nicht ein Maß hat, an dem man das mißt, was einem zugemutet wird, wonach man es als unzureichend betrachtet." Dutschke gab zu bedenken: "Unter den Bedingungen der Alternative von Kapitalismus und Stalinismus gerieten der sozialistische Gedanke und der Gedanke der Emanzipation in eine totale Sackgasse." Jetzt gab es einzelne Durchblicke, aber längst noch keine Alternative. Dutschke bezog sich auf vier Fragestellungen oder "vier Ebenen", wie er es nannte, die das Problem der Veränderung oder der "Revolution" im westlichen Deutschland umschrieben. Die nationalen, sozialstaatlichen und demokratischen Ansprüche in der Bundesrepublik wurden primär "restaurativ - autoritär beantwortet". Der Krieg in Vietnam öffnete der Studentenschaft die Augen über die Abhängigkeit dieser Republik von der Großmacht USA. Die Legitimation dieses Krieges durch Politik und Wissenschaft machte deutlich, wie tief diese Republik verstrickt war in dem US-amerikanischen Machtanspruch in der Welt. Die Krisenanfälligkeit der deutschen Wirtschaft, die sich gerade auch in der Hochschulpolitik niederschlug, war für Dutschke ein weiteres, drittes Indiz, daß die "Normalität" im westlichen Deutschland zu ihrem Endpunkt kam. Der Kampf für eine Demokratisierung der Hochschule gewann in diesen Zuspitzungen sehr schnell die Perspektive einer Demokratisierung und Veränderung der Gesellschaft und zwar in der realpolitischen Vermittlung zwischen innen und außen, zwischen der Situation in der Bundesrepublik und des "Kampfes zwischen Revolution und Konterrevolution in der Dritten Welt". Die antiautoritäre Bewegung hatte ihren Rückhalt in den gesellschaftlichen Schwachpunkten, vorläufig an Universität und Schule. Sie waren Basis für eine Offensive, um die Gesamtheit von Gesellschaft zu erschüttern: "Und ein Letztes zu Professor Bloch: Die Wirklichkeit drängt nicht zum Gedanken. Ich halte die These in dem Satz von Marx nicht für richtig: Es genüge nicht, daß der Gedanke zur Wirklichkeit dränge, sondern die Wirklichkeit müsse zum Gedanken drängen. Wahr: Dahinter stand das Vertrauen auf die objektive Dialektik des historischen Prozesses." Gedanken und Wirklichkeit waren längst nicht einbezogen in eine "Dialektik der Revolution" Die Bedingungen dafür mußten geschaffen werden. Sie waren nicht länger abhängig von den "Klassenkämpfen". Für Dutschke war jetzt der subjektive Faktor gefragt, Veränderungen herbeizuführen, der sich aus neuartigen gesellschaftlichen Konstellationen ergab und der die Revolution der Zukunft festlegte.. Aber gerade darüber bestand innerhalb der antiautoritären Linken eine langwierige Kontroverse, wovon Dutschke nur einzelne Motive und Gedankengänge andeutete in Bad Boll, die ihn bewegten und die die Mosaiksteine seiner Revolutionsauffassung bildeten. Die Hintergründe des Denkens über den subjektiven Faktor und über eine "Offensivtheorie" sollen an dieser Stelle nachgetragen und skizziert werden.1

Unversöhnbares

Die Subversive Aktion bildete für Rudi Dutschke und für seine Weggenossen 1963/65 so etwas wie ein Gedankenlabor. Hier wurden Theorien und Ideen vorgestellt und diskutiert, die erst später Aktualität erlangen sollten. In dieser Gruppierung trafen ost- und westdeutsche Akteure und ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Bildungslebnisse aufeinander. Die Westler waren überzeugt, daß Wirklichkeit theoretisch neu erschlossen werden mußte und daß die Tradition von Aufklärung oder Sozialismus wenig Aufschlüsse geben konnte über die gegebene soziale Widersprüchlichkeit, war dieses Denken doch hindurchgegangen durch die Verbrechen von Nationalsozialismus und Stalinismus. Die Psychoanalyse, aber auch die ästhetische Sichtung von Situationen waren für die Westsubversiven Ausgangspunkt theoretischer Erörterung und Grundlage für Provokationen. Die Ostler waren überzeugt, daß die Klassiker, vor allem die Revolutionsentwürfe der deutschen und russischen Revolutionäre subversives Material für die Gegenwart enthielten, waren ihre Bücher ab Mitte der zwanziger Jahre in Deutschland und Rußland nicht zufällig Polemiken, Denunziationen, Verboten, und Verdrängungen ausgesetzt. Sie wanderten sehr bald auf die Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen, die beide Diktaturen errichteten. Bestimmte Inhalte und Zielsetzungen von Revolution sollten aus der allgemeinen Erinnerung verschwinden. Nach der Überzeugung der Ostler galt es, die Authentizität von Freiheit und Emanzipation in den vergangenen Revolutionen zu entschlüsseln und zu aktualisieren. Der interne Streit in der Subversiven Aktion zwischen den ost- und westdeutschen Akteuren ging u.a. darum, inwieweit die Rückbesinnung auf Hegel und Marx, aber primär auf die politischen Exponenten der russischen oder deutschen Revolution, die theoretische Rezeption des gegenwärtigen Zeitalters einengte bzw. eine ideologische Geschlossenheit erlangte. Nach der Sichtweise der Westler wurden dadurch Durchblicke behindert bzw. entstanden ideologische Interpretationen, die die vergangene Revolution auf die Gegenwart projizierten. Die Ostler setzten dagegen, daß nur aus der jeweils konkreten Revolutionsgeschichte gelernt werden konnte, wurden noch einmal die Widersprüche des Freiheitskampfes offengelegt. Ohne dabei die dissidenten Denker jener Epoche neu zur Sprache zu bringen, wurde eine Auseinandersetzung mit den gescheiterten Revolutionen unmöglich. Diese war jedoch notwendig für den eigenen Freiheitskampf, sollten etwa in der Organisationsfrage oder in der politischen Taktik nicht die uralten Fehler wiederholt werden. Beide Positionen ließen sich kaum synthetisieren, hegten die einen doch die Befürchtung, daß vergangene Kämpfe und Filmgestalten die aktuellen Diskussionen vernebelten und zur Geisterstunde verkehrten, so waren die anderen überzeugt, daß alle Anstrengungen der Emanzipation immer wieder im Karussel alter Fehler endeten. Letztlich sprengte diese Diskussion die Subversive Aktion und provozierte innerhalb des SDS und der APO Jahre später das Kostümfest, auf dem die Akteure sich jeweils verkleideten in die Revolutionshelden vergangener Epochen und ungleichzeitiger Revolutionen.2

Repression und Gegenwehr

Die Subversiven aus dem Westen sahen Ansatzpunkte von gesellschaftlicher Veränderung primär darin, Einfluß zu nehmen auf die psychologische Konstitution der Menschen. Wirtschaft und Politik besaßen eine Umsetzung ihrer Macht- und Herrschaftsprinzipien in dem autoritären Charakter. Deshalb besaß jede Bedingungsanalyse von Macht ihre Grenzen im Zustand der Menschen, die die kapitalistische Herrschaft nicht etwa nur akzeptierten, sondern immer auch durchlebten und deren Werte gar nicht mehr hinterfragten. Die kapitalistische Handhabung von Zeit hatte sich hineingefressen in das menschliche Verhalten. Zeit war Geld als Arbeits- und Konsumzeit. Die innere Unruhe, Leistungsfähigkeit, Disziplin, Arbeitshektik, Hierarchie prägten Charaktereigenschaften. Sie waren längst unbewußte Verinnerlichung von Ordnung und Unterwerfung. Aus diesen Gründen mußte jeder Freiheitkampf ansetzen in der Provokation dieser psychologischen Normalität. Menschliche Urkräfte sollten freigesetzt werden. Das Unbewußte wurde als Quelle von Phantasie und Produktivität angesehen. Begierden sollten erzeugt werden. In einer Art Gruppentherapie, die teils nach innen gerichtet war auf die Haltung der Rebellen, die sich jedoch primär bewährte in der Aktion bzw. in der gezielten Provokation bestimmter psychologischer Verhaltensweisen der Menschen, entstanden die Umrisse eines neuartigen Emanzipationskampfes. Es galt einen Keil zu schlagen zwischen der psychologischen Konstitution von "Ausbeuter" und "Ausgebeuteten". Ihre innere Übereinstimmung und ihre repressive Gemeinsamkeit sollte durch gezielte Provokation aufgelöst werden. Die Tendenzen von Zerfall, Absurditäten, Ungerechtigkeiten, Neid oder Unstimmigkeiten, die der moderne Kapitalismus und sein politisches System tagtäglich "produzierten", sollten durch die Provokationen ihre Fortführung und Übertreibung erfahren. Widersprüche spiegelten sich nicht mehr im Bewußtsein. Sie wurden sichtbar gemacht durch das Spiel von Provokation und Aktion. Ihre Akteure waren Aussteiger und dissidente Persönlichkeiten, subversive Quertreiber, die selbst so etwas darstellten wie eine "Antithese" zum Leistungsprinzip und zum entfremdeten Dasein.3
Frank Böckelmann ging in seiner Einschätzung der "repressiven Substanz" der Gesellschaft noch weiter. Für ihn wurde sogar die "Aufdeckung von Repression" ein Spiel, das die Repression festigte. Kritisches Denken wurde so etwas wie "Legitimation" einer subtilen Unterdrückung. Die Rebellen waren so etwas wie die Harlekine und Pausenclowns repressiver Macht. Das war für Dutschke zu viel. Diese einseitige Festlegung auf die repressive Psychologie wollte Dutschke nicht akzeptieren. Der aktuelle Emanzipationskampf stand nach seiner Überzeugung, zwar mehrfach gebrochen, immer noch in der Tradition der Freiheits- und Klassenkämpfe der Arbeiterbewegung und unterlag dem Druck der politischen Experimente der Sowjetunion, Chinas und des "Lagers" dieser Großmächte. Trotz aller Verkehrungen und Verformungen des "Sozialismus" war dieser "wesentliche Stützkraft der Revolution", sowohl für die Befreiungsbewegungen in Asien, Lateinamerika und Afrika, aber auch für die unterschiedlichen "Aufbrüche" in den Metropolen. Dutschke drängte die subversiven Mitstreiter, sich auch theoretisch bewußt zu werden der "Weltvermitteltheit". Er ging deutlich in Distanz zur Kritischen Theorie, die nach seiner Überzeugung Überlegungen zum Ausdruck brachte, die von "Privatleuten" stammten, von einer "linken Professorenschaft", die gedanklich und kulturell jeden Bezug zu den revolutionären Ereignissen in der Welt verloren hatten.
Dutschke gab zu erkennen, daß er sich in seiner theoretischen Sichtweise "sehr stark auf Leo Trotzki" stützte, ohne sich mit ihm zu identifizieren. Trotzki hatte nach seiner Überzeugung analytisch deutlich gemacht, warum in der Sowjetunion der Marxismus durch die Stalinsche Diktatur eine starke Verformung erfuhr und wo die Ansätze einer Renaissance lagen. Gerade weil der Marxismus-Leninismus den Freiheits- und Emanzipationskampf verleugnet und verdrängt hatte, bildete er keinerlei Kontinuität und Ansatzpunkt einer Erneuerung der dialektischen Theorie. Diese "Rekonstruktion" konnte nur gelingen, indem die neuen Verhältnisse und Tendenzen der kapitalistischen Vergesellschaftung in den Metropolen bedacht wurden und indem von Hegel und Marx her, aber auch von den dissidenten Denkern des Marxismus her die Elemente einer neuartigen Revolutionstheorie zusammengetragen wurden. Die Kritische Theorie war hier nur ein Element der dialektischen Aufarbeitung. Der Stalinsche Sozialismus war nach Dutschkes Auslegung "totalitäre Herrschaft", die viele Gemeinsamkeiten mit Faschismus und Nationalsozialismus barg. Aus diesem Herrschaftstyp war nichts zu entnehmen für die zukünftigen Kämpfe. Er mündete nicht zufällig in Zwangsarbeit und Massenmord, bevor das braune Spiegelbild ähnlich die politischen Gegner, aber auch den eingebildeten "Feind" liquidierte. Weil dieser Zusammenhang nicht aufgedeckt wurde von den Kommunisten, lief der XX. Parteitag der KPdSU von 1956 ins Leere und wurden keinerlei radikale Konsequenzen gezogen. Trotzdem besaß auch die Sowjetunion immer noch Potenzen und war politischer Faktor im Geschehen von Revolution und Konterrevolution, weil sie Weltmacht war und weil sie immanente Tendenzen barg, die sozialistische Perspektiven freisetzen konnten. Diese Lücke auszufüllen, kritisch die Ergebnisse der "Errungenschaften" des Sozialismus aufzuarbeiten und zu konfrontieren mit denen des westeuropäischen Reformismus, auszuwerten die Marxsche und die marxistische bzw. dialektische Theorie, war Aufgabe der subversiven Denker. Es galt, über die Vermittlung nachzusinnen, die sich aus den historischen Perspektiven und Ebenen der differenten Geschichte der Sowjetunion, der europäischen Arbeiterbewegung und der Geschichte der deutschen Linksintelligenz ergab, aber die auch Bestandteil war der Lage der deutschen Gesellschaft in bezug zur NS-Vergangenheit, zu Ost- und Westeuropa, aber auch zu den Befreiungskriegen in der Dritten Welt. Die Kritische Theorie bildete nur eine Facette der "deutschen Ideologie", aber auch der "dialektischen Theorie". Sich auf diese festzulegen, würde ein Fehler sein, denn dieses "hervorragende Denken" lebte von der Trennung von Denken und Sein und besaß keinerlei Interesse, die Verhältnisse zu verändern.4
Böckelmann machte gegenüber Dutschke einen Rückzieher und akzeptierte diese vieldimensionalen Perspektiven einer dialektischen Theorie. Allerdings gab er eine Erklärung zu seinem Pessimismus, daß sogar die Kritik Bestandteil von Repression war, die die innere Spaltung der subversiven Denker verdeutlichte. Kritik trug nach Böckelmann immer auch einen repressiven Charakter, weil sie erfüllt war von einem "sklavischen Masochismus", der nicht nur die Massen befiel, sondern auch die Intelligenz. Kritik war erfüllt von der Faszination über die Raffinesse von Herrschaft, über ihr subtiles Vorgehen, so daß die Enthüllung immer auch um die Anerkennung der Mächtigen buhlte. Sie war Spiel, Sensation, Spektakel, die die Seiten der Illustrierten und Nachrichtenmagazine füllte, den Umsatz steigerte, jedoch nichts bewirkte, Spaß blieb, eine Art Gedankenspiel oder immer auch die Ohnmacht demonstrierte, daß alles beim Alten bleiben würde. Böckelmann schien es wichtiger, die Psyche bzw. die psychologische Subsumtion anzukratzen, statt Aufklärung im alten Stil zu betreiben und auf das Bewußtsein zu zielen. Dem "frischfröhlichen Marxisten" Dutschke riet er, genauer die psychologische "Ambivalenz" der Repression und die Bewußtseinsperversion eines westlichen Großstadtlebens zu durchdenken, statt mit einer Allerweltsdialektik aufzuwarten, die für das 13. aber auch 20. Jahrhundert paßte, weil sie so allgemein, abstrakt und revolutionsästhetisch aufbereitet war.5
Böckelmann war jedoch nun voller Mißtrauen gegen die Ostler, die Aktion zu verwechseln schienen mit pubertärer Fröhlichkeit, Renommiererei oder "FDJ". Er hegte die Befürchtung, daß die "Zündkraft" revolutionärer Ideen als "publizierte Gedanken" doppelt verloren ging, einmal als naive Analogiesetzung mit den Revolutionskämpfen der Vergangenheit oder der Kriege in der Dritten Welt oder als Ausverkauf von Originalität, die sofort als Schauspielinszenierung oder Medienklatsch vereinnahmt wurde. Ein Anliegen war ihm, den Begriff von "Proletariat" und die dialektische Rolle der "Entwicklungsländer" im "Revolutionsprozeß" zu diskutieren. Der Arbeiter der "industriellen Revolution" in Westeuropa setzte seine Klassenwirklichkeit als Ausbeutung, Krankheit, Hunger, Ungerechtigkeit, Billiglohn noch identisch mit dem Klassengegensatz. Die Interessen, gegen dieses elende Leben anzukämpfen, trugen deshalb einen politischen Charakter und waren Ausdruck von "Klassenkampf". Heute war diese Klassenwirklichkeit vielfach gebrochen durch Verträge, Abmachungen, Zugeständnisse und Lebensformen, die sich längst gelöst hatten von der Unmittelbarkeit einer Klassenexistenz. Nach Böckelmann hatte sich die "leibliche Verkörperung" des Klassengegensatzes aufgelöst. Das Kapitalverhältnis war die Abstraktion seines Ursprungs, war System von Management, anonyme Herrschaft als technologische Arbeitsteilung, bürokratische Verwaltung, Leistungsprinzip, Marketing, Manipulation, Sozialstaat, Kooperation von Gewerkschaften und Reformismus mit den Interessenverbänden des "Kapitals", kurz: "System". Die ökonomische Basis war zwar weiterhin Impulsgeber des politischen Zusammenhangs von bürgerlicher Gesellschaft, dieser wies jedoch in Politik, Konsum, Lebensweise, Psychologie Verselbständigungen auf, die sich nicht mehr reduzieren ließen auf die Widerspiegelung von "Basis und Überbau" oder auf die "Kultur" bestimmter Klassen. Diese lösten sich weitgehend als politische Kontrahenten auf, ihre Parteien wurden "Volksparteien", die ihre Ideologien abrüsteten, so daß so etwas entstand wie eine allgemeine "Nivellierung" auf Lebensstil oder Konsumsymbol bzw. kulturelle "Enteignung" der Klassen, die nur noch an ihren Rändern die alte Polarität von Armut und Reichtum aufwiesen. Die kapitalistische Gesellschaft hatte im "Westen" diesen Zuschnitt gefunden, weil sie historisch hindurch gegangen war durch Klassenkampf und nationalsozialistische Diktatur, also eine doppelte Aufhebung erfahren hatte, eine politische und ökonomische und erst dadurch "entpolitisiert" worden war zu einer modernen Zivilisation. Diese ließ sich nicht durch die Aktionen studentischer Minderheiten zurückbringen in die Klassenkampf- oder Bürgerkriegskonstellation der zwanziger Jahre. Ähnlich stand es mit den Entwicklungsländern. Sie gerieten zwar verspätet in den Sog kapitalistischer Modernisierung und verkörperten heute die Zeitqualität des europäischen 19. Jahrhunderts. Entkolonialisierung und nationale Befreiung waren deshalb so etwas wie Revolutionen, die der forcierten Industrialisierung Tür und Tor öffneten. Sich einzustellen auf das Europa der Gegenwart, bedeutete zugleich, sich Gedanken zu machen über Vietnam, China, Brasilien oder Cuba der achtziger und neunziger Jahre. Nach Böckelmann wies die Vermittlung des Weltprozesses nicht auf eine revolutionäre Epoche, sondern sie war Ausdruck eines kapitalistischen Zeitalters, das sich jetzt alle Weltregionen unterwarf. Alle Aufstände und Rebellionen, die in diesem Zusammenhang losgetreten wurden, enthielten keinerlei Merkmal neuartiger Umwälzungen oder waren Bestandteil des Endpunktes kapitalistischer Entwicklung; im Gegenteil waren sie teils Relikte bürgerlicher Revolutionen, teils Ergebnis neuartiger Konflikte im modernen Kapitalismus, die nicht den Klassengegensätzen folgten, sondern Disparitäten, Generationsgegensätze oder Ungereimtheiten des komplizierten Machtsystems von Kapitalismus waren.6

Offensive

Es kam, wie es kommen mußte, die Kontrahenten, die keinerlei Gemeinsamkeiten hatten in Denken, Sprache, Mentalität und Zielsetzung, trennten sich. Die Subversive Aktion zerfiel in die zwei Bestandteile von westlicher Kulturkritik und östlichem Aktionismus auf der Grundlage eines "dissidenten Marxismus". Ein Westler allerdings erlag nicht nur der Faszination Dutschkes, er war auch überzeugt, daß die Ostler interventionsfähig waren und genügend Tatkraft aufbrachten, sich einzumischen. Dieter Kunzelmann hielt die Kontakte zu Rudi Dutschke und Bernd Rabehl, die über die Tschombe-Demonstration von Dezember 1965 sich einen spekulativen Eintritt in den SDS verschafften. Hier bildeten sie von Anfang an eine "Fraktion", die sie feinfühlig als die Viva-Maria-Gruppe titulierten. In einem Filmspektakel von Louis Malle symbolisierten Brigitte Bardot und Jean Moreau Anarchismus und Marxismus, die sich zusammenfanden und eine Einheit bildeten und in diesem Zusammenhalt eine siegreiche Revolution in Gang setzten. Im SDS sollten die theoretischen Übergänge anarchistischer Radikalität und marxistischer Reflektionsgabe die Sprengkraft bilden, den traditionellen Sozialismus zu überwinden und neue Aktionsfelder zu finden. Als die Versuche von Seiten der "Keulenriege" scheiterten, diese Fraktion zu isolieren bzw. herauszudrängen, wurden vom Bundesvorstand des SDS, Helmut Schauer, Hartmut Dambrowski und Frank Deppe, der Versuch unternommen, primär Rudi Dutschke und Bernd Rabehl zu kooptieren oder sich soweit inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen, daß ihre theoretischen Ansätze entschärft oder auf einen Punkt getrieben wurden, wo sie sich als unvereinbar erwiesen mit dem Status des SDS als Hochschulgruppe und sozialistischen Verband, der nicht in die Illegalität hineingedrängt werden durfte und der auch nicht die gesetzliche Zusage der Förderungswürdigkeit durch den Bundesjugendplan verlieren sollte. Vom 12. bis 20. März 1966 wurde ein SDS-Seminar im Naturfreundehaus in Oberreifenberg/Taunus verabredet. Es stand unter dem Thema: "Zur Geschichte der Arbeiterbewegung". Referenten waren etwa Frank Deppe, der über "die bürgerliche Revolution und die Entstehung der Arbeiterklasse" sprach. Oscar Negt referierte über "die Rezeption der Marxschen Theorie in der sich entwickelnden Arbeiterbewegung". Fritz Lamm hatte das Problem der "Sozialreform oder Revolution" zum Thema. Richard Lorenz redete zum Problem: "Wandlungen des Marxschen Revolutionsbegriff in der Russischen Revolution". Rudi Dutschke zielte in seinem Beitrag auf die kritische Rezeption historischer Klassenkämpfe und ihrer theoretischen Interpreten. Seine Thematik lautete: "Die revolutionären Ansätze in der westeuropäischen Arbeiterbewegung bis 1923 und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch Lukacs und Korsch. Hanno Drechsler sprach über das Thema. "Die politische Antwort der Arbeiterparteien auf Faschismus und Wirtschaftskrise". Ursula Schmiederer befaßte sich mit "Kalter Krieg, Koexistenz und die Politik der westeuropäisch sozialistischen Parteien nach 1945". Kurt Steinhaus nahm die Fragestellung Dutschkes auf durch seinen Beitrag: "Einflüsse der Kolonialrevolution auf die westeuropäische Arbeiterbewegung und ihre Politik". Oscar Negt und Helmut Schauer verbanden jeweils aktuelle Themen miteinander. Ihre Referate trugen den Titel:"Integration und politisches Bewußtsein der Arbeiterklasse im Spätkapitalismus" und "Intellektuelle und Arbeiter in der Bundesrepublik - politische Möglichkeiten".7
Die Thematik der Subversiven Aktion hatte Kreise geschlagen und war nun Gegenstand eines SDS Seminars, das primär bestritten wurde von der Marburger Schule um den Professor Wolfgang Abendroth (Frank Deppe, Hanno Drechsler, Ursula Schmiederer, Kurt Steinhaus). Außerdem wurde der Altsozialist und Gewerkschaftler Fritz Lamm, Mitglied der IG Metall und Veteran der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), aufgeboten, den Neuradikalen den "proletarischen Standpunkt" nahe zu bringen. Richard Lorenz war in den fünfziger Jahren Assistent von Ernst Bloch in Leipzig und befaßte sich nach seinem Grenzwechsel in die Bundesrepublik mit der modernen russischen Geschichte am Institut für Ostforschung in Marburg. Oscar Negt war Assistent am Lehrstuhl von Professor Theodor Adorno an der Frankfurter Universität. Der Bundesvorsitzende des SDS, Helmut Schauer, war eine Art Ziehsohn von Fritz Lamm und vertrat die Position eines unabhängigen Sozialisten, der allerdings orientiert war auf die Politik der IG Metall. Ein historischer Sachverstand sollte die Interpretationsgabe von Rudi Dutschke relativieren, wenn nicht sogar überwinden. Er blieb auf diesem Seminar die Hauptperson. Seine wenigen Mitstreiter, etwa Till Wilsdorf, Peter Rambauseck, Manfred Hammer, Lothar Menne, Gretchen Klotz-Dutschke, Bernd Rabehl, Rainer Langhans, Klaus Gilgemann, wobei die letzten beiden sich immer wieder von Dutschke distanzierten, waren umringt von den Parteigängern der unterschiedlichen "Schulen" oder Gruppierungen aus Marburg, Frankfurt, Köln, Hamburg, die wohl eine innere Allianz eingegangen waren, um den ideologischen Schaden, die die Subversiven verursachten, zu begrenzen. Dieter Kunzelmann und Marion Stegar waren von den Veranstaltern wieder ausgeladen worden. Die Thematik des Seminars bezog sich letztlich immer darauf, ob die Arbeiterklasse Subjekt des Geschehens blieb, welche Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung gezogen werden konnten, welchen Stellenwert einer Organisation wie dem SDS im internationalen Klassenkampf zukam und ob aus den Kreisen der sozialistischen Intelligenz die Offensive gestartet werden konnte, die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik zu erschüttern? Es gab mehere Protokollanten, die die Diskussion aufzeichneten. Außerdem hatte Dutschke sich ausführliche Notizen gemacht, die seine Sichtweise begründen sollten. Protokolle und Notizen liegen in den Akten des Bundesvorstandes des SDS vor und sollen an dieser Stelle kurz interpretiert werden.
Frank Deppe ging orthodox marxistisch vor. Für ihn war der "Reifegrad" der sozialistischen Theorie Ausdruck des Entwicklungsstandes der Produktivkräfte. Überwundene und veraltete Theoriekonzepte der Vergangenheit, etwa von Graccus Babeuf, Auguste Blanqui, Michail Bakunin oder Joseph Proudhon ließen sich nicht einfach übertragen auf die Gegenwart. Das Problem des Revisionismus war, welche Variante er auch jeweils annahm, daß er eine bestimmte Situation des Klassenkampfs oder seines Stillstands absolut setzte und die Gesamtdimension weltweiter Klassenkämpfe aus dem Auge verlor. Ähnlich waren auch die Kolonialrevolutionen der Gegenwart abhängig von der internationalen Solidarität, sollte ihr Kampf nicht scheitern. Ein erster Streit entbrannte über die Rolle des Anarchismus in der Ersten Internationale, über die Bedeutung der "antiautoritären Opposition" gegen "Marxisten" und "Blanquisten". Die Analogie war unübersehbar. Rudi Dutschke und Bernd Rabehl bezogen sich in ihrer Argumentation primär auf die Erfahrungen des russischen Anarchismus, der in Bakunin einen gesamteuropäischen Vertreter gefunden hatte. Sie bezogen sich in der Diskussion auf einen Roman von Alexander Ropschin, der 1912 in Leipzig übersetzt und verlegt worden war. A. Ropschin war ein Pseudonym von Boris Sawinkov, ein Bombenleger und Stadtkämpfer des illegalen Arms der russischen "Sozialrevolutionäre", dessen Geständnisse in Tschekahaft nach 1918 im Jahre 1924 von Arkadij Maslow, dem Weggefährten von Ruth Fischer, damalige Vorsitzende der KPD, in Berlin publiziert wurden. Ropschin-Sawinkov machte in beiden Texten deutlich, daß der bewaffnete Kampf in einer gesellschaftlichen Situation der "Paralyse" nicht nur politische Taktik war, sondern die Verhältnisse auf Bürgerkrieg und Revolution zuspitzte. Paralyse umschrieb für Rußland eine Realität, wo die staatliche Bürokratie des zaristischen Staates, aber auch die entstehende Bourgeoisie die Fähigkeit der Initiative verloren hatte. Gleichzeitig war die Masse der Bauern nicht mehr bereit, die Zeche einer weitgehend verfehlten Industrialisierung zu zahlen. Sie versagte jeglichen Gehorsam und besetzte Gutshöfe, Polizeistationen, staatliche Behörden und zündete diese zu Stein gewordenen Symbole von Klassenherrschaft an. Die Bauernschaft stellte jedoch historisch keinerlei Alternative zum gesellschaftlichen Zustand dar. Die großindustrielle Arbeiterschaft bestreikte die Betriebe besetzte sie sogar, blieb jedoch im Volk isoliert. Die Kleinbürger zogen sich aus der politischen Verantwortung zurück, aber auch sie entwickelten keinerlei Pläne und Konzeptionen für die Zukunft. Die Jugend rebellierte, war unzufrieden mit dem Schul- und Universitätssystem, aber auch sie hatte nicht die Kraft zu einem sozialen Aufbruch. Der innere moralische und politische Zerfall gesellschaftlicher Stabilität konnte noch forciert werden, indem gezielt einzelne Vertreter der herrschenden Bürokratie oder der Großbourgeoisie, die Perspektiven und die Führerschaft in einzelnen Machtfraktionen verkörperten und in der Lage gewesen wären, die gesellschaftliche Stagnation zu überwinden, durch den illegalen Arm revolutionärer Parteien durch Bomben oder Attentate umgebracht wurden. Dadurch verloren die Herrschenden die Persönlichkeiten, die Impulse geben konnten oder die die wichtigen Repräsentanten von Politik waren. Sie waren auch nicht einfach ersetzbar. Angst breitete sich in ihren Reihen aus. Die Herrschenden verloren die Gabe zum Herrschen. So war nach Ropschin-Sawinkov der subjektive Faktor von Terror Element einer revolutionären Offensive, die die subjektiven Bedingungen von Revolution herstellte. Rußland von 1905 und 1917 besaß nach Dutschke und Rabehl durchaus Parallelen zu Westeuropa der endsechziger Jahre. Dort in Rußland stand die kapitalistische Entwicklung zwar erst am Anfang und die modernen Klassen hatten sich längst nicht politisch formiert, jedoch erlaubten die Konzentration von Herrschaft auf Staat und Großkapital und die Führungskrise dieser Schichten die terroristische Offensive. Hier in Westeuropa war ein vorläufiger Endpunkt kapitalistischer Dynamik erreicht. Die sozialen Klassen waren zu bloßen Massen reduziert, verkörperten zwar Unruhe und Unzufriedenheit, aber waren ähnlich wie die russischen Bauern und Kleinbürger zu politischer Tatkraft unfähig und neigten eher zu faschistoiden Vorurteilen oder Parteien. Die Herrschenden selbst bildeten nur noch eine politische Clique, die zwar über Wirtschaft, Staat, Verbände und Parteien gut organisiert waren, sich jedoch in Abhängigkeit befanden zum US-Imperialismus, deren Macht dabei war, in Vietnam und Cuba sich zu verschleißen, weshalb sie in eine politische und moralische Krise sich hineinbewegte. Lediglich die "Jugend" als Generation und Studentenschaft war zu revolutionären Initiativen fähig. Sie mußte sich jetzt revolutionär organisieren und dabei durchaus die produktiven Aspekte von Terror und Offensive bedenken. Allerdings mußte dabei bedacht werden, daß die Herrschenden durchaus über den revolutionären Terrorismus ihre Stabilität und Legitimität zurückgewinnen konnten, indem sie dagegen Staat und Repressionsapparat organisierten und das "Volk" gegen die "Revolutionäre" aufwiegelten. Genau diesen Aspekt schilderte Ropschin-Sawinkow in dem Roman und Geständnis, wo er jeweils darlegte wie die russische Geheimpolizei den revolutionären Geheimbund unterwanderte und im Sinne der staatlichen Gewalt instrumentalisierte. Einer der führenden Revolutionäre war Polizeiagent und steuerte Attentate und Aktionen im Interesse staatlicher Macht. Schon aus diesen Gründen war es wichtig, daß eine entstehende Stadtguerilla Teil der politischen Oppositionsbewegung blieb und sich nicht als Terrorgruppe verselbständigte.8
Gegen solche Interpretationen redeten Helmut Schauer und Frank Deppe an. Für den einen hatten anarchistische Aktionen nur einen Sinn, waren sie eigebettet in einem organisierten Klassenkampf und standen sie unter dem Einfluß marxistischer Parteien. Für den anderen gewann der anarchistische Terror auch in den unterentwickelten Ländern keinerlei Bedeutung, selbst wenn die ökonomischen Verhältnisse labil waren oder "stagnierendes Bewußtsein im Volk" sich ausbreitete. Nur der gut organisierte, revolutionäre Krieg hatte hier eine Perspektive. Für die Metropole war eine derartige Wendung zum Terrorismus fatal, beeinträchtigte er doch die Kampfkraft der Arbeiterbewegung.9
Auch die anderen Dozenten waren bemüht, derartige Spekulationen über Anarchismus und Offensive kaputtzureden und zu überwinden. Die Marxsche und Leninsche Ableiterei von Kapitalismus und Imperialismus wurde aufgeboten, um das intuitive Denken der Antiautoritären zu konfrontieren mit materialistischer Logik und Weltanschauung. Fritz Lamm wollte die materiellen Grundlagen von Reformismus und Revisionismus in seinem Beitrag aufdecken. In Deutschland gab es immer wieder Formierungen und Bündnisse zwischen Kapital und Arbeit nach seiner Überzeugung, die gesteuert wurden über das Rüstungskapital und das Militär. Die Idee der "Formierten Gesellschaft" folgte 1966 diesen Beispielen der Kriegswirtschaft im I. Weltkrieg, der unterschiedlichen Weimarer Koalitionen und der Absprachen nach 1949. Warum in Rußland derartige Koalitionen nicht möglich waren und durchbrochen wurden durch spontane Volkskämpfe, aber auch durch die Interventionen der Bolschewiki, 1905 noch 1917, war Gegenstand des Vortrages von Richard Lorenz. Diese Fragestellungen brachten Dutschke schließlich dazu, Stellung zu beziehen zum Problem der Machtverschränkung von reformistischen Parteien und Gewerkschaften, Staatsapparat und Großkapital, die eine aktuelle Bestimmung von "Politik" enthielt und über den traditionellen Marxismus nicht erschlossen werden konnte. Dutschke wurde in seinen Ausführungen permanent unterbrochen und es bestand durchaus die Absicht, ihn als inkonsequenten und idealistisch spekulativen Denker vorzuführen und zu widerlegen. Laut Protokoll begann er damit, den Zustand in der Dritten Welt und in den westlichen und östlichen Industriegesellschaften als eine "totale Negation" zu umreißen, weil die Gesellschaften in den Elendsregionen der Welt den kapitalistischen Weg nicht mehr nachvollziehen konnten, weil die technologisch organisatorischen und produktiven Vorgaben des modernen Kapitalismus zu hoch waren, aber auch weil der Realsozialismus die sozialistische Perspektive verloren hatte, gleichzeitig die Adaption kapitalistischer Produktionsmethoden nicht vollziehen durfte, wollte er sich nicht einem inneren Zerfall aussetzen. Der moderne Kapitalismus selbst lebte nur noch über Rüstung, Produktionsverschleiß, "tote Kosten", Staatskrücken und weitgehend unproduktive Ausgaben, so daß diese Interventionen immer wieder den gesellschaftlichen Reichtum zerstörten. Von daher war der Sozialismus überfällig. Seine Freisetzung aus dem kapitalistischen System war längst nicht mehr die Tat der Arbeiterklasse, sondern war Angelegenheit der unterschiedlichen Sozialisten. Ansatzpunkte ergaben sich aus den Tendenzen der kapitalistischen Stagnation, aber auch bei den vielen Einzelpersonen der konformen Masse, die primär psychisch die Sinnlosigkeit von Leistung und Disziplin nicht mehr aushielten. Der moderne Kapitalismus verkörperte bereits die sozialistische Utopie, deren Freilegung Anstrengung der vielen Einzelnen, aber auch der unterdrückten Restklassen war. Die "totale Negation" besaß eine innere Dialektik von Entfaltung der Produktivkräfte und der vitalen Bedürfnisse der Menschen nach Veränderung und Revolution. In der Dritten Welt definierte diese "Negation" den Widerstand gegen den alten und neuen Kolonialismus. In den Metropolen waren die Massen noch befangen im Herrschafts- und Verblendungszusammenhang, weshalb vorerst Einzelne, dann Gruppen, Generationen und später durchaus Massen ausbrechen konnten aus diesem manipulativen Herrschaftssystem. Allerdings waren die Sozialisten gefordert Alternativen zu eröffnen, die sich lösten aus den Verkrampfungen alter Weltanschauungen oder aus dem Blendwerk östlicher Propaganda. Für Dutschke war das Zeitalter der proletarischen Revolution vorbei. Es wurde ersetzt durch neuartige "Volksrevolutionen", die in Gang gesetzt wurden von den Erniedrigten und Beleidigten, von den Aussteigern und Unzufriedenen, die aus allen Volksschichten kamen, primär jedoch aus der dissidenten Intelligenz. Erst jetzt wurde verständlich, warum es einen Zusammenhang gab zwischen den kämpfenden und der leidenden Menschheit, der in Vietnam symbolisiert wurde. Helmut Schauer intervenierte. Für ihn war diese "totale Negation" zu abstrakt, um das reale Elend in den unterentwickelten Ländern zu fassen und es zu vergleichen mit einer psychologischen Verelendung in den Metropolen. Die Weltkriege und die nationalsozialistische Diktatur enthielten historisch auch eine derartige Negation, die jedoch nie so total war, so daß Revolutionen, Befreiungskämpfe, Neuordnungen und Sozialismus dieser Negation folgen konnten. Schauer war außerdem überzeugt, daß nur eine kleine Gruppe von Intelligenz überhaupt diese abstrakte Identifizierung von leidenden und kämpfenden Menschen nachvollziehen konnten. Die Absage an das Proletariat empfand er als Skandal.10
Dutschke bezog sich in seinem Referat auf die Offensivtheorie von Georg Lukacs, die dieser zu Beginn der zwanziger Jahre entwickelt hatte. Gerade weil der Hauptteil der reformistischen Arbeiterbewegung immer wieder über die SPD und Gewerkschaften bereit war, Kompromisse einzugehen mit Kapital, Reichswehr und Staat, mußte die revolutionäre Linke sich als Störfaktor begreifen. Sie mußte durch ihre Aktionen neue Bedingungen schaffen, die gleichzeitig das herrschende Machtbündnis in Frage stellten und neue Forderungen und Ziele enthielten, die hinausgingen über die ausgehandelten Zugeständnisse. In den zwanziger Jahren hätte die KPD ein derartiger Störfaktor sein können, wenn sie nicht immer stärker der sowjetischen Außenpolitik oder den Auflagen der Kommunistischen Internationale gefolgt wäre, deren Interessen identisch waren mit den Machtinteressen der Konsolidierung der bürokratischen Diktatur in Moskau. Diesen Zusammenhang von Reformismus und Revolutionismus, die jeweils gebunden waren an realer Macht und diese jeweils rechtfertigten, mußte eine kritische Aufarbeitung von Arbeitergeschichte durchdenken. Die dissidenten Denker dieser Zeitspanne, etwa Georg Lukacs und Karl Korsch, waren deshalb interessant, weil der eine die Möglichkeiten von Offensive zu Beginn der Weimarer Republik offenlegte und der andere die Gründe benannte, warum etwa die KPD diese radikale Zielsetzung nicht verfolgte, sondern sich der KI-Politik unterwarf und den Subjektcharakter einbüßte. Für Dutschke war die Geschichte der Arbeiterbewegung eine Geschichte von Niederlagen, die nur in einem Punkt für die kritische Aufarbeitung interessant werden konnte, indem hinausgegangen werden konnte aus der doppelten Belastung von Staatsfixierung und KI-Gefolgschaft. Die Geschichte der Arbeiterbewegung besaß die Faszination für Traditionssuche, aber auch für Analogien, die letztlich den Kreis der Niederlagen nicht durchbrachen, weil sie jeweils nur das Äußere, die bunten Bilder, die Ereignisse aufnahmen, ohne zu hinterfragen, was damals und heute das Spannungsfeld von "Politik" ausmachte. Für Dutschke war bereits zu Beginn der zwanziger Jahre Revolution nicht die eindimensionale Zuspitzung zum Bürgerkrieg, sondern sie besaß vielfältige Ursachen und Umsetzungen, weshalb eine Zentralisierung der revolutionären Kräfte in der KI genauso falsch war wie die militärische Vorbereitung eines Bürgerkrieges. Dutschke dachte mit Lukacs an dezentrale Aktionen, an unterschiedliche Revolutionszentralen in unterschiedlichen Regionen Westeuropas, aber auch an die unterschiedliche Qualität von Aktionen. Sie enthielten Bündelungen verschiedener Aktivitäten: Demonstrationen von Arbeitslosen, spontane Besetzungen von Kaufhäusern und Banken, Arbeiterstreiks, Straßenblockaden, Ratschlägen in Theatern und Schulen, Frauenproteste usw. Erst im Kontext dieser Aktionen zeigte sich, ob sie sich aufpendelten zum Umsturz oder ob sie primär Stimmenzuwachs waren für die radikalen Parteien und die herrschenden Parteien in Bedrängnis brachten. Die Fehler der KPD belegte er an Hand der Märzaktion von 1921. Er machte vor allem deutlich, daß sich nicht automatisch aus einer ökonomischen Krise revolutionäres Bewußtsein ergab. Im Gegenteil verursachten Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit stets eine Verwahrlosung von Denken und Interessen der Betroffenen, war nicht eine vielgestaltete Bewegung vorhanden, all die Vereinzelten und Demoralisierten aufzufangen und zu motivieren zu Widerstand und Protest. Die ökonomische Analyse mußte also Vermittlungen finden zur jeweils konkreten Situation und Mentalität einer Klassenlage bzw. zur inneren Stimmung der Unzufriedenen. Der abstrakte Marxismus traf schon nicht mehr diese stimmungsmäßige Situation und er hatte auch keinerlei Vorstellung von Politik in der Differenzierung des herrschenden Machtbündnisses, aber auch des Zusammenhalts von Volk bzw. seiner unterschiedlichen Gliederungen. Deshalb verfehlte er auch die Organisationsfrage von Widerstand; er setzte entweder auf die "Bewegungsgesetze" des Kapitals, die die Klassen und mit ihnen den Kampf formierten oder er entwickelte das Organisationsprinzip von Berufsrevolutionären, die in Rußland und in Deutschland von "Politik" lebten und deshalb die Neigung hatten, Kampfformen zu zentralisieren, zu bevormunden, zu bürokratisieren und zu überführen in das Machtgeflecht herrschender Politik. Aus diesen Niederlagen mit Hilfe der dissidenten Denker zu lernen, war für Dutschke Anlaß, Antworten zu finden für die Gegenwart, die alten Fehler nicht zu wiederholen. Der subjektive Faktor war für Dutschke weitaus bedeutsamer als die ökonomische Ableitung, allerdings mußte die Dialektik ergründet werden, die sich ergab aus dem aktuellen Machtzusammenhang und den Aufbrüchen, die sich artikulierten in Protesten, Widerstand und Verweigerungen. Diese mußten eine adäquate Organisation der vielfältigen Initiativen und Impulse finden.11

Notizen

Zu den Auseinandersetzungen und Diskusssionen auf dem Seminar im Naturfreundehaus Oberreifenberg machte sich Dutschke Notizen, die teils Mitschrift, Diskussionsvorlage und Reflektion waren. Allerdings kann auch bezweifelt werden, ob diese Anmerkungen aus diesem Zusammenhang sich ergaben, weil Probleme und Begriffe auftauchten, die Dutschke erst sehr viel später verwandte. Trotzdem sind sie Indiz dafür, daß eine Kontinuität vorhanden war zwischen den frühen und späten Aussagen zur Rolle der Stadtguerilla in Westeuropa. Der Disput über Ropschin-Sawinkov konnte folgende Gedanken provoziert haben, sie konnten allerdings auch Ausdruck der Auseinandersetzung im SDS nach dem 2. Juni 1967 sein. Eine linke Volksbewegung gegen das herrschende Machtbündnis benötigte einen urbanen, militärischen Apparat der Revolution, der eine "Parallelorganisation der Selbstverteidigung" aufzuweisen hatte, ein militärischer Arm, der gestellt wurde von "unverdächtigen Genossen", die weniger "verwundbar" waren von der Repression und "T. u. Son.-Gruppen, die durch ein System von Aktionen gegen die imperialistische Infrastruktur sich als Organisation in der Praxis konstituierten - von der Selbstverteidigung zur Konter-Offensive". Stand nun "T" für Terror oder Technik und umschrieb "Son" die "Sondergruppen" oder "Sondierungsgruppen"? Dutschke betonte die "Vermittlung der beiden Aktionsebenen", die den illegalen Kampf und die "legale Arbeit in den widersprüchlichen Gliedern gesellschaftlicher Totalität" umfaßten. Die "soziale Basis der Stadtguerilla" bestand nach Dutschke in der Dritten Welt in den Slums und Ghettos der Großstädte. Im Westen war es das "Gegenmilieu mit subkultureller Dynamik", das die Ausgangsbasis war für den städtischen Kampf. Die Universitäten bildeten hier eine "Sicherheitszone", die allerdings, in Klammern gesetzt, sehr ambivalent war. Kinos, Läden und stagnierende Stadtgebiete bildeten ein weiteres Feld des Rückzugs. Hier setzte Dutschke zwei Fragezeichen. Die Grenzen der Stadtguerilla sah er in ihrer "Verwundbarkeit" durch den Repressionsapparat. Vor allem militärisch waren sie diesem nicht gewachsen. Die "Beweglichkeit" der Guerilla ging sehr schnell verloren und die Rückzugsgebiete boten nicht genügend Schutz. Die Kerngruppen blieben in ihrem "Doppelleben" als Guerillero und Privat- bzw. Berufsmensch gespalten und wurden nicht die "Keimform" der "Volksbefreiung", auch nicht "Focus" für einen "neuen Menschen".
In einem weiteren Schritt wollte Dutschke die Theorie von Lenin des "schwächsten Gliedes" übertragen auf die Situation in Westberlin oder auf die westlichen Großstädte. Ein derartig schwaches Kettenglied von Macht war Ausgangspunkt von Politisierung und war Ausdruck von "relativer Sicherheit" für die Revolutionäre. Es war eine Art "Gegenmilieu", das auch den Rückhalt bot für einen "langen Marsch" durch die Institutionen, um in das Berufsleben die radikale Aufklärung hineinzutragen. Weitere schwache Kettenglieder stellten neben den Universitäten die Schulen, Fach- und Ingenieursschulen und vor allem die Berufsschulen, die die Vermittlungen herstellten zwischen Betrieben und Studentenschaft. Weiße Kreise, stagnierende Produktionszweige und Regionen waren weitere schwache Glieder. Für Dutschke kam es darauf an, die "widersprüchliche Einheit des Apparats" zu verunsichern durch unterschiedliche Aktionen und Solidarisierungen, vor allem durch eine Reihe von "Selbstorganisationen" und Initiativen. Dadurch wurde herausgefunden, welche klassenkonstituierenden Interessen bzw. welches Widerstandspotenztial bestand. Sie mußten verbunden werden mit Zielen, die all die Sonderinteressen zusammenbrachten. Ein "Focus" war deshalb primär politisch und weniger militärisch aufgebaut, denn ein derartiger "Freiheitsraum" konnte sich sehr schnell als Falle zeigen. In diesem "Raum" agierte die studentische Avantgarde. Sie stellte die Beziehung her zu den unterschiedlichen Bereichen sozialer und gesellschaftlicher Unzufriedenheit und zu stagnierenden Produktionszweigen bzw. zu dem "widersprüchlichen Apparat von Öffentlichkeit". Allerdings konnte diese Avantgarde sehr schnell die "Initiativfunktion" verlieren, war sie nicht mehr offen für die sozialen Probleme und schloß sie sich ideologisch ab von der Aufgabe, Widersprüche "offensiv" zu bearbeiten. So konnte sehr schnell eine "temporäre und organisatorische Trennung von Avantgarde und "Massen" " passieren. Die "kleinsten homogenen Guerilla-Einheiten" innerhalb dieser Avantgarden benötigten eine hervorragende politische und wissenschaftliche Ausbildung, um über ihre Rolle Bescheid zu wissen. Sie mußten durchdrungen sein von einer "menschlichen Kommunikation", um sich nicht primär militärischen Prinzipien zu unterwerfen.
Eine Analyse der geschichtlichen Möglichkeiten zielte auf eine integrale Strategie, die die Totalität der gegebenen politischen Situation skizzierte. "Guerillaeinheiten" waren für Dutschke immer nur ein "Moment der Gesamtsituation". Die "Aufstandsphase" der Revolution war für ihn ein "langer Prozeß". Dutschke wollte unterschiedliche Organisationstypen mit einer gefestigten Führerschaft kombinieren, "with a firm political leadership", wie er plötzlich englisch schrieb, um dadurch eine politische Breite zu erreichen, die eine marxistisch-leninistische Partei nie realisieren konnte. Eine derartige Parteigruppierung unterschiedlicher Ansätze war gleichzeitig Ausdruck des wachsenden Widerstands, aber immer auch Experimentierfeld für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Dutschke zitierte hier aus Debray: Long March, S. 38. Partei war also "Resultat" eines "nationalen Befreiungskampfes" und dadurch " natürliches Kaderprinzip des Kampfes". Seit der cubanischen Revolution war der Spielraum des Stadtguerilla stark eingeschränkt, denn es gelang nicht mehr so einfach "schwache Glieder" zu finden oder "befreite Gebiete" zu ertrotzen, wo Teile der Bevölkerung mit der Revolution sympathisierten. In Westeuropa mußten die Revolutionäre eintauchen in das "Lebensmilieu der Lohnabhängigen". Sie mußten es "organisieren" und sinnlich erfahrbare Verbesserungen ermöglichen". Sie mußten in bestimmte Betriebe gehen, um hier nicht primär zu agitieren, sondern zu "erklären", aufzuklären, "Initiativen" zu entfalten. "Propaganda by facts" zitierte er Debray.12
Ohne Zweifel wurden hier Gedanken ausgebreitet, die in Redebeiträgen und Aufsätzen etwa auf der Trauerveranstaltung zu Benno Ohnesorg in Hannover, in dem Organisationsreferat mit Hans -Jürgen Krahl und im Beitrag zur "Rebellion der Studenten spezifiziert wurden. Der Begriff "Integraler Etatismus" umfaßte hier das kapitalistische System als "formierte Gesellschaft", aber auch als Diktatur in der UdSSR und DDR. Er umschrieb in seiner Lesart die negative Aufhebung kapitalistischer Produktionsverhältnisse auf kapitalistischer Grundlage, die mehere Spielarten von "Staatseingriff" darstellten, staatliche Interventionen, die unter der Perspektive standen, repressive und soziale Sicherheit zu kombinieren und die sozialistische Alternative und ihre Organisationsfront aufzulösen bzw. positiv und negativ zu integrieren oder zu kriminalisieren oder überhaupt die "Klassengesellschaft" zu liquidieren.. Varianten dieser "negativen Aufhebung" oder des integralen Etatismus waren die Diktaturformen von Faschismus, Nationalsozialismus, Stalinismus und Populismus und US-Monopolkapitalismus. Die produktivste Variante war die letzte Aufhebungsform, weil hier die "toten Kosten" von Staat und Repression nicht die Dimension hatten, die Gesamtheit von Gesellschaft zu erdrücken und in Krieg und Vernichtung zu treiben und weil es hier gelang, die Klassen aufzulösen und zu subsumieren unter ein Systemmarketing von Konsum und technischer Rationalität. Im Osten dagegen war diese Aufhebungsform verwoben mit den traditionellen Elementen eines vorkapitalistischen Despotismus. Im II. Weltkrieg wurde die NS-Diktatur durch die östliche und westliche Großmacht Sowjetunion und USA zertrümmert. Jetzt standen sich diese Großmächte gegenüber im "Kalten Krieg" als die unterschiedlichen Prinzipien der "negativen Aufhebung kapitalistischer Produktionsform auf kapitalistischer Grundlage". Es war zu erwarten, daß die US-Großmacht und ihre westeuropäischen Mitstreiter, die unproduktive Sowjetunion und ihr Lager niederkonkurrieren würden, um so etwas wie "Weltherrschaft" zu gewinnen, entwickelten die Befreiungskriege in der Dritten Welt und die Aufstände und Revolten in den USA und Westeuropa nicht neue und andere Perspektiven. Die UdSSR und ihr Lager besaßen nur eine Überlebenschance, nahmen sie die Dialektik der nationalen Befreiung auf bzw. wurden alle despotischen Formen von Herrschaft im Interesse eines sozialen Emanzipation aufgelöst. Nach Dutschke war jedoch das Zeitalter der Klassenkämpfe und der "proletarischen Revolutionen" vorbei. Die Selbstzerstörung monopolkapitalistischer Produktion und Herrschaft schuf Bedingungen für Widerstand und Protest, der jetzt getragen wurde von den "Verlierern" dieses Gesellschaftstyps, von den Paupers, Verfolgten, Beleidigten, von den Außenseitern, von der jungen Generation, die die Sinnlosigkeit von Macht, toten Kosten und unproduktiver Arbeit durchschauten und die utopische Alternative aus dem bestehenden gesellschaftlichen Reichtum enträtselten. In diesem Bündnis von Elend, Verweigerung, Jugend und Subversivität entstand ein neues revolutionäres Subjekt.13

Dissidenter Marxismus

Erstaunlich ist, daß das Denken von Ernst Bloch in all den Auseinandersetzungen dieser Zeit nicht auftaucht. Dutschke hat ihn ohne Zweifel studiert. Vor allem die Schrift über Thomas Müntzer, die ja viele Gedanken und Ideen seines "heimlichen" Christentums barg, hat er immer wieder zu Rate gezogen, jedoch nicht nach außen gestellt. Bloch war unheimlich, weil er sich so eng mit dem Stalinismus eingelassen hatte. Er hatte in den dreißiger Jahren den "großen Terror" gutgeheißen und gedeutet als eine produktive Maßnahme. Immer wieder schmückte er seine Ausführungen mit Zitaten des Generalissimus Stalin. Er war wohl überzeugt, daß Sowjetunion und DDR den Keim des Noch-Nicht-Sein und der Utopie trugen. Deshalb wurde der Philosoph der Utopie und der Hoffnung nicht aufgenommen in den Kreis der Ideengeber der antiautoritären Revolte. Erst später, zu Beginn der siebziger Jahre, reiste der greise Philosoph mit seiner Frau nach Aarhus in Dänemark, um die Familie Dutschke aufzusuchen. Der Denker der Hoffnung suchte einen Schüler, der ihn bisher ignoriert hatte und es mußte Dutschke sein, weil dieser eine Verkörperung und Symbol von Aufbruch, Revolte, Hoffnung und Utopie war. Was würden in der Zukunft die Blochinterpreten sagen, wenn beide, der Philosoph und der Rebell, die beide viele Gemeinsamkeiten hatten, nicht zusammenkamen und wenn der Denker der Utopie in einer "utopischen Zeit" keinerlei Berücksichtigung fand? Aus diesem Zusammentreffen in Aarhus entstand so etwas wie väterliche und sohnhafte Freundschaft, je nachdem von welcher Seite sie betrachtet wurde. Ein Blochianer ist Dutschke zeitlebens nicht geworden.
In der Revolutions- oder Revoltezeit bestand keinerlei Nähe. Das läßt sich dokumentieren an der "ausgewählten und kommentierten Bibliographie des revolutionären Sozialismus von Karl Marx bis in die Gegenwart", die Dutschke im Oktober 1966 vorlegte. Sie war gegen das Schulungsprogramm von Frank Deppe, Kurt Steinhaus und Helmut Schauer geschrieben, die sich an der Marxistischen Arbeiterschulung (MASCH) der KPD von Hermann Duncker und August Wittfogel aus den zwanziger Jahren orientierten. Dutschke wollte die Arbeitergeschichte nicht als Heroengeschichte, als Legende der Siege und der Legitimation der KPD betrachten. Seit 1918 war die deutsche Arbeiterbewegung von Niederlage zu Niederlage geschritten. Diese historisch und gedanklich aufzuarbeiten, konnte Hinweise geben, alte Fehler nicht zu wiederholen bzw. den Stellenwert der Klassenkämpfe in einer Transformationsperiode hin zur NS-Diktatur festzumachen. Allein diese Sichtweise sollte aus dem Marxschen Kritikbegriff verdeutlicht werden, weshalb der Zusammenhang der Früh- und Spätschriften von Marx und Engels dar- und der differente Dialektikbegriff der Klassiker offengelegt werden sollte. Für Dutschke wurde die praktische Auseinandersetzung zwischen Marx und Engels auf der einen und ihren junghegelianischen und anarchistischen Widersachern im Bund der Gerechten wichtig, weil diese unterstrich, wie die Organisationsfrage hineispielte in den theoretischen Disput und der Praxis- bzw. Aktionsbegriff immer auch die Vermittlung war zur konkreten Politik und Taktik. Marx und Engels verkürzten nach seiner Überzeugung Praxis zur bloßen Reflektion bzw. zum abstrakten Klassenkampf und blieben dadurch befangen in der Hegelschen Dialektik und verloren den Bezug zur Wirklichkeit einer vorrevolutionären Situation. Bei Engels wurde die historische Dialektik der Revolution sogar überführt in eine Naturdialektik von Entwicklung, die die Spannung von Subjekt Objekt nicht mehr enthielt und auf abstrakte Prinzipien von Fortschritt und Zukunft vertraute. Sie war nicht zufällig die Legitimationsideologie und Weltanschauungsreligion in der Arbeiterbewegung, in SPD und KPD und wurde zur großen Scholastik bei Bucharin, Deborin und Stalin aufgebauscht. Die Dialektik der sozialen Befreiung ging verloren. Beim "Kommunistischen Manifest" war Dutschke interessiert am Begriff des "Lagers". Er war Tendenzbegriff, der die Gesellschaft zeichnete in der absoluten Spaltung von Lohnarbeit und Kapital, die in der Zukunft eintreten sollte. Diese Sichtweise unterschlug nach seiner Überzeugung die Vielfalt der Übergänge, Bewahrungen und Aufhebungen. Realhistorisch hatten sich die vorkapitalistischen Klassen nicht aufgelöst, sondern waren machtpolitisch erweitert worden in Mittelstand, Angestelltenschaft und in die umfangreichen unproduktiven Schichten, die der moderne Kapitalismus hervorbrachte. Die Arbeiterschaft wurde gesellschaftliche Minorität. Allein schon deshalb waren utopischer Sozialismus und Anarchismus nicht durch Marx und Engels überwundene Ideen oder Ideologien, sondern besaßen Aktualität. Letztlich hatte Bakunin über Marx triumphiert, indem er immer wieder deutlich gemacht hatte, daß der moderne Kapitalismus lediglich Durchgangsstadium war und daß er machtpolitisch die despotischen Herrschaftsformen Rußlands oder Asiens übernahm und variierte und zugleich die politische Arbeiterbewegung, auf die Marx gesetzt hatte, auflöste und kooptierte. Marx selbst mußte die radikale Sichtweise von Bakunin anerkennen, indem er dessen Ideen von der Zerschlagung des Staatsapparates in seiner Kommuneschrift aufnahm.14
Spätestens hier wäre Platz gewesen, auf Bloch einzugehen und seine Sichtweise von Utopie, Dialektik und Wirklichkeit vorzustellen. Eine Revolutionstheorie ohne utopische Elemente und allein reduziert auf die Legendengeschichte der KPD hätte bei Bloch nicht bestanden. Die Freisetzung utopischer Grundlagen in der Wirklichkeit war auch für Bloch ein Bemühen, den Inhalt von Praxis zu demonstrieren und offen zu legen. Auch für ihn bestand eine Aktualität von Utopismus und Anarchismus im Marxismus, wodurch diese dialektische Theorie erst einen revolutionären Charakter gewann. Aber Bloch war bis zu diesem Zeitpunkt verloren in einer eingebildeten utopischen Perspektive, die nach seiner Überzeugung die Transformationen in der Sowjetunion und in der DDR verkörperten. Der große Philosoph wurde dadurch stärker Ideologe und Bewahrer von Propaganda und Legenden als kritischer Denker. Davon hat er sich in den siebziger Jahren gelöst. Der Utopist Dutschke wird auf ihn einen starken Einfluß gehabt haben. Bloch schrieb sein Gesamtwerk um und tilgte die anrüchigen Passagen.15

Revolte in der Revolte

Warum nun hat das Denken von Dutschke zwar Geschichte gemacht, aber keinerlei Tradition gebildet? Heute gibt es niemand, der sich ernsthaft auf Dutschke bezieht oder in der Lage wäre, produktiv dieses Denken zu reproduzieren. Dutschke ist so tot oder so "lebendig" wie die dissidenten Marxisten Luxemburg, Korsch, Lukacs, Borkenau, Horkheimer, Adorno, Marcuse oder Bloch. Die "Linke", soweit sie sich nicht aufgelöst hat oder atomisiert wurde in unzählige Einzelkämpfer, ist zurückgekehrt zu den Bürgerkriegsfronten der zwanziger Jahre oder verschanzt sich in einem abstrakten "Antifaschismus", der für sie Freund und Feind, das Böse und das Gute definiert und mit dem Zweifel in der Gruppe die Kritik bekämpft. Der Zusammenknall des Sozialismus ist so wenig Problem wie die neuen Metamorphosen des Weltkapitalismus. Die ideologische Schminke ist immer auch Verdrängung. Eine Realitätssicht wird eingetauscht durch die Wärme der Gruppe oder durch den Rückhalt einer "atheistischen Religion".
Die heutige Linke vollzieht gedanklich, was vor ihr auch die Dutschke-Generation vollzogen hatte: die absolute und grundsätzliche Trennung von der Tradition bürgerlicher und proletarischer Kultur. Der Generationskonflikt ließ keinerlei kulturelle Reproduktion mehr zu. Mit den Vätern und Müttern von Krieg, Verbrechen, Niederlage und Aufbau wollten die Nachwachsenden nichts zu tun haben. Deshalb erfanden sie Geschichte neu und konstruierten ihre "Revolution", ihren Aufbruch zu neuen Ufern, die keinerlei Bindeglied mehr zur Vergangenheit haben sollten. Die "Dutschkisten" formulierten ihre Welt und ihre Alternativen, gewannen kurzfristig eine Faszination innerhalb der Jugend, um schnell vergessen zu werden. Ihre Ideengeber waren noch die dissidenten Marxisten. Die Gedanken der Nachfolger kreisten um das Thälmann-ZK aus der Weimarer Zeit oder entdeckten den Traum ihrer Generation im jungen Mao oder Ho Tschi Minh oder lasen Comics und erfanden aus diesen stories jeweils ihre Mission. Jede neue Generation verbarrikadierte sich gegen die Vorgänger, eine Revolte jagte die andere und so entstanden tausende Illusionen und Bilder, die jeweils immer wieder verschwanden und vergessen wurden. Jede Generation lebte von der Einbildung der Einmaligkeit, war autistisch orientiert auf den eigenen Willen und die Schöpferkraft, die Welt immer wieder neu zu entdecken und zu formen. Erinnert wird medienmäßig immer wieder an den Anfang, an Dutschke und die Achtundsechziger. Ernst nimmt sie keiner.
Der Zerfall der bürgerlichen Kultur setzte mit der NS-Diktatur ein und fand ihre Fortsetzung im Nachkriegsdeutschland, das sich mehr und mehr dem modernen Kapitalismus öffnete. Die Revolte von 1967/68 stand an der Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Deutschland und war als Generationsbruch eine Absage an die Werte und Illusionen der Vergangenheit. Tradition und Kultur wurden nun zerhackt und übertragen in ein Medienspektakel, das sich permanent wiederholte, immer auf das Gleiche zulief, auf die Banalität von Konsum und Karriere. Dieser Kreislauf immer gleicher Szenen und Spots war auf das Unbewußte angelegt und erzwang dadurch Vergessen und Gleichgültigkeit. Das Band der Generationen wurde jetzt endgültig zerrissen. Die permanente Revolte war nun angesagt. Sie wurde immer gleichförmiger, ritueller und fataler. Inzwischen ist diese Revolte an Schulen und Universitäten Alltag. Ihre Parolen schmücken immer wieder die Wände der Städte und werden sofort vergessen und unenträselbar. So machte die achtundsechziger Revolte den Anfang unzähliger Revolten, hatte noch den Anspruch einer "Theorie" und einer Nähe zur "Revolution", brachte jedoch das Neuartige zum Ausdruck: Der moderne Kapitalismus kombiniert Aufbau und Zerstörung und produziert Unzufriedenheiten zwischen den Generationen und sozialen Schichten, aber dieses Unbehagen kennt keinerlei politische Einheit mehr und bringt keinerlei Alternativen ans Licht. Alle Aufbrüche sind Bestandteil des alltäglichen Chaos und tragen so bei zur politischen Stabilität. Der Kapitalismus hat mit der bestimmten Negation den Gegner verloren.

Anmerkungen:

(1) An dieser Diskussion nahmen außer Ernst Bloch und Rudi Dutschke - Ossip K. Flechtheim, Wolf-Dieter Marsch, Werner Maihofer, Pfarrer Reblin teil, in: Der Spiegel: Heiterkeit in die Revolution bringen, aus dem Protokoll einer Diskussion mit Ernst Bloch und Rudi Dutschke in Bad Boll, in: Der Spiegel, Nr. 10, Hamburg 1968, S. 39, S. 42, S. 44; Berichte, Kommentare, Evangelische Akademie Bad Boll, Heft 1/2 1968, S. 19 ff.;
(2) Berliner Protokoll vom 10. 7. 1964; Rudi Dutschke: Das Verhältnis von Theorie und Praxis; Brief von Frank Böckelmann an Rudi Dutschke vom 22. 8. 1964; Brief von Rudi Dutschke an Frank Böckelmann vom 22.8. 1964; Rundschreiben von Frank Böckelmann aus Kalikutt vom 24 - 27. 8. 1964; Hamburger Protokoll vom 26. - 30. 9. 1964, in: Frank Böckelmann, Herbert Nagel (Hg.): Subversive Aktion, Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern, Frankfurt 1976, S. 158 ff., S.191 ff., S. 195 ff., S. 198 ff.,, S. 201 ff., S. 224 ff.
(3) Berliner Protokoll, ebd. S. 158/159; Brief von Frank Böckelmann an Steffen Schulze vom 17. 8. 1964, ebd. S. 166; Ders.: Anfänge, Situationisten, Subversive und ihre Vorgänger, in: Ders.: Begriffe versenken, Bodenheim 1997, S. 29 ff.
(4) Rudi Dutschke: Die Rolle der antikapitalistischen, wenn auch nicht sozialistischen Sowjetunion für die marxistischen Sozialisten in der Welt, in: ebd. S. 169 ff.; Ders.: Diskussion: Das Verhältnis von Theorie und Praxis, ebd. S. 193 ff.;
(5) Brief von Frank Böckelmann an Rudi Dutschke vom 22. 8. 1964, ebd. S. 196; ausführlich entwickelt Böckelmann diesen Gedanken in: Anschlag III, Präliminarien, ebd. S. 343 ff.;
(6) Rundschreiben von Frank Böckelmann aus Kalikutt vom 24 - 27. 8. 1964, Anmerkungen zur Diskussion über Theorie und Praxis, ebd. S. 205,, S. 208; Böckelmann bezog sich indirekt auf Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 1995 (Erstausgabe: Amsterdam 1948), Begriff der Aufklärung, S. 27 ff., Kulturindustrie, S. 130 ff.;
(7) Vorläufiges Programm für das Studienseminar: "Zur Geschichte der Arbeiterbewegung vom 12. bis 20. März im Naturfreundehaus Oberreifenberg/Taunus, in: Bundesvorstand des SDS, BV VIII/IX, SDS-Seminare, Sonstige, Studienfahrten, 1966, SDS; Referate und Gedanken der "Traditionalisten" sind enthalten etwa in: Georg Büchner, Frank Deppe und K. H. Tjaden: Zur Theorie der sozioökonomischen Emanzipation von Entwicklungsgesellschaften, in: Das Argument, Heft 3, Juli 1965, S. 25 ff.; Rüdiger Griepenburg und Kurt Steinhaus: Zu einigen sozioökonomischen und militärischen Aspekten des Vietnamkonflikts, in: Das Argument, Heft 1, Februar 1966, S. 44 ff.; Rüdiger Griepenburg und K. H. Tjaden: Faschismus und Bonapartismus, in: Das Argument, Heft 6, Dezember 1966, S. 461 ff.;
(8) Alexander Ropschin: Als wär' es nicht gewesen, Leipzig 1912; Boris Sawinkov: Die Memoiren eines Bombenlegers, (Arkadij Maslow Hg.), Berlin 1924; Reinhard Schmidt: Protokoll vom 13. März 1966, in: BV VIII - IX, ebd.; Rudi Dutschke, Referat: Die revolutionären Ansätze in der westeuropäischen Arbeiterbewegung bis 1923 und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch Lukacs und Korsch, Stichpunkte, in BV VIII - IX ebd.; Bernd Rabehl: Aufzeichnungen 1966, in: APO-Archiv an der Freien Universität Berlin;
(9) Reinhard Schmidt: Protokoll, ebd.;
(10) Peter Heik: Protokoll vom 14. 3. 66; Claudia Faßbinder: Protokoll vom 15. 3. 66, Vormittagssitzung, in BV, Bd. VIII - IX, ebd.;
(11) Georg Lukacs: Zur Organisationsfrage der Intellektuellen; Ders.: Die moralische Sendung der kommunistischen Partei; Ders.: Kapitalistische Blockade, proletarischer Boykott; Ders. Alte Kultur und neue Kultur, in: Kommunismus, Bd. I, Heft 3, ebd., Heft 16/17, ebd., Heft 25/26, Heft 43, Wien 1920; Karl Korsch: Marxismus und Philosophie, Berlin 1924; Rainer Langhans, Klaus Gilgemann: Protokoll der Diskussion im Anschluß an das Referat des Genossen Dutschke über die revolutionären Ansätze in der westeuropäischen Arbeiterbewegung und die Wiederherstellung der Marxschen Theorie durch Lukacs und Korsch, in: BV, Bd. VII - IX, ebd.
(12) 13. Februar 1966, Rudis Referat, in: BV, Bd. VIII - IX, ebd.
(13) Max Horkheimer: Autoritärer Staat, Amsterdam 1967 (Schwarzdruck), S. 41, S. 51, S. 61; Rudi Dutschke: Redebeitrag auf dem Kongreß "Hochschule in der Demokratie", in: Bedingungen und Organisation des Widerstands: Der Kongreß in Hannover, Berlin 1967. S. 78 ff.; Ders.: Die Widersprüche des Spätkapitalismus, die antiautoritären Studenten und ihr Verhältnis zur Dritten Welt, in: Uwe Bergmann, Rudi Dutschke, Wolfgang Lefevre, Bernd Rabehl: Rebellion der Studenten oder die neue Opposition, Reinbek 1968, S. 72 ff.; Ders./ Hans - Jürgen Krahl: Organisationsreferat auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS, September 1967, in: Frankfurter Studentenzeitung, Heft 1/2, Februar 1980, S. 8 ff.; Rudi Dutschke: Die geschichtlichen Bedingungen für den internationalen Emanzipationskampf - Rede auf dem Internationalen Vietnamkongreß in Westberlin, Februar 1968, in: Ders.: Geschichte ist machbar, Berlin 1980, S. 105 ff.;
(14) Rudi Dutschke: Ausgewählte und kommentierte Biographie des revolutionären Sozialismus von Karl Marx bis in die Gegenwart, in: SDS-Korrespondenz, Sondernummer, Oktober 1966, S. 4, S. 9, S. 12/13
(15) Ernst Bloch: Subjekt - Objekt, Leipzig 1952, hier vor allem die Darstellung der "Liebesreligion" bei Jesus Christus, die Dutschke tief beeindruckte, S. 40, der Praxis und Totalitätsbegriff von Bloch fand bei Dutschke Anerkennung: "eine geschehend - utopische Totalität", "philosophische Architektur in concreto, S. 436; Ders.:-Thomas Müntzer, Frankfurt 1962: die Sekte des "ketzerischen Radikalismus", der "Liebeskommunismus in Gott", S. 201; die Kennzeichnung der Erniedrigten und Beleidigten bei Bloch: "Frei werden aus den Händen der Schinder und Schaber, Aufhebung des dumpfen Leids:" S. 211; Ders.: Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt 1981, das Motiv der Studentenrevolte: "Jugend, welche im kahlen Jetzt in keinem gleichen Schritt und Tritt ist, geht leichter zurück, als daß sie das Heute passiert, um ins Morgen zu kommen. Solange nicht die verschiedene Zeit, worin sie ist, nach morgen umsetzt.", S. 106. Genau das war das Anliegen von DutschkeKontroverse; Trautje Franz: Revolutionäre Philosophie in Aktion, Ernst Blochs Weg genauer besehen, Hannover 1985, S. 135, S. 146; Manfred Scharrer: Der Stalinist Bloch, in: Langer Marsch, Juni 1974; Rudi Dutschke: "Die antistalinistische Tiefe der SDS-Richtung zwischen 1965 und 1968 traf aber einen fundamentalen Kern der neuen Sozialismusbestimmung, eine die tendenziell über die Frage des Anti-Imperialismus hinausging und die konkrete Negation der staats-sozialistischen Deformation beinhaltet. Leider waren wir nicht in der Lage (...), die disbezüglichen meta-ökonomischen Reflexionen von Ernst noch ernster und konkreter zu nehmen. Unsere Richtung bestimmte diese Periode, aber wir waren weder politisch noch organisatorisch in der Lage, die sich andeutende neue Phase richtig einzuschätzen.", in: Ders.: Lieber Genosse Bloch ..., Metzingen 1988, S. 91, S. 104
  • Autor: Bernd Rabehl
    © Philosophischer Salon
    Quelle: Kalaschnikow - Das Politmagazin
    Ausgabe 10, Heft 1/98