Wolfram Pfreundschuh (I)

Zur Einführung.
In den nächsten Tagen wird auf diesem Blog eine bemerkenswerte, heute noch (bzw. wieder) ebenso aktuelle wie grundsätzliche Kritik an den Roten Zellen/AK-Fraktion resp. der Marxistischen Gruppe dokumentiert.
Verfasser dieser Kritik ist Wolfram Pfreundschuh.
Die größten Kritiker der Elche waren bekanntlich früher selber welche, und so verrät die (selbstverfasste) Kurzbiographie Pfreundschuhs, dass er, über den Umweg des SPK, des Sozialistischen Patientenkollektivs, zu den Münchnern Roten Zellen gestoßen ist und auch den Sprung zur »Arbeitskonferenz-Fraktion« der RZ, das ist die MG-Vorläuferorganisation im eigentlichen Sinn, mitgemacht hat. Pfreundschuh studierte zu Beginn der 70er Jahre in München Psychologie, arbeitete im AK-dominierten AStA und an der von der AK-Fraktion geleisteten Bildungsarbeit »Sozialistisches Studium« mit. Zeitgleich war er in der anti-psychatrischen Bewegung tätig.
Mitte der 70er Jahre schied Pfreundschuh im Streit aus der AK-Fraktion aus. Diesen Streit resümiert er in drei umfangreichen Exkursen (verpackt in Fußnoten) seiner erschöpfenden Marx-Exegese »Der Reichtum der bürgerlichen Gesellschaft«, die 1979 als »Grundlagentext der Arbeitsgruppe Psychologie« erschien. Eben diese Exkurse werden demnächst hier dokumentiert.
Laut Pfreundschuh gab es in der AK-Fraktion resp. im Umfeld einen Streit zur, wie er es nennt, »Identitätsfrage der Intellektuellen«: »Folgen sie einem eigenem geistigen (oder kulturellen) Interesse, einem „Schmerz der Erkenntnis“, also einem Leiden, auch wenn es geistiger Natur ist, wenn sie sich gegen die bürgerliche Gesellschaft wenden oder folgen sie einem bloßen Aufklärungsinteresse an ihrer Falschheit, die sie politisch zu vermitteln haben (Kritik des falschen Bewusstseins als Kritik falscher Bedürfnisse an den herrschenden Verhältnissen, bloße Kritik des Warenfetischismus).« Pfreundschuh »hielt die Trennung von beidem selbst für falsch und hatte daher (…) mich von der damals bestehenden Marxrezeption, insbesondere ihrem Kultur- und Staatsverständnis abgewandt.«
Pfreundschuh ist der kommunistischen Kritik nicht verloren gegangen, er betreibt seit geraumer Zeit die liebenswert unübersichtliche und mit Texten nachgerade voll gestopfte Webpage www.kulturkritik.net, verfolgt dort das Großprojekt eines kulturkritischen Lexikons, mischt sich in Debatten ein, dokumentiert auch seine Radiosendungen auf Radio Lora. An dieser Stelle also eine ausdrückliche Empfehlung, diese Seite einmal aufzusuchen.
Mehr zu Pfreundschuh findet sich hier (runterscrollen und dann auf den Namen Pfreundschuh klicken).
Die Arbeit »Der Reichtum der Gesellschaft« ist hier nachzulesen. Allerdings kommt diese Version ohne Fußnoten daher! Eine Druckversion ist noch (?) nicht abrufbar. Man kann, wie der Autor dieses Blogs es vor Jahren getan hat, bei Pfreundschuh direkt ein PDF anfordern, da sind die Exkurse dabei. Ab und zu taucht ein Exemplar der Schrift in gut geführten Antiquariaten auf. Ihre Stoßrichtung dieser Schrift charakterisiert Pfreundschuh wie folgt:

»Ein wesentliches Missverständnis in der Marxrezeption liegt nach Auffassung des Autors in der Reduktion des Marxismus auf einen platten, d.h. nur formellen Ökonomismus, der sich weitgehend mit dem Erkenntnisinteresse der Strukturalismus deckt. Hier wird eine Diskussion über die ökonomischen Schriften von Karl Marx, am ersten Kapitel des Kapitals geführt, bei der die darin verarbeiteten Inhalte der Philosophiekritik der sogenannten Frühschriften hervorgehoben ist. Ohne diese wird ein marxistisches Verständnis der bürgerlichen Gesellschaft nicht vollständig sein. Es sind somit Aussagen entstanden, die nicht nur auf die Theorie des Marxismus überhaupt grundsätzlich eingehen, sondern vor allem eine vollständige Auffassung und Selbstverständigung über die Wesensnot des Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft darlegen. Die kulturkritischen Inhalte des Marxismus werden damit wieder zugänglich.«

So viel vorweg.