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Autorin: Hofmann, Jeanette.
Titel: 'Weisheit, Wahrheit und Witz'. Über die Personalisierung eines Allgemeinguts.
Quelle: PROKLA, 32. Jg., Heft 126. Münster 2002. S. 126-148.
Verlag: Verlag Westfälisches Dampfboot.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Jeanette Hofmann
'Weisheit, Wahrheit und Witz'
Über die Personalisierung eines Allgemeinguts
An idea is not really yours until you give it away.
Robert K. Merton
Als der Freiherr von Knigge im Jahr 1792 seinen Beitrag "Über den Büchernachdruck" veröffentlichte, waren der Begriff des Geistigen Eigentums und die Figur des modernen Autors noch grundlegend umstritten. Ideen und Gedanken galten vielen Zeitgenossen als nicht eigentumsfähig. Auch Knigge vertrat den Standpunkt, dass Weisheit, Wahrheit und Witz Allgemeingüter wie das Meer oder die Luft darstellen (vgl. Bosse 1981a, 50). Heute ist die Personalisierung und Autorisierung von Wissen eine weitgehend selbstverständliche Angelegenheit. Konflikte über Geistiges Eigentum betreffen üblicherweise dessen Anerkennung oder Durchsetzung, nicht aber die Besitzansprüche an Wissen per se.
Die ursprüngliche Absicht dieses Beitrages war, in groben Zügen die Geschichte des Autors darzustellen. Anhand der Autorfigur sollte der Prozess der Personalisierung, das heißt der individuellen Zurechnung von Wissen, nachgezeichnet werden. Wie sich allerdings bald herausstellte, eignet sich das Konzept des Autors nicht für eine gradlinige Rekonstruktion bis ins Mittelalter oder gar die Antike. Die Frage nach der Authentizität und Werkherrschaft ist eine neuzeitliche, die, sieht man einmal von der Zensur der katholischen Kirche ab, bis zum 17. Jahrhundert kaum Interesse hervorgerufen hat. Sie stülpt dem mittelalterlichen Verständnis des Schriftgelehrten eine Lesart über, die aus mehreren Gründen unangemessen ist.
Vor allem volkssprachliche Erzählungen und Lieder kannten häufig nicht einmal einen Verfasser. Sofern Meisterschaft in der Weltauslegung überhaupt geltend gemacht wurde, war sie nicht an Einzelwerke gebunden (Lienert 1998, 117). Der Name über einem Manuskript repräsentierte keinen Autor im modernen Sinne, und die Konvention der Textsignierung ist nicht gleichbedeutend mit einer Personalisierung von Wissen. Sofern man die Literaten des Mittelalters trotzdem als Autoren bezeichnen will, muss man fundamentale Bedeutungswandel im Begriff in Rechnung stellen.
Zu Autoren wurden die Dichter und Gelehrten im deutschsprachigen Raum im Grunde erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum fügten sich die Facetten zusammen, die unser heutiges Verständnis des Autors und seine Werkherrschaft konstituieren. Nicht alle diese Elemente stehen in einem direkten oder gar notwendigen Zusammenhang. So ist es keineswegs zwangsläufig, dass der Autor, nachdem er denn endlich als Schöpfer anerkannt ist, auch zum Besitzer seiner Werke wurde (vgl. Chartier 1994). Auch deshalb ist es sinnvoll, sich die Entstehung von Autorschaft als ein Bündel unabhängiger, nur allmählich ineinandergreifender Entwicklungslinien vorzustellen. Einige dieser Entwicklungslinien werden im folgenden in Umrissen vorgestellt: das Aufschreiben der Wahrheit zwischen handwerklichem und schöpferischem Akt1, die namentliche Kennzeichnung von Wissen zwischen symbolischer und authentischer Repräsentation2 und die Fundierung des Geistigen Eigentums auf der individuellen Einbildungskraft3.
Historiker werden diesen Schnelldurchgang durch mehrere Jahrhunderte der Wissens- und Werkkultur unakzeptabel finden. Die mittelalterlichen Gesellschaften Europas zeichneten sich durch eine solch heterogene Vielfalt ihrer Gepflogenheiten aus, dass Verallgemeinerungen über eng begrenzte Zeiträume und einzelne Orte hinaus tatsächlich problematisch sind.4 Auch bestanden Unterschiede zwischen den Genres von Texten (Foucault 1977; Chartier 1994), die hier unerwähnt bleiben. Die idealtypische Beschreibung der mittelalterlichen und neuzeitlichen Schreibpraktiken, und hierbei vor allem des sozialen Status der Schriftgelehrten, verfolgt die Absicht darzulegen, wie lang und auch in konzeptioneller Hinsicht – gewunden der Weg war, bis sich Geistiges Eigentum als rechtliches wie ökonomische Konstrukt überhaupt denken ließ. Zugespitzt ausgedrückt gibt es keine natürliche, sich selbst erklärende Entwicklung zwischen einem Wissensbegriff, der Weisheit und Wahrheit als Naturprinzipien ansieht und einem Wissensbegriff, der diese personalisiert und der Originalität genialer Köpfe zuschreibt. Die Pointe dieser Beobachtung liegt außerhalb dieses Textes: Das neu erwachende Interesse an der Geschichte Geistigen Eigentums rührt nicht zuletzt daher, dass die Digitalisierung dessen Fundamente wieder in Frage stellt (Boyle 2001).
Vor der Ausbreitung des Buchdrucks in Europa verfügte lediglich eine schmale, zeitweilig fast ausschließlich kirchliche Elite über Lese- und Schreibfähigkeiten. Die Schriftkultur hatte sich vor dem 12. Jahrhundert in weiten Teilen Europas auf die Klöster zurückgezogen. Karl der Große, so sagt man, konnte gerade einmal seinen Namen schreiben. Die Literati waren Eingeweihte, "a strategic strata in a cosmological hierarchy of which the apex was divine" (Anderson 1983, 15). Die Bibliotheken der Klöster fungierten als Aufbewahrungsorte heiliger Werke, aber auch antiker Schriften. Ihre Skriptorien dienten der Verschriftlichung von Predigten, vor allem aber der Vervielfältigung von Manuskripten.
Die Beschränkung der Lese- und Schreibfähigkeit auf den Klerus ist im Hinblick auf die Geschichte moderner Autorenschaft aus zwei Gründen relevant. Zum einen machte der geringe Alphabetisierungsgrad die christliche Schriftkultur faktisch zum bestimmenden Modell im Umgang mit verschriftlichtem Wissen. Zum anderen hatte die Illiteralität zur Folge, dass die öffentliche Rede die zentrale Bezugsgröße in der Praxis und für den Stil des Schreibens darstellte. Texte wurden aufgeschrieben mit der Absicht, sie öffentlich vorzutragen oder sie beruhten auf Transkriptionen besonders eindrucksvoller Predigten. Die Verkündung folgte den Regeln einer Rhetorik, die auch schon in der Antike zur Anwendung kamen. Die Regeln der Rhetorik, so Bosse, lehrten die Herstellung von Texten in einem weit umfassenderen Sinne als dies heute noch geläufig ist. Boten sie doch Anweisungen für "das Auffinden, Einkleiden, Anordnen und Vortragen der Wahrheit" (Bosse 1981a, 19).
Das Notieren und Lesen heiliger Texte in den mittelalterlichen Klöstern vollzog sich als teils murmelnder, teils singender Vorgang, der den Körper mit einbezog. Für den Mönch ist das Lesen "eine eher leibliche Tätigkeit. Er nimmt die Zeilen auf, indem er sich nach ihrem Takt bewegt, und er erinnert sich an sie, indem er ihren Rhythmus erneut heraufbeschwört" (Illich 1991, 58). "Das öffentliche Lesen des 12. Jahrhunderts klingt für den Hörer des 20. Jahrhundert wie ein seltsamer Gesang. Es gab strenge Regeln für die charakteristischen Betonungen, die bei verschiedenen Büchern eingesetzt wurden (...) durch die jeder, ohne auch nur ein Wort verstehen zu müssen, wissen konnte, dass jeweils das Alte Testament, Paulus oder die Evangelien gelesen werden" (Illich 1991, 70).
Um einen Gleichklang der Stimmen zu erreichen, wurden die Texte mit besonderen Akzenten versehen, die den Stimmen der Sprechenden den unpersönlichen Ausdruck übergeordneter, ewiger Autorität geben. So differenziert und unantastbar müssen die Zeremonien im Umgang mit der heiligen Schrift gewesen sein, dass es nahezu gleichgültig war, "wer liest, so wie es gleichgültig ist, wer die Glocke läutet" (Illich 1991, 86). In den Messen und gregorianischen Gesängen setzt sich das Murmeln der Mönche als zeitlose Kunstform fort. In den monastischen Skriptorien, den Orten, an denen die Manuskripte gefertigt wurden, war der Einfluss der mündlichen Überlieferung auch praktisch unmittelbar gegenwärtig. Der "Dictator" sprach den Text, die "Scriptoren" notierten ihn, mehr oder minder wörtlich, auf Wachstafeln, um ihre Notizen anschließend in Reinschrift auf Pergament zu übertragen.5 Selbst das Schreiben der Mönche vollzog sich als murmelnder Vorgang. Der Rhythmus ihrer Silben, Wörter und Sätze reflektierte den Klang des Vortrags. Die lateinische Sprache, Silbenmaß und Alliteration, Sprachbilder und Textstruktur folgten den Regeln einer mündlichen Erzähltechnik, die sich bewusst am Vorbild der antiken Epik orientierte. Bücher entstanden als "schriftliche Reden", die sich an Abwesende richteten (Denina zit. n. Bosse 1981a, 20). Die Haupttätigkeit im Skriptorium bestand jedoch in der Vervielfältigung, der Kompilierung und der Kommentierung, das heißt in der Bewahrung des vorhandenen Bestandes heiliger Schriften. Eine Bibel umfasste bis zu 500 Blattseiten. Das entsprach Hunderten von Schreibstunden und den Häuten von mindestens 200, gelegentlich sogar 500 Tieren (Angenendt 1997, 40). Das Kopieren kostbarer Bücher galt als angemessene, zur Vervollkommnung des religiösen Lebens beitragende Beschäftigung, von der sich die Mönche die Vergebung ihrer Sünden erhofften.
Die monastischen Schriftgelehrten kopierten und kompilierten im Namen einer höheren, göttlichen Wahrheit. Und das Wissen um diese Wahrheit gewannen die Mönche in Form der Wiederentdeckung und Neubelebung biblischer Texte: "Throughout the patristic and medieval periods, the quest for truth is thought of as the recovery of what is embedded in tradition...rather than the discovery of what is new" (Harbison zit. n. Eisenstein 1989, 123). Schreiben, verstanden als Pflege und Verbreitung eines eng begrenzten, oft seit Jahrhunderten überlieferten Textbestandes war eine rückwärts gewandte, rekonstruierende Beschäftigung. Illichs Beschreibung von Hugos Schriften bietet einen Einblick in die mittelalterliche Technik der Textproduktion. Hugos Schriften, so Illich, waren "durchtränkt" von Augustinus, den er immer wieder gelesen und abgeschrieben hat. Hugos Texte selbst sind Kompilationen, Deutungen und Umformungen von Augustus Werk, das er seiner eigenen Diktion "einverleibte" (Illich 1991, 18). Das relative Desinteresse an der Gegenwart und die verbreitete Skepsis gegenüber Neuem beruhte auf der Annahme, dass in der Antike eine zeitlos gültige, übergeschichtliche Wahrheit und Vollkommenheit verwirklicht war, auf die man sich rückbesinnen muss. "To be old was to be good", weshalb es durchaus vorkam, dass ein als gut erachteter Text versehentlich um ein paar Hundert Jahre rückdatiert wurde (Minnis 1984, 9ff). Noch im 17. Jahrhundert wurde der Begriff der Neuheit abwertend gebraucht. Das Neue wurde mit Abweichung assoziiert, und die Idee des Fortschritts konnte sich erst durchsetzen, nachdem die Unterscheidung zwischen alt und neu "temporalisiert" worden war (Luhmann 1992, 219f).6 Bis neuen Ideen ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, bestand offenbar die Neigung, selbst neue Entdeckungen oder Erfindungen als eine Art Wiederaneignung zu interpretieren: "Descartes and Newton had merely retrieved the same magical key to nature's secrets that had once been known to ancient pyramid builders but was later withheld from the laity..." (Eisenstein 1980, 125).
Das bestimmende Stilmittel des an der Antike orientierten Schreibens ist die Nachahmung (vgl. Schmidt 1985, 10ff; Eisenstein 1980, 181). Bis ins 17. Jahrhundert gilt die Nachahmung als Schlüssel zu jeder Form spiritueller Inspiration. Für jedes Unterrichtsgebiet gab es aus der Antike überlieferte "auctores": Cicero für die Rhetorik, Aristoteles und andere für die Dialektik und für die Theologie selbstredend die Bibel. Das Studium autoritativer Texte schulte auch in der Verwendung antiker Formen, Sinnbilder und Symbole. "From the Roman grammarian (grammaticus) of the fith century, the pupil learned the science of speaking with style (scientia recte loquendi) and heard the classical poets being explicated (enarratio poetarum)" (Minnis 1984, 13). Wer des Lateinischen mächtig war, hatte sich auch ein Grundverständnis vom Dichten angeeignet. Je formvollendeter die Nachahmung der antiken Muster ausfiel, desto größer die Qualität, die ihr allgemein beigemessen wurde. Erwartet wurde die Anwendung des vorgegebenen bekannten Satzes von Regeln. Schöpferische Originalität war im Rahmen des Nachahmungsgebots weder ästhetisch noch sozial erwünscht. Die Fähigkeiten der antiken Vorfahren in intellektueller wie auch körperlicher Hinsicht galten als so weit überlegen, dass das Interesse an Originalität eher gering blieb.
Bemerkenswert ist, dass die heute gewissermaßen kategoriale Unterscheidung zwischen Komposition, Zitation und Imitation von Werken im Rahmen des Nachahmungs- und Wiederentdeckungsgebots keine nennenswerte Rolle spielte. Unter dem Vorzeichen der höheren göttlichen Autorität, die ein Schriftgelehrter im Rahmen feststehender Stilregeln zum Ausdruck brachte, war die Bedeutung individueller Gedanken und Stilmittel zwar nicht irrelevant, aber doch keinesfalls so bedeutsam, dass ein systematisches Interesse an der Verhinderung von Nachahmung und Plagiat bestanden hätte. Weil die Mehrheit der kopierten Werke"centered around the classics and long-dead Fathers and Doctors of the Church, there was no one to dispute the freedom to copy" (Clark zit. n. Katsh 1989, 173).7
Die mittelalterliche Praxis des Kopierens, Kompilierens und Kommentierens spiegelt sich in der Rolle und Wahrnehmung der Schriftgelehrten nieder. Auf subtile Weise zeigt sich das in der Auflistung der vier verschiedenen Formen des Bücherschreibens, die der Franziskaner St. Bonaventura im 13. Jahrhundert vorgenommen hat: "A man might write the works of others, adding and changing nothing, in which case he is simply called a 'scribe' (scriptor). Another writes the work of others with additions which are not his own; and he is called a 'compiler' (compilator). Another writes both others' work and his own, but with others' work in principal place, adding his own for purposes of explanation; and he is called a 'commentator' (commentator)... Another writes both his own work and others' but with his own work in principal place adding others' for purposes of confirmation; and such a man should be called an 'author' (auctor)" (Bonaventura zit. n. Burrow zit. n. Eisenstein 1980, 122).
St. Bonaventuras systematische Auflistung hat die Möglichkeit eines gänzlich neuen Werks nicht berücksichtigt, wie Burrow feststellt. Wichtiger aber ist, dass Bonaventura den einzelnen Kategorien des Bücherschreibens eine vollkommen einheitliche Konzeption des Schreibens zugrundelegte. Der Status des scriptors unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem des commentators oder auctors. Alle Formen des Schreibens erscheinen als gleichwertige, regelgebundene Arbeiten: "A writer is a man who 'makes books' with a pen just as a cobbler is a man who makes shoes on a last" (Burrow zit. nach Eisenstein 1980, 122). Ebenso wenig wie die Schuherstellung galt das Schreiben als individuelle, schöpferische Tätigkeit. Wenn zwischen beiden Arbeiten überhaupt ein Unterschied bestand, so lag er in der religiösen Konnotation des Schreibens. Schreiben galt als ein Handwerk, das zusammen mit dem Schriftlatein erlernt wurde, um Gottes Wort zu verkünden. Der schreibende Klerus verstand sich hierbei als Mittler, durch den Gott zu den Gläubigen sprach. Was der Schreibende kommentierte, von der Kanzel predigte und der Natur abguckte, wurde ihm nur eingeschränkt persönlich zugerechnet. Der Dichter, so hieß es, hält der Natur einen Spiegel vor (Abrams, zit. n. Rose 1994, 51).
Das klerikale Verständnis des Schreibens war ein definitionsmächtiges Paradigma, das auch außerhalb der Klöster bis in die Neuzeit wirksam gewesen ist (vgl. Ong 1982, 157). Noch Mitte des 18. Jahrhunderts, zu einem Zeitpunkt als eine neue Generation von Literaten um ihren gesellschaftlichen Status zu kämpfen begann, finden sich Darstellungen des Autors, die an jene von Bonaventura unmittelbar anzuschließen scheinen. So definiert das Allgemeine Oeconomische Lexicon von 1753 das Buch als ein nützliches Werkzeug, um "die Wahrheit dem anderen auf eine beqveme Weise zum Lesen und Erkennen vorzulegen. An dieser Waare arbeiten viele Leute, ehe sie zu Stande kommt [...] Der Gelehrte und Schriftsteller, der Pappiermacher, der Schrifftgiesser, Setzer und Buchdrucker, der Corrector, der Verleger, der Buchbinder, bisweilen auch der Goldschlager und Gürtler etc. Von dieser Manufactur ernehren sich also viele Leute" (zit. n. Bosse 1981a, 40; vgl. auch Woodmansee 1984, 425).
Die Buchherstellung wird als ein Gewerbe präsentiert, das viele Leute ernährt. Auch 300 Jahren nach Einführung des Buchdrucks war es den Schriftgelehrten noch nicht gelungen, die geistige Aura zu entfalten, die sie unter den Papiermachern und Schriftgießern hervorgehoben hätte. Woodmansee hat den Autor des frühen 18. Jahrhunderts als "vehicle" und "craftsman" charakterisiert. "That is, he was master of a body of rules, preserved and handed down to him in rhetoric and poetics, for manipulating traditional materials in order to achieve the effects prescribed by the cultivated audience of the court to which he owed both his livelihood and social status (Woodmansee 1984, 426).
Wer im 18. Jahrhundert publizierte, tat dies als schreibender Priester, als missionarischer Magister oder dichtender Hauslehrer, nicht jedoch als professioneller Broterwerb (vgl. Seibert 1981, 21). Im günstigen Fall war das Schreiben eine Freizeitbeschäftigung des "gentlemen writer", der von seinem Vermögen oder einem öffentlichen Amt lebte. Im ungünstigen Fall bedeutete Schreiben die Abhängigkeit von Patronage (Chartier 1994,17). Literaten waren Amateure ohne monetäre Gratifikationserwartungen. Traditionsorientierte Literaten lehnten eine Bezahlung ihrer Werke sogar ausdrücklich ab, da Geld ihnen als Verunreinigung ihres Schaffens galt. Das Luthersche Diktum, "ich habs umsonst empfangen, umsonst hab ichs gegeben und begehre auch nichts dafür", das Wissen als Gottesgeschenk auffasste, war auch im 18. Jahrhundert noch wirksam: Schreiben für Gotteslohn. Da jeder Schriftgelehrte die Grundregeln des Dichtens kannte, fehlte es den Dichtern am notwendigen Distinktionsgewinn: "Often treated with contempt by aristocrats, these 'scribblers' belonged to a highly volatile, unstable, status group. No traditional institutions or systems pertaining to rank, priority, and degree took their existence into account. They wavered between the lofty position of arbiters of taste and inspired 'immortals' and the lowly role of supplying, for favor or payment, commodities sold for profit on the open market" (Eisenstein 1980, 155f.).
Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann sich die allgemeine Wahrnehmung des Schreibens grundlegend zu ändern. Eine entscheidende Rolle in diesem Wandel spielte der Emanzipationskampf der Sturm- und Drang-Literaten, der sich gleichermaßen gegen die ökonomische Abhängigkeit und gegen das Regelkorsett der antiken Formsprache wandte. Auf Frankreich und England kamen intellektuelle Impulse, die ein neues Produktions- und Rollenverständnis jenseits des mittelalterlichen Handwerkermodells ankündigten. Konzeptionell prägend war der ins Deutsche übertragene Essay des Briten Edward Young aus dem Jahr 1759, der eine erste theoretische Brücke schlug zwischen dem Literaten als Schöpfer und als Eigentümer. In "Conjectures of Original Composition" ermutigte Young die Literaten zur Originalität im Schreiben. In der Individualität sah er den Schlüssel für persönliche Besitzrechte am Werk, und in diesen Besitzrechten wiederum die Voraussetzung für den "noblen" Titel eines Autors. Der Schriftsteller, der sich selbst als Quelle der Kreativität versteht..."...will soon find the world's reverence to follow his own. His works will stand distinguished: his the sole property of them; which property alone can confer the noble title of an author; that is, of one who (to speak accurately) thinks and composes; while other invaders of the press, how voluminous and learned soever, (with due respect be it spoken) only read and write" (Young, zit. nach Woodmansee 1984, 430).
Der Essay Youngs war Teil des Geniekults, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts über England nach Deutschland kam. Youngs Unterscheidung zwischen denjenigen, die bloß lesen und schreiben und jenen, die denken und selbst entwerfen war neu für eine aristokratische Gesellschaft, die Wissen und Wahrheit an antiken Geschmacksidealen maß und die bevorstehende Arbeitsteilung zwischen Produzenten und bloßen Konsumenten von Wissensgütern noch nicht vollzogen hatte.
Gemäß dem Geniemodell waren Weisheit, Wahrheit und Vernunft nicht länger der göttlichen Natur abgewonnene Geschenke, sondern die einzigartige Schöpfung des Poeten selbst. Die Nachahmung galt den Anhängern des Geniegedankens nun als "ungenial" und schablonenhaft. Unter das gleiche Verdikt fiel übrigens auch der Witz, der nun entweder als mechanisch oder als gauklerisch abqualifiziert wurde (Schmidt 1985, 87ff). Die Autonomie des Autors erschien fortan als "Zentralmoment genialer Schöpfung" (Schmidt 1985, 77). Das individuelle Erleben und die innere Gefühlswelt, die "Einbildungskraft" bildete den Stoff, aus dem der Literat Weisheit und Wahrheit schuf.
Als einer der Helden des Geniekults wurde post mortem William Shakespeare stilisiert. Er verkörperte exemplarisch die Überzeugung, dass Originalität im Denken nicht durch Ausbildung zu gewinnen ist, sondern Talent verlangt – Talent, das durch formale, sprich: nachahmende Bildung eher verdorben denn entfaltet wird. "Zum Genie vom Schlage Shakespeares gehört insbesondere sein originales Wesen, das ganz aus sich, ohne fremde Zutaten und Muster, sein Werk schafft und darin nichts als sich selbst gibt. Das macht seine Größe, eine Größe der Unabhängigkeit" (Schmidt 1985, 156). Originalitäts- und Besitzansprüche entwickelten sich zu zwei Seiten einer Medaille, wie Woodmansee für Deutschland und Rose für England gezeigt haben. Im Unterschied zu Wissen, das als gott- oder naturgegeben und folglich als Allgemeinbesitz begriffen wird, lassen sich für Werke, die im "männlichen Genie" selbst entspringen Eigentumsrechte geltend machen: "inspiration came to be regarded as emenating not from outside or above, but from within the writer himself. 'Inspiration' came to be explicated in terms of original genius, with the consequence that the inspired work was made peculiarly and distinctively the product – and the property – of the writer" (Woodmansee 1984, 427).
Namentlich gekennzeichnet worden sind Werke bereits in der Antike. Auch die biblischen Bücher und Briefe tragen Namen von Propheten oder Aposteln. Es ist naheliegend, sich unter diesen Namen Autoren im heutigen Sinne vorzustellen. Tatsächlich handelte es sich bei der "Signierung" von Texten um eine Begleiterscheinung der Verschriftlichung, die wenig über den Status des Namens aussagt. Streng genommen signalisierte der Namen zunächst nicht mehr als die räumliche Separierung zwischen dem Vortragenden und seinem Publikum. In der mündlichen Rede konnte der Name des Sprechenden noch als bekannt vorausgesetzt werden. Erst in der schriftlichen Rede wurde er, wenn auch nicht immer, explizit genannt. Im Rahmen der mündlichen Gedächtniskultur aber hatte die Unterscheidung zwischen Kreation und Rezitation keine nennenswerte Rolle gespielt (vgl. Hellgardt 1998, 50f). Entsprechend mehrdeutig war der Status der Namen, die Manuskripten in wachsendem Umfang hinzugefügt wurden.
Jesaja, so zitiert Eisenstein einen Literaturkritiker, hat das Buch Jesaja ebenso wenig geschrieben wie Gott die Heilige Schrift. Aber wenn nicht Jesaja, wer dann? "Who wrote Socrates' lines, Aristotle's works, Sappho' poems, any portion of scriptures?", fragt Eisenstein (1980, 122) mit wohl kalkulierter Dramatik. Die älteste Handschrift des Buchs Jesaja stammt aus dem 2. Jahrhundert v. C. und ist etwa 500 Jahre jünger als der Prophet selbst. Allein diese Zeitspanne legt die Vermutung nahe, dass der heute verfügbare Text mit dem Werk des Propheten Jesaja nur mehr vage Gemeinsamkeiten aufweist.
Das Alte Testament ist über den nur schwer vorstellbaren Zeitraum von rund 800 Jahren entstanden. Viele der alttestamentarischen Bücher weisen verschlungene, sich zum Teil über mehrere Jahrhunderte erstreckende Entstehungsgeschichten auf. Sukzessive wurden Erzählungen über Personen, Ereignisse, Lieder, Stammbäume, Orte und Gesetze Israels, die zum Teil wesentlich älteren Ursprungs waren, in die Bücher eingearbeitet und wieder verändert. So soll der Prophet Jesaja die Grundlagen des Buchs Jesaja verfasst haben, die dann von teils bekannten, teils unbekannten Nachfahren erheblich erweitert, kommentiert und ergänzt worden sind.
Unter dem Vorzeichen weniger autoritativer Namen versammelt die Bibel Texte, die sich auf mündliche und handschriftliche Überlieferungen vieler Generationen und folglich einer unbekannten Anzahl von Schreibern stützen. Anders als diese Namen heute auf den ersten Blick suggerieren, sind die Erzählungen der Bibel keine individuellen, sondern kollektive Werke.
Auch von den Werken der Antike gibt es, wie Giesecke feststellt, keine Autographen. Nicht von Plinius oder Cicero und "erst recht nicht von Platon oder Aristoteles. Was die Gelehrten im 15. Jahrhundert in der Hand hielten, waren, im Falle des Plinius etwa, Informationen aus zehnter oder, im Falle des Aristoteles, mindestens aus zwanzigster Hand: ein Schreiber hatte aufgeschrieben, was ein anderer abgeschrieben, der selbst einer Rede zugehört hatte [...]" (Giesecke 1998, 315). Auf der Grundlage von Textsammlungen, die ihrerseits auf Reden zurückgehen, die teils mündlich, teils schriftlich überliefert, vielfach kopiert, editiert und unter Umständen auch übersetzt wurden, ist die Beziehung zwischen einem Werk und dem Namen, der ihm zugeordnet ist, kaum verlässlich zu rekonstruieren.
Ein wichtiger Grund für unser fragmentarisches Wissen über die Verfasser mittelalterlicher Schriften liegt selbstverständlich auch in den schwierigen Archivierungsbedingungen von Manuskripten. Nicht nur gingen viele Manuskripte verloren, auch Nieder-, Abschriften oder Kompilationen führten häufig zu Veränderungen am Text. Illich erwähnt zwei erhaltene sorgfältig ausgearbeitete Versionen von einem Diktat des Abts Bernhard aus dem 12. Jahrhundert. Der Vergleich zeigt, dass aus diesem Diktat zwei verschiedene Texte geworden sind (vgl. Illich 1991, 94). Die Arbeit der Scriptoren beschränkte sich also nicht immer auf das Kopieren fremder Werke: "[When a work] became famous and widely used, any careful reader might constitute himself an editor and assume wider powers of revising, enlarging, abbreviating, and rearranging the text. His aim in preparing a copy for his own use was not to preserve the ipsissima verba of the master, but to put between one pair of covers all of the original which seemed to him valuable, plus such additions and corrections as his learning suggested. If he felt that he could us the work better with a different arrangement, then he forthwith rearranged it" (Plucknett, zit. n. Katsh 1989, 173).
Gelegenheit für eigene Kommentare oder Ergänzungen boten neben der Reinschrift auch die Marginalien, in denen sich Korrekturen und Anmerkungen unterbringen ließen. Eine weitere Abschrift des Werkes mochte diese wiederum in den Haupttext aufnehmen. Kompilationen, die Zusammenfügung mehrerer Abschriften in einem Band, bildeten ebenfalls eine Quelle für irrtümliche Zuordnungen von Werken und Namen. Mitunter verschwanden die Namen der ursprünglichen Verfasser auch.
Aus Sicht der mittelalterlichen Schreiber bot die handschriftliche Textkultur folglich allenfalls eine minimale Kontrolle über das eigene Werk. Diese Erfahrungen machten Dichter ebenso wie Gelehrte (vgl. Giesecke 1998, 453). Zum einen schloss schon die weite räumliche Streuung geringer Stückzahlen handschriftlicher Manuskripte systematische Textabgleiche aus, zum anderen aber gab es keine anerkannten, einheitlichen Regeln über den Umgang mit Werken Dritter. Noch mehrere Jahrhunderte nach der Einführung des Buchdrucks war die Rechtmäßigkeit editorischer Eingriffe in Texte Dritter umstritten.8 Die von Zufällen, Irrtümern und editorischen Freiheiten begleitete Diffusion von Manuskripten und Verfassernamen ist jedoch nicht ausschließlich auf die Bedingungen handschriftlicher Publikationsbedingungen zurückzuführen. Für den Abt Bernhard war es vielmehr selbstverständlich, dass die Niederschriften seiner Ausführungen bloße Annäherungen an das Diktat darstellten. Üblicherweise wurden die Reden mittelalterlicher Autoren weder sorgfältig diktiert, noch korrekturgelesen, denn, so Illich, "sie sind nicht im modernen Sinne die Worte des Autors" (Illich 1991, 94). Solange die Schriftgelehrten vornehmlich als Mittler übergeordneter Wahrheiten fungierten, wurde der Beziehung zwischen Werken und Namen andere als die heute geläufigen Bedeutungen zugeschrieben. Viele antike wie auch mittelalterliche Meister sind nicht zuletzt deshalb in anonymer Gesichtslosigkeit untergegangen, weil zwischen ihren Werken und ihrem Leben kein genuiner Zusammenhang gesehen wurde. Die Biographie von skriptographischen Handwerkern schien der Aufzeichnung nicht wert. Wie das bis heute ungelöste Rätsel der Person Shakespeare9 zeigt, bestand auch im 16. Jahrhundert noch kein ausgeprägtes Interesse an den lebensgeschichtlichen Details selbst berühmter Künstler. Wohl spielte individuelle Kreativität in der Renaissance eine wachsende Rolle, aber deren Bewunderung bewegte sich doch im Rahmen des Nachahmungsideologie. Entsprechend schematisch und flach stellen sich die Beschreibungen der Charaktere dar, die uns von den großen Kirchenfürsten, den Forschern und Künstlern überliefert sind (vgl. Eisenstein 1980, 234ff). Das biographische Genre gilt als Erfindung des 18. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum wird die Seele und Erfahrungswelt des Literaten als schöpferische, innovative Kraft entdeckt. Bis dahin gab es viele Regeln, die die Zuordnung von Namen und Werken bestimmten. Für einen fiktiven Band mit Predigten, der in der Bibliothek eines Franziskanerkonvents unter dem Titel 'Sermones Bonaventurae' geführt wurde, sind die möglichen Bedeutungen des Titels exemplarisch dargestellt worden:" Das biographische Genre gilt als Erfindung des 18. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum wird die Seele und Erfahrungswelt des Literaten als schöpferische, innovative Kraft entdeckt. Bis dahin gab es viele Regeln, die die Zuordnung von Namen und Werken bestimmten. Für einen fiktiven Band mit Predigten, der in der Bibliothek eines Franziskanerkonvents unter dem Titel 'Sermones Bonaventurae' geführt wurde, sind die möglichen Bedeutungen des Titels exemplarisch dargestellt worden:"
Predigten, welche vom heiligen Bonaventura von Fidenza (gestorben 1274) verfasst wurden;
Predigten, welche von irgendeinem anderen Schreiber, der 'Bonaventura' genannt wurde, verfasst wurden;
Predigten, welche durch einen Mönch mit dem Namen 'Bonaventura' niedergeschrieben worden waren;
Predigten, die durch irgendeinen Mönch 'Bonaventura' gehalten worden waren;
ein Predigtband, welcher einmal einem Mönchen mit Namen Bonaventura gehört hatte;
ein Predigtband, bei dem der erste Text durch irgendeinen Bonaventura verfasst wurde und der deshalb in der Bibliothek unter dem Namen 'Bonaventura' eingestellt wurde. (...)
In der gleichen Weise", so Goldschmidt weiter, "kann man sich leicht eine Predigtsammlung vorstellen, die unter dem Namen 'Sermones Bonaventurae' bekannt geworden ist, nicht weil dieser sie geschrieben oder gehalten hätte, sondern einzig, weil man sie für so gelungen hielt, dass sie würdig waren, seinen Namen zu tragen" (Goldschmidt, zit. nach Giesecke 1998, 317).10
Mit dem Eintritt in ein Kloster legten die Mönche für gewöhnlich ihren weltlichen Namen ab und nahmen denjenigen eines verstorbenen Klosterbruders an. In der Verwendung der Namen von "mythischen, heiligen und heiligenden Figuren" (Foucault 1984)8 zeigt sich möglicherweise ein ähnliches Prinzip. Namen repräsentierten weniger konkrete Personen, sie symbolisierten mit Namen assoziierte Bedeutungen und Werthaltungen.
Wenn also Abschriften eines Textes erkennbar von einander abwichen, mit unterschiedlichen Namen versehen waren oder aber der gleiche Namen eine unwahrscheinliche Anzahl von Texten schmückte, so war dies nicht immer eine Folge von Übertragungsfehlern, sondern konnte auch Ausdruck bewusster Zuschreibungen sein. Namen konnten etwa dazu dienen, den herausgehobenen Stellenwert eines Textes zu signalisieren. Umgekehrt ließen sich Heilige ehren, indem ihnen bedeutende Texte zugeschrieben wurden. Aus der geringeren Bedeutung des Einzelnen in der Ermittlung und Verkündung von Wahrheit ergab sich eine vergleichsweise große Flexibilität in der Anwendung von Benennungs- und Autorisierungsstrategien.
Aus einer Vielzahl anonym bleibender Schreiber ragten einige "Autoren" heraus, denen Texte zuerkannt wurden, um ihnen Reputation zu verleihen. Diese im Umgang mit antiken Texten etablierte Praxis der Autorisierung oder Würdigung eines Werkes durch große Namen setzte sich im Mittelalter und der Renaissance fort und dehnte sich auf volkssprachliche, sprich: nicht-lateinische Werke aus. In der italienischen Renaissance waren es Dante, Petrarcha und Boccaccio, "a few great 'literary' figures", denen das Merkmal der Autorenschaft gewissermaßen stellvertretend zuerkannt wurden (Chartier 1994, 21). Eisenstein äußert demgegenüber die Vermutung, eine einstmals kollektive Autorität der Antike sei retrospektiv auf die Namen weniger hervorragender Köpfe reduziert worden. Neue, im Gefolge des Buchdrucks entstandene Formen von Autorenschaft und geistigem Besitztum seien biblischen wie auch wissenschaftlichen Werken rückwirkend übergestülpt worden (Eisenstein 1980, 122).
Es ist zweifelhaft, ob die Bedeutung der Namen am Beginn oder Ende handschriftlicher Manuskripte derart weitreichende Generalisierungen wirklich zulässt. Bevor sich mit dem Buchdruck einigermaßen einheitliche Regeln zur Autorisierung und Indexierung von Texten durchsetzten, scheint die Verwendung von Namen und deren Bedeutung in Europa sehr stark variiert zu haben. Viele Werke trugen keine Namen, nicht alle Namen identifizierten den Verfasser und nicht immer hatte der Verfasser ein Werk tatsächlich selbst konzipiert. Als dessen Schöpfer galt er ohnehin nicht. Angesichts der unsicheren Quellenlage, den unterschiedlichen Autorisierungspraktiken, Übertragungsfehlern und nicht zuletzt den Möglichkeiten des Plagiats (vgl. dazu Merton 1980, 67) interpretierten die mittelalterlichen Mönche und Magister die Namen in anderer Weise als dies heute üblich ist. Denn sie boten, so zitiert Foucault Hieronymus (1977, 127), keinen Beleg für individuelle Autorenschaft. Giesecke zufolge sind überlieferte Manuskripte eher als vage Hinweise darauf betrachtet worden, "was einmal von irgendjemandem – oder vielleicht auch von einem anderen - gesagt wurde" (Giesecke 1998, 316).
Durch den Buchdruck änderte sich die Beziehung zwischen Namen und Werken in mehrfacher Hinsicht. Mitte des 16. Jahrhunderts setzte sich aufgrund des vereinten Drucks von Kirche und Staat in den katholischen Regionen die Regel durch, dass Druckwerke die Namen des Verfassers und des Druckers sowie den Ort der Drucklegung enthalten mussten.11 Die im gleichen Zeitraum an der Pariser Sorbonne veröffentlichten Kataloge zensierter Bücher ordneten die häretischen Werke nach dem Namen ihrer Verfasser (vgl. Chartier 1994, 18). Foucault hat daraus die These abgeleitet, die Konstituierung des modernen Autors sei ein Kind der kirchlichen Zensur: "Speeches and books were assigned real authors, other than mythical or important religious figures, only when the author became subject to punishment and to the extent that his discourse was considered transgressive" (Foucault 1977, 124). Dieser These ist entgegengehalten worden, dass nicht nur die Schreiber, sondern auch die Drucker missliebiger Texte zur Verantwortung gezogen wurden. Chartier erwähnt das Beispiel des "humanist turned printer" Etienne Dolet, der nicht allein für das Schreiben, sondern auch für den Druck und Besitz von Büchern 1546 zum Tode verurteilt und nach dem Erhängen mitsamt den zensierten Büchern verbrannt wurde (Chartier 1994, 20).
Insofern kann man wohl davon ausgehen, dass die Zensur die Beziehung zwischen Namen und Texten erheblich formalisiert hat. Die große Zahl anonymer Veröffentlichungen ging nach und nach zurück. Amateurschriftsteller, die ihre Manuskripte bislang in ausgewählten Kreisen der Gesellschaft anonym zirkulieren ließen, sahen sich nun gezwungen, zumindest auf Pseudonyme zurückzugreifen (vgl. Chartier 1994, 17).
Die neuen alphabetischen Indexierungs- und Katalogisierungstechniken trugen ebenfalls zur Aufwertung und Formalisierung der Verfassernamen bei. Das mittelalterliche "Incipit", die Eröffnungsworte eines Textes, wurden durch Verfassernamen und Titel des Werkes abgelöst. Nach und nach gewannen Drucker und Literaten den Status eines eigenständigen Klassifikationsmerkmals (vgl. dazu Giesecke 1998, 323).
Ein Autor im heutigen Sinne war der nun namentlich eindeutiger identifizierbare Verfasser damit allerdings noch lange nicht. Zum einen verstanden sich die Poeten und Magister auch im frühen 18. Jahrhundert noch als Schüler der Natur, die gemäß der vorherrschenden "Sprach-, Stoff- und Formgebundenheit" die "Perfektibilität ihrer Dichtungen" anstrebten (vgl. Haferkorn 1964, 658).12 Die Nachfolge im bislang kirchlichen Amt der Weltauslegung mussten sich die Schriftsteller und schreibenden Gelehrten erst noch erkämpfen (vgl. Haferkorn 1964, 616). Zum anderen besaßen die Literaten keine Rechte an ihren Werken. Was einmal veröffentlicht war, fiel allenfalls unter den Gewerbeschutz für Drucker.
The coming into being of the notion of 'author' constitutes the privileged moment of individualization in the history of ideas, knowledge, literature, philosophy, and the sciences
Foucault 1977
Besitz- oder exklusive Nutzungsansprüche an Wissen hat es bereits im Mittelalter gegeben. Long hat am Beispiel der venezianischen Glasmacher gezeigt, wie die Handwerkergilden ihre Produktionstechniken durch Geheimhaltung schützten (Long 1991). Die venezianischen Glasmacher hatten einen Eid abzulegen, der ihnen verbot, ihr Können mit Nicht-Mitgliedern zu teilen. Auch war es ihnen untersagt, außerhalb Venedigs zu arbeiten. Die Städte unterstützten solche Praktiken im eigenen Interesse durch die Verleihung von Monopolen. Diese städtischen Praktiken kommerzieller Wissensregulierung ist eine Quelle der Entstehung immateriellen Eigentums und dem darin wurzelnden Patentrecht (Long 1991, 878). Allerdings handelte sich bei den Geheimhaltungsmaßnahmen und auch den frühen Monopolen zunächst um Formen immateriellen Besitzes, die zum einen kollektiver Natur waren und zum anderen unabhängig von Erfindungen oder Entdeckungen: "The view that craft knowledge was intangible property with commercial value developed in this context quite apart from notions of individual authorship. Neither was it necessarily tied to innovation. 'Intellectual property' became an aspect of corporate ownership" (Long 1991, 870).
Der erste bekannt gewordene urheberähnliche Konflikt um eine Erfindung betraf Eisenstein zufolge bezeichnenderweise die Druckmaschine: "The way names were fixed to human organs and the craters of the moon also seems to be indicative of the new kind of eponymous 'discovery' that came only after print" (Eisenstein 1980, 119f). Symptomatisch ist der Streit um die Urheberschaft der Typographie, weil er in mehrfacher Hinsicht einen Wandel in der Wahrnehmung, Nutzung und Ordnung von Wissen markiert. Bis zur Verbreitung des Buchdrucks zirkulierten Informationen aller Art überwiegend durch Ansprachen und allgemeines Weitersagen. Die Predigt bildete eine, wenn nicht überhaupt die wichtigste Quelle für Neuigkeiten. Giesecke hat die Verkündung als das "kommunikative Grundmodell des Mittelalters" bezeichnet (Giesecke 1998, 480). Aus Mundpropaganda und handschriftlichen Manuskripten ließ sich offenkundig kein einheitlicher und allgemein geteilter Stand des Wissens gewinnen, wie die anrührende Geschichte der Brillengläser illustriert. Vagen Hinweisen in einer transkribierten Predigt aus dem 13. Jahrhundert ist es zu verdanken, dass man von der Bekanntheit optischer Gläser in diesem Zeitraum ausgehen kann. Eine breitere Öffentlichkeit erfuhr von der Existenz der Sehhilfe allerdings erst 300 Jahre später (vgl. Rosen zit. n. Eisenstein 1980, 535). In skriptographischen Gesellschaften ist die kumulative Entwicklung von Wissen großen Zufällen unterworfen: "Given drifting texts, migrating manuscripts, localized chronologies, multiform maps, there could be no systematic forward movement..." (Eisenstein 1980, 124). Ohne die Typographie gibt es zwar Neuigkeiten, aber keine belegbaren Originalitätsansprüche. Denn Auseinandersetzungen um die Originalität eines Werkes lassen sich ohne den Druck als vereinheitlichendes Speichermedium gar nicht austragen. Insofern erweist sich Robert Mertons scheinbar paradoxes Diktum über die Idee, die einem eigentlich erst gehört, wenn man sie weggegeben hat, als technisch voraussetzungsvoll. Die Zuerkennung von Ideen oder Erfindungen setzt nämlich einen regional wie sachlich übergreifenden und verbindlichen Bezugsrahmen voraus, der eine Unterscheidung zwischen alt und neu einerseits sowie zwischen Original, Kopie oder Imitation andererseits überhaupt möglich macht. Das bedeutet allerdings nur, dass typographische Massenmedien eine Vorbedingung für Urheberschaftskonflikte waren, automatisch sind diese, wie Eisenstein suggeriert, aus dem Buchdruck nicht hervorgegangen.
Der frühe Buchmarkt konzentrierte sich zunächst auf den Druck des vorhandenen Werkbestands. Bibelausgaben und andere kirchliche Texte nahmen daher großen Raum ein. Die Käufer beschränkten sich auf eine weit verstreute, dünne Schicht Gebildeter, die des Lateinischen mächtig waren. Einen ersten signifikanten Anstieg der Nachfrage nach Druckwerken löste Luthers deutschsprachige Bibelausgabe aus. Luther erwies sich als erster "bestselling author", dessen Schriften eine bis dahin unbekannte Form von Massenleserschaft hervorbrachte (vgl. Febvre & Martin zit. n. Anderson 1983, 39). Die Verbindung zwischen Protestantismus und Print-Kapitalismus förderte das Angebot volkssprachlicher Werke und die Entstehung einer breiteren alphabetisierten Öffentlichkeit, die das Lesen entdeckte.13 Die über die gelehrten Stände hinausreichende Leserschaft bildete den wachsenden Absatzmarkt für das neue Genre der Unterhaltungsliteratur. Offenbar waren es vor allem Ritter- und Räuberromane sowie Geistergeschichten, die Anklang bei den Lesern fanden.14 Zwischen 1740 und 1800 stieg der Anteil der literarischen Werke am gesamten Buchmarkt von 6% auf nahezu 22%. Rückläufig entwickelte sich demgegenüber das religiöse Schrifttum (vgl. Haferkorn 1964, 623). Das steigende Interesse an Erbauungsliteratur, Gelegenheitsgedichten und Fortsetzungsromanen, wie sie in den neu entstehenden Wochen- und Tageszeitungen veröffentlicht wurden, schuf nach und nach einen Markt für das bezahlte Schreiben. Dieser Markt hatte zur Voraussetzung, dass Schreiben als Beruf anerkannt wurde und dass die Literati ein Produkt zu verkaufen hatten.
Auch wenn sich mit der Herstellung von Büchern einträgliche Gewinne erzielen ließen, befanden sich die deutschen Schriftsteller des 18. Jahrhundert in einer sozial wie ökonomisch prekären Situation. Der Beruf des freien Literaten oder Publizisten war noch nicht erfunden worden, auch galt "die öffentliche Mitteilung der Gedanken" nicht als Gewerbe, auf das sich ein Lohnarbeitsverhältnis gründen ließ (Bosse 1981a, 89). Die Verleger zahlten den Poeten und Philosophen zwar üblicherweise ein Honorarium, dieses reflektierte jedoch weder die Arbeitsleistung noch die Gewinne, die mit den Werken erwirtschaftet wurden. Erst recht ließ sich auf der Grundlage von Honoraren keine Existenz gründen. Im allgemeinen handelte es sich beim Honorarium um Gesten der persönlichen Anerkennung, um Geschenke (vgl. dazu ausführlich Bosse 1981a, 66ff).
Obwohl sich die Verdienstmöglichkeiten schwierig gestalteten, stieg die Anzahl der Autoren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich an. Es bildete sich gar ein "schriftstellerisches Proletariat, über dessen aufdringliches Benehmen auf der Leipziger Messe Beschwerde geführt wurde" (Haferkorn 1964, 625).
Klopstock gehörte zu den ersten Autoren, die das Tabu bezahlten Schreibens brachen und dem vorherrschenden Patronagewesen die Gefolgschaft aufkündigten. In seinem Aufruf zur Subskription der Gelehrtenrepublik von 1773 schlug er vor, die Gelehrten mit Hilfe von Subskriptionen zu Eigentümern ihrer Schriften zu machen, statt die Kontrolle wie bisher an die Buchhändler abzutreten. Klopstock und mit ihm Zeitgenossen wie Lessing, Wieland und Schiller kämpften für eine Befreiung von der ständischen Reglementierung des Dichtens in ökonomischer, sozialer und ästhetischer Hinsicht.
Der Versuch der Meister, sich eine vom Mäzenatentum unabhängige Existenz aufzubauen und das Schreiben als Hauptberuf zu betreiben, blieb allerdings vorläufig erfolglos. Schiller nahm auf Empfehlung Goethes eine schlecht bezahlte Professur in Jena an, Lessing verdingte sich als Bibliothekar in Wolfenbüttel und Klopstock schrieb weiterhin Bittbriefe an potentielle Mäzene. Erst im 19. Jahrhundert gelang es Schriftstellern in Deutschland von ihrer Arbeit zu leben.
Auch wenn die ökonomische Situation der Schriftsteller davon nicht direkt profitierte, zeigte die rezeptionsästhetische Wende zum Genieautor doch Wirkung. Dankbar aufgegriffen wurde dieser neue intellektuelle Geltungsanspruch ausgerechnet von den Verlegern, die sich von einer Aufwertung der Literati eine bessere Position im Kampf gegen die Nachdrucker erhofften. Die Praxis des Nachdrucks ist wahrscheinlich so alt wie die Privilegien, die das Druckgewerbe und den Buchmarkt regulieren sollten. Als Begleiterscheinung des wachsenden Büchermarktes nahm das Nachdruckwesen im 18. Jahrhundert jedoch offenbar epidemische Züge an. Seit dem 16 Jahrhundert erhielten die Drucker zwar Privilegien, die einen zeitlich begrenzten Ertragsschutz für das Verlegung von Büchern schufen, diese Monopole endeten aber an den Grenzen der Kleinstaaten. Entsprechend gering war die Wirkung der Druckprivilege im deutschsprachigen Raum.
Nachdrucker schmälerten nicht nur den Gewinn der Verleger, sie umgingen auch ihr unternehmerisches Risiko, indem sie sich auf kommerziell erfolgreiche Werke konzentrierten. Aus Sicht der Buchhändlers war das Gewerbe des Raubdrucks zerstörerisch, auch weil es die verbreitete Praxis der Quersubventionierung zwischen populären und anspruchsvollen Werken bedrohte. Die Leser schätzten hingegen die Nachdrucke, weil sie für niedrige Preise am Buchmarkt sorgten.
Die sich ausbreitende Praxis des Nachdrucks, aber auch die Kampfansage Klopstocks riefen eine anhaltende, nicht zuletzt philosophisch ergiebige Diskussion über die Frage hervor, ob sich Ideen und Werke besitzen lassen und mithin, ob ihre Verbreitung der Kontrolle unterworfen werden kann. Die Kontroverse zwischen Druckern, Nachdruckern, Schriftstellern und Philosophen um das Recht am geistigen Werk erhitzte sich um 1773 und kühlte erst nach 20 Jahren wieder ab, als die ersten Staaten ein Urheberrecht einführten. In diesen 20 Jahren erschienen rund 80 Beiträge, die sich mit der Frage des Nachdrucks auseinander setzten (vgl. Bosse 1981a, 129). Am Ende waren der moderne Werksbegriff und der besitzende Autor, zwei konzeptionelle Säulen des Urheberrechts, geboren. Rose hat diese Leistung als diskursive "Zwillingsgeburt" bezeichnet (Rose 1994, 39).
In Reaktion auf die Krise des Buchmarkts wurden mehrere Vorschläge vorgelegt, die allerdings allesamt um das Verlagsrecht, nicht um das Einkommensproblem der Literaten kreisten. Die Verleger zielten auf ein ewiges Verlagsrecht, das den Nachdruck unwiderruflich verboten hätte. Die Nachdrucker – und einige liberal gesinnte Autoren - plädierten dagegen für eine weitreichende Nachdrucksfreiheit. Dazwischen waren verschiedene Vorschläge zu zeitlich begrenzten Schutzrechten angesiedelt. Als sich die Diskussion auf die Frage zuspitzte, ob Nachdruck als Raub zu betrachten sei, war die öffentliche Meinung zunächst auf Seiten der Nachdrucker: "Man hat die Klagen über die Nachdrucker so weit getrieben, daß man sie öffentlich Diebe nennet, die andern Leuten ihr Eigenthum rauben. Ihr Eigenthum, meine Herren!", so empörte sich Reimarus im Jahre 1773 (zit. n. Bosse 1991a, 173).
Die Freunde des Nachdrucks führten vor allem zwei Argumente gegen den Besitz von Ideen an. Zum einen verwiesen sie auf die Tradition der mündlichen Rede und des Manuskripts, der die Idee einer Nutzungs- bzw. Vervielfältigungskontrolle vollkommen fremd gewesen war. In diese Tradition stellte Knigge auch das Drucken: "Drucken ist nichts mehr, als öffentlich nacherzählen; Oeffentlich nacherzählen darf ich alles, was öffentlich ist gesagt worden", folglich ist "Schriftstellerey also öffentliche Mittheilung der Gedanken; gedruckte Unterhaltung; laute Rede, an Jedem im Publico gerichtet, der sie hören will; Gespräch mit der Lesewelt" (Knigge, zit. n. Bosse 1981a, 17f).
Weil die gedruckte Schrift nur eine Variante des Vortrags ist, erscheint der Nachdruck bei Knigge als bloßes Weitertragen dessen, was ohnehin schon gesagt worden und somit öffentlich ist. Je verbundener sich die Literati der volkssprachlichen Erzähltradition des Schreibens fühlten, desto näher standen sie auch der Überzeugung, dass sich Ideen nicht im gleichen Sinne besitzen lassen wie physische Güter. "Ein ausgegebenes Buch", so der Philosoph Krause in Anlehnung an Wieland, "ist ein ausgeplaudertes Geheimnis. Mit welchem Rechte will ein Mensch mehr Eigenthum an seinen geschriebenen, als seinen gesprochenen Gedanken haben? Mit welchem Rechte will ein Prediger den Nachdruck seiner Reden verbieten, da er nicht verhindern kan, daß jeder seiner Zuhörer seine ganzen Predigten nachschreibt?"; "ich kan den geistigen Stof des Buches lesen, lernen, abkürzen, erweitern, lehren, übersezen, darüber schreiben, lachen, ihn tadeln, verspotten, gut und bös anwenden, kurz, damit machen, was ich nur immer will; und nur abschreiben oder abdrucken solte ich ihn nicht dürfen? " (Krause zit. n. Bosse 1981a, 53).
Krause und seine Mitstreiter legten den Finger auf eine offene Wunde der Verleger. Voller Spott stellten sie die konzeptionellen Ungereimtheiten in den Argumenten gegen den Nachdruck öffentlich bloß. Der Grund für diese Ungereimtheiten lag freilich nicht nur in der Natur des Vorhabens, den Handel mit gedrucktem Wissen unter Kontrolle zu bekommen. Diese erklärten sich auch aus dem Umstand, dass es keine etablierten Normen und folglich wenig Plausibilitätsvorräte gab, an die ein solches Projekt anknüpfen konnte. Dass sich geistige Werke über einzelne physische Buchkopien hinaus tatsächlich besitzen lassen war ein Gedanke, der gegen jahrhundertealte Auffassungen und Gewohnheiten durchzusetzen war. Das Befremden darüber zeigt sich auch in Kants herablassender Bemerkung über die Reglementierung des Nachdrucks: "Denn die verwunderliche Vorstellung, als ob der Verfasser mit jedem Buchexemplar an das Volk spreche, so dass ihn der Nachdrucker unerlaubt an die Menschheit sprechen lasse, ist keinem juristischen Boden entsprungen, sondern die abenteuerliche Ausgeburt eines unjuristischen Genius" (Kant, zit. n. Bosse 1981a, 130). Was Kant freilich übersah war, dass selbst unjuristischem Boden entsprungene, abenteuerliche Vorstellungen durchaus juristische Fundierung gewinnen können, wenn es denn ausreichend Zeit gibt, sich an diese zu gewöhnen.
Der zweite Einwand gegen die Verleger bestritt die prinzipielle Möglichkeit immateriellen Eigentums. Denn Geistesgut erfüllte offenkundig nicht die Bedingungen, die sich an materiellen Besitz stellen lassen. So fiel die Vorstellung schwer, wie immaterielle Dinge hinreichend von einander abgegrenzt werden könnten: "But the property here claimed is all ideal; a set of ideas which have no bounds or marks or whatsoever, nothing that is capable of visible possession, nothing that can sustain any of the qualities of incidents of property", argumentierte der britische Richter Joseph Yates im Jahr 1769 (zit. in Rose 1994, 34) gegen den Anspruch auf geistiges Eigentum, den er konsequenterweise als Bedrohung traditioneller Eigentumstheorien wahrnahm. Weil sich der "geistige Stoff" nur schwer gegen anderen geistigen Stoff abgrenzen lässt, fällt überdies seine Zuordnung zum korrekten Eigentümer schwer. Denn es schien – dem Buchdruck zum Trotz - kaum möglich zu ermitteln, wer einen Gedanken zuerst geäußert und in Umlauf gebracht hat. Sobald Ideen jedoch erst einmal zirkulieren, verwandelten sie sich nicht unwiderruflich in Allgemeingut, so dass etwaige Eigentümerprivilegien dahinschwinden? "Mein Eigenthum muß ausschliessend mein sein; ich muß es ganz weggeben, ganz zurücknehmen können. Man beschreibe mir, wie das in unserem Fall möglich ist. Man nehme einmal die Ideen, die man erfunden hat, sobald sie einmal mitgetheilt sind, wieder zurück, so dass sie, wie vorher, nirgends gefunden werden!" (Krause, zit. n. Bosse 1981a, 53).
Aus Sicht der Verteidiger des Nachdrucks fehlte es dem "geistigen Stoff" somit an den notwendigen Voraussetzungen, um sich als Eigentum zu qualifizieren. Zudem bemaß sich dessen Wert doch gerade an der Zahl der Menschen, die sich diesen aneigneten und nutzen: "Gerade um den geistigen Stof auf alle Art zu benutzen, kaufen die mehrsten die Bücher; Pfefferhändler, Häringsweiber u. dgl. und – Nachdrucker ausgenommen, doch leztere nur des Spasses wegen" (Krause, zit. n. Bosse 1981a, 53).
Die Verleger begnügten sich selbstredend nicht damit, den Nachdruck als Diebstahl anzuprangern. In England, wo die Stationers' Company vor Gericht ihr zeitlich limitiertes Druckmonopol gegen die Konkurrenz in den Provinzen Schottland und Irland verteidigte, beriefen sich die Juristen auf John Locke's Naturrecht. In der für geistiges Schaffen adaptierten Variante erwarb der Literat das Recht an seinem Werk durch den Einsatz seiner Geisteskraft. Wie der Bauer das Feld, so bestellte der Dichter seine Geistesgaben, um aus dem allgemeinen Ideenvorrat individuelle Werke zu destillieren:
"In this various world, different men are born to different fortunes: one inherits a portion of land; he cultivates it with care, it produces him corn and fruits and wool: another possesses a fruitful mind, teeming with ideas of every kind; he bestows his labour in cultivating that; the produce is reason, sentiment, philosophy. It seems but equitable, that a fair exchange should be made of these goods: and that one man should live by the labour of his brain, as well as another by the sweat of his brow" (Enfield, zit. n. Rose 1994, 38).
Auch Young hatte den Geist des Dichters mit einem fruchtbaren Feld verglichen und die Ernte als Eigentum des Genieautors betrachtet. In der naturrechtlichen Lesart war der ideenreiche Verstand eine Art individuelle Mitgift der Natur. Eigentümlich geschichtslos und gesellschaftsfrei scheint ein jeder Autor seinen Verstand zu kultivieren. Vernunft, Gefühl oder Weisheit bilden dann personenbezogenen Tauschgüter, die durch die Arbeit des Ersinnens, Komponierens und Aufschreibens gewonnen wurden. Diese Leistung gab dem Denker das Recht an dem, was er zu Papier brachte – an seinem Werk, wohlbemerkt, nicht an den einzelnen Ideen, die darin enthalten sein mochten: "The subject of the property is a written composition" (Hargrave zit. n. Rose 1994, 48).
Francis Hargrave, der Rechtsbeistand der Londoner Buchhändler, argumentierte gegen den Einwand der Skeptiker, Ideen ließen sich nicht in gleicher Form besitzen und veräußern wie der Sack Getreide, dass sich Werk und Besitz des Autors nicht nur auf die Ideen darin beziehen, sondern auf die gesamte Schrift. Das Werk als solches verkörpere die Persönlichkeit des Autors, aus der sich die Besitzansprüche ableiten. "A work of literature belonged to an individual because it was, finally, an embodiment of that individual. The basis of literary property, in other words, was not just labour but 'personality' (Rose 1994, 47).
Die individuelle Originalität, die Einzigartigkeit in der Kombination und dem Ausdruck von Gedanken ist es, für die die Stationers' Company im Namen der Literaten Eigentumsrechte geltend machte. Zu diesem Zweck ersannen die Juristen ihrerseits eine originelle Mischung aus naturrechtlichen Prinzipien und ästhetischen Anleihen beim Geniekult. Demnach gründeten die Eigentumsrechte des Autors und der daraus abgeleitete Warencharakter geistiger Güter paradoxerweise in ihrer Subjektivität.14
Der Geniekult der Romantik erwies sich als geeignete "Plausibilitätskulisse" für die Interessen der Verleger wie auch der Schriftsteller. Die Ablösung des traditionell mechanischen durch ein organisches Verständnis kreativen Schreibens und die Mystifikation literarischer Originalität (Rose 1994) hatten auch in Deutschland, wo das Locke'sche Naturrecht in der Debatte um den Nachdruck keinen vergleichbaren Einfluss ausübte, erhebliche Wirkung.
Der deutsche Diskurs über das Eigentum des Genieautors hob die Unveräußerlichkeit und Unübertragbarkeit des persönlichen Ausdrucks hervor. "Ideen und Sprache", so der Philosoph Gottlob August Tittel, "lassen sich nicht von Seele zu Seele überführen. Mittheilung findet hier statt; aber kein wirklicher Uebertrag" (zit. n. Bosse 1981a, 60). Während materielle Güter in einem zufälligen Verhältnis zur unserer Person stehen stehen und daher vollständig an einen anderen Eigentümer übertragen werden können, so Tittel weiter, bildet das geistige Eigentum einen unauflösbaren und notwendigen Zusammenhang mit "der hervorbringenden, individuellen, geistigen Kraft" (ebenda).
Dieser 1790 veröffentlichte Text vollbrachte das Kunststück, den nun schon geläufigen Vergleich zwischen materiellen und immateriellen Formen des Eigentums argumentativ so zu wenden, dass immaterieller Besitz als der Persönlichere, Hochwertigere und wenn man so will, Eigentümlichere abschnitt. In dieser Totalität formuliert warf das Konzept geistigen Eigentums freilich das Problem auf, dass die Unterscheidung zwischen mitteilbarem das heißt auch: veräußerungsfähigem - und dem unauflösbar persönlichen Geist nicht erkennbar war.
Die praktische Lösung für die Eigentumskrise am Büchermarkt legte 1793 schließlich Johann Gottlieb Fichte mit seinem "Beweiss der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" vor. Fichte verdankt das Urheberrecht die Unterscheidung zwischen dem physischen Buch, den darin enthaltenen Gedanken und Ideen sowie der Form dieser Ideen. Während das Buchexemplar Eigentum des Käufers wird und der Käufer die darin enthaltenen Ideen zu seinen eigenen machen kann, ist deren geistige Form unveräußerlicher, ausschließender Besitz des Autors:
"Da nun reine Ideen ohne sinnliche Bilder sich nicht einmal denken, vielweniger anderen darstellen lassen, so muss freilich jeder Schriftsteller seinen Gedanken eine gewisse Form geben, und kann ihnen keine andere geben als die seinige, weil er keine andere hat; aber er kann durch die Bekanntmachung seiner Gedanken gar nicht Willens seyn, auch diese Form gemein zu machen: denn niemand kann seine Gedanken sich zueignen, ohne dadurch, dass er ihre Form verändere. Die letztere also bleibt auf immer sein ausschließendes Eigenthum." (Fichte zit. nach Bosse 1981, 61).
Am Ende des 18. Jahrhunderts konnte der Literat also gar nicht mehr anders als Wissen in Form von geistigem Besitz zu schaffen. Sobald er Ideen Dritter aufnahm und nach Analogie der eigenen "Denkart" verarbeitete, transformierte er diese in einen Ausdruck, dessen Eigentümer er nun unausweichlich wurde. Wenn man bedenkt, dass Eigentumsansprüche an Wissen noch wenige Jahrzehnte zuvor unbekannt waren, viele Schriften anonym publiziert wurden und Honorare gar Schamgefühle auslösten, dann ist es gerechtfertigt, von einem Bruch in der öffentlichen Wahrnehmung und Regulierung von Wissen zu sprechen (vgl. Woodmansee 1984, 442). Besonders sichtbar wird dieser Bruch natürlich an der Frage des Geistigen Eigentums, tatsächlich reicht er jedoch weit darüber hinaus. Mit der Durchsetzung des romantischen Autorenkonzepts wurde auch das tradierte Verständnis der Wissenserzeugung auf den Kopf gestellt. Die mittelalterlichen Praktiken des Weitererzählens, des Kompilierens, Übersetzens und Nachahmens haben nach der Heiligsprechung individueller Originalität ihren sozial anerkannten Platz verloren. Daraus lässt sich selbstredend nicht der Schluss ziehen, die Praxis der Wissenserzeugung und –verbreitung habe sich im gleichen Maße revolutioniert wie ihre gesellschaftliche Wahrnehmung. Im Gegenteil, es liegt nahe anzunehmen, dass Imitation und Anverwandlung bis heute bestimmende Produktionsprinzipien des fruchtbaren Geistes sind:
"The very act of authorship in any medium is more akin to translation and recombination than it is to creating Aphrodite from the foam of the sea. Composers recombine sounds they have heard before; playwrights base their characters on bits and pieces drawn from real human beings and other playwrights' characters; software writers use the logic they find in other software; lawyers transform old arguments to fit new facts [] all engage in the process of adapting, transforming, and recombining what is already 'out there' in some other form. This is not parasitism: it is the essence of authorship. And, in the absence of a vigorous public domain, much of it would be illegal" (Litman 1990, 966).
Während die Romantik und der Geniekult nach wenigen Jahrzehnten ihre Anziehungskraft verloren, haben die Mystifizierung des Autors und die Personifizierung von Kreativität ein Eigenleben entwickelt. Mehrere Industriezweige und unzählige Anwaltskanzleien leben von der nicht eben trennscharfen Unterscheidung zwischen der Idee als Allgemeingut und ihrer Form als Privatbesitz. Litmans Feststellung über die essentielle Bedeutung der public domain für die tradierte Nachahmungs- und Adaptionspraxis ist zuzustimmen; nicht nur weil das Auseinanderfallen von Realität und Rechtslage die Gefahr der Illegalität mit sich bringt, sondern auch, weil sich am Zugang zum gesellschaftlichen Vorrat von Weisheit, Wahrheit und Witz dessen Neukombinationsmöglichkeiten bemessen.
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
1 Der Mediävist Marc Schneiders, dem ich für die Torpedierung vorschneller Thesenbildung danken möchte, hat diese Problematik anhand vieler Gegenbeispiele demonstriert. Eines davon ist in Fußnote 4 wiedergegeben.
2 Das Modell der parallelen Manuskripterstellung breitete sich ab dem 12. Jahrhundert auch in kommerzieller Form aus. In den Universitätsstädten begannen Buchhändler Laienkopierer zu beschäftigen (vgl. Eisenstadt 1980, 12f.).
3 Das galt offenbar auch für die naturwissenschaftliche Forschung: "Hunting for medical manuscripts was a form of medical research" (Sarton, zit. n. Eisenstein 1980, 194).
4 Ein eindrucksvolles Gegenbeispiel stellt die 1532 von Manus O'Donnell aufgeschriebene Geschichte über den 597 verstorbenen Columcille (Columba) aus Irland dar. Columcille hatte, ohne um Erlaubnis zu fragen, ein heiliges Werk kopiert. Finnen, der verärgerte Eigentümer, und Columcille trugen ihren Streit dem König von Irland vor. Dieser entschied zugunsten des Eigentümers und gegen das von Columcille beanspruchte Recht, die heiligen Worte abschreiben und verbreiten zu dürfen: "To every cow her young cow, that is, her calf, and to every book its transcript. And therefore to Finnen belongeth the book though hast written, O Columcille." Die Folge war ein Stammeskrieg zwischen den Sippen des Königs und Columcilles. Diese Geschichte ist vor dem 16. Jahrhundert entstanden und belegt Marc Schneiders zufolge, dass das Kopieren von Werken im mittelalterlichen Europa nicht, oder zumindest nicht überall, wie hier behauptet, eine selbstverständliche, allgemein akzeptierte Praxis war (vgl. O'Kelleher & Schoepperle 1918).
5 Lessing etwa stellte sich im Jahr 1762 gegenüber dem Schriftsteller Lichtwehr, dessen Fabeln er editiert hatte, auf den Standpunkt, es stehe jedem frei, einmal öffentlich herausgegebene Schriften "nach seiner Einsicht zum Gebrauch des Publikums bequemer einzurichten" (ders. zit. n. Haferkorn 1964, 629).
6 "Why did no one in Renaissance England, apparently including Shakespeare himself, consider the life of 'England's National Poet' a narratable one?" fragt Pask (1996, 2).
7 Es ist nicht ohne Ironie, dass Giesecke (1998, 317) und Katsh (1998, 178) beide diese Passage zitieren, sie jedoch unterschiedlichen Quellen zuordnen. Giesecke übersetzt E.P. Goldschmidt (1943), Katsh stützt sich auf Daniel Boorstin (1985). Nicht nur diese Anekdote spricht dafür, dass die Zäsur des Buchdrucks in der Ordnung von Wissen gelegentlich überschätzt wird.
8 Der Text von Foucault "What is an author" liegt in unterschiedlichen Fassungen vor, die auf zwei Vorlesungen zurückgehen. Hier werden zwei englische Versionen von 1977 und 1984 zitiert.
9 Für den Reichstag zu Augsburg vgl. Giesecke 1998, 455ff; über die französische Zensur im gleichen Zeitraum vgl. Chartier 1994.
10 Nebenbei bot das "unpersönliche Optimum sprachlicher Form" (Langen zit. n. Haferkorn 1964, 658) auch Schutz vor Zensur.
11 Schreiben und Lesen wurden nun auch gelehrt, um die Menschen zum Lesen und mithin als konsumierendes Publikum zu befähigen (vgl. Bosse 1981b, 127f.), allerdings zunächst hauptsächlich in protestantischen Gegenden. Da die katholische Kirche nicht-lateinische Ausgaben der Bibel verbot und Luther auf den Index gesetzt hatte, vollzog sich die Alphabetisierung in den katholischen Gegenden langsamer (vgl. Eisenstein 1980, 415).
12 Klassische Werke wurden in der ersten Leihbibliothek in Leipzig in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dagegen selten verlangt (Haferkorn 1964, 616).
13 Offenbar endeten die Subskriptionsversuche nicht selten in "Sammelpatronage". Zu den zweifelhaften Wirkung dieser Befreiungsmaßnahme vgl. Haferkorn 1964, 644.
14 Rose (1994, 48ff.) hat die Widersprüche in dieser Argumentation im Detail aufgezeigt.