http://www-user.uni-bremen.de/~w30s/14erstie/todesstrafe.htm
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Die moderne TodesstrafeStaatliches Handeln gegen Drogensüchtige und “Drogen”: Käme ein Staat auf die Idee, seinen Untertanen aus Sorge
um ihre Gesundheit das Tragen von Mützen im Winter vorzuschreiben, gälte
dies wohl als lächerlich. Würde er diese Vorschrift mit der Androhung
von Knast durchsetzen wollen, wäre der entsprechenden Regierung erbitterter
Widerstand gewiß. Und würde das Verfassungsgericht eine solche Vorschrift
verbieten, käme wohl keiner Boulevardzeitung der Einfall, in riesigen
Lettern “Wir sagen nein!” zu dieser Entscheidung zu titeln. HeroingebraucherInnen, insbesondere abhängige, sind gezwungen,
die Preise zu bezahlen, die gefordert werden (und die aufgrund der Illegalität
ca. das Hundert- bis Tausendfache des Produktionspreises betragen) und
dafür klauen, dealen und anschaffen zu gehen. Sie müssen auf ärztliche
Versorgung, ausreichende Nahrung und im schlimmsten, leider nicht seltenen
Falle auf Wohnraum verzichten. Ihr so strapazierter Körper verträgt dann
weder jene Streckmittel wie Strychnin oder Mörtel, die dank der nicht
möglichen Qualitätskontrolle dem Straßenheroin - Reinheitsgrad meist unter
10% - zugesetzt werden, noch unerwartet reines Heroin, welches aus Unwissenheit
überdosiert wird. Und wer - im Knast z.B. - keinen Zugang zu sterilen
Spritzen hat, läuft ständig Gefahr, sich beim “Needle-sharing” mit HIV
oder Hepatitis B zu infizieren. Haschisch frei - Hurra? Wer in den vergangenen 20 Jahren Kritik am Betäubungsmittel übte, tat dies jedoch nicht wegen des Heroin-, sondern wegen des Haschverbots. Und so war der Jubel groß, als im Frühjahr das Verfassungsgericht Jein zur Freigabe sagte. Während die BerufskifferInnen zufrieden waren, daß nun das abgesegnet wurde, was ohnehin, außer in Bayern, gängige Praxis war - die Einstellung von Verfahren bei Kleinmengen -, erhofften die anderen eine Trendwende der Drogenpolitik. Die kam auch - in Form der Ankündigung der Bundesregierung, das BtmG so zu ändern, daß Verfahren bei Kleinstmengen “harter Drogen” in Zukunft nicht mehr eingestellt werden dürfen. Wer heute noch lediglich für Hanffreigabe eintritt und der Trennung in “weiche” und “harte” Drogen das Wort redet, fordert nur jene Modernisierung der Verfolgung: Weil die vier Millionen KifferInnen in der BRD, von denen eh nur jedeR 137. erwischt wird (4), tagtäglich Baudelaires Diktum widerlegen, mit ihnen sei kein Staat zu machen, wird ein albernes Verbot ad acta gelegt, um sich den wahrhaft bösen Drogen, KonsumentInnen und DealerInnen zuzuwenden. Das Hanfverbot war und ist nervig, das Heroinverbot tödlich; das mißachten die, die - wie die HanflobbyistInnen - Zeit und Muße haben, sich als ganz normale SteuerzahlerInnen und ihr Kraut als ökologische und bewußtseinserweiternde Rettung der Welt zu präsentieren. Und Methadon? Neben der medienwirksamen Haschlegalisierungs-Bewegung
gibt es jedoch auch eine andere, weniger wahrgenommene: Zunehmend mehr
(Ex-)Junkies, TherapeutInnen und WissenschaftlerInnen fordern die Legalisierung
von Heroin. Ihnen ist es zu verdanken, daß es die Methadonprogramme gibt,
die zahlreichen Junkies erst das Überleben ermöglichen - auch wenn v.a.
in CDU-regierten Ländern die Zugangsbeschränkungen so hoch sind, daß manche
HeroingebraucherInnen sich HIV-infiziertes Blut spritzen, um aufgenommen
zu werden (5). Doch auch Methadon ist Bestandteil der Repressionslogik,
nur - und das ist das sozialdemokratische Innovationspotential - effektiver.
Wer an Methadonprogrammen teilnimmt, steht unter strenger ärztlicher Kontrolle
und tagtäglich zur Verfügung. Die Junkies werden weiterhin als abnorm
wahrgenommen, nur nicht mehr als kriminell, sondern als krank. Was ihnen
nicht zugebilligt wird, ist Selbstbestimmung und ein freier Wille, der
sie eventuell einen eigenen, mit Heroingebrauch verbundenen Lebensstil
wählen ließ. Nur folgerichtig ist, daß Methadon dem gleich unschädlichen
(und sogar leichter entziehbarem) Heroin vorgezogen wird, da es, so die
Ideologie, keinen “Kick” erzeuge; ebenso folgerichtig ist, daß in den
Methadon-Musterstädten Hamburg, Frankfurt und Bremen die brutalsten Polizeieinsätze
gegen die offene Junkszene gefahren werden, denn zur Einsicht, krank zu
sein, gelangen nicht alle ohne den Knüppel. Legalisiert alle Drogen! Angesagt wäre stattdessen die Freigabe aller heute illegalisierter
Rauschmittel und ihre Abgabe in lizensierten Drogenläden, in denen zwar
die Waren, nicht aber die KonsumentInnen der Kontrolle unterliegen. Ob
es dann zu einem Drogenboom käme, bezweifeln wir; Erfahrungen mit der
Legalisierung von Alkohol in den USA, von Haschisch in den Niederlanden
belegen eher das Gegenteil. Es geht nicht darum, daß möglichst wenige
(oder auch möglichst viele) Drogen nehmen; die, die sich berauschen wollen,
soll das unter Bedingungen möglich sein, die frei sind von Verfolgung,
Vereinzelung und erzwungener Selbstschädigung.
Fußnoten
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