Opium fürs Volk
30 05 2007Ingo Ways Hinweis, dass die Kommunisten nicht für Freiheit und Menschenrechte vor der chinesischen Botschaft demonstrieren, sondern lediglich dafür, dass Menschensrechtsverletzungen und Morde nicht dem Kommunismus sondern dem Staatskapitalismus dienen, hat für einige Erschütterungen gesorgt. Vor allem hat sie – ebenso wie Michael Holmes richtige Darstellung bei den Freunden von Achgut – die verbliebenen Hardcore-Kommos aus der Reserve gelockt. Und das hat sich gelohnt.
Wer die eingehenden Links etwa von „das geprüfte Argument“ liest, kann nur dankbar sein, dass diese Provokation gewirkt hat. Denn die Kampfblogger reissen dem Marxismus mit menschlichem Antlitz die Tarnmaske vom Gesicht. Und was heraus kommt, ist die hässliche Fratze von Gewalt, Diktatur und Unfreiheit. Denn die gleichen Verbrechen, die die Chinesen begehen, gingen aus der Sicht der NeoKomms in Ordnung, wenn sie im Namen Marx´ verbrochen würden, s.a. Darmstädter Neodekonstruktivismus.
Sie verneinen die Berechtigung des Gewaltmonopols eines freiheitsverpflichtenden (Paul Kirchhof: Das Gesetz der Hydra) Rechtsstaats und beanspruchen das gleiche Recht auf Gewalt für die Durchsetzung der eigenen politischen Ansicht. Sie erkennen die Legitimation staatlicher Gewalt aufgrund von Recht und demokratischer Entscheidungsfindnung nicht an. Wie die RAF nehmen sie für sich das Recht auf Gewalt in Anspruch, um die herrschende Klasse von der Macht zu verdrängen.
Sie haben (wie Michael Holmes) Recht, wenn sie feststellen, dass der Kommunismus auf dieser Welt noch nie ausprobiert werden. In seinem Namen wurde bisher bestenfalls gemordet, unterdrückt, bespitzelt und eingesperrt. Aber seine Bewährungsprobe wird er nicht auf Erden erleben.
Kommunismus ist eine Utopie. Aus der Sicht seiner Jünger das Paradies auf Erden. Wie alle Religionen ist er widersprüchlich aber seine Jünger und Gläubigen sind immun gegen die Anfechtungen der Realität. Aber empfänglich für die Versuchung, im Namen der vermeintlich guten Sache Gewalt zu begehen und anderen das Recht abzusprechen, ihren Lebensentwurf, sei er marktwirtschaftlich oder jüdisch, kapitalistisch oder muslimisch, frei oder in Selbstbeschrämkung zu leben.
Es gäbe genug Flecken auf der Erde, auf denen die selbsternannten Heilsbringer ihre Utopie freiwillig und gemeinsam vorleben könnten. Sie tun dies nicht, weil sie scheitern würden.
Ein Geschwür geht um in Europa. Es ist das Geschwür des Marxismus, der im Westen das Denken der Kulturlinken und im Osten eine ganze Gesellschaft gedanklich geprägt hat. Wir verwenden für das Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft synonym den marxistischen Begriff „Kapitalismus“, der eine Entwicklungsstufe beschreibt, in der das Kapital die Arbeit zu unrecht ausbeutet. Wir übernehmen den falschen Vergleich der Heuschrecke als stehenden Begriff in unseren Sprachgebrauch, nur weil der seinerzeitige SPD-Vorsitzende in seinem vorletzten sicher verloren geglaubten Gefecht zu Unrecht damit Kapitalgesellschaften bezeichnet, deren Gewinn im wesentlichen den Renten- und Pensionsansprüchen US-amerikanischer Arbeitnehmer dient. Und die in Deutschland Kapital investieren und Firmen auf Vordermann bringen. Schwarze Schafe gibt es überall.
Die neue kommunistische Internationale „Attac“ predigt derweil Marxismus light und unterscheidet wie weiland Good old Adolf in gutes „Real-„ und schlechtes “Finanzkapital”. Statt Enteignung reden wir von demokratischer Kontrolle und meinen doch, was Marx sich ausgedacht hatte. Den NeoKommschen Kampfbloggern sei Dank, dass wir wieder einmal lernen: Ein bischen Marxismus, ein bisschen Diktatur des Proletariats geht nicht. Das ist wie mit dem Schwanger sein. Ganz oder ar nicht. Kommunismus und Diktatur sind siamesische Zwillinge. Das Paradies auf Erden bleibt eine Illusion zur Rechtfertigung der Potentaten oder wie Marx zu anderen Religionen bemerkt hat: Opium fürs Volk.
Diese Gegenstandpunktler sind wenigstens ehrlich. Die sagen immerhin klipp und klar, daß sie nicht nur die Demokratie, sondern die Freiheit schlechthin abschaffen wollen. Nicht, daß sie das irgendwie adelt. Ein Schurke, der “wenigstens ehrlich” ist, bleibt trotzdem ein Schurke.
@ Ingo: Der GSP will die Freiheit abschaffen, um Freiheit von Herrschaft zu erkämpfen:
http://doku.argudiss.de/?Kategorie=RuD#124
Aber warum erzähle ich das überhaupt. An inhaltlicher Auseinandersetzung seit Ihr ja gar nicht interessiert, sonst würdet Ihr nicht Realsozialismus, Attac, Müntefering und die Nazis mit ihren Kritikern vom GSP in eins setzen. Dann noch viel Spaß mit dem “Kapitalismus als Religion”!
Wer die eingehenden Links verfolgt, reibt sich verwundert die Augen, wer alles bei uns “Gegnerbeobachtung” betreibt. Nett, wie die gezielte Provokation die erwarteten Reaktionen hervorruft. Und die Denke der Provozierten offenbart.
Das Geschwür ist wohl zu gross, als dass es noch operabel wäre. Da brauchte es schon die veritable chemische Keule. Der lberale Rechtsstaat nimmt keinem NeoKomm das Recht, seiner Ideologie nachzuhängen, so lange der niemand anders zwangsweise beglücken will. Und das ist der Unterschied zur kommunistisch motivierten Diktatur. Da werden gleich die Sendemasten der Andersdenkenden abgeschaltet. Kleiner, aber entscheidender Unterschied.
Der GSP will die Freiheit abschaffen, um Freiheit von Herrschaft zu erkämpfen
Klingt nach ‘nem guten Plan. :-))
Bitte noch mehr solcher Zitate!
“Sie erkennen die Legitimation staatlicher Gewalt aufgrund von Recht und demokratischer Entscheidungsfindnung nicht an. ”
Wenn Sie damit damit meinen, dass die betreffenden Blogger nicht schon deshalb ein Gewaltmonopol (dessen Gewalt Sie damit auch gleich wieder durchgestrichen haben wollen, weil DIE ja in Ordnung geht) abfeiern, weil es ein Recht setzt und weil es die Beherrschten regelmäßig über die die Besetzung der Herrschaftsfunktionen abstimmen lässt, dann stimmt Ihr Satz zunächst einmal als pure Feststellung. Etwas lächerlich ist hingegen, dass Sie so tun, als hätten Sie damit ein Argument zur Sache gesagt. Denn weder haben Sie damit auch nur einen der Gründe, warum diese Blogger gegen den bürgerlichen Staat, gegen das Recht und gegen Demokratie sind, widerlegt, noch einen Grund gesagt, was denn nun für bürgerlichen Staat, Recht und Demokratie spricht. Aber wenn Sie sich nur immer wieder ihr Unwerturteil über diese Leute bestätigen wollen, statt Inhalte zu klären …
[…] aber seine Jünger und Gläubigen sind immun gegen die Anfechtungen der Realität. Aber empfänglich für die Versuchung, im Namen der vermeintlich guten Sache Gewalt zu begehen und anderen das Recht abzusprechen, ihren Lebensentwurf, sei er marktwirtschaftlich oder jüdisch, kapitalistisch oder muslimisch, frei oder in Selbstbeschrämkung zu leben.
Und der Kapitalismus hindert Kommunisten daran, im Kommunismus zu leben. So what? Die Herrschaft des Privateigentums und eine nach Maßgabe menschlicher Bedürfnisse organisierte Gesellschaft schließen einander eben wechselseitig aus. Da stehen zwei unvereinbare Zwecke geneinander. Und zwischen unvereinbaren Zwecken kann nur Gewalt entscheiden.
Übrigens hält der Kapitalismus auch keinen nicht-kpaitalistischen Erdzipfel aus. Gegen die UDSSR hat der freie Westen mit der ja ein veritables Kriegsbündnis, Atomkriegsdrohung inklusive, organisiert. Ein “Gleichgewicht des Schreckens” hat ihm abei auch nicht gereicht. Mit dem SDI sollte der Atomkrieg ja gerade führbar gemacht werden, um damit (bzw. seiner glaubhaften Androhung) den Osten in die Knie zu zwingen. Und jetzt erzählt hier nicht, das wäre im Interesse der geknechteten Massen im Ostblock geschehen. Es wäre doch etwas absurd, denen erstmal ein paar Wasserstoffbomben auf die Köpfe zu hauen, um die Überlebenden damit zu befreien. Obwohl - bei näherer Betrachtung vieleicht gar nicht so absurd. In - allerdings deutlich kleinerem Maßstab - läuft das ja im Irak und in Afghanistan. Da könnte einem ja mal auffallen, daß Freiheit vielleicht keine so angenehme Sache ist, wenn für sie erstmal reihenweise Menschen umgebracht werden müssen.
@ Ingo: Okay, ich erklär‘s Dir:
1. „Freiheit“ ist immer eine Erlaubnis.
2. Wo es Freiheit gibt, braucht es also Herrschaft.
3. Herrschaft schadet den Leuten, deswegen muss sie weg.
4. Und deswegen muss auch die Freiheit weg.
Anarchisten idealisieren „Freiheit“ immer als Freiheit von Herrschaft, ohne Punkt 1 zu berücksichtigen, widersprechen sich also selbst. Die verlinkten Vorträge erklären übrigens auch, warum Freiheit, Gleichheit und Solidarität – nicht zuletzt von Liberalen – immer so idealisiert werden: Die mit der Durchsetzung von Freiheit und Gleichheit erfolgte Freisetzung der Konkurrenz um privaten Reichtum wird vom Staatsbürger immerzu als sein ganz persönliches Lebensmittel interpretiert. Die unausbleibliche Enttäuschung beantwortet er mit Appellen an die Staatsgewalt, gefälligst auf die Regeln der Konkurrenz (= Freiheit & Gleichheit) zu achten. Dabei könnte ihm (und Dir) durchaus auffallen, dass Freiheit und Gleichheit in seiner Gesellschaft längst verwirklicht sind – und trotzdem jede Menge Leute notwendig zu Schaden kommen, weil Chancengleichheit eben nur Chancen bietet, und Chancen bekanntlich keine Tore sind. Dass die Brüderlichkeit (modern: Solidarität) als dritte bürgerliche Tugend nie so recht aus der Mode kommt ist ein weiterer Hinweis darauf, dass das mit der „Güterverteilung“ durch den Markt nicht so hinhauen will, wie seine liberalen Apologeten es gerne hätten. Kurz gesagt: Die Ideale der bürgerlichen Gesellschaft stellen ihr kein gutes Zeugnis aus. Und vernünftige Marxisten haben wirklich Besseres zu tun, als ausgerechnet „Gleichheit“ zu fordern. Hör’ Dir die Vorträge an.
So, zum Ausgangsposting noch ein paar Links:
GSP zur RAF:
http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/85/85_9/terror.htm
GSP zu Attac:
http://www.gegenstandpunkt.com/gs/03/2/attac-x.htm
GSP zu Müntefering:
http://www.gs-marburg.de/texte/2005-04-27muentefering.htm
GSP zum Realsozialismus:
http://mpunkt.blogsport.de/images/KPdSUKritik.pdf
Und jetzt seid halt mal Erwachsene und antwortet der „Argumentprüfstelle“ zur Abwechslung mit – genau, Argumenten. Okay? Ich bin dann mal weg.
1. „Freiheit“ ist immer eine Erlaubnis.
2. Wo es Freiheit gibt, braucht es also Herrschaft.
3. Herrschaft schadet den Leuten, deswegen muss sie weg.
4. Und deswegen muss auch die Freiheit weg.
Mann, das wird ja immer besser. Auf Comedy mit Argumenten antworten? Ich lehne mich zurück und genieße.
Aber damit genug. Gegenstandpunktler sind wie Fußpilz. Wenn man ihn einmal hat … Deswegen gilt ab jetzt: Don’t feed the trolls.
Und ich habe auch keine Zeit mehr. Ich gehe jetzt nämlich mit Zeugen Jehovas diskutieren. Die sind überzeugender und weniger penetrant.
“Das Geschwür ist wohl zu gross, als dass es noch operabel wäre. Da brauchte es schon die veritable chemische Keule.”
Das klingt ja mal, nun ja, liberal eben. Pathologisiert es, dann geht es vielleicht weg.
Aber wo hast du noch mal die kritische Unterscheidung zwischen “schaffendem” und “raffendem” Kapital gelernt, Ingo?
Häh, war in meinen Äußerungen vom schaffenden und raffenden Kapital die Rede? Ich habe übrigens gegen beide nichts.
Die Geschwür-Metapher fand ich übrigens wirklich nicht sehr glücklich gewählt, aber immerhin war sie als Variation von Marxens Gespenst, welches umgeht, erkennbar.
Das Gespenst verbreitet - unsichtbar - Schrecken. Das Geschwür untermeniert die öffentliche Meinungsbildung, in dem es durch Begriffe, Vorurteile und unter Vorspiegelungen falscher Tatsachen die öffentliche Meinungsbildung unmerklich überwuchert. Ob in der Gestalt Geißlers oder bei der unreflektierten Verwendung des Begriffs “Kapitalismus”. Vielleicht nicht glücklich - aber treffend.
P.S.: Wenn es schon Kapital gibt, dann doch wenigstens gutes (schaffendes oder Real-) und schlechtes (raffendes oder FInanz-). Kapital rafft nicht. Es wird vermehrt. Kapital schafft auch nicht. Es trägt das Risiko und sucht die Chance.
@EE:
Ich nehme an, Du wolltest sagen, daß die Unterscheidung zwischen gutem “schaffenden” und schlechtem “raffenden” Kapital eben keinen Sinn hat.
manchmal klappts nicht mit der geschriebenen Ironie. Exakt
Genau, diese Unterscheidung ist ebenso falsch wie gefährlich. Und das hast du, darauf zielte die Frage, Ingo, sicherlich zum ersten Mal von wertkritischen Kommunisten gehört, oder nicht?
Und das ist jetzt besser, wenn das Geschwür auch noch alles überwuchert? Muß ich jetzt damit rechnen, daß ihr Tablette gegen mich nehmt?
Auch wenn ich mir jetzt die Chance der nächsten Polemik nehme: Die Chemotherapie für Kommunisten heisst dauerhafte Freiheit. Für die veröffentlichte Meinung müssen wir unsere Frohensdienste wirksam verbessern. Ein hartes Los.
@ classless:
“Wertkritische Kommunisten” neigen zur Selbstüberschätzung. Über die falsche Unterscheidung zwischen raffendem und schaffendem Kapital habe ich zum ersten Mal bei Leon Poliakov gelesen.