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c't 4/2001, S. 64: Kopierschutz | ||||||||||||||||||||||||||
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John GilmoreWas falsch ist am KopierschutzEin Plädoyer des EFF-Gründers John GilmoreJohn Gilmore ist ein renommierter Internet-Aktivist, der sich schon lange mit den gesellschaftlichen Konsequenzen der Technik auseinander setzt. Er gründete unter anderem die Electronic Frontier Foundation (EFF), die Cypherpunks und die alt-Hierarchie des Usenet. Wir stellen hier sein Plädoyer gegen Kopierschutz zur Diskussion. Ron Rivest (das R in RSA, die Red.) bat mich: Ich glaube es wäre interessant, Ihre Ansichten zu den Unterschieden zwischen den Intel/IBM-Vorschlägen zum Inhaltsschutz (content protection) und den bereits bestehenden Methoden im Bereich der TV-Chiffrierung zu hören. Des Teufels Advokat würde Ihnen vorhalten: Wenn der Kunde bereit ist, zusätzliche oder spezielle Hardware zu kaufen, mit der er geschützte Inhalte betrachten kann - was ist daran so falsch? Zunächst einmal nenne ich es Kopierschutz und nicht Content Protection, weil Inhalt so ein leeres Wort ist. Eigentlich soll die Technologie vom Kopieren abhalten. Solche Technologien gibt es in der Computerwelt schon sehr lange, schon seit den ersten Mikrocomputern, Minicomputern und Workstations. Abgesehen von sehr kleinen Nischen haben solche Systeme letztendlich immer versagt. Viele versagten, weil die Kunden aktiv dagegen waren und Alternativprodukte kauften, die nicht kopiergeschützt waren. Es spricht überhaupt nichts dagegen, Leuten die Möglichkeit zu geben, kopiergeschützte Produkte zu erwerben. Falsch ist hingegen folgendes: Konkurrenzprodukte verdrängenEs ist falsch, wenn Verbraucher, die Produkte wollen, die einfach nur ohne Kopierschutz Bits, Audio- und Videodaten aufzeichnen, keine finden, weil diese Produkte vom Markt verdrängt worden sind. Von restriktiver Gesetzgebung wie zum Beispiel dem Audio Home Recording Act, das den DAT-Markt abservierte. Von Anti-Umgehungs-Gesetzen wie dem Digital Millennium Copyright Act (DCMA), gegen das die EFF jetzt eine Beschwerde eingelegt hat. Von den Aktivitäten amerikanischer Bundesbehörden, wie zum Beispiel der Entscheidung der FCC (Federal Communications Commission, zuständig für die Regulierung von Kommunikation via Kabel, Radio, TV und Satellit), dass es illegal ist, Bürgern die Möglichkeit zur Aufzeichnung von HDTV-Programmen anzubieten, auch wenn die Bürger einen rechtlichen Anspruch darauf haben. Von Privatabkommen zwischen den größeren Unternehmen wie bei SDMI und CPRM (Secure Digital Media Initiative und Content Protection for Recordable Media), die dann später als beschlossene Sache an die angesehenen Normungsinstitute übergeben werden, sodass die betroffenen Interessengruppen großen Aufwand betreiben müssen, sie wieder zu stoppen. Von Privatabkommen hinter den Gesetzen und Normen, wie dem ungeschriebenen Abkommen, dass DAT- und MiniDisc-Recorder analogen Input als kopiergeschütztes Material behandeln, an dem der Benutzer keinerlei Rechte hat. (Ich kann die Aufzeichnung der Hochzeit meines Bruders nicht kopieren, weil meine MiniDisc-Decks so tun, als hätten mein Bruder und ich nicht das entsprechende Copyright.)
Pioneer New Media Technologies, von denen das kürzlich angekündigte aufzeichnungsfähige DVD-Laufwerk für Apple stammt, sagt: Der Großteil der Consumer-Anwendungen im Bereich Recordable DVD liegt in der Bearbeitung und Verwaltung von Heimvideos sowie der Verwaltung von digitalen Fotos. Man vermeidet mit äußerster Sorgfalt die Verwendungszwecke Fernsehprogramme zeitversetzt betrachten (time-shifting) oder Video-Streams aus dem Internet aufzeichnen, weil die Hersteller und Vertriebsfirmen verzweifelt verhindern möchten, dass diese Möglichkeit auf dem Markt verfügbar wird. Obwohl dies hundertprozentig legal ist, laut Betamax-Entscheidung des amerikanischen Supreme Courts. Die Firma Streambox entwickelte Software, mit der man RealVideo-Streams auf Festplatte speichern konnte; sie wurde von Real auf Verletzung des DMCA verklagt und nahm das Produkt vom Markt. Laut Nomura Securities werden die Verkaufszahlen für DVD-Recorder die für Videorecorder im Jahre 2004 oder 2005 überholen und im Jahre 2005 auch die Verkäufe von DVD-Playern ohne Aufzeichnungsfähigkeit [1]. Dann haben so gegen 2010 nur noch wenige Verbraucher Zugang zu einem Recorder, mit dem sie ein Fernsehprogramm kopieren, es zeitlich versetzt abspielen oder die Kinder im Auto anschauen lassen können. Hat irgendjemand etwas zu diesem Wandel in der Sozialstruktur zu sagen? Finden wir das gut oder schlecht? Haben wir bei diesem Thema überhaupt etwas zu sagen? Stattdessen wird der Verbraucher die Film- und Fernsehgesellschaften jedes Mal aufs Neue für das Privileg bezahlen müssen, Sendungen zeit- oder ortsversetzt zu betrachten. Auch wenn er den Film gekauft hat und dieser zu Hause auf seinen eigenen Geräten gespeichert ist und ausreichend Bandbreite verfügbar wäre, um ihn an einem beliebigem Ort anzusehen. Dieses Konzept heißt pay per use. Es ist nicht vereinbar mit Was Sie betrachten dürfen, dürfen Sie auch kopieren. Die Unternehmen können dieses Recht nicht aus der Welt schaffen, weil dies zu viele Grundpfeiler unser Gesellschaft ansägen würde. Also werden die technischen Möglichkeiten einfach so eingeschränkt, dass keiner sein Recht ausüben kann. Diese Vorgehensweise verletzt die Grundsätze, auf die eine stabile und gerechte Gesellschaft aufgebaut ist. Aber Langzeitstabilität ist diesen Leuten scheinbar egal. Hauptsache, unsere Gesellschaft macht es noch so lange, bis sie tot sind. GeheimniskrämereiEs ist falsch, wenn Unternehmen, die Produkte mit Kopierschutz herstellen, dem Verbraucher die damit verbundenen Einschränkungen nicht offen mitteilen. Zum Beispiel die Friede-Freude-Eierkuchen-Webseiten von Apple, auf denen im Januar das neue schreibfähige DVD-Laufwerk angekündigt wurde [2]. Sie laufen fast über von wunderbaren Infos dazu, wie man seine eigenen DVDs mit seinen eigenen DV-Aufzeichnungen erstellen kann. Was still und leise unter den Tisch fällt, ist, dass man damit keine Audio- und Videodaten aufzeichnen oder zeitversetzt ansehen kann, auf die die größeren Gesellschaften das Copyright besitzen. Auch wenn dies rechtlich erlaubt ist, lässt die Technologie es nicht zu. Wir erfahren nicht, dass wir keine eigenen Zusammenstellungen von Videoausschnitten verschiedener Künstler machen können, so wie mit unserem CD-Brenner. Wir erfahren nicht, dass wir unsere eigenen gebrannten Scheiben nicht kopierschützen können; dieses Recht haben die großen Hersteller für sich selbst vorbehalten. Sie verkaufen kein DVD-Autorenlaufwerk nur für den professionellen Einsatz. Sie verkaufen ein allgemeines DVD-Laufwerk, das die Schlüsselblöcke nicht aufzeichnen kann, die für den Schutz von eigenen Aufzeichnungen erforderlich sind. Man kann eine solche DVD-Scheibe auch nicht als Master für eigene Mengenpressungen verwenden. Diese kleinen Unterschiede werden nicht mal übertüncht; sie werden einfach ignoriert, nicht erwähnt - sie bleiben unsichtbar, bis der Kunde das Produkt gekauft hat. Die Kunden werden nicht nur von Apple hinters Licht geführt; es ist eine wahre Epidemie. Tragbare MiniDisc-Recorder von Sony werden nur mit digitaler Eingangsbuchse ausgeliefert, nie mit digitaler Ausgangsbuchse. Der Sound kommt rein - kommt aber nur in analogem Format und niedriger Qualität wieder raus. Intel macht Reklame für die wunderbare TCPA (Trusted Computing Platform Architecture). Liest man zwischen den Zeilen , so stellt sich heraus, dass die ganze Geschichte lediglich dazu dient, Ihnen als Benutzer bei Ihren Computeraktivitäten über die Schulter zu schauen, damit irgendwelche Dritte quer durchs Internet entscheiden können, ob man Ihnen trauen kann - Ihnen, dem PC-Besitzer. Bei TCPA geht es nicht darum, herauszufinden, ob man seinem eigenen PC trauen kann (zum Beispiel bei möglichem Virusbefall) - diese Funktion ist nicht vorgesehen. Mit TCPA können Plattenfirmen herausfinden, ob Sie Software installiert haben, mit der Sie MP3-Dateien kopieren können, oder irgendwelche freie Software, mit der Sie die mickrigen Kopierschutzsysteme der Plattenfirma umgehen können. Intel forciert HDCP (High Definition Content Protection), ein Hochgeschwindigkeits-Hardware-Chiffrierverfahren, das sich nur im Kabel zwischen dem Computer und dem Normal- oder LCD-Monitor abspielt. Das einzige verschlüsselte Signal ist das, das der Benutzer sich gerade ansieht. Warum ist es dann verschlüsselt? Damit der Benutzer nicht kopieren kann, was er sich ansieht! Wird am Kabel herumgebastelt, so schraubt der Video-Chip das Signal auf analoge Videorecorder-Qualität herunter. Intel forciert auch SDMI und CPRM (Content Protection for Recordable Media), mit denen sich Ihre eigenen Speichermedien (Laufwerke, Flash-RAM, Zip-Disks etc.) mit den Film- und Plattengesellschaft verschwören und Ihnen (dem Besitzer des Computers und der Speichermedien) die Möglichkeit nehmen, etwas auf diesen Medien zu speichern und später wieder abzurufen. Stattdessen können dann manche gespeicherten Daten nur mit den in die Extraktionssoftware eingebauten Einschränkungen wieder abgerufen werden - Einschränkungen, die weder der Gerätebesitzer noch der Gesetzgeber in der Hand haben, sondern die zwischen den Film- und Plattenfirmen und den Hardware- und Softwareherstellern ausgehandelt werden. Wie zum Beispiel Sie dürfen keine Musik mit Copyright auf nicht verschlüsselten Medien aufzeichnen. Versucht man, ein Lied aus dem Radio auf einem CPRM-Recorder aufzuzeichnen, so wird sich dieser weigern, es aufzunehmen oder abzuspielen, weil es zwar ein Wasserzeichen besitzt, aber nicht verschlüsselt ist. Selbst wenn Sie Ihr brandneues eigenes Original-Audio aufnehmen, ist die Standardeinstellung für Analogaufzeichnungen, dass sie nicht kopiert werden können, dass sie keinesfalls in höherer Qualität als CDs kopiert werden können, und dass nur eine Kopie gemacht werden kann, sollte dies doch je gestattet werden (wenn die anderen Einschränkungen irgendwie umgangen wurden). Intel und IBM sagen uns nichts über diese Dinge; man muss schon auf Seite 11 von Ex-hibit B-1, CPPM Compliance Rules for DVD-Audio oder auf Seite 45 des 70-seitigen Interim CPRM/CPPM Adopters Agreement nachschlagen, das man nur bekommt, wenn man den aufdringlichen, persönlichen Fragebogen beantwortet hat [3]. Von Intel erfährt man nur, dass CPPM dem Konsumenten Zugriff auf mehr Musik verschafft [4]. Es ist falsch, wenn Kunden angelogen werden, damit sie auf Grund irreführender Informationen ein Produkt erwerben. Behinderung der ForschungEs ist falsch, wenn Wissenschaftler auf dem Gebiet keine Forschung betreiben können oder ihre Ergebnisse nicht veröffentlichen dürfen. Professor Ed Felten von der Princeton-Universität untersuchte die Wasserzeichen-Systeme von SDMI im Rahmen einer öffentlichen Studie, die das sonst so auf Geheimhaltung bedachte SDMI-Komitee absichtlich zuließ, um herauszufinden, ob die Öffentlichkeit die gewählten Schemata knacken würde. (SDMI erlaubte dem EFF keinen Zugang zu den Beratungen unter dem Vorwand, dass wir kein legitimes Interesse an den Vorgängen hätten, da wir weder eine Musikfirma noch ein Hersteller seien. Im SDMI-Konsortium sitzen keine Mitglieder aus dem Verbraucherschutz- oder Bürgerrechtsbereich.) Professor Felten sprach kürzlich mit der New York Times und sagte, dass ihm die SDMI-Leute und die Rechtsanwälte von Princeton mitgeteilt haben, dass er seine Erkenntnisse über die Mängel der Wasserzeichensysteme wegen des Digital Millennium Copyright Acts nicht veröffentlichen kann. Es ist schon in Ordnung, dass die SDMI-Firmen erfahren, wie einfach man ihre Schemata umgehen kann, aber es ist nicht in Ordnung, dass die Öffentlichkeit oder andere Wissenschaftler davon erfahren. Behinderung des WettbewerbsEs ist falsch, wenn Mitbewerbern die Möglichkeit genommen wird, mit Konkurrenzprodukten oder -software auf einem freien Markt um die Gunst des Kunden zu werben. Stattdessen werden entsprechende Geräte verboten oder mit gerichtlichen Schritten bedroht, und Software wird zensiert und in den Untergrund getrieben. Wie zum Beispiel die Open-Source-DVD-Player-Programme DeCSS und LiViD. Wie zum Beispiel die DVD-Player weltweit, die amerikanische Region 1-DVDs abspielen können. Die EFF investierte letztes Jahr über eine Million Dollar in die Verteidigung des Verlegers eines Sicherheitsmagazins und eines norwegischen Teenagers. Die Filmindustrie wollte die beiden zensieren respektive dafür ins Gefängnis stecken, dass sie Konkurrenzsoftware veröffentlicht beziehungsweise entwickelt hatten, mit denen DVDs abgespielt und kopiert werden können, ohne dass man sich dafür den restriktiven Verträgen unterwerfen muss, die die Filmstudios den meisten Playern auferlegen. Die Filmgesellschaften gaben für den New Yorker Fall 4 Millionen Dollar aus. Nur die wenigsten Hersteller trauen sich noch, normale digitale Audiorecorder auf den Markt zu bringen - man sieht massenweise MP3-Player, aber wo sind die MP3-Stereorecorder? Die Androhung von Gerichtsverfahren hat ihnen den Garaus gemacht. Die Geräte, die noch Aufnahmefunktionen haben, können nur Sprachqualität mono aufnehmen. Förderung von MonopolenEs ist falsch, wenn Regelungen, die die vom Copyright geschützten Ansprüche aufrecht erhalten sollen, für andere Zwecke missbraucht werden. Nicht zum Schutz bestehender Rechte, sondern um neue Rechte frei nach Belieben des Copyright-Besitzers zu etablieren. Die Filmgesellschaften bestanden auf einem regionalen Kodiersystem (region coding) für DVDs, weil sie weniger verdienen würden, wenn DVD-Filme weltweit im freien Handel vertrieben werden könnten. (Sie könnten keine hohen Kinopreise verlangen, wenn derselbe Film gleichzeitig als DVD erhältlich wäre, und sie könnten die Werbekampagnen für Kino und DVD nicht kombinieren, wenn sie zwischen der Kino- und der DVD-Veröffentlichung mehr Zeit verstreichen lassen müssten.) Dieses System führt zu der Situation, dass der Verbraucher legal einen DVD-Player kaufen kann und legal eine DVD erwirbt - aber das Gerät spielt den Film nicht ab. Der Verbraucher hat in jeder Hinsicht das Recht, sich den Film anzusehen, aber dieser wird nicht abgespielt - sonst würden die Filmgesellschaften weniger verdienen. Ähnliche Einschränkungen hindern DVD-Konsumenten daran, die Werbung oder die unsinnigen Rechtsbelehrungen im Schnelldurchlauf zu überspringen. Microsoft baute absichtlich inkompatible Protokolle in Windows 2000 ein, damit konkurrierende Unix-Systeme in bestimmten Fällen nicht als DNS-Server verwendet werden können. Microsoft veröffentlichte zwar eine Spezifikation, tat dies jedoch in einem verschlüsselten Dateiformat, das vom Leser verlangte, dass er die enthaltenen Informationen nicht für Konkurrenzzwecke verwendet. Als jemand die trivialen Verschlüsselungsmechanismen knackte, ohne die Bedingungen zu akzeptieren, und Slashdot die Ergebnisse veröffentlichte, drohte Microsoft damit, die beliebte Nachrichten-Site für freie Software auf Verletzung des DMCA zu verklagen. (Glücklicherweise zeigten die Leute von Slashdot Rückgrat und sagten: Ja, macht nur. Wir verteidigen uns schon, und Microsoft zog den Schwanz ein.) Ein Copyright gibt niemandem das Recht, Konkurrenz zu verhindern oder den weltweiten Handel einzuschränken - aber irgendwie wird die Gesetzgebung zum Schutz des geistigen Eigentums genau dafür verwendet. Ausschluss der ÖffentlichkeitEs ist falsch, wenn Gesellschaftspolitik in verrauchten Hinterzimmern zwischen Film-/Plattenmanagern und Computermanagern gemacht wird - anstatt mit öffentlicher Diskussion von Gesetzgebern und Justiz. Die CPRM-Spezifikation zum Beispiel ermöglicht es dem Vertreiber einer Hand voll Bits (mit der entsprechenden Software) dem zukünftigen Empfänger das Kopieren dieser Hand voll Bits zu verbieten; oder festzulegen, dass er zwar zwei, nicht aber drei Kopien ziehen darf. Diese Bestimmung kann nicht gerichtlich durchgesetzt werden, sie wurde nicht durch ein Gesetz in Kraft gesetzt. Das Gesetz besagt etwas anderes. Die Bestimmung wird jedoch über das von den wichtigsten Herstellern angebotene Equipment durchgesetzt. Weil diese von den Film- und Plattengesellschaften verklagt werden, wenn sie es wagen, Geräte zu bauen, mit denen der Verbraucher drei oder gar die rechtlich erlaubte Anzahl von Kopien machen kann. Wen wundert es, dass solche Hinterzimmerstrategien den dort anwesenden Parteien zum Vorteil gereichen - auf Kosten des Verbrauchers und der Öffentlichkeit? Ungerechte VerteilungEs ist falsch, wenn das Gleichgewicht zwischen den Rechten des Urhebers und der Rede- und Pressefreiheit verloren geht. Jede Erweiterung der Urheberrechte schränkt die Rede- und Pressefreiheit weiter ein. Wird das Copyright ausgedehnt, schrumpft der öffentliche Zugriff. Das Recht auf Kritik, das Recht darauf, anderer Leute Darstellung der Wahrheit anzuzweifeln, wird verletzt. Der erste Zusatz zur amerikanischen Verfassung gewährt das fast absolute Recht auf Veröffentlichungsfreiheit; die Copyright-Klausel gewährt ein eingeschränktes Recht, andere an der Veröffentlichung zu hindern. Jede Erweiterung des Rechts, Veröffentlichungen zu verhindern, schränkt das Veröffentlichungsrecht weiter ein. So sind zum Beispiel nur sehr wenige nach 1910 entstandene Werke heute Teil des Allgemeinguts - sofern die jeweiligen Besitzer ihr Urheberrecht nicht freiwillig abgegeben haben -, weil im Laufe der Jahre der Begriff des Copyrights immer mehr ausgedehnt wurde. Der durch technologische Einschränkungen erzeugte Urheberschutz hat hingegen von vornherein keine absehbare Zeitbegrenzung. In den SDMI- und CPRM-Spezifikationen steht nirgends etwas wie Nach dem Jahre 2100 dürfen Sie die Filme von 1910 kopieren. Nur Minderheiten profitierenEs ist falsch, wenn ein klei-ner Copyright-Schutz-Schwanz mit dem großen Hund der zwischenmenschlichen Kommunikation wedelt. Wie Andy Odlyzko herausstellte, belaufen sich in den USA ... die jährlichen Verkaufszahlen für Kinokarten auf deutlich weniger als 10 Milliarden Dollar. Die Telefonindustrie nimmt so viel Geld in zwei Wochen ein [5]. Werden Recht und Technologie der menschlichen Kommunikation und Computernutzung zugunsten einiger Besitzer von Urheberrechten verzerrt, so macht dies die Welt insgesamt ärmer. Selbst wenn man so nicht die politischen Grundprinzipien für eine auf lange Sicht stabile Gesellschaft untergraben würde, wäre es die falsche wirtschaftliche Entscheidung. Das Ende des MangelsEs ist falsch, dass wir zwar Technologien erfunden haben, mit denen wir Mangel abschaffen können, dass wir sie aber freiwillig zugunsten der Leute in den Wind schießen, die vom Mangel profitieren. Wir haben jetzt die Möglichkeit, beliebige Informationen, die kompakt auf digitalen Medien untergebracht werden können, zu duplizieren. Wir können sie weltweit vervielfältigen und Milliarden von Menschen zur Verfügung stellen - zu sehr niedrigem Preis und für alle erschwinglich. Wir arbeiten hart an Technologien, mit denen wir andere Ressourcen, zum Beispiel auch beliebige materielle Objekte auf so einfache Weise duplizieren können [6]. Der Fortschritt in der Wissenschaft, Technologie und freien Marktwirtschaft hat in vielen Bereichen ein Ende des Mangels bewirkt. Vor hundert Jahren benutzten noch 99 Prozent der Amerikaner das Plumpsklo im Hof, und eines von zehn Kindern starb im Kleinkindalter. Jetzt haben selbst die ärmsten Amerikaner Autos, Fernseher, Telefon, Heizung, sauberes Wasser, Kanalisation - Dinge, die sich um 1900 nicht einmal der reichste Millionär kaufen konnte. Neue Technologie verspricht in naher Zukunft ein Ende des materiellen Mangels. Wir sollten uns freuen, damit gemeinsam einen Himmel auf Erden zu schaffen! Stattdessen schleichen griesgrämige Geister umher, die ihr Geld mit der Aufrechterhaltung des Mangels verdienen, und überzeugen ihre Mitverschwörer, dass unsere billige Duplizierungstechnologie an die Kette muss, damit niemand Kopien machen kann - zumindest nicht von den Gütern, die sie uns verkaufen möchten. Das ist die schlimmste Art von Wirtschaftsprotektionismus - die eigene Gesellschaft an den Bettelstab bringen, und zwar zum Schutz einer ineffizienten, lokalen Industrie. Die Platten- und Filmgesellschaften versuchen zwar tunlichst, uns dies zu verheimlichen, aber dies sind die Fakten. Wenn wir 2030 einen Materie-Replikator erfunden hätten, der so billig arbeitet wie das CD-Kopieren heutzutage - würden wir ihn verbieten und in den Untergrund verbannen? Damit die Bauern weiterhin davon leben können, teure Lebensmittel zu verkaufen, damit die Schreiner ihren Lebensunterhalt damit verdienen können, den Leuten Betten und Stühle vorzuenthalten, die nur ein paar Mark kosten, damit Bauunternehmer nicht arm werden, weil man ein Haus mit allem Komfort für ein paar hundert Mark duplizieren kann? Freilich, Entwicklungen dieser Art würden bestimmt wirtschaftlichen Aufruhr erzeugen. Aber sollen wir sie in den Untergrund verbannen und die Welt arm halten, nur damit diese Leute nicht ihren Job verlieren? Und würden sie wirklich im Untergrund bleiben, oder würden die natürlichen Vorteile der Technologie dafür sorgen, dass der Untergrund ganz schnell den Rest der Gesellschaft überholt? Ich denke, wir sollten dieses Zeitalter des Überflusses willkommen heißen und daran arbeiten, dass alle gut darin leben können. Ich denke, wir sollten verstehen lernen, wie man seinen Lebensunterhalt mit kreativen neuen Dingen und Dienstleistungen verdienen kann, anstatt damit, die Vervielfältigung bestehender Dinge zu verhindern. Damit beschäftige ich mich persönlich seit zehn Jahren, in denen ich eine erfolgreiche Supportfirma für freie Software auf die Beine gestellt habe. Dieses Unternehmen, Cygnus Solutions, investiert jährlich über 10 Millionen Dollar in die Entwicklung neuer Software, die kostenlos verfügbar ist und von jedermann modifiziert oder kopiert werden kann. Finanziert wird das ganze mit über 25 Millionen Dollar von Kunden, die von der Existenz, Zuverlässigkeit und weiten Verbreitung der Software profitieren. Das Unternehmen gehört inzwischen zu Red Hat - wo der Profit wiederum dadurch entsteht, dass Kunden mächtige Arbeitsmittel ohne Kopierbeschränkungen an die Hand bekommen. Es ist kein Zufall, dass bei den Leuten aus den Open-Source-, Free-Software- und Linux-Communities angesichts des Themas Kopierschutz mit als erstes die Alarmglocken läuten. Sie beschäftigen sich damit - als Beruf oder Hobby -, Mangel aus der Welt zu schaffen und die Freiheit in den Märkten für Betriebssysteme und Anwendungssoftware zu fördern. Sie sehen die daraus resultierenden Fortschritte in der Welt - und die hässlichen Reaktionen der mono- und oligopolistischen Kräfte, denen durch diese Entwicklung der Wind aus den Segeln genommen wird. Die AufgabeDie Umstellung auf eine Welt, die ohne Mangel funktioniert, ist eine riesengroße Aufgabe. Eine umfangreiche wirtschaftliche Umstrukturierung dieser Art würde Jahrzehnte brauchen, bis sie die gesamte Weltwirtschaft durchdrungen hat, und es würden Milliarden von neuen Siegern und neuen Verlierern entstehen. Wir können uns schon extrem glücklich schätzen, wenn wir bis 2030 den Mangel auf der Welt ohne massiven sozialen Aufstand mit Ausschreitungen, Bürgerunruhen und Weltkrieg beenden können. Ein friedlicher Pfad in ein Zeitalter des Überflusses sollte hier und jetzt beginnen, mit der Umstrukturierung der Wirtschaftszweige, in denen wir den Mangel bereits besiegt haben: Text, Audio, und Video. Unternehmen, die nicht anpassungsfähig sind, sollten von der Bildfläche verschwinden und durch anpassungsfähige ersetzt werden. Der Lern- und Anpassungsprozess dieser Wirtschaftszweige auf dem Weg zum Erfolg ohne künstlichen Mangel kann als Modell und Erfahrungsschatz für andere Industrien dienen, wenn bei ihnen in zehn bis fünfzehn Jahren unwirtschaftliche Produktionsmethoden durch effiziente Vervielfältigungsmethoden ersetzt werden müssen. Sich jetzt auf den Kopierschutz zu verlassen wäre ein Schritt in die falsche Richtung! Kopierschutz gaukelt uns vor, dass Gesetze und ein bisschen Fleißarbeit in Industriekartellen unsere gegenwärtigen Wirtschaftsstrukturen aufrecht erhalten können - im Angesicht eines Wirbelsturms von positiven technologischen Veränderungen, der diese Strukturen erfasst und herumwirbelt wie Blätter im Herbst. Mag sein, dass diese Besprechung länger war als erwartet, Ron. Aber wie Sie sehen, glaube ich, dass eine Menge falsch daran ist, wie Kopierschutztechnologien einer ahnungslosen Öffentlichkeit untergejubelt werden. Um selbst für einen Moment lang des Teufels Advokat zu sein: Warum sollten wir es Unternehmen mit Eigeninteresse erlauben, das Gleichgewicht der freiheitlichen Grundrechte aus dem Lot zu bringen und dabei die Rede- und Ausdrucksfreiheit, die freien Märkte, den wissenschaftlichen Fortschritt, die Verbraucherrechte, die Gesellschaftsstabilität und das Ende des materiellen und informationstechnischen Mangels aufs Spiel setzen? Weil jemand ein Lied klauen könnte? Das erscheint mir doch als ziemlich fadenscheinige Ausrede. (ju) Übersetzt von Eva Wolfram Literatur[1] Diskussion zu Pioneers DVD-R/RW [5] Content is not king und The history of communications and its implications for the Internet: www.research.att.com/~amo/doc/eworld.html [6] Nanotechnologie [7] Online-Version dieses Textes: http://www.heise.de/ct/copyright/ [8] Originalversion: www.toad.com/gnu/whatswrong.html [9] GNU General Public License Dieses Dokument ist freie Software; Sie können es gemäß der von der Free Software Foundation veröffentlichten GNU General Public License weiterverteilen und/oder modifizieren; entweder Version 2 der Lizenz oder (Sie haben die Wahl) beliebige neuere Versionen. Dieses Dokument wurde in der Hoffung in Umlauf gebracht, dass es von Nutzen ist, aber OHNE JEGLICHE GEWÄHR; ohne die auch nur implizite Gewähr der VERKÄUFLICHKEIT oder EIGNUNG FÜR EINEN BESTIMMTEN ZWECK. Näheres finden Sie in der GNU General Public License. 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