Anfangsseite
Öffentlicher Vortrag & Diskussion
Mittwoch, 3. November, 19:30 Uhr
in DORTMUND, Dietrich Keuning Haus
(Saal)
Leopoldstr. 50-58, Nähe Hbf, U-Bahn Leopoldstraße
Fortschritt heute:
Länger arbeiten und weniger verdienen
- für die Weltmarktfortschritte von Kapital und Nation
Deutsche Konzerne trauen sich
2004 etwas Neues: Sie verlangen ganz offen unbezahlte Mehrarbeit.
Daimler-Chrysler will aus seiner Stuttgarter Mannschaft pro Jahr 5
Milliarden
Euro zusätzlich herauswirtschaften, VW plant die Personalkosten um
30% zu
senken, Siemens, Opel, MAN machen es ebenso. Und was für die
feinen Weltkonzerne
gilt, gilt erst recht für die kleinen Klitschen und den
Mittelstand:
Tarifverträge werden offen missachtet oder in Zusammenarbeit mit
Betriebsrat
und Gewerkschaft ausgehebelt und umgangen: Der Arbeitstag wird
verlängert und
das Lohneinkommen wird in ein paar Monaten um mehr gekürzt, als
die
Lohnerhöhungen der letzten 15 Jahre eingebracht haben.
Die Unternehmer bekennen sich
ziemlich unverblümt zu ihrem Interesse und dazu, dass es mit dem
ihrer Angestellten
unverträglich ist: Der Profit lebt nun einmal davon, dass
Arbeitskräfte für die
Firma arbeiten und nicht für sich. Je mehr Leistung sie abliefern
und je
weniger sie davon haben, desto besser fürs Geschäft. Man muss
den Firmenchefs
geradezu für ihre Offenheit danken, wenn sie die alten Lügen
von den roten
Zahlen und dem Überlebenskampf der Firma gar nicht mehr
bemühen, sondern
fröhlich verkünden, dass sie sich von der Ausnutzung
polnischer, slowakischer
oder indischer Arbeitskräfte einfach noch mehr Profit versprechen
als von ihren
alten Stammbelegschaften. Den falschen Schein einer gemeinsamen
Betroffenheit
und Bedrohtheit von Firma und Belegschaft lassen sie gar nicht mehr
aufkommen.
Solche Lügen, meinen die Chefs, haben sie nicht mehr nötig.
Sie setzen darauf,
dass ihre Belegschaften die Arbeit fürs Kapital als unverzichtbare
Lebensgrundlage so vollkommen akzeptiert haben, dass sie sich gar
nichts
anderes denken und wünschen können als – einen Arbeitsplatz.
Und dann sagen sie
ihnen, dass der begehrte Arbeitsplatz erst einmal einen Unternehmer
zufrieden
stellen muss und dass deshalb ganz allein der entscheidet, wie viel
Lohn ihm
wie viel Leistung wert ist.
Die Herren Unternehmer stellen
mit all dem zweitens klar, dass der Lohn keine Frage irgendeiner
Gerechtigkeit,
sondern eine Frage des Kampfes und der Macht ist – und wenn sie sich
stark
genug fühlen und die Gegenwehr schwach genug ausfällt, ordnen
sie eben längere
Arbeitzeiten an und setzen das Entgelt herab. Den Belegschaften, die
nicht
gleich Einsicht in die angesagte Lohnsenkung zeigen, kommen sie mit
Erpressung.
Sie drohen, deutsche Standorte zu schließen und anderswo “Arbeit
zu geben”, wo
das ausbeutbare Elend noch größer ist – und ebenso die
Bereitschaft, sich alles
gefallen zu lassen. Das Kapital sucht sich aus dem weltweiten
Überangebot ganz
frei die billigsten und leistungsfähigsten Arbeitskräfte
heraus und nur wenn
die einheimischen dieses Kriterium nach Preis und Leistung
erfüllen, tut es
selbstverständlich auch ihnen den Gefallen, sie auszubeuten. Wie
jeder Mafioso
drückt auch ein Unternehmer seine Erpressung als ein Angebot an
die Belegschaft
aus, das die nicht ablehnen kann: “Nur wenn deutsche Löhne mit
polnischen,
indischen usw. konkurrenzfähig sind, können wir
Arbeitsplätze in Deutschland
halten.”
Die Belegschaften wehren sich
nicht und die weitgehenden Umbrüche in den Betrieben gehen
reibungslos über die
Bühne. Als ob sie sich nie harmonischere Vorstellungen von ihrer
Lage gemacht
hätten, ist auch den Arbeitern und Angestellten auf einmal klar,
dass der Lohn
eine Machtfrage ist und dass “heute der Unternehmer einfach am
längeren
Hebel sitzt.” Wer so komplett von seiner Ohnmacht überzeugt
ist, täte gut
daran, sich einmal damit zu befassen, wo die herkommt und ob es bei der
eigentlich bleiben muss. Selbstverständlich ist es nämlich
nicht, dass der
Mensch 1. immerzu Arbeit braucht, sie 2. gar nicht leicht bekommt und
wenn,
dann 3. zu Bedingungen, die ausschließen, dass seine Arbeit
für ihn das
leistet, warum er sie überhaupt braucht.
Worauf die Erpressungsmacht des
Kapitals gründet und warum sie immer größer wird.
· Die meisten Menschen in den modernen
Volkswirtschaften
sind, um arbeiten und sich die Mittel des Lebens beschaffen zu
können, darauf
angewiesen, dass ihnen jemand “Arbeit gibt”. Sie können die
Arbeit, die sie
nötig haben, nicht selbst erledigen, denn sie verfügen nicht
über die nötigen
Mittel der Produktion. Die Eigentumsordnung reserviert einer kleinen
Minderheit
die Verfügung über Werkzeuge und Maschinen, Grund und
Gebäude, Erfindungen und
Know How. Diese Minderheit arbeitet nicht, sondern lässt arbeiten
– und zwar
unter der Bedingung, dass die Arbeit, die sie verrichten lässt,
erst einmal ihr
einen Gewinn einbringt. Die Vergrößerung des Reichtums der
Reichen ist die
Vorbedingung der Arbeit, die das Lebensnotwendige heranschafft. Arbeit,
die
keinen Profit abwirft und nur dem Arbeitenden nützt, ist im
Kapitalismus nicht
gestattet. Nur deshalb gibt es Arbeitslose, Leute die Arbeit brauchen
und nicht
kriegen können.
·
Für ihren Gewinn sind die Unternehmer
auf die Dienste
ihrer Beschäftigten angewiesen. Aber sie verstehen, mit dieser
Abhängigkeit so
umzugehen, dass daraus keine wechselseitige Erpressungsfähigkeit
von
Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsteht, sondern die Sache schön
einseitig
bleibt. Dafür setzen sie überall neueste Maschinerie ein und
machen die Arbeit,
die sie bezahlen, immer produktiver. Das könnte ein Segen für
die Menschheit
sein. Technisch gesehen wird es nämlich von Jahr zu Jahr leichter,
das
Notwendige und Wünschenswerte herzustellen und zu beschaffen.
Technisch gesehen
nimmt die notwendige Arbeit ab. Aber im Kapitalismus findet der
technische Fortschritt
selbstverständlich nicht statt, um den Arbeitern mehr Güter
zugänglich zu
machen oder um ihnen Arbeit zu ersparen. Er findet statt, um dem
Kapital
Lohnkosten zu ersparen – entsprechend sehen seine Wirkungen aus: Wenn
Firmen
den technischen Wirkungsgrad der Arbeit steigern und in einer Stunde
das
Ergebnis von vorher zwei Arbeitsstunden erarbeiten lassen, dann
entlassen sie
die eine Hälfte ihrer Beschäftigten, sparen sich die Zahlung
von deren
Lebensunterhalt und bürden der anderen Hälfte die verbliebene
Arbeit zum alten
Lohn auf. Dadurch senken sie ihre Lohnkosten und steigern ihren Gewinn.
Die
Form der Arbeitszeitverkürzung, die der Kapitalismus kennt,
heißt
Arbeitslosigkeit – und mit der Produktivität der Arbeit in den
Fabriken wächst
die Zahl derer, die ins Elend abstürzen, weil das Kapital ihre
Dienste nicht
mehr braucht. Ihre Not ist die andere Seite des wachsenden Reichtums
der
Reichen.
Zusammen mit ihrem Reichtum wächst die
Erpressungsmacht
der Kapitaleigner. Sie verwenden die durch ihren Fortschritt
geschaffenen
Arbeitslosen als Kampfmittel gegen ihre Beschäftigten. Je
produktiver die
Arbeit, desto größer die Zahl der national und weltweit
Arbeitlosen; und je
größer deren Zahl, desto härter und glaubwürdiger
die Drohung der Kapitalisten,
noch billigere Arbeitslose an Stelle der angestammten Belegschaften
anzustellen. Eben dadurch, dass die einen gar nicht mehr arbeiten
dürfen,
werden die anderen dazu erpresst wieder länger zu arbeiten.
Arbeitslosigkeit
und Überarbeit gehören in diesem System zusammen und nichts
ist hier
undenkbarer, als dass sich diejenigen, die zu viel arbeiten müssen
mit denen,
die gar nicht arbeiten, die Arbeit teilen könnten.
Der freiheitliche Staat baut die
Erpressungsmacht der
Unternehmer zum kompletten Zwangssystem aus: Er beschimpft die vom
Kapital
überflüssig gemachten und auf öffentliche
Unterstützung angewiesenen
Erwerbslosen als Schmarotzer, setzt sie auf 345.- Euro Existenzminimum
– und
zwingt sie so erst recht in eine Billigkonkurrenz gegen die
Beschäftigten. Sie
müssen jede Arbeit zu jedem Preis annehmen und drücken
dadurch den Lohn aller.
So wächst im
Zeitalter nahezu
vollautomatischer Fabriken und inmitten des größten
Überflusses an Produkten
aller Art die Armut. Die einen werden für Dienste am Kapital nicht
mehr
gebraucht und verlieren mit der Arbeit ihr Einkommen. Die anderen, die
“Arbeit
haben”, verteidigen ihren Status gegen die Billiglöhner dadurch,
dass sie ihnen
immer ähnlicher werden, immer fleißiger nämlich und
ärmer.
Wer das für Wahnsinn hält und nicht für ein
hinzunehmendes Naturgesetz des menschlichen Wirtschaftens, ist richtig
bei dem
Vortrag mit Diskussion (Gastrednerin: Prof. Margaret Wirth, Bremen)
Weitere Termine
2004 in
Bochum:
16.11. / 30.11. / 14.12.
jeweils 19:00 Uhr
Bochum, Hotel Ibis, Tagungsraum (Parterre)
Universitätsstr. 3 (gleich hinter dem Hauptbahnhof)
- Geklärt werden aktuelle Themen aus der Welt von
Geschäft und Gewalt sowie Fragen zu Artikeln aus der letzten
Ausgabe des GegenStandpunkts