Auf die Frage, warum die USA heute so
verlassen dastünden, gab Hermann Gremliza am 18. März 2003 stellvertretend für
alle linken Deutschen, also die 87prozentige Mehrheit, folgende Auskunft: „Die
stupide Antwort: ‚Wer nicht für uns ist, ist gegen uns‘ hat die Freunde der USA
auf jene ‚broad coalition‘ zusammenschnurren lassen, die anzuführen der
Präsident (...) rührend sich mühte. Sie umfaßt alle, die noch ‚für uns sind‘: 2
Premierminister (abzüglich ihrer Wähler), 1 Kontinent (Australien), 5
Mitglieder der Gruppe Antideutsche Kommunisten Berlin und God. Der Rest
der Welt ist ‚gegen uns‘, vorneweg der Gott von Leipzig und der von Rom.“
In Zeiten, in denen ausgerechnet aus
Angela Merkel die Stimme der Vernunft zu sprechen scheint, Die Welt als
Sachwalterin der Aufklärung auftritt und es dem Chefredakteur der BZ,
Georg Gafron, vorbehalten bleibt, die Wahrheit auszusprechen, um die linke
Kommentatoren sich herumdrücken, daß nämlich in Person und Biographie des
deutschen Revolutionärs Horst Mahler Wesen und Wollen der jüngsten deutschen
Bewegung hinreichend zum Ausdruck kommt; in Zeiten, in denen ganz Deutschland
seinem Friedenskanzler applaudiert, in denen antiimperialistische Scharfmacher
sich als Vorhut völkischer Außenpolitik gerieren und dieses Mitläufertum auch
noch als Gegnerschaft zu Deutschland verkaufen; in Zeiten, in denen Kreuzberger
Kirchengemeinden den USA mit dem Weltgerichtshof drohen und die Nürnberger
Wertkritik sich als Institut für Volkshygiene und Seuchenbekämpfung wider den
antideutschen Ungeist empfiehlt – in solchen Zeiten bedeutet „Wer nicht mit uns
ist, ist gegen uns“ nicht nur für die „5 Mitglieder der Gruppe Antideutsche
Kommunisten Berlin und God“, sondern auch für alle anderen Feinde der
deutschen Verhältnisse, die die Wahrheit nicht an der Zahl der Köpfe von
wahlweise deutschen, italienischen oder islamischen Hetzmassen bemessen wollen,
nichts weiter als eine realistische Zustandsbeschreibung. Als wären sie nicht
die in wie viele Fraktionen auch immer zerfallende und teilweise gegeneinander
agierende übergroße Mehrheit, sondern eine kleine Minderheit, gerieren sich
alle als Opfer: der Amerikaner, der Briten, der Juden, oder – wie es die
besonders durchgeknallte linke Abteilung der Friedensvolksfront vorführt – als
Opfer ausgerechnet jener paar Antideutschen, die doch außer ihren Waffen der
Kritik nichts ins Feld zu führen haben und damit in einer Lage sich befinden,
wo sie als Atheisten den God der US-Army recht gut gebrauchen können.
Bezeugt wird durch solch panisch-projektives Verhalten, daß die „besondere
Aggressivität des deutschen Imperialismus“, wie eine beliebte Standardformel
des Traditionsantifaschismus lautete, in erster Linie seinem kollektiven und
besonders aggressiven Antiimperialismus entsprang und entspringt, zu dem sich
keiner mehr bekennt, weil alle ihn selbstverständlich teilen: der Nachbar und
die Regierung, der Robert Kurz und der Horst Mahler, der Papst und die Imame,
der treudoofe Nachwuchs, der den gutdeutschen Eltern und Lehrern so überreif
vorangeht, als wisse er, daß für Generationsbrüche und prinzipielle Opposition
kein Grund mehr besteht und mit 15 schon so unausstehlich ist wie die Alten,
vor denen früher stets noch gewarnt wurde, und die Bedenkenträger, die vor dem
Antisemitismus warnen, um die israelischen Juden umso bedenkenloser
anzuprangern.
Das vorgeblich „andere Deutschland“,
dessen Protagonisten vornehmlich aus dem Umfeld von Pax Christi und dem
Dunstkreis des Kommunistischen Bundes stammen, hat den Durchbruch geschafft.
Sie dürfen stolz sein, an der Spitze einer Bewegung zu stehen, die dem gesunden
Volksempfinden adäquat, nämlich nationalrevolutionär Ausdruck verleiht. 13
Jahre nach der Wiedervereinigung tritt Deutschland wieder in seine durch Feindeinwirkung
unterbrochene Geschichte ein und präsentiert sich europäisch und
antikapitalistisch. Was eine ganze BRD-Geschichte hindurch in Latenz gebannt
war und wofür man bei allzu überbordendem Engagement für deutsche Wege auch in
der DDR verknastet wurde, ist heute Mehrheitswille: der Traum vom deutschen
Sozialismus eines Kurt Schumacher oder Wolfgang Harich, der Traum vom
friedlichen europäischen Deutschland, das redlich sozialistisch schafft und
stille Rache nimmt für die Untaten von Bomber-Harris und die Demütigungen des
Nürnberger Tribunals. Der nationalrevolutionäre Ungeist, der nicht nur in den
Nazis sich authentisch materialisierte und zur Tat schritt, sondern der auch
Sozialdemokraten und Nationalbolschewisten seit jeher beseelte; das
professionelle Ressentiment gegen den Westen, das im Gedenken an die Opfer von
Dresden und Hiroshima die faschistische Achse fortleben ließ als Bündnis der
vom „angloamerikanischem Bombenterror“ Vernichteten; dieses braun-rot
schillernde Deutschland, das einst sogar die Großindustrie verstaatlichen
wollte, nur um die Volksgemeinschaft, die ihren Zusammenhalt im Massenmord an
den Juden gefunden hatte, über die Runden zu retten – dieses Deutschland ist
inzwischen selbstbewußt genug, auf planwirtschaftliche Zutaten zu verzichten,
um ganz unbefangen zu verkünden, daß man aus namenlosem Leid wg. Bombenkrieg
und Vertreibung der Welt nunmehr ganz pazifistisch und gemeinwohlorientiert
Bescheid geben dürfe, an welchem Wesen sie zu genesen habe.
Dieses
Deutschland, dessen einst schweigende Mehrheit die „Westbindung“ immer schon
als Zumutung und bestenfalls vorübergehendes „kleineres Übel“ betrachtete und
immer schon Fremdbestimmung durch Teilung und alliierte Aufsicht beklagt hatte,
fürchtet sich vor nichts mehr als vor dem Verlust seiner „Identität“ durch das
Eindringen einer unerbittlichen Zivilisation, die Hedonismus,
Ellbogenmentalität und die Auflösung ganzer sozialer Milieus in Aussicht
stellt. Dieses seit 1989 durch den notorisch betrogen sich wähnenden Zoni
verstärkte Deutschland gibt sich weltläufig, verantwortungsvoll und mitfühlend
und entdeckt doch in allen anderen immer nur sich selbst: Deshalb weinen
evangelische Friedensaktivistinnen unablässig über das unendliche Leid des
Hamas-Mobs im Gaza-Streifen, deshalb begeifern Gewerkschaftsfunktionäre den
„globalisierten Raubtierkapitalismus“ vor den Frankfurter Twin-Towers-Imitaten,
und deshalb zieht es SPD und NPD so unwiderstehlich zu ihren teils gemeinsam,
teils im Wechselschichtsystem organisierten Stelldicheins vor US-Stützpunkten.
Wer wie Wolfgang Pohrt oder Eike Geisel
bereits in den 80er Jahren ohne jede intellektuelle Rückversicherung, in
einsamer Spekulation, dieses Unheil antizipierte, um es abzuwenden, ist heute
verstummt oder tot. Jene um die Jahre 1990ff deutschlandkritisch auftretenden
Empiriker hingegen, denen schon damals kein kritisches Wort zu entlocken war,
die aber dafür bei jeder ihrer Anklagen gegen Deutschland wichtigtuerisch mit
Zeitschriftenschnipseln herumwedelten, trauerten in Wahrheit nur um den Heimgang
ihres antifaschistischen Vaterlandes und waren damit meilenweit von Geisel und
Pohrt entfernt, aus deren Texten sie damals so gerne zitierten. Nicht zufällig
fordert der „Materialist“, der heute auf die frühen 90er Jahre nostalgisch sich
beruft, als die Antideutschen noch keine Ideologen, Rassisten und Imperialisten
gewesen seien, die andere, bessere linke Friedensbewegung und stellt so nur
unter Beweis, worum es ihm immer schon zu tun gewesen ist: um die
Anschlußfähigkeit zum deutschen Sozialismus. Nichts ist diesen „um Deutschland
besorgten besseren Deutschen“, wie Pohrt sie schon 1990 nannte, so peinlich wie
die eigene jüngste Vergangenheit: Der alte Makel, 1990/91 in antideutschem
Überschwang die Sorge um Israel so ernst genommen zu haben, daß man den ersten
Irak-Krieg teilweise sogar begrüßt hat, muß getilgt werden. Dazu machen sie
sich auch mit Antizionisten gemein, mit denen zusammen sie ihrer alten
Lieblingsbeschäftigung nachgehen: Mahnen und Warnen – aber nicht mehr vor
Deutschland, sondern vor „Bellizisten“. Jedes Wort dieser Antideutschen der
ersten Generation verkommt zur Lüge, seit sie auf den globalen Frieden gegen
Amerika verfallen sind; alle Versprechen, die in der Parole „Nie wieder
Deutschland“ einmal lagen, sind gebrochen; jede Kritik an der alldeutschen
Friedensbewegung, der es nach noch authentischerem Antiimperialismus und noch
radikalerem Antikapitalismus verlangt, als ihn die Regierung ohnehin
praktiziert, überschreit mit ihren antideutschen Phrasen, wie sehr sie selbst
zum schmählichen Bestandteil der nationalen Erweckungsbewegung geworden ist.
Und das nicht über Nacht: Nicht wenige derer, die im Gefolge des 9.11.1989 noch
ehrlich entsetzt dagegen protestierten, daß Deutschland seine volle
Souveränität wiedererlangte, feilten bereits 1991 am Nachweis, daß Hussein gar
nicht in der Lage wäre, Atomsprengköpfe auf Scud-Raketen montieren zu lassen,
weshalb der letzte Grund für die Kriegsbefürwortung – die Gefährdung Israels –
wegfiele. Kein Wunder also, daß am 11.9.01 bei den Sprengkopfzählern genauso
wenig der Verdacht aufkommen wollte, die Anschläge seien antisemitisch und
schon deshalb antiimperialistisch gewesen; kein Wunder auch, daß im Januar 02
eine 500 Köpfe zählende antiimperialistische Meute in Hamburg auf einer
Konferenz der Zeitschrift Konkret schon einmal eine kleine
Friedensbewegung gegen Amerika wegen Afghanistan anzustiften versuchte.
Gerade die Schafe im Wolfspelz,
waschechte Antiimperialisten mit deutschlandkritischer Attitüde und
Vergangenheit, werden jetzt wieder allerorten hofiert, um den moralischen Kater
zu lindern, der regelmäßig zurückbleibt, wenn man mit zig tausenden bekennender
Deutscher gegen die USA und für die Feinde Israels demonstriert hat – einen
Kater, der sich auch durch den Verweis auf das „andere Amerika“ nicht recht
verscheuchen läßt. Nur allzu häufig ist das „andere Amerika“ dasselbe
Deutschland en miniature; deutsch ist die in den USA nicht zufällig randständig
bleibende No Global-Opposition, aus der auch jene drei trostlosen
Gestalten stammen, die als menschliche Schutzschilde in Bagdad ausgehalten
haben und ihre Landsleute, die am 9. April als Befreier kamen, im
Sheraton-Hotel mit wüsten Beleidigungen wegen der „unschuldigen Toten“
empfingen. In Deutschland hat die regressive Tendenz der Aufklärung, Antiimperialismus,
Antiliberalismus und Irrationalismus sich historisch konzentriert und das
naturwüchsige Telos des Kapitals, die Barbarei, schon einmal Gestalt
angenommen; Deutschland ist deshalb, bewußt oder unbewußt, der Maßstab für all
jene, die auf dem Ticket des Opferwahns und der verfolgenden Unschuld segeln.
Bis in die Knochen deutsch sind deshalb alle auf dem weiten Feld der
antiimperialistischen Alternativen: von Horst Mahler bis Scheich Yassin, von
Tilman Zülch bis José Bové.
Wenn am Tag, an dem Bagdad die
Befreiung feiert und die noch vernunftfähige Welt – hierzulande vorwiegend
durch die „5 Mitglieder der Gruppe Antideutsche Kommunisten“, jene Mehrheit der
jüdischen Gemeinde, die sich noch nicht im Zuckermann-Diskurs verfangen hat,
und Teile der Welt-Redaktion repräsentiert – die Beseitigung eines der
schlimmsten antisemitischen Regimes erleichtert begrüßt, versteht es sich von
selbst, daß Deutschlands beliebtester Politiker nichts anderes zu tun weiß, als
dem Kostgänger des eben gestürzten Saddam seine Aufwartung zu machen: dem
Judenmörder aus Passion und völkischem Auftrag, Yassir Arafat. Joschka Fischers
Aufstieg zum unangefochtenen Repräsentanten des antijüdischen und
philoislamischen deutschen Weges für Frieden und gegen Amerika indiziert die
Haltbarkeit jener schwiemeligen linken Solidargemeinschaft, die schon immer
Ableger und Avantgarde der Volksgemeinschaft war – eine Solidargemeinschaft, in
die sich seit dem 11.9.01 endlich auch die bis dato deutschlandkritisch sich
wähnende Linke wieder einreiht: der Joschka bleibt – nach einer kurzen
Meinungsverschiedenheit wg. Jugoslawien – doch einer der ihren.
Was 1990 schon nicht gelungen ist,
scheint heute somit gänzlich unmöglich: Der Bruch der deutschen Linken mit dem
islamischen und hier besonders dem palästinensischen Mob und ihre vorbehaltlose
Solidarisierung mit dem jüdischen Staat. So wie die einzige Reaktion auf den
11.9.01 nur die Befürwortung des gerechten, weil notwendigen Krieges der Vereinigten
Staaten und ihrer Verbündeten gegen Taliban-Afghanistan und Al-Qaida hätte sein
dürfen, wollte man die Herausforderung des weltweiten Antisemitismus und seiner
europäischen Partner Ernst nehmen, hätte auch der zweite Irak-Krieg – lange vor
den ersten Kampfhandlungen – allein als Beitrag zur Befreiung der Welt von den
ärgsten faschistischen Zumutungen und zur Entlastung Israels begrüßt werden
müssen. Daß die US-Truppen noch vor der Sicherung irgend eines Ölfeldes zuerst
die westirakischen Raketenbasen zum Schutz Israels außer Gefecht setzten,
belegt dies eindringlich. Auch wenn die militärische Befreiung der irakischen
Bevölkerung vom Baath-Regime noch kein Garant für eine rosige Zukunft ist – daß
allein der vollständige Sieg der alliierten Truppen die Voraussetzung für etwas
besseres als den Tod darstellt, den ihr das Regime verordnet hat, zu dieser
schlichten Erkenntnis kommen außer der großen Mehrheit der Iraker nur jene, die
man als Deutscher so inständig haßt: Amerikaner, Churchill-Briten, Juden und die
intellektuelle Elite von New Europe.
Gerade jetzt aber, wo Deutschland einen
Krieg verloren hat, scheint es noch unmöglicher als zuvor, jene radikal sich
nennenden deutschen Linken davon zu überzeugen, daß die Wahl zwischen einem
deutschen Frieden, der heute als Furor Islamicus schon einmal vormacht, wozu er
fähig ist, und einer Pax Americana eben nicht die zwischen zwei
gleichermaßen reaktionären Alternativen darstellt. Wer den marginalen und
deshalb fundamentalen Unterschied zwischen den Protagonisten eines völkischen
Antikapitalismus’, der immer unverhohlener aus dem nationalsozialistischen
Arsenal schöpft, und den hemdsärmeligen Vertretern eines
liberalkapitalistischen Unilateralismus, der gerade den Irak vom Faschismus
befreit hat, nicht sehen will, steht mit der Barbarei im Bunde. Wer die Taten
der frommen Massenmörder in Algerien ignorierte und wem selbst der 11.9.01
nicht als anschauliches Beispiel dafür, wozu diese Barbarei in der Lage ist,
genügte, um sich eines Besseren zu besinnen, sondern statt dessen noch
fanatischer sein Feindbild USA pflegte und seine geliebten palästinensischen
Volksmassen als Unterdrückte präsentierte; wer nach dem gerechtfertigten Krieg
gegen das Baath-Regime gemeinsam mit Fischer und Annan Krokodilstränen über das
geschundene irakische Volk vergießt, aber den Schinder der irakischen
Bevölkerung meint, weil er nicht Partei sein will in einer
„innerimperialistischen Auseinandersetzung“ – der hat de facto Partei
ergriffen. Wer den Antisemitismus als Exklusivproblem deutscher Vergangenheit
verharmlost und sich nicht mehr als ein verquastes Bekenntnis zum Existenzrecht
Israels abquälen mag, wer vorgibt, gegen alle Religion zu sein, damit er von
der islamischen Barbarei nicht reden muß, den muß man beschimpfen als das, was
er selber sein will: als Antiimperialisten.
Das ist das letzte, das 9/11-Aufgebot
des deutschen Sozialismus. Welches Interesse kann der autoritäre Charakter auch
an der Herstellung von Verhältnissen haben, die nicht die infantile Autoritätssucht
befriedigen wie die Blockwartsdisziplin der KPen und die verwaltete Welt des
Realsozialismus, wenn er noch nicht einmal deren Vorschein erträgt, den allein
die bürgerliche Zivilisation erzeugte und dem die paranoide Abwehr alles
Bürgerlichen eigentlich gilt? An Verhältnissen, die nicht der Eiseskälte und
Todesgier des Krisentheoretikers entgegenkommen, der entweder in quietistischer
Pose dem Untergang der Welt entgegenfiebert, weswegen ihm zur
Gegenwartsbeschreibung nur Friedhofsmetaphern einfallen, oder der gleich den
deutschen Verzichts-Sozialismus anstelle eben des Kommunismus setzt?
Diese Linken sind nämlich in einem viel
tieferen und umfassenderen Sinne als dem, den das Wort im Kalten Krieg
bedeutete, Antikommunisten: Weil es ihnen nicht um die Emanzipation von
Zwangsverhältnissen geht, die Individualität als verallgemeinerte
überhaupt erst ermöglichte, sondern darum, den historischen Schritt der
Gemeinschaft zur Gesellschaft rückgängig zu machen, jenen partiellen
Fortschritt, den die Abhängigkeit der Einzelnen von Abstraktionen gegenüber der
unmittelbaren Abhängigkeit der Menschen voneinander bedeutet – steht diesen
Linken Hussein oder Kim-Yong-Il näher als George Bush; sie sind so hemmungslos
autoritär und antiliberal wie die deutschen Verhältnisse, die sie zu
kritisieren vorgeben. Ihr Haß gilt nicht etwa jenen, die, statt theoretische
wie praktische Kritik am Kapitalverhältnis zu entfalten, die „Endlösung“ der
Kapitalistenfrage vorbereiten – die als solche stets und notwendig zur
Judenfrage wird, weil es um die Identifikation des „zersetzenden“ Prinzips mit
einer Gruppe von Zersetzern geht; vielmehr hetzen sie mit aller Vehemenz gegen
die wenigen, die daran festhalten, daß das je individuelle Unglück, als Teil
eines unfreien Kollektivs, zu dem die ehemals bürgerlichen Gesellschaften
längst regrediert sind, vegetieren zu müssen, der mächtigste Antrieb für den
Ausbruch für die Kritik des Bestehenden in emanzipatorischer Absicht ist. Eben
darum setzt der Kommunismus emphatische Bürgerlichkeit voraus, selbst wenn in
den nachbürgerlichen Gesellschaften davon nicht viel mehr übrig ist als ein
matter Abglanz, eine Spur der Erinnerung; eben darum setzt er eine Emanzipation
fort, die an die Stelle persönlicher Abhängigkeit der Menschen die Abhängigkeit
aller von Abstraktionen gesetzt hat, die als derart bornierte aber mißlingen
muß und in neue unmittelbare Herrschaft zurückschlägt. Die freie Assoziation
der Einzelnen ist das Gegenbild zur unfreien Assoziation der Einzelnen, die die
bürgerliche Gesellschaft in ihrer Verfallsform darstellt. Ohne die wie immer
beschränkte Individualisierung jedoch, die, wie bei Marx unschwer nachzulesen
ist, den historischen Gebrauchswert des Kapitals wesentlich ausmacht, mündet
der Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft mit eherner Notwendigkeit in die
unbewußte oder bewußt angeeignete Vorwegnahme ihrer eigenen Verfallsformen, in
die bewußte Einebnung der Emanzipation und damit die Verewigung der
Vorgeschichte, in die unfreie Assoziation minus Individuum.
Zwar muß der Kommunismus alles
zerstören, was kapitalistische Produktion, Zirkulation und bürgerlicher Staat
an gesellschaftlichen und individuellen Charakteren ausgebildet haben und
wendet sich damit zuletzt noch gegen die Bedingungen, die ihn ermöglichten;
aber diese Negation ist eben keine summarische, sondern eine bestimmte, die,
wie Oscar Wilde es forderte, den bornierten bürgerlichen Egoismus darum
vernichtet, um die entfaltete Individualität an seine Stelle zu setzen. Aus
genau diesem Grunde hat die emphatische Kritik des Kapitals als Vorschein des
Kommunismus mit dem Antikapitalismus, der schon mit den Begriffen Zivilisation,
Individualität und Universalgeschichte geistig so verfährt, wie beispielsweise
Pol Pot es praktisch tat, nicht nur nichts gemein, sondern ist ihr Todfeind. Es
ist daher Aufgabe aller Kritiker, Antikapitalisten zu denunzieren, die das, was
die Welt, so wie sie ist, ohnehin bewußt- und willenlos produziert, auch noch
bewußt und planmäßig vollstrecken wollen und damit das Schlimmere im Vergleich
zum Bestehenden repräsentieren. Es sind diese „linken Antikapitalisten“, die
das Hohelied der Ohnmacht singen und nicht müde werden, die deutsche Tugend des
Mitschwimmens im reißenden Strom des Faktischen zu preisen. Sie haben von
Amerika nur eines verstanden, und umso fanatischer hassen sie es dafür: die
dauernde Ermahnung an den Einzelnen, sein Leben selber zu regeln, nicht immer
im Glied mitzumarschieren, das Private vor dem Öffentlichen zu schützen. Man
braucht den professionellen Klagemännern und -weibern nur einmal genau zuhören,
um zu erkennen, daß es ihnen nicht um die Abschaffung des materiellen wie
geistigen Elends wirklich zu tun ist. Die Not Dritter, für die man sich einen
Dreck interessiert, ist nur Deckmantel für die eigenen Vernichtungswünsche, die
man gegen die Repräsentanten der bürgerlichen Welt hegt, kurz, gegen das
„Judäo-amerikanische Imperium“ (Horst Mahler). Die ganze Elendslitanei über die
an Hunger, Überarbeitung, mangelnder Gesundheitsversorgung etc.
Zugrundgegangenen ist nur Vorwand, um diesen Schrecknissen noch die von
Terrorherrschaft und religiösem Irrsinn hinzuzufügen, für die man genau dann
einsteht, wenn man eben mit dieser Elendslitanei gegen den amerikanischen ‚war
on terrorism‘ Stimmung macht.
Die Antiemanzipation moralischer Gemeinschaften
geriert sich dabei als ehrbare Gegenaufklärung, wenn sie sich den Antirassismus
auf ihre Fahnen schreibt, der ihrem infamen Tun die moralische Deckung gibt.
Die Methode der politisch korrekten Gegenaufklärung ist die des moralischen
Verdachts und der persönlichen Verleumdung, die einen jeden, der darauf
beharrt, daß der allseitige Mensch, der im Kommunismus verwirklicht werden
soll, jenes windige, getriebene und abhängige bürgerliche Individuum zur
Voraussetzung hat, und daß jede Kritik am barbarischen Verfall der
spätkapitalistischen Gesellschaften ohne den positiven Bezug auf eben diese nie
ausgebildete Individualität nicht auskommen kann, als Mittäter beim täglichen
Hungertod von Abertausenden entlarvt, um damit jede mögliche Barbarei, von der
Sharia bis zum Selbstmordattentat, zu legitimieren – als wären es nicht gerade
die Kulturrelativisten, die für die Verewigung des Elends sorgten.
Die Erfahrung seit dem 11.9.01 lehrt,
daß gerade und besonders die USA, nicht zuletzt aufgrund ihrer fast schon
veraltet wirkenden gesellschaftlichen Konstitution in der Lage sind, durch ihre
Außenpolitik, die wie jede Außenpolitik auch den Krieg nicht ausschließt, eine
schreckliche Entwicklung wenn schon nicht stoppen, so doch bedeutend
verlangsamen könnten. Die Macht der USA, soviel ist gewiß, verbürgt derzeit die
Aufrechterhaltung eines Restmaßes an instrumenteller Vernunft und damit auch
die schiere Überlebensmöglichkeit der kommunistischen Kritik. Auch ganz
praktisch tut sie dies, indem sie hilft, Israel gegen seine arabischen Feinde
zu schützen und möglicherweise sogar die palästinensischen Mordbanden in ein
wenigstens rudimentär zivilisiertes Gemeinwesen zwingt.
Im Bündnis mit God, zwei europäischen
Premierministern, dem amerikanischen Präsidenten und einem Kontinent laden
antideutsche Kommunisten aus Berlin und anderswo jenen Rest zur antideutschen
kommunistischen Konferenz ein, die als Bellizisten zunächst einmal ausreichend
und durchaus ehrenvoll charakterisiert sind. Auf dieser Konferenz wird die
Diskussion über Antiamerikanismus und Antisemitismus, über den renovierten
Nationalsozialismus, der Europa und den Islam im Zeichen des Antikapitalismus
und der „Kulturkritik“ verbindet, über die Bestimmung kommunistischer Kritik
überhaupt, in schroffer Abgrenzung zu jeder Friedensbewegung geführt werden und
in strikter Zurückweisung jedes antiwestlichen Ressentiments; in der festen
Überzeugung, daß der Kampf gegen die kapitalistische Produktionsweise dort an
erster Stelle zu führen ist, wo er in seinem alten und zugleich modernsten
Gewand, dem des Antikapitalismus nämlich, erscheint: gegen das deutsch
dominierte alte Europa und seine Verbündeten.
Die
Konferenz findet am 6. und 7. Juni 03 im Saal der Jerusalemgemeinde,
Lindenstraße/ Ecke Markgrafenstraße, U-Bahnhof Hallesches Tor, in Berlin statt.
Samstag, 7. Juni, 10
– 20 Uhr:
Podium 1: Antisemitisches
Ressentiment als globaler Konsens: Antiamerikanismus
Podium 2: Die
Sehnsucht nach der Barbarei: moralischer Antikapitalismus
Podium 3: Bedingungen
und Begriff des Kommunismus
Zur Konferenz rufen auf:
[a:ka] Göttingen, AK Kritische Theorie FH Frankfurt/Main, AMIGA-Gruppe Siegen, Antideutsche Gruppe Hamburg, Antideutsche Initiative
Herzogenaurach, Antideutsch Kommunistische Gruppe Leipzig, Antideutsche Kommunisten Berlin, Antideutscher Zirkel Rudolstadt, Antifa Duisburg, Antifaschistische Aktion Dortmund, Antifaschistische Aktion Gießen, Antinationale Nürnberger Antifa, Autonome Antifa Würzburg, Berliner Bündnis gegen IG Farben, gruppe offene rechnungen (Berlin), Initiative Sozialistisches Forum Freiburg, Initiative Verteidigt Israel (Kiel), Redaktion Bahamas,
Redaktion Brüche
(Stand 28.5.03)