http://ascetonym.blogsport.de/textsammlung/dienst-am-kapitalismus/ Dienst am Kapitalismus « ascetonym

[Aus: Junge Welt vom 11. Februar 2005, S. 10]

Peter Decker

Dienst am Kapitalismus
Epochenumbruch 1989, Rückwende in der DDR vor 15 Jahren (XI). Was von der »welthistorischen Wende« des Herbstes 1989 bleibt: Die falsche Lehre vom Scheitern des Sozialismus

Die Lektion sitzt und erstickt auch 15 Jahre später noch jede Kritik am Kapitalismus, nicht nur im Westen, wo diese Kritik immer einen schweren Stand hatte, sondern auch im einst sozialistischen Osten – dort eigentlich noch mehr. Die DDR-Kommunisten hatten es nämlich allen Ernstes für ein Argument – und sogar für das allerbeste – gehalten, das sie zugunsten ihres Aufbaus anführen konnten, daß ihr Sozialismus tatsächlich geht und wirklich ist. Ihrem System gaben sie den unsäglichen Ehrennamen »real existierender Sozialismus«; damit stellten sie propagandistisch heraus, nicht etwa was für eine neue Wirtschaftsweise sie da eingerichtet hatten, sondern daß diese existiert und das glatt real, also wohl so etwas wie einen Realitäts-Verträglichkeits-Test bestanden habe muß. Seit 1989 existiert ihr Sozialismus nicht mehr real; das blöde Lob der Realitätstauglichkeit kehrt sich seither um: Sozialismus geht nicht; Kapitalismuskritik ist unrealistisch.

»Befriedigung der Bedürfnisse«

Da wird eine ziemlich vernichtende Lehre gezogen. Denn das in Ost und West geteilte Urteil, daß der Sozialismus gescheitert sei, hält dem verblichenen System ohne Einschränkung zugute, Sozialismus gewesen zu sein. Da soll es also nicht nur in Deutschland, sondern auf einem kompletten Drittel der Erde einmal ein System gegeben haben, das den Arbeiter nicht ausbeuten und nicht per Drohung mit Arbeitslosigkeit zu einer Leistung zwingen wollte, die nicht ihm, sondern dem Eigentümer der Produktionsmittel nützt; ein System, das die Erpressungsmacht des Privateigentums verschmäht und abgeschafft hat, weil es den Lebensunterhalt der breiten Massen nicht dem Profit unterordnen, sondern die »immer bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Werktätigen« zum Ziel des Wirtschaftens machen wollte.

Und diese ebenso humane wie vernünftige Zielsetzung soll gescheitert sein – an nichts weniger als an der Realität selbst: Es soll nur ein schöner Traum gewesen sein, eine Überschätzung der Vernunft zu glauben, die Menschen könnten sich von den Zwängen und der Armut des Kapitalismus befreien; sie könnten die notwendige Arbeit unter sich aufteilen und sie ohne das Kommando eines Fabrikherren zweckmäßig erledigen. Diese »Einsicht« in das »Scheitern des Sozialismus« enthält ein ebenso vernichtendes wie paradoxes Urteil des Arbeiters über sich selbst: Ohne die Drohung mit dem Verlust des Jobs und ohne die Chance, ein paar Cent mehr als der Nebenmann verdienen zu können, bringt das dumme Arbeitsvieh keine Leistung. Nur wenn es nicht für sich, sondern für den Profit des Kapitals arbeitet, arbeitet es überhaupt; nur wenn es nicht um Freizeit und Lebensstandard des Kostenfaktors Arbeit geht, kommt Wohlstand heraus – sogar für ihn.

Die Wende von ’89 wird gehandelt wie der endgültige, von der Geschichte höchstselbst erbrachte Beweis für das alte Lernziel des Sozialkundeunterrichts: Die kapitalistische Ausbeutung entspricht haargenau dem Menschen in seiner Schlechtigkeit und Unvernunft. Sie ist alternativlos! Das ist eine viel radikalere Rechtfertigung, als es der vormalige Systemvergleich je war, bei dem die DDR den größeren Hubraum westlicher Autos und ähnliches vorgerechnet bekam und die Buntheit der kapitalistischen Werbewelt gegen das »Grau« des Sozialismus sprechen sollte.

Heute empfiehlt sich das siegreiche Wirtschaftssystem der abhängigen Menschheit nicht mehr über absurde oder wirkliche, in jeden Fall sehr relative Vorzüge; heute bekennen sich seine Verfechter offen zu Härten und Schattenseiten ihrer »Leistungsgesellschaft«, zum erforderlichen Einsatz der Ellenbogen im Lebenskampf und zu den menschlichen Opfern, die der mit Notwendigkeit produziert. Seine Fürsprecher verlassen sich darauf, daß der Kapitalismus so sehr als alternativlose Lebensform anerkannt wird, daß er, auch ohne daß irgend etwas für ihn spricht, über Zweifel und Rechtfertigungen erhaben ist. Deshalb können nicht einmal mehr offensichtliche Errungenschaften des untergegangenen Systems wie die Sicherheit der sozialen Existenz und die streßfreie Arbeit noch eine Lanze für es brechen; Errungenschaften, die im Lichte von Massenarbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen, wachsender Armut und »Hartz IV« in der besten aller Welten eigentlich um so heller strahlen müßten. Der Sozialismus, so die reaktionäre Lehre aus dem Wendejahr, mag ja gut gemeint gewesen sein, aber er hat eben nicht funktioniert – und zwar wegen seiner sozialen Ziele. Für diese tiefe Einsicht muß, ja darf man das politökonomische System des realen Sozialismus ebensowenig studiert haben wie die Geschichte seines Endes.

Kein Scheitern

Der »reale Sozialismus« ist nämlich überhaupt nicht gescheitert; erstens nicht an der überlegenen Konkurrenzfähigkeit des kapitalistischen Warenangebots. Auf den Weltmarkt des Kapitals war der Ostblock, der alle Bodenschätze und Klimate in seinem eigenen Bereich vorfand, nicht angewiesen, und von dem internationalen Kampf ums Geld mittels kostengünstig hergestellter Ware hatte man sich durch einen »Eisernen Vorhang« ganz absichtlich weitgehend abgeschottet. Daß sie nicht so billig anbieten konnten wie westliche Ausbeuter, mußte die sozialistischen Staaten nicht beeindrucken.

Gescheitert sind sie zweitens nicht an den Waffen ihrer Feinde. Vor dem zweifellos vorhandenen, vom damaligen US-Präsident Reagan offen erklärten Ziel, das antikapitalistische »Reich des Bösen« totzurüsten, brauchte die Sowjetunion mitsamt ihren Bündnispartnern nicht zu kapitulieren. Ihre Fähigkeit zum atomaren Weltkrieg hat den Waffengebrauch für die NATO zu einer unkalkulierbaren Sache gemacht und direkte Angriffe auf den Warschauer Pakt wirksam verhindert.

Nicht gescheitert ist das andere System drittens an Unzufriedenheit und Widerstand seiner Bürger. Die Völker der Sowjetunion haben von ihrer Partei weder die Entlassung in gegeneinander feindselige Unternationen noch die Einführung der Marktwirtschaft verlangt – und »Brudervölker« in Osteuropa auch nicht, sieht man einmal vom antirussischen Nationalismus der katholischen Polen ab. Die meisten hielten es wie die Bürger der DDR. Sie demonstrierten erst für »Wende« und »Freiheit«, als ihr Block schon zerfallen und ihre Staaten – ohne ökonomische Perspektive und ohne den Schutz durch die Vormacht – ohnehin am Ende und dem Westen ausgeliefert waren. Gorbatschow war 1989 eben längst bereit, den Warschauer Pakt und die Arbeitsteilung im sozialistischen Lager (RGW) einem Ausgleich mit der NATO zu opfern.

Schon gleich nicht gescheitert ist der »Realsozialismus« deshalb an der albernen Abstraktion »Realität«, wie seine triumphierenden Feinde und übergelaufenen Anhänger heute meinen. An der Realität als solcher scheitert so leicht nichts; mit der nötigen Staatsgewalt im Rücken läßt sich der größte Blödsinn aufrechterhalten; das erlebt man im freien Westen ja zur Genüge. Auch das andere System, in dem anders gewirtschaftet wurde, war »möglich« und in seinem Sinne »effizient«; für den Geschmack seiner Feinde über 70 Jahre sogar viel zu effizient: Es hat der Rückeroberung seines Terrains für die Freiheit des Kapitals viel zuviel Widerstand entgegengesetzt, es hat zuviel Reichtum – in Form modernster Weltraumtechnologie und wirksamer Waffen – hervorgebracht, und es hat seine Bevölkerung viel zu zuverlässig hinter sich gehabt.

Kein Sozialismus

Zerstört wurde das östliche Wirtschafts- und Staatssystem einzig und allein von seinen Machern – den kommunistischen Parteien des Ostblocks, allen voran der KPdSU. Unter Gorbatschow hat sie es in nur fünf Jahren geschafft, ihre Wirtschaftsweise kaputtzureformieren, zu untergraben und schließlich offiziell wegzuwerfen. Mit ihrer Selbstaufgabe offenbarten diese Kommunisten letztmalig den Leitgedanken ihrer Kapitalismuskritik und den Zweck ihrer Revolution, den sie durchaus erfolgreich in die Realität umgesetzt hatten: Sie wollten eine überlegene Alternative zum Kapitalismus aufziehen, die an allen Leistungsmaßstäben kapitalistischer Nationen besser abschneiden würde als das Original.

Ausbeutung und Armut im Kapitalismus wollten sie abschaffen, aber eben nicht nur wegen des schlechten und kurzen Lebens, das damit für Proletarier beschlossen war, sondern immer auch wegen einer vermuteten ökonomischen Ineffizienz, die sie auf die ungerechte Behandlung der Lohnarbeiter und ihren gerechten Widerstand dagegen zurückführten. Lenin und seine Nachfolger haben das Kapital abgeschafft, aber die korrespondierende Figur des Lohnarbeiters, der gegen ein Entgelt Reichtum für andere schafft, wollten sie nicht abschaffen. Ausgerechnet diese trostlose politökonomische Figur wollten sie zufriedenstellen.

Die Macht, die sie revolutionär erkämpft hatten, nutzten sie, um eine Gesellschaft zu bauen, die Nöte überwinden sollte, unter denen nur Lohnarbeiter im Kapitalismus leiden. Man sorgte für gerechte Entlohnung, Vollbeschäftigung, Kündigungsverbot, für Schulen, Wohnungen und medizinische Versorgung, nicht nur, damit es den befreiten Proletariern besser geht, sondern ebenso, um die vielbesungene »Schöpferkraft der werktätigen Arbeit« zu steigern. Glückliche, verantwortliche und mitdenkende Werktätige, die einen gerechten Lohn bekommen, würden ihrem proletarischen Vaterland viel mehr Reichtum schaffen als schlecht bezahlte, desinteressierte und widersetzliche Kapitalistenknechte. Ebenso wie die Arbeitsverluste, die der Klassenkampf verursacht, wollten die Konstrukteure des östlichen Wirtschaftssystems ihrem nationalen Aufbau die unnütze Last des Luxuskonsums der Reichen ersparen; und wenn ihre Planwirtschaft dann auch noch die Anarchie des Marktes sowie das krisenhafte Auf und Ab der Konjunktur überwinden würde, dann müßte – so die Erwartung – das Wachstum des Bruttosozialprodukts, die Akkumulation produktiver Potenzen und der Anstieg der Arbeitsproduktivität doch um einiges schneller vorankommen als im überlebten, stagnierenden, »verfaulenden« Kapitalismus.

Von einer Kritik der absurden kapitalistischen Erfolgsmaßstäbe hielten sie nichts: Wachstum – das endlose, auf keinerlei Bedürfnis bezogene Immer-Mehr eines in Geld gemessenen Produktionsoutputs – war auch ihre Sache; jahrzehntelang wollten sie den Kapitalismus auf seinem Feld schlagen, ihn erst »ein-, dann überholen«. Als sie sich eines Tages dann aber davon überzeugt hatten, daß ihnen das auf ihre Weise nicht gelingen würde, haben sie alles Interesse am Sozialistischen ihres Wirtschaftens verloren.

Spätestens in ihrer Selbstkritik haben die Realsozialisten die Doppeldeutigkeit ihrer Revolution aufgelöst und sich eindeutig entschieden: Der gesicherte, versorgte, gerecht entlohnte Arbeiter war nicht Zweck ihres Systems, sondern das Mittel, um ihrem Staat mehr Reichtum zu schaffen und mehr Machtmittel zur Verfügung zu stellen, als es das ancien regime im Westen vermag. Seitdem sie daran nicht mehr glaubten, betrachteten sie ihr Wachstum als »Stagnation« und machten eine Anleihe beim Kapitalismus nach der anderen, um effektive Hebel der Erpressung und des Zwangs zu einer Leistung zu installieren, von der die Arbeitenden offenbar nichts hatten. Was immer ihr System den Werktätigen an Konkurrenz und Lebenskampf erspart hatte, interessierte nur noch in einer Hinsicht: Das eben hatte die »Effizienz« verhindert, auf die es ihnen ankam. Gorbatschow, die KPdSU und in ihrem Gefolge die Bruderparteien in Osteuropa beschlossen, den Kapitalismus erst zu kopieren, dann unumwunden einzuführen, weil der einfach mehr Reichtum für den Staat aus seinem Menschenmaterial herauszuholen versteht. Das Entscheidende, was ihnen in ihrer östlichen Planwirtschaft nicht gut genug »funktioniert« hat, war die Ausbeutung der Werktätigen zugunsten des sozialistischen Staates.

Das Erbe: Geschichtsmetaphysik

Die Botschaft vom Scheitern des Sozialismus ist kein bösartiger Nachruf seiner Feinde, sondern die Deutung, die seine gewendeten Macher ihrem Gesinnungswandel geben. Die Parteien des »Realsozialismus« haben ja nicht nur ihren Abgang, sondern auch schon ihre Revolution sowie ihre ganze 70jährige Existenz als etwas Höheres, geschichtlich Notwendiges verstanden und inszeniert. Nie hätten sie zugegeben, daß ihr Umsturz nichts war als die Tat von Revolutionären, die ihn nötig fanden, und ebensowenig würden sie zugeben, daß das Ende keinen anderen Grund hatte als eine Meinungsänderung in der Partei- und Staatsführung über die beste Weise, ihre Staatsmacht zu stärken.

Die Kommunisten des 20. Jahrhunderts strebten von Anfang an danach, ihre revolutionären Absichten nicht nur gegenüber ihren proletarischen Adressaten, sondern gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft als ganzer damit zu rechtfertigen, daß sie nur die Vollstrecker eines von der Geschichte ohnehin auf die Tagesordnung gesetzten Prozesses seien. Notwendig sollte ihre Revolution sein, nicht aber im Sinn einer praktischen Notwendigkeit – eben um die Not zu wenden, die ihre Leute drückte –, sondern im Sinn einer höheren historischen Notwendigkeit, der die Kommunisten nur dienen wollten. Den Arbeitern schrieben sie ein Recht, ja eine historische Pflicht zu, den Kapitalismus zu stürzen, weil der ohnehin überlebt, veraltet, dem Stand der Produktivkräfte nicht mehr angemessen sei und als materielle Grundlage der ganzen Gesellschaft immer mehr versagen müsse. Den Proletariern, die sie zum Aufstand aufriefen, empfahlen sie – ausgerechnet! – einen klugen Opportunismus gegenüber dem ohnehin unaufhaltsamen historischen Trend zum Sozialismus, den in Wahrheit nur die Tat der Revolutionäre in die Welt setzte.

An die Macht gelangt, verstanden sie das, was sie einrichteten und trieben, als den gerechten Schauprozeß, den die Geschichte dem verfaulenden Kapitalismus macht. Der sozialistische Aufbau sollte den Beweis für die Unzeitgemäßheit der alten Ordnung liefern und war als ein einziger Systemvergleich angelegt, ein immerwährender Wettbewerb um die produktivere, erfolgreichere, mächtigere Art, Staat zu machen.

Und als sie in diesem Wettbewerb nicht mehr auf Sieg setzen mochten, verstanden sie das nicht als eine Änderung ihres Willens, sondern eben auch als einen Richterspruch der Geschichte: Die Fäulnis und Zusammenbruchsperspektive, die sie dem Kapitalismus nachgesagt hatten, attestierten sie nun ihrem sozialistischen »Experiment«: Jetzt war ihre Produktionsweise den Produktivkräften nicht angemessen; die ganze Epoche ohne Kapitalisten war ein historischer Irrtum, ein viel zu früh gekommener Frühsozialismus.

Den gewendeten Werktätigen und heutigen Arbeitslosen empfehlen die vornehmsten Vertreter der marxistisch-leninistischen Wissenschaft, sich noch ein paar Jahrhunderte zu gedulden, bis die Produktivkräfte endlich von selbst nach dem Sozialismus rufen, der Kapitalismus endgültig seinem Zusammenbruch entgegenreift und die Revolution keine Frühgeburt mehr ist, sondern eine unabweisbare Forderung der Zeit. Bis auf weiteres jedenfalls steht Systemkritik nicht auf der Tagesordnung, die sich die Erben Honeckers von Frau Geschichte schreiben lassen.

So überlebt vom realen Sozialismus nichts als seine im Kern reaktionäre Geschichtsmetaphysik. Dieser, nicht ihren antikapitalistischen Zielen, halten frühere Parteikommunisten die Treue: Mit ihrer tiefen Einsicht, daß die Menschen nichts anderes für sich tun können und sollen, als sich auf die Seite des geschichtlichen Trends zu schlagen, d. h. sich der überlegenen, produktiveren, zukunftsfähigeren Macht anzupassen, leisten sie einen letzten Dienst an dem Ausbeutungssystem, das sie einmal bekämpft hatten. Sie machen sich zum Zeugen dafür, daß der Versuch, den Kapitalismus abzuschaffen, ein Fehler war.

»Kapitalismuskritik ist witzlos!«

Heute geben sich viele, die sich recht und schlecht mit den kapitalistischen Verhältnissen arrangieren und dabei nicht von systemkritischen Argumenten gestört werden wollen, nicht als begeisterte Anhänger einer tollen Wirtschaftsweise, die ihnen wachsenden Wohlstand garantiert. Wie sollten sie auch? Lieber präsentiert man sich als kluger Opportunist gegenüber dem Unvermeidlichen und zeigt sich vom Lauf der Geschichte belehrt: »Man hat’s ja gesehen, Sozialismus funktioniert nicht! Kapitalismuskritik ist witzlos!« – ganz unabhängig davon, ob sie stimmt. Für diesen Willen können die abgedankten Realsozialisten natürlich nichts. Westbürger sind ja nicht zu Anhängern des realen Sozialismus geworden, bloß weil er real war; sie sind auch nicht zu Antikommunisten geworden, weil er nicht mehr real ist. Und für brave Ostbürger, die oft genug Sozialisten nur waren, weil der regierende Sozialismus real war, hat es nicht viele falsche Argumente gebraucht, um sie von irgendeinem Antikapitalismus abzubringen. Daß die Phrase vom Scheitern des Sozialismus heute so sehr recht bekommt, liegt also nicht an den aussterbenden Realsozialisten; daß sich der verbreitete Unwille zur Kapitalismuskritik auf die marxistisch-leninistischen Geschichtsphilosophie berufen kann – das geht schon auf deren Konto.

* Wer sich auch 15 Jahre nach dem Ende des realen Sozialismus noch für eine Kritik seiner Politik und politischen Ökonomie interessiert, wird in folgenden Büchern fündig:

Karl Held: »Das Lebenswerk des M. Gorbatschow: Von der Reform des ›Realen Sozialismus‹ zur Zerstörung der Sowjetunion«, München: GegenStandpunkt-Verlag 1992, ISBN: 3-929211-00-9

Peter Decker, Karl Held: »DDR kaputt – Deutschland ganz. Eine Abrechnung mit dem ›Realen Sozialismus‹ und dem Imperialismus deutscher Nation«, GegenStandpunkt-Verlag, München 1989, ISBN 3-929211-06-8

Dieselben: »DDR kaputt – Deutschland ganz 2. Der Anschluß. Eine Abrechnung mit der neuen Nation und ihrem Nationalismus«, München: GegenStandpunkt-Verlag 1990, ISBN: 3-929211-07-6. Die Bücher können per Internet bestellt werden: www.gegenstandpunkt.com