http://www.proletarische-briefe.de/artikel?id=27 Proletarische Briefe: Krawall ums Paradies

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Krawall ums Paradies

Huisken gegen Sandleben

„Blase jeder, was er kann, Lichter aus, und Feuer an.
Lobt die Jesuiten!“
(Chamisso/Nachtwächterlied)

In der Hoffnung auf Klarstellung hat Günther Sandleben in der „Kalaschnikow“ (1/99) eine angebliche Haushaltstheorie des „GegenStandpunktes“ angegriffen. Und was erntet er? Wir werden sehen.

Helle Freude über den vielleicht einzigen Leser des Organs, der sich die Mühe machte, die Runen des GegenStandpunktes zu entziffern, war es jedenfalls nicht. Eine wütende Anklage war die Folge, abgedrückt in der Kalaschnikow Nr. 1/2000 und verfaßt von Prof. Huisken. Sandleben habe erstens das Thema verfehlt, nämlich den Gegenstand des „GegenStandpunktes“: die Theorie des Staatshaushaltes. Und er habe bei Gelegenheit dieser Verfehlung sich jede Menge andere Fehlgriffe geleistet. Man wird den Eindruck nicht los, daß Sandleben viel getroffen haben muß, selbst wenn er das Thema verfehlt haben sollte. Und es ist ja auch möglich, daß jemand ein Thema trifft, selbst wenn er auf etwas ganz anderes zielt.

Sandleben zielt jedenfalls u.a. auf die Auffassung der GS-Haushaltskritiker, der Akt der einfachen Zirkulation sei so etwas wie ein „Gewaltakt“, und er gibt einen Hinweis auf Marx, der die Sphäre der Zirkulation als das „Eden der angeborenen Menschenrechte“ bezeichnet hat. Mit seiner Liebe zur Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft blende der GegenStandpunkt hartnäckig den entscheidenden Antagonismus der kapitalistischen Veranstaltung aus, der als „Gerberei der Lohnarbeiter jenseits des Tausches“ stattfinde.

Der erboste Professor wirft Sandleben darauf Schludrigkeit im Umgang mit Texten von Marx und „GegenStandpunkt“ vor und nutzt die Gelegenheit, seine gegenstandpunktliche Lesart des „Kapital“ nicht nur als die einzig richtige, sondern die gesunden und gewissenhaften Menschen überhaupt nur mögliche vorzutragen:

„Höhepunkt“ der Sandlebenschen Schmiererei, schreibt Huisken, sei „die Verwandlung des Warentauschs - der frei sei von jedem (!?) „Antagonismus„ - in eine „saftige Wiese der Zirkulation„, auf die die GS-Autoren ihr Publikum locken würden, um von „der Betrachtung des Ausbeutungsprozesses abzulenken„( Kal, 20). Getoppt wird der Unfug nur noch durch die positive Berufung auf die unschwer als Kritik zu identifizierende Zusammenfassung (?) der Bestimmung des Tauschs zwischen Käufer und Verkäufer der Ware Arbeitskraft: „Die Sphäre der Zirkulation ...., ein wahres Eden der angeborenen Menschenrechte.„ (KI, 189)“

Diesem Gipfelrausch hat Sandlebens Kritiker einen ganzen Anhang gewidmet, der allein hier als Vorlage dienen wird zur Prüfung seiner Gegenargumente. Es soll also lediglich um den „Höhepunkt des Unfugs“ gehen, den Sandleben in die Welt gesetzt haben soll, und um den Höhepunkt des Höhepunktes. Auf den weiteren Zusammenhang der bisherigen Diskussion wird nicht eingegangen, weil es für Schreiber und Leser Mühsal genug ist, die steilen Gipfel zu erklimmen, von denen aus, sollten sie erreicht werden, die Niederungen aber auch leichter zu überblicken sein sollten. Da es also nur um die Beweiskraft der professoralen Argumente geht, könnte sogar die Verfehlung des Themas vermieden werden.

Der Satz, mit dem Sandleben es schafft, den Herrn Professor auf den Gipfel zu bringen, lautet:

„Die Sphäre der Zirkulation hat so wenig mit Antagonismus zu tun, daß Marx sie als ein ´wahres Eden der angebornen Menschenrechte' bezeichnen konnte.„

Abgesehen davon, daß der „schludrige“ Sandleben nicht schreibt, der Warentausch sei frei „von jedem Antagonismus“, wollen wir prüfen, ob und warum dieser Satz so grundschlecht ist, daß sein Autor die ewige Verdammnis verdient hat?

Huisken ahnt, es könnten neben Sandleben noch andere Leute einen Text anders lesen als er und seine Freunde. Mit einem bedeutungsvollen Fingerzeig auf Leben und Lektüre versucht er, ihnen ihre paradiesischen Vorstellungen von der Zirkulationsspähre auszutreiben:

„Leute (!), wo lebt ihr eigentlich! Und was lest ihr eigentlich im „Kapital“?“

Und jetzt liefert er uns konsequent keineswegs einen Einwand gegen Sandlebens Vorwurf, sondern eine Rechtfertigung des GegenStandpunktes. Damit bestätigt er jedenfalls schon vorab, daß Sandlebens Kritik - sei sie berechtigt oder nicht - keineswegs sich einer Fehlinterpretation des GegenStandpunktes verdankt.

„Was sich auf dieser „saftigen Wiese„, in der Sphäre der Zirkulation abspielt, ist der recht ungemütliche Gegensatz von Waren- und Geldbesitzer. Denn Waren sind bekanntlich „Nicht-Gebrauchswerte für ihren Besitzer und Gebrauchswerte für ihren Nicht-Besitzer„ (KI, 100). Das Interesse des einen an der Ware schließt das Interesse des anderen aus.“

Warum müssen wir den Gegensatz von Waren- und Geldbesitz für eine „ungemütliche“ Angelegenheit halten? Der Warenwert hat bekanntlich zwei Formen, die Ware und das Geld. Der Geldbesitzer will die Ware und der Warenbesitzer das Geld. Jeder will, was der jeweils andere hat, und jeder will nicht, was er selber hat. Soweit es um den bloßen Formwechsel geht, fügen sich die Dinge prächtig. Für den Warenbesitzer ist der Gebrauchswert der Ware kein Gebrauchswert oder nur einer als Träger von Tauschwert. Das ist doch toll für den bedürftigen Geldbesitzer und nicht ungemütlich. Das Interesse des einen an der Ware soll das des anderen ausschließen. Helft mir! Zwar ist Geld eine besondere Ware, aber wenn wir von der Warenzirkulation reden, bringt diese Besonderheit keinen neuen Gesichtspunkt, und der Autor spricht auch keinen an. Beschäftigen wir uns aber mit dem Warentausch und nur mit Waren- und Geldbesitzer, dann kann auch der Geldbesitzer mit seinem Besitz nichts anderes anfangen, als ihn gegen eine andere Ware einzutauschen. Beide Besitzer wollen daher den Austausch! Hier ist alles andere als Ungemütlichkeit. Im Gegenteil. Sofern wir nicht noch andere Personen hereinnehmen, können sie überhaupt gar keinen anderen Willen haben.

Wo sich Frau und Mann an den Geschlechtseigenschaften der jeweils anderen Figur vergnügen wollen, da wird doch auch niemand eine entsetzliche Ungemütlichkeit wittern. Warum also hier? Warum sollen wir solche Pärchen als schlimme Gegensätze betrachten? Weil sie wechsel- und nicht einseitig aneinander Spaß haben? Es sieht beinahe so aus:

„Es zählt eben nicht (!) das Bedürfnis nach Gebrauchswert, sondern allein der Umstand, ob der am Gebrauchswert interessierte Nicht-Besitzer das Geldverlangen des Besitzers bedienen kann. Wenn nicht, gilt sein Bedürfnis gesellschaftlich (?) nichts - unabhängig davon, wie gefüllt der Warenmarkt ist.“

Richtig! Es zählt auf der „saftigen Wiese“ nur das zahlungsfähige Bedürfnis, da hilft kein Jammern darüber, wieviel Zeug es überhaupt auf dem Warenmarkt gibt. Wer keine Äquivalente hat, der muß woanders weiden. Das Bedürfnis nach Gebrauchswert ist tatsächlich nicht hinreichend, um in den Genuß des verlangten Gegenstandes zu kommen, sondern „zählt“ für den Warenbesitzer nur, wenn es in der Warensprache vorgetragen werden kann. Denn auch der Warenbesitzer hat ein Bedürfnis. Für den Besitzer des notwendigen Äquivalentes, ist es aber kein Problem, in den Genuß der Sache zu kommen! Er freut sich diebisch darüber, daß es den Warenbesitzer gibt, weil der sein Geld haben will.

Man könnte einwenden, die beiden Warenbesitzer hätten einen Grund zum Zank zwar nicht hinsichtlich des Formwechsels ihrer Warenwerte, aber mit Bezug auf die Proportionen ihres Austauschs. Von der Feststellung der „richtigen Proportionen“ ist jedoch infolge der Unterstellung des Äquivalententauschs bei der Betrachtung der Warenzirkulation mit guten Gründen gerade abgesehen. Denn wir können die Abweichungen nur erklären, wenn wir die Gesetze entwickelt haben. Unbestreitbar ist ein Interessengegensatz der Warenbesitzer hinsichtlich ihrer Wertgrößen und ihr Versuch, bei Gelegenheit der Formverwandlung ihrer Werte einen größeren Wert zu erhalten, als sie geben. Solche Versuchungen hängen jedoch ab von den Umständen und sie stehen im umgekehrten Verhältnis zum Entwicklungsgrad der Warenproduktion. Wer heute in Paris, Berlin oder London seinen Einkauf erledigt, der „marktet“ nicht mit der Verkäuferin, sondern bezahlt den verlangten Preis oder zieht weiter. Je mehr die industrielle Produktion den Handel bestimmt, desto weniger ist die Warenzirkulation einem orientalischen Basar gleich, auf dem Käufer und Verkäufer sich wechselseitig über den Tisch gezogen haben müssen, bevor sie handelseinig geworden sind. Als der Handel noch die Herrschaft hatte über die Industrie, also in den Vorzeiten der bürgerlichen Gesellschaft, war der Betrug die Basis des Handelsprofits. Auf der Basis der kapitalistischen Produktionsweise, in der umgekehrt die Industrie den Handel beherrscht, ist es dagegen weder sinnvoll noch erforderlich, einen Nichtäquivalententausch anzunehmen, weil der Äquivalententausch das regelnde Gesetz ist. Weil mit der Warenproduktion sich der Äquivalententausch - Regelmäßigkeit der Abweichungen des Preises vom Wert eingerechnet - entwickelt, erscheint der Nichtäquivalententausch als eine Verletzung der Gesetze der Warenzirkulation. Es macht keinen Sinn, sich ausgerechnet mit dieser Verletzung zu befassen, wenn wir die Regeln der kapitalistischen Produktionsweise erfassen wollen. Die Annahme des Nichtäquivalententausches stiftet nichts als Verwirrung und läßt über die böse Absicht eines Beutezuges leicht die wirkliche Ausbeutung übersehen.

Warenbesitzer können auf dem Markt beinahe alles bekommen, soweit sie was haben, was andere wollen. Sie können sich sogar einen GegenStandpunkt zulegen: ein paar Mark und schon gehört man zur Genossenschaft der Eingeweihten. Wenn und soweit der „am Gebrauchswert interessierte Nicht-Besitzer das Geldverlangen des Besitzers“ dagegen nicht bedienen kann, wenn er also gar kein Marktteilnehmer ist, dann ist es für ihn ungemütlich in der Welt der „Marktwirtschaft“. Das geben wir gerne zu. Entweder muß er ohne GegenStandpunkt leben oder einen Gesetzesbruch riskieren. Beides ist auch für den Warenbesitzer nicht optimal, weil auf solchen Wegen seine Ware nicht zirkuliert. Huisken hat übrigens unter der Hand den Geldbesitzer in einen Nicht-Besitzer verwandelt (wir werden darauf noch zurückkommen), bloß weil dieser die Ware nicht besitzt. Mit diesem Einfall nimmt er sich von vornherein alle Möglichkeiten, das, was sich in der Zirkulation abspielt, von dem zu unterscheiden, was die bürgerliche Gesellschaft sonst noch so zu bieten hat. Es gibt allerdings einen ungemütlichen Gegensatz zwischen dem Warenbesitzer und dem Eigentumslosen. Deren Beziehung ist aber etwas andres als die von Warenbesitzern und findet nicht statt auf einer „saftigen Weide“. Auf dem Markt begegnen sich nur Waren- und Geldbesitzer. Hier sucht jeder seinen Vorteil, aber nicht überall ist Markt, wo Leute ihre Vorteile suchen. Ein Taschendieb unterscheidet sich von den Marktteilnehmern deutlich durch die Art und Weise, wie er der Dinge habhaft wird. Solche eigentumslosen Menschen trifft man nicht auf dem Markt, auf dem Marktplatz schon eher. Daher kann auch nicht folgen, was der Herr Professor folgen läßt:

„Die Folgen davon (!?) sind allseits zu besichtigen. Folglich (!?) spielt sich auf dem Warenmarkt auch ein Streit der Privateigentümer (Waren- und Geldbesitzer) um die Frage ab, wer für seine Waren am erfolgreichsten vorhandene Zahlungskraft an sich zieht bzw. wer sich für sein Geld am erfolgreichsten auf dem Warenmarkt bedient.“

Um einen ungemütlichen Gegensatz auf den Marktplatz zu schleppen, ignorierte der Mann des GegenStandpunktes zunächst den Reiz des Gegenteils, der die Leute überhaupt miteinander ins Geschäft bringt, beobachtete er die Figur des Habenichts auf dem Warenmarkt, die dort überhaupt nicht zu finden ist - und jetzt handelt er auch noch von einem ganz anderen Gegenstand! Er läßt Waren- und Geldbesitzer um die Frage streiten, wer am erfolgreichsten die Dinge an Land zieht, die auf dem Markt angeboten werden. Er betrachtet also nicht mehr bloß den Händewechsel von Ware und Geld, sondern gibt seine ganz eigenwillige Interpretation des Treibens der Warenbesitzer. Sie tauschen nicht einfach, sondern wetteifern um die Dinge. Die Besprechung dieser Sportveranstaltung drückt dunkel einiges aus, nämlich z.B. seine Neigung, die Verwertung des Werts tatsächlich in der Zirkulationssphäre zu suchen. Genau das hat Sandleben den GS-Autoren vorgeworfen. Von deren Gegenstandpunkt aus betrachtet, handelt es sich bei den Zirkulationsphänomenen in der Tat um so etwas wie Antagonismen: Es gibt eine Menge Geld und Waren, um die sich die Privateigentümer prügeln. Wer am Ende der Spielzeit den größten Anteil davon in den Händen hält, der hat gewonnen. Oder wie?

Ohne einen weiteren Hinweis wird mit diesem Kunstgriff nicht nur die Bedingung des normalen Verlauf der Zirkulation aufgegeben, nämlich der Äquivalententausch als das regelnde Prinzip, sondern auch den Marktteilnehmern ein absurdes Motiv unterstellt, das der Autor allerdings gefolgert haben will. Die Abstraktion vom „Gleichwert“ der ausgetauschten Waren bewirkt genau das, wogegen das „Kapital“ geschrieben worden ist: Das Geheimnis der Plusmacherei wird gesucht und gefunden in der Sphäre der Zirkulation. Worüber soll denn sonst entschieden werden in dem „Streit der Privateigentümer ... um die Frage ... , wer für seine Waren am erfolgreichsten vorhandene Zahlungskraft anzieht“? Es wird erstens die landläufige Vorstellung präsentiert, wonach die Warenbesitzer aus der Zirkulation einen höheren Geldwert herausfischen, als sie in Form des Warenwerts hineingegeben haben, während die Geldbesitzer mehr Warenwert ergattern, als sie in Geldform geliefert haben; zweitens sollen die raffenden Marktteilnehmer in diesem Turnier den Ehrgeiz an den Tag legen, eine bessere Bilanz hinsichtlich der erworbenen und der dafür hergegebenen Werte zu erzielen als die Mitbewerber. Daraus wird ein permanenter Zoff im Garten Eden:

„Es ist dies ein dauerndes Gegeneinander, bei dem ein jeder Warenverkäufer genau so viel an Zahlungsvermögen den Konkurrenten vorenthält, wie er selbst davon an sich zieht.“

Nach dieser Auskunft vorenthält also der eine Lohnarbeiter dem anderen Lohnarbeiter das Zahlungsvermögen in Höhe seines Lohnes! Eine schöne Vorstellung von den Härten der kapitalistischen Produktionsweise. Aber lassen wir das, denn der GegenStandpunkt und Huisken mit ihm wollen ja gar nicht von dieser besonderen Sorte Warenbesitzer sprechen. Der eine Warenverkäufer kann natürlich dem anderen nichts „vorenthalten“, was er gar nicht hat. Das „Zahlungsvermögen“ aber haben die Geldbesitzer, welche die Waren wollen. Werden sie mit einem Warenbesitzer handelseinig, dann hat bald der das Geld und nicht mehr sie. Sie haben miteinander gehandelt und nicht gegeneinander. Was macht nun der ehemalige Warenbesitzer mit den neu erworbenen Geld? Er könnte es anbeten, vergraben oder womöglich in der Pfeife rauchen, aber wir bewegen uns in der Zirkulationssphäre, da geht sowas nicht. Er kann mit dem Geld nichts weiter machen, als Waren kaufen. Mit ein und derselben Geldsumme („Zahlungsvermögen“) werden in dieser Weise also etliche Warenwerte realisiert. Und Huiskens „dauerndes Gegeneinander“ löst sich auf in ein dauerndes Miteinander. Seine Behauptung schöpft ihre ganze Kraft aus der Theorie der beiden Berge: Wir haben hier ein Haufen Geld und dort ein Haufen Ware, die ihre Stellen wechseln sollen. Jeder Warenbergbewohner, der sich daran beteiligt, den Geldberg abzutragen, verhindert im Umfange seiner Beteiligung die Beteiligung eines anderen Warenbergbewohners. Damit ist es dem Autor aber nicht genug. Der Gesichtspunkt der Konkurrenz ist viel zu einladend, um nicht eine Zeit dabei zu verweilen.

„Über diese Konkurrenz innerhalb und zwischen Waren- und Geldbesitzern entscheidet sich, wieviel von der in den Waren steckenden Arbeit tatsächlich als solche Arbeit verausgabt worden ist, die gesellschaftlich durchschnittliche Produktivität verkörpert. Das verweist auf die nächste Härte, die sich auf der „saftigen Wiese„ abspielt. Denn von dieser Entscheidung, die sich in Preis und Masse der verkauften Warenmasse äußert, hängt ab, in welchem Umfang die individuell abgeleistete Arbeitszeit gesellschaftlich überhaupt als verausgabte gilt. Da mag der Mensch 10 Stunden gearbeitet haben und der über die Preise ablaufende Vergleich aller Waren untereinander belehrt ihn darüber, daß seine Leistung vielleicht nur wie 5 Stunden gilt. Darüber werden alle saftigen Fragen der Arbeitszeit, -intensität, des Lohns und der Beschäftigung überhaupt entschieden.“

Hier findet offenbar die Vorstellung von der Schlacht der Marktteilnehmer um die „vorhandene Zahlungskraft“ und die Waren ihre konsequente Fortführung. Die Konkurrenz auf dem Marktplatz ist natürlich das, was auch die letzten Zweifler von den „Härten“ dieser Landschaft überzeugen muß. Die „Konkurrenz innerhalb und zwischen Waren- und Geldbesitzern“ „äußert“ sich nach Huisken „in Preis und Masse der verkauften Waren“. Für ihn ist die Preisbildung also eine Frage der Konkurrenz und nicht die Konkurrenz eine Frage der Preisbildung. Das durften wir schon vermuten. Was Waren- und Geldbesitzer einander antun auf dem Markt, das tun sie sich mit ihren Preisen an. Das sind ihre Knebelketten, angesichts welcher ein GegenStandpunktler singt.

Weil auf dem Markt die Preise für die Waren bezahlt werden und dort daher deren Auf und Ab beobachtet werden kann, das die Schwankungen von Angebot und Nachfrage verursachen, erzählen uns die Wirtschaftswissenschaftler beinahe ausnahmslos, dort auf dem Markt bildeten sich auch die Preise. Wenn ich Prof. Huisken richtig verstehe, dann teilt er nicht nur diese Ansicht seiner Kollegen, sondern bereichert sie um den recht überflüssigen Einfall, die Preise der Waren bestimmten ihre Werte. Denn von der Konkurrenz hängen nach seiner Ansicht die erzielten Preise ab und von diesen das Ausmaß, in dem die Arbeitsstunden wertbildend sind, also „individuell abgeleistete Arbeitszeit gesellschaftlich überhaupt als verausgabte gilt“. Wovon die Konkurrenz abhängt, davon spricht er lieber nicht.

Sollten die Warenproduzenten tatsächlich erst die Waren produzieren und sich anschließend ansehen, welche Preise sie dafür auf dem Markt erlösen können? Da die Wirtschaftswissenschaftler so etwas annehmen, ist das Gegenteil wahrscheinlich. Waren kommen in Wahrheit nicht ohne Preise auf den Markt. Wenn wir uns die Preisbildung ansehen, dann müssen wir also die paradiesische Zirkulationssphäre verlassen und uns dorthin bewegen, wo der GegenStandpunkt sich gerade nicht aufhalten will.

Wenn ein Warenproduzent eine Ware auf den Markt bringt, dann verlangt er dafür einen bestimmten Preis, den wir hier der Einfachheit halber dem Warenwert größengleich annehmen. Dieser Preis hat eine gewisse Höhe, die sich der Kapitalist nicht einfach ausgedacht hat und die auch nicht von den in einem Lande vorhandenen Geld- und Warenmengen bestimmt wird. Er wird nicht erst auf dem Markt durch Angebot und Nachfrage „gefunden“, obgleich wir ihn auch erhalten als den Durchschnittspreis der empirischen, dauernd schwankenden Verkaufspreise einer Ware. Ist für den Kapitalisten absehbar, daß er die Ware zu einem bestimmten Preis nicht verkauft bekommt, dann wird er sie gar nicht erst produzieren, weshalb man diesen Preis den Produktionspreis der Ware nennen kann, den wir uns kurz ansehen sollten.

Ein Teil dieses Produktionspreises, der der kapitalistischen Kalkulation zugrunde liegt und um den die Verkaufspreise schwanken, ersetzt und muß ersetzen dem Kapitalisten seine Kosten für die Produktionsbedingungen (Produktionsmittel und Arbeitskraft) und heißt daher sein Kostpreis. Ein anderer Teil besteht in dem Mehrwert, den der Kapitalist in der Fabrik aus seinen Lohnarbeitern herausgeschlagen hat oder herausschlagen kann, der nicht ihm daher etwas kostet, sondern den Arbeitern. Dieser Mehrwert ist unter seinem bürgerlichen Namen „Profit“ bekannt als das, weswegen die Waren überhaupt nur produziert werden. Läßt er sich nicht oder nur unzureichend erzielen, dann wird nicht produziert und das Angebot geht zurück, wodurch der Preis steigt und die Realisierung des geforderten Mehrwerts wahrscheinlicher wird. Übersteigt der Mehrwert dagegen sein gewöhnliches Maß, dann wird mehr von der Ware produziert und ihr Preis sinkt infolge des wachsenden Angebots. Der Mehrwert reguliert mit der Produktion offenbar die Preise und ist für den Kapitalisten immer zugleich sein Mittel in der Konkurrenz. Als Differenz von Warenwert bzw. Preis und Kostpreis eröffnet er ihm Möglichkeiten, mit anderen Kapitalisten zu konkurrieren, ohne dabei einen Verlust zu machen, wenn wir seinen Gewinnverlust nicht als solchen deuten wollen. Er kann, durch die Senkung seines Preises, auf einen Teil des Mehrwerts verzichten und ihn seinen Kunden überlassen, auf welchem Wege er seine Konkurrenten zwingen mag, dasselbe zu tun. Die Kunden haben dann großen Grund zur Freude und dem Kapitalist bleibt die Möglichkeit, sich bei seinen Lohnarbeitern schadlos zu halten, für die es dann noch ungemütlicher werden kann. Denn ungemütlich ist es für sie stets, da ihre Mehrarbeit nun mal der Stoff des Mehrwerts ist, von dem die Kapitalisten nie genug bekommen können, weshalb sie unaufhörlich bemüht sind, die Arbeitskraft des Lohnarbeiters auszusaugen.

Kapitalisten produzieren natürlich keine Waren, um miteinander zu konkurrieren, und sie produzieren auch keinen Mehrwert, um den dann mit ihren Kunden zu teilen. Sie produzieren Waren, um sich einen Mehrwert anzueignen. Darüber und über nichts sonst „werden alle saftigen Fragen der Arbeitszeit, -intensität, des Lohnes und der Beschäftigung überhaupt entschieden“; von wegen über den Markt. Wenn Kapitalisten ihre Preise kalkulieren, dann sehen sie sich im Interesse auskömmlicher Profite nicht nur an, in welchem Umfang sie auf den aus den Lohnarbeitern herausgeschlagenen Mehrwertteil eventuell verzichten können. Sie versuchen also nicht nur, mit niedrigeren Preisen und höheren Umsätzen durchs Leben zu kommen, sondern es macht ihnen unaufhörlich Spaß, den Mehrwert zu erhöhen, auf den sie gegebenenfalls teilweise verzichten können. Sie „wetteifern“ prinzipiell mit ihren Lohnarbeitern um deren Lebenskraft. Dieser Antagonismus wird von den Priestern des Kapitals vorzugsweise unter Rubrik „Konkurrenz der Warenproduzenten“ verhandelt, also an einer Stelle aufgenommen, wo das Verhältnis einen Grad der Veräußerlichung erreicht hat, der den zugrunde liegenden Antagonismus verbirgt und sein ziemliches Gegenteil zeigt. So wenig die gewöhnliche Konkurrenz der kapitalistischen Warenproduzenten in der Sphäre der Zirkulation neben der Freude bei ihren Kunden auch notwendig noch Ungemütlichkeit bei ihnen selbst auslöst, so unbequem ist es regelmäßig für die Produzenten des Mehrwerts. Die Erscheinungen der Zirkulation ihrer Ware täuschen die Lohnarbeiter über die regelgerechte Plünderung ihrer Lebenskraft und verdunkeln daher, was der Produktionsprozeß ihnen nahe legt. Nach Prof. Huisken täuscht sich dagegen niemand bei der Warenzirkulation über den Charakter der kapitalistischen Produktionsweise:

„Es darf deswegen auch nicht verwundern, daß bereits bei den einfachsten Bestimmungen der Warenzirkulation ständig die Gewaltfrage aufgeworfen wird:„

Ob jemand einen Besen gegen eine Kinokarte tauscht oder umgekehrt, ständig soll er dabei auch noch die „Gewaltfrage“ aufwerfen. Bewiesen werden konnte diese Behauptung bisher nicht. Aber vielleicht ändert sich das ja jetzt, denn jetzt spricht, wenn auch total entstellt, Marx, die Autorität:

„Um die Dinge als Waren aufeinander zu beziehen, müssen die Warenhüter (!) sich zueinander als „Personen verhalten, deren Willen in jenen Dingen haust„(KI, 99) (ich ergänze, was Huisken weggelassen hat: „so daß der eine nur mit dem Willen des anderen, also jeder vermittels eines, beiden gemeinsamen Willensakts sich die fremde Ware aneignet, indem er die eigene veräußert. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigentümer anerkennen“) , d.h. sie müssen sich als Privateigentümer vertraglich (!?) anerkennen. Selbstverständlich ist das nicht, schon gar für den Nicht-Eigentümer (!). Glatt könnte er sich auf den Standpunkt stellen: „Die Waren sind Dinge und daher widerstandslos gegen den Menschen. Wenn sie nicht willig, kann (ich) Gewalt gebrauchen, in andren Worten, sie nehmen„. (KI, 99) So wenig antagonistisch geht es zu, daß es schon das ökonomische Verhältnis als Rechtsverhältnis braucht (!), um die Menschen als Personen ständig daran zu erinnern, daß sie sich „wechselseitig als Privateigentümer anerkennen müssen„ (KI, 99), schnurzegal wie das Eigentum des einen und wie das des anderen beschaffen ist. Wer sich „die Dinge nimmt„, ist ein Krimineller und wandert in den Bau!“


Prof. Huisken hat von dem Marx-Zitat die für unseren Zusammenhang entscheidende Passage unterdrückt. Das wird kein Zufall sein. Wenn der Warenaustausch nämlich als ein „gemeinsamer Willensakt“ der beiden Warenbesitzer betrachtet wird, dann ist ja die Streitfrage entschieden, weil dann die Zirkulation der Ware von der einen Hand in die andere eben das Gegenteil von einem Gewaltakt ist.

Um einen Gewaltakt auch bei Marx schon im einfachen Warentausch aufzufinden, vertuscht der Mann nicht nur den „gemeinsamen Willensakt“ der Warenbesitzer, sondern führt auch wieder einen Nichteigentümer ein, der mit dem Verhältnis der beiden Warenbesitzer überhaupt nichts zu schaffen hat. Was sollen wir von einer solchen Operation halten? Den größten Schaden richtet sie jedenfalls bei ihrem Autor selber an, der sich die Chance nimmt, die entscheidenden Zusammenhänge seines Gegenstandes zu erfassen. Wenn er behauptet, die wechselseitige Anerkennung der Warenbesitzer als Privateigentümer sei „nicht selbstverständlich“, so liegt er so weit neben der Sache, daß nicht einmal das Gegenteil richtig ist, denn diese Anerkennung ist nicht nur „selbstverständlich“, sondern unvermeidlich. Sie erkennen sich nämlich als Privateigentümer an, indem sie ihre Waren tauschen - und damit dies Rechtsverhältnis schaffen, das später „legal entwickelt“ (Marx) wird, d.h. die Form eines amtlichen Gesetzes erhält (1). Wenn man einen Warenbesitzer aber nicht von einem Nichtbesitzer unterscheiden kann oder will, dann ist es natürlich ganz unmöglich, diesen wichtigen Entstehungsort des modernen Privateigentums zu sehen. Man sieht dann das Rechtsverhältnis nicht durch den Tausch entstehen, sondern als eine notwendige äußere Maßnahme, die den Tausch überhaupt erst ermöglicht. Aber die Sache verhält sich umgekehrt. Indem die Warenbesitzer ihre Waren austauschen, schließen sie nicht nur alle anderen Aneignungsweisen aus und akzeptieren sie den jeweils anderen nicht nur als einen ebenbürtigen Geschäftspartner, sondern auch als jemanden, der souverän über die in seinem Besitz befindlichen Gegenstände verfügen kann, also ohne sich z.B. von einer weiteren Seite die Genehmigung für sein Handeln einzuholen, als privaten Eigentümer eben. Unfreie Menschen kommen daher ebensowenig als Geschäftspartner vor wie eigentumslose. Die Warenbesitzer bewirken mit ihrem Austausch offenbar nicht nur den Händewechsel der Waren, sondern auch das „Rechtsverhältnis“, was sehr zu unterscheiden ist von den Anstrengungen des juristischen Überbaus, der erst in ihrem Geschöpf seinen Gegenstand findet. Die Leute handeln, bevor sie Priester bezahlen, die die Konsequenzen ihres Handelns deuten. Ihr Handeln hat allerdings einige ökonomische Voraussetzungen, mit denen die Priester sich meist nicht beschäftigen, weil sie mit Vorliebe mystische Triebkräfte erfinden und deuten.

Wenn wir von Warenbesitzern sprechen, dann haben wir es mit personifizierten Waren zu tun, meinen wir Subjekte, die keinen anderen Inhalt kennen als den der Waren und daher auch keinen anderen Willen haben als den, der in der „Natur“ ihrer Waren liegt. Die Personen existieren hier nur füreinander als Repräsentanten von Ware. Nur weil es Gebrauchswert für ihren über Äquivalent verfügenden Nichtbesitzer und Tauschwert für ihren Besitzer ist, ist das Ding Ware. Der Besitzer eines Dings, der dessen Gebrauchswert nutzen will, ist ebensowenig Warenbesitzer wie ein Besitzloser, der diesen Gebrauchswert verlangt. Das ökonomische Verhältnis ist also mindestens, daß der Besitzer des Dings es nicht braucht und ein vermögender Nichtbesitzer es begehrt. Beide müssen brauchen, was sie nicht haben, aber sie müssen auch haben, was nicht sie, sondern andere Warenbesitzer brauchen. Nur dann werden sie die Dinge auch „als Waren aufeinander beziehen“. Die Besitzer dieser Dinge müssen diese also erübrigen können, sonst wären sie nicht zum Austausch bereit. Warenproduktion ist in dieser Hinsicht Überschußproduktion und unterstellt daher einen gewissen Entwicklungsgrad der Produktivkraft der Arbeit.

Ferner müssen sie unabhängig sein, voneinander und von anderen, also souverän über die Sache entscheiden können, denn B erwartet beim Warentausch, daß A über den Gegenstand beliebig verfügen kann, sonst müßte er nach erfolgter Transaktion mit anderen Anspruchstellern rechnen. Leibeigene und Sklaven eignen sich aus diesem Grunde denkbar schlecht als Handelspartner, denn sie gehören ihren Herren und sind nicht oder nur eingeschränkt befähigt, über die Dinge als Waren zu verfügen. Sie können als Privateigentümer also nur schwerlich anerkannt werden und zählen daher unter den Bedingungen der vorherrschenden Warenproduktion auch nicht zu den erfolgreichen Sozialcharakteren. Auch innerhalb einer Familie werden die Produkte gewöhnlich keine Waren. Weil die für den Austausch der Dinge verlangte Rücksichts- und daher Beziehungslosigkeit innerhalb eines „naturwüchsigen Gemeinwesens“ nicht stattfinden konnte, konnte übrigens der Warenaustausch nur zwischen den Gemeinwesen beginnen. Hier war das Verhältnis wechselseitiger Fremdheit gegeben, das den Austausch möglich machte. Dafür fehlte gewiß das, was man nach Huisken „braucht, um die Menschen als Personen ständig daran zu erinnern“, sich als Privateigentümer auch anzuerkennen. Eine solche Instanz war und ist nicht da, weil es völlig überflüssig wäre, den Warenbesitzern zu erläutern, was sie neben dem Händewechsel ihrer Waren mit dem Austausch sonst noch erledigen.

Die Waren sind aber Dinge. Und Dinge können auch anders angeeignet oder veräußert werden als durch den Austausch. Für Huisken ist dieser Umstand geeignet, um den Nichteigentümer in die Zirkulationssphäre zu drücken. Welch ein Jesuitenkniff! Wer nicht über Dinge verfügt oder nicht über welche, auf die er verzichten kann, der bringt es nicht zum Tausch, sondern muß, wenn er fremde Dinge erwerben will, sich eine andere Aneignungsweise einfallen lassen: Diebstahl, Erpressung, Erbschaft, Bettelei etc. Wenn jemand stiehlt, dann verhält er sich zu den Dingen offenkundig nicht als Warenbesitzer, sondern als Dieb. Und ein Dieb anerkennt die Warenbesitzer gerade nicht als Privateigentümer; soll er es aber doch tun, obgleich er dazu keine Veranlassung hat, so muß er in der Tat daran „erinnert“ werden, also gezwungen, auf seine bevorzugte Form der Aneignung der Dinge zu verzichten. Er wird dann vielleicht Bettler oder, wenn auch das verboten wird, Erbschleicher usw. Solche Verkehrsformen finden allerdings nicht statt in der hier umstrittenen Sphäre der Zirkulation, in der Waren zirkulieren und nicht nur Dinge. Nur um die Zirkulationssphäre als eine der Gewalt darzustellen und auf diesem Wege Sandlebens Einwand abzubügeln, bringt Huisken den „Nicht-Eigentümer“ in die Zirkulation, obgleich seine Berufungsinstanz keinen Zweifel daran läßt, daß sie von Warenbesitzern redet und nicht von Habenichtsen.

Die Ware ist nur Ware mit Bezug auf andere Waren und nicht in Beziehung auf den Diebstahl. Die Gewalt und ähnliche Verletzungen der Warengesetze sind dagegen notwendig, wo und soweit nicht getauscht wird, wo also einer aneignen will ohne Äquivalent. Dieser Typ muß einen anderen Willen haben als den, der „in den Waren haust“. Wo der Warenbesitzer und ein Dieb aufeinandertreffen, da haben sie tatsächlich keinen „gemeinsamen“ Willen. Wo aber Leute als Warenbesitzer einen gemeinsamen Willen haben, da werfen sie keine „Gewaltfrage“ auf, werden nicht tätlich gegeneinander und benötigen daher auch keinen Schlichter. Sie brauchen keinen staatlichen Eingriff, wo sie einig sind. Alle Versuche, den modernen Staat aus dem Warentausch zu entwickeln sind daher ja auch gescheitert. Ebenso gescheitert sind allerdings auch alle Versuche, ihn nicht aus dem Austausch zu entwickeln. Wenn die Warenbesitzer die Repräsentanten der Ware sind, dann ist deren Bewegung das Gesetz ihrer Handlung, Recht. Und da sie dieses Gesetz auch verbindlich machen müssen für die Nichtbesitzer, benötigen sie so etwas wie einen Staat. Denn indem die Warenbesitzer sich im Austausch ihrer Waren als Privateigentümer anerkennen, schließen sie alle Ansprüche der Nichtbesitzer aus und schaffen so die Eigentumslosen massenhaft, die mit dem Warenaustausch nichts zu tun haben, da sie nicht daran teilnehmen können. Die Aneignungsweise der Warenbesitzer schafft mit dem Privateigentum also auch die Eigentumslosigkeit. Und Eigentumslosigkeit ist ein verdammt guter Grund für einen gründlichen Gesetzesbruch! Denn ohne die Verletzung der Gesetze der Warenzirkulation, kommt der Warennichtbesitzer an die Dinge nicht heran. Wenn der Warenbesitzer seinen Besitz nicht anders herausrückt, dann wird schließlich auch „die Gewaltfrage aufgeworfen“; aber hier haben wir es nicht zu tun mit den „einfachsten Bestimmung der Warenzirkulation“, sondern mit der Warennichtzirkulation, also dem Gegenteil.

Die Aneignungsweise der Nichteigentümer wie die entsprechende Reaktion darauf eröffnen uns daher keineswegs einen Zugang zum „wahren Eden“. Huisken greift auch hier daneben:


„Das eröffnet uns den Zugang zu dem „wahren Eden der angebornen Menschenrechte„ (KI, 189), das S., ein wahrer Menschenrechtsfreund - und dies, wo die NATO sich gerade als das neue wahre Eden der Menschenrechte geoutet hat (Hat nichts miteinander zu tun? Denkste!) -, gar nicht genug preisen kann.„

Was will uns der Professor damit sagen? Sandleben sei ein „Menschenrechtsfreund“, weil er es für einen Fehler hält, die Zirkulation, wie er sagt, „ganz in den Vordergrund zu rücken“? Die Nato sei dasselbe wie die Zirkulationssphäre? Unmöglich geht es hier um die Klärung einer strittigen Frage. Huisken kämpft um etwas anderes. Vielleicht geht es ihm nur um ein Deutungsmonopol in Sachen „Kapital“:

„Der Befund, daß seine voreingenommene Schludrigkeit im Umgang mit dem Haushaltsartikel nur seine Schludrigkeit bei der Lektüre des ‘Kapital' offenbart, bekommt neue Nahrung. Man führe sich nur einmal die Stelle dort insgesamt vor Augen.
Marx beendet den Abschnitt über die Verwandlung von Geld in Kapital mit folgendem zusammenfassenden Befund: „Die Sphäre der Zirkulation oder des Warentausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegte, war in der Tat ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham (meint: Eigennutz). Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie kontrahieren als freie, rechtlich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben. Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham! Denn jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. Die einzige Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihres Privatinteresses....„(KI,189f; Sperr.d.Verf.).

Was sonst kann man dieser Passage entnehmen, als daß es in dieser Sphäre des Austauschs eben nicht gewaltsam zugeht? Keine Rede ist davon, daß sich die Leute einem fremden Willen beugen müssen! Ihr Eigennutz ist die einzige Kraft, die sie miteinander verkehren läßt. Sie sind also nicht dem Wohlwollen anderer ausgeliefert. Man kann das in der Tat „gar nicht genug preisen“. Wo gibt es sowas sonst schon? Es ist daher kein Wunder, wenn die Verfechter der Menschenrechte sich dauernd darauf berufen.

Prof. Huisken liest etwas anderes. Aber was? In dem Text von Marx hat er einige Zeichen besonders hervorgehoben (was leider in der „Kalaschnikow“ untergegangen ist), aber er hat uns die Bedeutung seiner Markierungen nicht mitgeteilt. Deren Erheblichkeit muß so evident sein, daß nur die ahnungslosesten Dummköpfe sich Nachfragen erlauben: Warum, fragen wir, ist dort große Keilerei, wo „rechtlich ebenbürtige“ Personen sich „nur als Warenbesitzer“ zueinander verhalten, die sich nur „um sich“ selbst sorgen und deren Willen in ihrem „Kontrakt“ einen gemeinsamen „Rechtsausdruck“ erhalten? Wir wollen nicht annehmen, auch Professor Huisken halte ihre Ebenbürtigkeit und ihren Egoismus für das, was den Leuten die Tage verdirbt. Denn nur Priester halten Rangordnungen und die Verpflichtung auf den Gemeinnutzen für Bedingungen der paradiesischen Zustände. Was aber will er uns dann mit seinen Hervorhebungen mitteilen? Ist die Verwandlung ihres gemeinsamen Willens in einen Rechtsausdruck die entscheidende Sünde der Warenbesitzer? Wir wissen es nicht. Der Text gibt nicht her, was er hergeben soll.

Marxens Formulierung vom „wahren Eden der Menschenrechte“ ist ohne Frage, darin müssen wir dem Professor zustimmen, „unschwer als Kritik“ erkennbar; aber sie ist ebenso „unschwer“ als Kritik jener Sorte Ökonomie zu erkennen, die aus der Sphäre der Zirkulation den Honig zieht, mit dem sie ihre bürgerlichen Glanzvorstellungen zusammenklebt. Sie bedient sich dort, wo alle Formunterschiede der beteiligten Figuren sich auf den Käufer und den Verkäufer reduzieren und flüchtig werden (2). Marx hält den Autoren solcher Kunstwerke keineswegs eine andere Interpretation der Zirkulationssphäre entgegen, sondern kritisiert sie für ihre Einbildung, die oberflächlichsten Ausdrücke der Produktionsverhältnisse als deren Wirklichkeit zu behaupten - statt als bloß verkehrte Erscheinungen dieser Wirklichkeit. Man muß dem Marx ja nicht folgen, aber es ist abwegig, ihm eine andere Ansicht unterzujubeln. Sandleben hat Marxens Kritik nur an den GegenStandpunkt weitergeleitet, und Huiskens Antwort bestätigt indirekt die Berechtigung seines Vorwurfs in einer Weise, wie sie nicht überzeugender hätte ausfallen können. Nirgendwo zeigt sich das besser als dort, wo die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise zur Sprache kommt:

„Anders gesagt: Nach allen - rechtskräftig wirksamen - Regeln des Äquivalententausches findet auf der saftigen Wiese auch (!) der recht merkwürdige Tausch zwischen Geldbesitzern und den Besitzern der Ware Arbeitskraft statt. Geld wird nämlich gegen das Vermögen, aus Geld mehr Geld zu machen, ein bestimmtes Quantum Geld gegen die Potenz, es zu vermehren, getauscht. Übrigens deswegen läßt Marx den Kapitalisten auch „bedeutungsvoll schmunzelnd und geschäftseifrig„ dem Arbeitskraftbesitzer in die Fabrik vorangehen. (S.191.) Daß so ein Tausch überhaupt zustande kommt und sich ein Leben lang wiederholt, liegt allein daran, daß der eine Privateigentümer „los und ledig, frei von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen„ (S.183) gemacht worden ist, und dafür gesorgt ist, daß er dies sein Leben lang bleibt.“

Huisken hat keinen Grund, einen Gegensatz zu Sandleben zu vermuten mit Bezug auf den „merkwürdigen Tausch“ zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten. Im Gegenteil macht er hier andeutungsweise genau das, was Sandleben fordert: Er schickt sich an, mit Marx die Ebene der einfachen Zirkulation in Richtung Gerberei zu verlassen. Er unterscheidet hier immerhin eine ganz spezifische Warensorte von allen anderen - und nimmt ausgerechnet sie, auf deren Deportation in die Fabrik er selbst auch noch ausdrücklich hinweist, zur Rechtfertigung der Umtriebe des GegenStandpunktes in der Zirkulationssphäre. Begreife das, wer kann. Ausgerechnet Verkauf und Kauf der Ware Arbeitskraft sollen beispielhaft sein für jeden Austausch von Ware und Geld und daher für das, was in der Zirkulationssphäre geschieht! Als wäre es nicht umgekehrt: Weil die Arbeitskraft wie jede andere Ware erscheint, macht sich die falsche Vorstellung breit, es handle sich auch hier um einen ganz gewöhnlichen Tausch - und der Arbeiter bekäme erstattet, was er liefert. Huisken ist die „Merkwürdigkeit“ dieser Transaktion aufgefallen, aber weil er den Tausch braucht zur Verteidigung des GegenStandpunktes, ist es kein Wunder, wenn er bei dieser Gelegenheit gleich wieder neue Verwirrung stiftet:

„Gerade über diesen Äquivalententausch reproduziert sich nämlich jene Sorte funktionaler Armut, die den Lohnarbeiter immer wieder nötigt, seine Arbeitskraft zu verkaufen“.

Was heißt hier Äquivalententausch? Der Witz der kapitalistischen Veranstaltung ist doch gerade der, daß dieser Äquivalententausch, der zwischen Kapital und Arbeit vorgeht, nur ein scheinbarer ist, denn der Arbeiter „gibt“ systematisch mehr, als er erhält. Vom Standpunkt der einfachen Warenzirkulation ist das jedoch überhaupt nicht zu sehen, denn wenn der Lohnarbeiter seine Ware liefert, dann befindet er sich nicht mehr in der Zirkulationssphäre. Und der Lohnarbeiter liefert etwas grundsätzlich anderes, als der Kapitalist bezahlt, worüber ihn allerdings die Form der Bezahlung seiner Ware, der Lohn für Arbeit, entscheidend täuscht. Der Kapitalist bezahlt den Wert der Ware Arbeitskraft, während der Arbeiter ihm die produktive Äußerung der Arbeitskraft liefert, also Arbeit. Der Kontrakt zwischen beiden ist lediglich der einleitende Akt, der überhaupt nur deshalb stattfindet, weil in dem Gesamtakt für den Kapitalisten ein Überäquivalent herausspringt. Die Transaktion ist mit Kauf und Verkauf der Ware Arbeitskraft nicht beendet; wenn sie aber beendet ist, dann hat der Lohnarbeiter mehr Arbeit in lebendiger Form geliefert, als er in toter Form erhalten hat. Läge hier wirklich Äquivalententausch vor, so gäbe es keine kapitalistische Produktionsweise und wir hätten solchen Zank nicht miteinander. Während Huisken zuvor nach Kräften den Äquivalententausch „übersehen“ wollte, entdeckt er ihn partout dort, wo es sich um eine Epoche machende Täuschung handelt. Denn mehr als „über diesen Äquivalententausch“ zwischen Kapital und Arbeit reproduziert sich der kapitalistische Zirkus über die Einbildung, es handle sich um einen solchen. Hätten die Leute eine Vorstellung davon, wie sie Tag für Tag ausgenommen werden, wie könnten sie das mitmachen? Der Hinweis auf ihre Geldabhängigkeit ist alles andere als ein Beitrag zur Erledigung dieser Einbildung:

„Und dies ist denn auch seine Freiheit: Dazu zwingt ihn wirklich niemand, kein Feudalherr, kein Sklavenaufseher, keine Arbeitspolizei. Nicht persönliche, sondern allein sachliche, eben Geld-Abhängigkeit nötigt ihm diesen, seinen eigenen Entschluß auf, sich Arbeit zu suchen. In der Tat spielt sich das alles ab auf einer saftigen Wiese - fürs Kapital.“

Man könnte natürlich auch sagen, daß diese Geldabhängigkeit nur der oberflächlichste Ausdruck der ganzen Veranstaltung ist, die alle wirkliche Abhängigkeit des einen vom anderen verdunkelt und mystifiziert. Vom Geld hängen unter den Bedingungen der Warenproduktion alle Figuren ab. Unter diesem Gesichtspunkt sind Plünderer und Geplünderte von derselben Sorte. Über den Tatbestand der Geldabhängigkeit gibt es daher auch nirgendwo zwei Meinungen. Der Zank beginnt bei der Frage, wie sie vom Geld abhängen. Und wer diese Frage beantworten will, der muß sich offensichtlich in jenen Provinzen umtun, in denen sich nicht nur Käufer und Verkäufer tummeln. Es ergibt sich daraus die ganz selbstverständliche Forderung, die Zirkulationssphäre zu verlassen. Wird aber eine solche Forderung an den GegenStandpunkt gestellt, dann kommt das einer grauenhaften Ketzerverblendung gleich, die ausgemerzt gehört. Anders kann man Huiskens Anstrengungen nicht erklären: Entweder GegenStandpunkt oder gar keinen Gedanken!


Anmerkungen

(1) Es ist übrigens interessant, daß Marx sich genötigt sah, genau diesen Sachverhalt gegen Prof. Wagner in seinen „Randglossen“ hervorzuheben:

„Ich habe bei der Analyse der Warenzirkulation dargestellt, daß beim entwickelten Tauschhandel die Austauschenden sich stillschweigend als gleiche Personen und Eigentümer der resp. von ihnen austauschenden Güter anerkennen; sie tun dies schon während sie einander ihre Güter anbieten und Handels miteinander einig werden. Dies erst durch und im Austausch selbst entspringende faktische Verhältnis erhält später rechtliche Form im Vertrag etc.; aber diese Form schafft weder ihren Inhalt, den Austausch, noch die in ihr vorhandene Beziehung der Personen untereinander, sondern vice versa. Dagegen Wagner: ´Diese Erwerbung´ (der Güter durch den Verkehr) ´setzt notwendig eine bestimmte Rechtsordnung voraus, auf Grund deren sich´ (!) ´sich der Verkehr vollzieht´ etc. „(MEW19/377f, Randglossen zu Wagner).

(2) In einem Brief an Engels spottet Marx in ähnlicher Weise wie im „Kapital“ darüber, wie die Ideologiefabrikanten alles „scheene“ ihres Gegenstandes der Oberfläche entnehmen:

„Diese einfache Zirkulation für sich betrachtet, und sie ist die Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft, worin die tiefern Operationen, aus denen sie hervorgeht, ausgelöscht sind, zeigt keinen Unterschied zwischen den Subjekten des Austauschs, außer nur formelle und verschwindene. Es ist dies das Reich der Freiheit, Gleichheit und des auf der „Arbeit“ gegründeten Eigentums. Die Akkumulation, wie sie hier unter der Form des hoarding erscheint, ist nur die größre Sparsamkeit etc. Abgeschmacktheit nun einerseits der ökonomischen Harmoniker, modernen Freetrader (Bastiat, Carey etc.), gegen die entwickeltern Produktionsverhältnisse und ihre Antagonismen dieses oberflächlichste und abstrakteste als ihre Wahrheit geltend zu machen...“ (MEW 29, 317f, Marx an Engels, 2.4.58).



Autor: David Tiger
zuerst erschienen in: Kalaschnikow - Das Politmagazin
Ausgabe 15, Heft 2/00

Horst Schulz

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