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Verkennung des revolutionären Subjekts?

Vor einiger Zeit rezensierte Franz Schäfer mein Buch “Copyright und Copyriot” auf der Homepage der “Linken Ottakringer Grundorganisation”. Er schrieb darin u.a.: “Leicht getrübt wird das Bild dieses excellenten Buches dadurch, dass Sabine bei dem Versuch aufzuzeigen, wo die AktivistInnen der Freien Software und FilesharerInnen in den Kategorien der kapitalistischen Welt verhaftet bleiben, durchaus auch etwas über ihr Ziel hinausschiesst.” Franz ist der Meinung, dass ich das revolutionäre Potential der AktivistInnen von Freier Software und FileSharing verkenne, bzw. zu negativ zeichne. Da er mit dieser Kritik nicht alleine steht, blogge ich hier einen Auszug aus der österreichischen Zeitschrift Malmoe, die das nochmal genauer wissen wollte. Das Interview steht nun online. Der betreffende Auszug daraus lautet:

Malmoe: “Besteht nicht, wie Franz Schäfer in früheren Ausgaben der MALMOE und auch in einer Rezension ihres Buches behauptet, Hoffnung dass sich Menschen, deren Praxis quer zur herrschenden kapitalistischen Funktionslogik steht, mit dieser in Konflikt geraten, und sich gerade daran politisieren?”

Sabine Nuss: “Ich kann doch keiner Praxis ihr Politisierungspotential absprechen - Potential bedeutet hier ja nur “Möglichkeit”. Ich kann mich noch erinnern, dass zu meiner Politisierung unter anderem die gemeinsamen Aktionen in der katholischen Jugendgemeinde beitrugen, die für sich gesehen nicht gerade revolutionär waren. Denkbar ist ja sogar, dass sich Leute gerade über völlig systemkonforme Praxen politisieren, zum Beispiel über den Irak-Krieg oder Hartz-Reformen. Was ich damit sagen will: Es ist im Voraus überhaupt nicht zu entscheiden, was Leute politisiert und was nicht. Das ist höchst zufällig und individuell. Warum soll Freie Software hier besonders privilegiert sein? Nur, weil ihre Produktionsweise für kapitalistische Verhältnisse atypisch ist? Üblicherweise heißt es auf Seiten der Verfechter von Freier Software (wenn sie nicht eh schon kapitalismus-kritisch sind), dass diese spezielle Eigentumsform nur möglich ist, weil es sich um ein immaterielles und damit nicht-knappes Gut handelt. Das heißt ja im Umkehrschluss: In der materiellen Welt ist Privateigentum notwendig, weil hier die Güter knapp sind. Deshalb war es mir ja so wichtig, das herrschende Eigentumsverständnis zu untersuchen. Das ergab, dass sowohl die Kritiker des Geistigen Eigentums als auch die Befürworter auf Basis der gleichen theoretischen Vorannahmen argumentieren. Ich bezweifle daher, dass sich Menschen in der Auseinandersetzung mit Freier Software besser politisieren als in der katholischen Jugendgemeinde.”

10 Kommentare zu “Verkennung des revolutionären Subjekts?”

  1. keimform.de

    Vergesst die Kopierbarkeit!…

    Sabine Nuss betont in ihrem Blog nochmal, warum ihr die in und um die Freie-Software-Szene üblichen Analysen zu kurz greifen:
    Üblicherweise heißt es auf Seiten der Verfechter von Freier Software (wenn sie nicht eh schon kapitalismus-krit…

  2. Kommentare aus der AMAZONAS-Box

    Politisierung, aber wo?…

    eigentlich grad anderweitig beschäftigt, trotzdem ;-)
    Da stoße ich auf ein Interview mit der Bloggerin, und muß gleich zitieren:
    Ich bezweifle daher, dass sich Menschen in der Auseinandersetzung mit Freier Software besser politisieren als in der kat…

  3. franz schaefer

    Sind die VerfechterInnen Freier Software das revolutionäres Subjekt?

    Ganz sicher nicht “das” revolutionäre Subjekt. Der Kampf um freie Software ist nur einer von vielen Kämpfen die entlang der Widersprüche des kapitalistischen Systems ausgetragen werden und nur eine von vielen Möglichkeiten sich zu politisieren. Dass es allerdings “höchst zufällig” ist wie Sabine schreibt was Leute politisiert oder nicht würde ich nicht unterschreiben. Dass es “individuell” verschieden ist welcher der vielen Widersprüche im System für einzelne Menschen im Vordergrund steht allerdings
    schon.

    Was macht etwas zu guter Möglichkeit sich zu politisieren? Dass überhaupt ein Widerspruch vorhanden ist, ist wohl die wichtigste Voraussetzung. Dass eine Differenz besteht zwischen dem wie es ist und wie es besser sein könnte. Die katholische Jugendgemeinde ist hier insofern gar nicht so schlecht weil dort einerseits der Anspruch auf eine “andere Welt” gepredigt wird und andererseits die Kirche tief darin verstrickt ist die Widerwärtigkeiten des Systems aufrecht zu erhalten und zu fördern.

    “Die Widersprüche sind unsere Hoffnung” (Brecht).

    Die “Qualitität” der Widersprüche, ihre Tauglichkeit für die Politisierung, bemisst sich daran wie groß und wie sichtbar sie sind. Manche Widersprüche sind dabei vielleicht groß (bedeutend) aber weitegehend aus dem Bewusstsein verdrängt und fallen in der bürgerlichen Hegemonie kaum noch auf. Andere sind vielleicht nicht so lebenswichtig aber immerhin noch Anlass aktueller Auseinandersetzungen.

    Der anderes Unterscheidungsmerkmal ist wie “nahe” die Widersprüche an dem sind was wir Linke als Kernwidersprüche sehen. Wie nahe sie an den Produktionsverhältnissen, den Eigentumsverhältnissen und den partriarchalen Herrschaftsstrukturen sind.

    Betrachten wir den Kampf um Freie Software und gegen verschiedenste Formen so genannter “geistiger Eigentumsrechte” unter diesen Gesichtspunkten: Die Sache ist relativ neu und viele Menschen haben sich noch nicht wirklich eine Meinung dazu gebildet. Den Menschen die MP3s im Internet tauschen fehlt
    weitgehend ein Unrechtsbewusstsein dafür. Die Widersprüche sind hier noch besser sichtbar als die durch konventionelles Eigentum hervorgerufenen. Das eine ist Teil der “bürgerlichen Normalität” das andere frisch umkämpftes Terrain. Im Vergleich mit z.b. dem Irakkrieg hat die Frage der “geistigen Eigentumsrechte” den Vorteil, dass sie näher an den Produktions- und Eigentumsverhältnissen ist. Der Krieg lässt sich noch leichter als eine moralische Fragestellung abtun als z.b. die Frage nach den Software Patenten.

    In so fern ist der Konflikt rund um die “geistigen Eigentumsrechte” für uns durchaus ein wichtiger. Der Schritt vom mangelnden Unrechtsbewusstsein beim MP3 Tausch zum in Frage stellen von bürgerlichem Eigentum ganz generell ist natürlich für viele nicht leicht. Sabines Buch leistet hierzu allerdings einen extrem Wertvollen Beitrag. Wichtig ist es daneben auch die einzelnen Widersprüche des Systems zueinander in Beziehung zu setzen. Geistige Eigentumsrechte, der Hunger in der Welt, Krieg, Überwachunsstaat, Klima Katastrophe, Hartz VI, etc..

    Der erste Schritt auf dem Weg zur SystemkritikerIn ist einen der Widersprüche zu erkennen. Der zweite Schritt ist es von da aus zu dem Punkt zu gelangen wo man/frau das System als ganzes in Frage stellt. Im Bereich Freier Software und Filesharing haben viele bereits den ersten Schritt getan. Der zweite wird durch Sabines Buch hier zwar erleichtert ist aber dennoch nicht zu unterschätzen. Die Nicht-Knappheit der Informationsgüter ist leicht durschschaubar: Ich verschiebe ein File auf meiner Festplatte in den publich_html ordner und schon ist es potentiell für die ganze Welt verfügbar. Die Schaffung von Knappheit in der materiellen Welt zu durschaun bedarf dagegen eine sehr tiefgreifende Analyse sehr komplexer gesellschaftlicher Zusammenhänge.

    Niemand kommt zum zweiten Schritt ohne den ersten getan zu haben. Wenn ich also das Ziel habe dass möglichst viele Menschen den zweiten Schritt schaffen muss ich auch möglichst vielen Menschen den ersten Schritt ermöglichen. Insofern ist es einerseits nützlich die leichte Vervielfältigbarkeit von immateriellen Gütern als Besonderheit hervorzustreichen (macht vielen einen ersten Schritt leichter) andererseits mache ich damit denen, die den ersten Schritt schon geschafft haben, den zweiten Schritt schwieriger.

    Sabine kritisiert, dass “Kritiker des Geistigen Eigentums als auch die Befürworter auf Basis der gleichen theoretischen Vorannahmen argumentieren”. Wer an der Stelle arbeitet um Menschen zu helfen den ersten Schritt zu tun muss zwangsläufig auf einer Ebene argumentieren die sicht nicht zu weit von dem entfernt was dem bürgerlichen Alltagsverstand zugänglich ist.

    Das pratkische ist ja: um Widersprüche in einem System aufzuzeigen brauchen wir nicht ausserhalb des Systems argumentieren. Im Gegenteil: Gerade um den Menschen die innerhalb eines theoretischen Systems argumentieren die Widersprüche glaubhaft zu machen müssen sie sogar innerhalb des Systems aufgezeigt werden. Erst zum Auflösen der Widersprüche ist es notwendig das System zu verlassen.

    Problematisch wird es nur dort wo sich die Argumentationen zwischen ersten und zweitem Schritt widersprechen. Dort beginnen Populismus und Verkürzte Kapitalismuskritik: http://logo.kpoe.at/news/article.php/2006vk

    Wir können uns natürlich auf den Standpunkt stellen und sagen: Die Widerprüche im neoliberalen Kapitalismus sind ohnehin schon so vielfältig und offensichtlich, dass das Schwergewichtu unserer Arbeit im zweiten Schritt bestehen muss: Die Verschiedenen Widersprüche in Beziehung zueinadner zu setzen und daraus eine umfassende Systemkritik abzuleiten. Dem würde ich zum Teil zustimmen. Wir dürfen aber nicht übersehen wie viele Menschen es noch immer gibt die Märchen der Herrschenden glauben. Die zwar sehen dass vieles schlecht ist, aber der Meinung sind, dass es keine Alternative gibt, etc..

    lg franz schaefer (mond)

  4. Christian

    Bemühter Restoptimismus

    Beim Lesen von „Copyright und Copyriot“ stolperte ich über die Stelle, an der es heißt: „Einen subversiven Charakter könnte man Freier Software beimessen. Freie Software erlaubt die I l l u s t r a t i o n einer möglichen nicht-kapitalistischen Produktionsweise und macht das herrschende Eigentumsparadigma hinterfragbar.“ Es folgen dann noch ein paar Einschränkungen, nämlich dass dieses Hinterfragen auch stattfinden müsse und dass die Frage, welches Beispiel die Spezialwelt der Softwareentwicklung einer an Fabriken und Maschinen gebunden Produktion etwa von Autos geben könne, auch noch zu klären sei. Aber als ich im zehnten Kapitel des Buches an die zitierte Stelle gelangte, war ich nichts desto trotz verwundert, woher dieser bemühte Restoptimismus kommt.
    Bemühter Restoptimismus ist die Aussage, weil im Buch zuvor erläutert wird, dass es mit der nicht-kapitalistischen Produktionsweise gar nicht so weit her ist, wie es der alltäglich Mythos will. Die mit Freier Software entwickelten Formen der Zusammenarbeit sind längst selbst schon zum Geschäftsmodell geworden, dass sich genauso nahtlos in den kapitalistische Produktionszyklus einfügt, wie die Software als Produktionsmittel für alles mögliche taugt. Genau für diese Entwicklung liefert das Buch Beispiele.
    In der hier geführten Diskussion wird nun die mangelnde Euphorie in diesem Restoptimismus beklagt. Im Keimformblog wird genau diese neue Produktionsweise als interessant gefeiert. Dabei heißt es im Buch völlig zu recht, schon allein wegen der Beschränkung des mit ihr Produzierbaren könne die Freie Softwareentwicklung keine Keimform sein. Aber offensichtlich liest hier jeder, was er gerne lesen will.
    Und Franz Schäfer sieht den ersten Schritt zur Kapitalismuskritik mit dem illegalen Tausch von MP3s getan. Hier zeige sich ein Widerspruch im Kapitalismus. Aber worin soll ausgerechnet hier der Widerspruch liegen, der sich in der restlichen Warenwelt nicht zeigt? Weil MP3s so leicht zu kopieren sind, aber dieses leichte Kopieren gegen geistige Eigentumsrechte verstößt? Das ist doch bitte kein Widerspruch. Natürlich sind MP3s leicht herzustellen – aber worauf es ankommt ist doch bei jeder Produktion nicht allein der letzte Schritt. Natürlich will die Musikindustrie das Geld nicht dafür, dass sie die Kopien herstellt, sondern für die Produktion der Musik, die kopiert wird, aber selbst nicht so leicht herzustellen und im Markt zu platzieren ist. Das wissen auch die Leute, die MP3s kopieren. Dass sie trotzdem kein Unrechtsbewusstsein haben, liegt daran, dass die Menschen alles klauen, was sie straflos klauen können. Auch beim Diebstahl von Obst, Feldfrüchten oder Holz für den Eigenbedarf hat kaum jemand ein schlechtes Gewissen. Hier wird nicht gekämpft, sondern sich genommen, was geht. Wenn’s dann nicht mehr geht, hatte man wenigstens so lange wie möglich seinen Spaß.
    In einer Welt in der täglich die Überproduktion von Nahrungsmitteln mit Verhungernden koexistiert, in der lebensnotwendige Medikamente nicht für einen Massenmarkt zur Verfügung gestellt werden, um die Preise nicht zu verderben, erscheint es mir geradezu obszön, dass ein Verbot des Tauschs von Musikdateien in Menschen das Bewusstsein für die Konstruktionsfehler des Kapitalismus wecken könnte. Eine solche Argumentation verdeutlicht nur aufs neue den bornierten Charakter, den die Auseinandersetzungen um Filesharing und Freie Software haben.
    Damit zeigt die Diskussion, was auch Gegenstand der Kritik von „Copyright und Copyriot“ ist. Die Debatten um das emanzipatorische Potential des Internets greifen zu kurz. Sie tragen in ihrer ganzen Konstruktion nur dazu bei, dass eine grundlegende Ebene der Kritik am Kapitalismus gar nicht erreicht werden kann. Sei es weil sie Eigentumsverhältnisse nur im engen Rahmen der digitalen Güter problematisieren. Sei es, weil sie die neuen Formen der Produktion als genauso emanzipatorisch feiern, wie die Kommunebewegung der Siebziger ihre alternativen Modelle, die dann dazu führten, dass in der Automobilindustrie Arbeitsgruppen mit Selbstverantwortung gebildet wurden und bei Lego alle Beschäftigten auch Produkte entwickeln dürfen, wenn sie wollen. Sei es schließlich, weil in jedem Akt der Aneignung, der nicht durch Geld vermittelt ist, schon die Sehnsucht nach dem Kommunismus vermutet wird.
    Statt weiter solchen Vorstellungen anzuhängen fände ich es sinnvoller, die Auseinandersetzungen um geistige Eigentumsrechte und die Kopiermaschine Internet als Anpassung des Kapitalismus an neue Mittel und Felder der Produktion anzusehen. Solche Anpassungen brauchen immer auch gesellschaftliche Kräfte, die das gesamtgesellschaftliche Interesse gegen die Interessen von Einzelkapitalen verteidigen. Das ist nicht schlimm, hat aber mit Emanzipation so wenig zu tun, wie es der Vorschein einer revolutionären Erhebung ist.

  5. Benni Bärmann

    @Christian: In meiner Perspektive geht es nicht darum, ob Freie Software eine kapitalistische oder eine nicht-kapitalistische Produktionsweise ist. Wie soll es innerhalb des Kapitalismus eine nicht-kapitalistische Produktionsweise geben? Deswegen sind alle Analysen die genau aufzeigen wie Freie Software in den Verwertungsprozess eingebunden wird sicher interessant und gerade gegenüber überschäumender Begeisterung mancher sicherlich nicht falsch, jedoch eigentlich eh klar, alles andere wäre doch sehr verwunderlich.

    Dennoch ist die Praxis Freier Software interessant, weil sie zeigt, dass Selbstorganisation im globalen Massstab konkurrenzfähig ist. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Ich finde das schon ziemlich viel und ich finde auch, dass es mit Emanzipation ziemlich viel zu tun hat.

  6. unkultur

    Ein paar Überlegungen zum Begriff der “Selbstorganisation”: Wodurch unterscheidet sich diese von ihrem Gegenteil? Und was soll hier das Gegenteil sein? “Fremdorganisation”, d.h. die Produzenten arbeiten für einen Dritten, dem die Produktionsmittel gehören? Als einzigen Effekt nennenswerten Effekt der Selbstorganisation sehe ich, dass die Produzenten direkt auf dem Markt die von ihnen hergestellten Waren anbieten, während zuvor im Fremdauftrag produziert wurde. Vorteil: der erwirtschaftete Mehrwert wird von den ArbeiterInnen selbst abgeschöpft. Nachteil: sie sind selbst zu Unternehmern geworden und dem Marktrisiko ausgesetzt, d.h. wenn nicht effizient genug produziert wird, gibt es eben keine Löhne bzw. Gewinnbeteiligung. “Konkurrenzfähig sein” heisst in diesem Fall, dass die Produzenten sich zu den Konditionen des Marktes zu verkaufen. Ich glaube vielmehr, dass Selbstorganisation heute eine Tendenz darstellt, die auf die totale Mobilmachung der Subjekte abzielt: unternehmerisches Denken wird in den Arbeitenden verankert. Dazu fällt der Chef und damit eine Adresse für Protest weg. In Zukunft dann gegen sich selbst streiken und sich selbst die “Löhne” kürzen. Besser? Wohl eher anders und einen Optimismus à la Negri/ Hardt (den Produzenten gehören die Produktionsmittel, eine Vorbedingung für den Kommunismus) kann ich schwerlich teilen. Das “können” ist eine Verklärung des Zwangs der Tauschgesellschaft.

    Kurz noch zum Rechtsverständnis beim Diebstahl: Das Unrechtsbewußtsein bei der Aneignung von nicht-digitalen Gütern unterscheidet sich meines Erachtens von dem digitaler: bei letzterem ist es noch common sense, dass eben “nur” ein File kopiert wird. Im Supermarkt kommen hingegen die wenigsten Menschen auf die Idee, dass eine Aneignung von Waren hier dem eigenen Rechtsverständnis nach legitim wäre. Eher scheint es als normal zu sein, dass man eben für die einen Waren zahlt, während die Produzenten anderer Waren leer ausgehen. Irgendjemand muss schließlich das Ausgangsfile produziert haben.

  7. OldCrow

    Wenn die Praxis Freier Software bloß zeigte, dass “Selbstorganisation im globalen Massstab konkurrenzfähig ist”, dann wäre das eher eine kapital- resp. marktaffirmative Aussage und damit das Gegenteil von Kritik. Die entscheidende Frage, die zu beantworten wäre ist die, ob die Menschen die kooperierte Produktion, zu der sie unter der zwingenden Logik der Kapitalverwertung getrieben werden, auch auf die Reihe bekommen, ohne ums Eigentum sowohl an den Produktionsinstrumenten wie an den Resultaten der Produktion auf den jeweiligen Märkten zu konkurrieren.

  8. Benni

    @Oldcrow: Ich versteh nicht was Du mir sagen willst. reibst Du Dich an der Wortwahl “konkurrenzfähig”? Dann nimm das von Christoph Spehr und Geert Lovink geprägte “auskooperieren”.

    @unkultur: Natürlich wird Selbstorganisation ausgebeutet. Aber sieh es mal andersrum: Warum ist das auf einmal nötig? Und: Ist das denn vollständig möglich?

  9. OldCrow

    @ Benni
    Ums ganz kurz zu fassen: Menschen produzieren stets gesellschaftlich, also selbst dann, wenn sie meinen, nur ihr meinetwegen [i]individuelles Eigentum[/i] zu fabrizieren. Eigentum für sich genommen ist kein Verhältnis zwischen der Person und der Sache sondern ein [i]ausschließendes[/i] Verhältnis zwischen Personen, gewissermaßen von vornherein anmaßend.

    Um Eigentum zu ‘legitimieren’ brachts entsprechende Instanzen, deren [i]Authorität[/i] sich in letzter Konsequenz auf Gewalt (Militär) und Wahn resp. [i]Ideologie[/i] (’Unrechtsbewußtsein’) stützt. Das biblische Gebot, ‘du sollst nicht stehlen’, gilt bloß deswegen ausschließlich für Menschen, weil man bspw. Mäusen fürs Käse ‘Klauen’ nicht mit der Hölle drohen kann.

    Wo die Maus den Käse entweder vorfindet oder sich anderes Futer besorgen muss, kooperieren die Menschen nach einem zuvor entwickelten Plan, um den Käse zu produzieren. Selbst der ‘Einzelbauer’ ist auf Arbeitsmitel angewiesen, die er so zu sagen ‘vorfinden’ muss, die er unter den gegebenen Verhältnissen als [i]Eigentum erwerben[/i] muss, [u]bevor[/u] er sie ‘legal’ dazu benutzen kann, diverse ‘Argraprodukte’ als sein Eigentum zu produzieren.

    Mit meinetwegen ‘immateriellen Gütern’ verhält es sich ähnlich. Sie überhaupt zu ‘Gütern’ zu deklarieren, bedarf es wieder der skizzierten Instanzen und diese wären ihrerseits nicht denkbar ohne das [i]’gesellschaftliche Produkt’[/i] Sprache.

    ‘Historisch’ ließe sich u.U. aufzeigen, dass je gößer der Grad der ‘Vergesellschaftung’ der Menschen, um so ‘produktiver’ ihre Produktion. Unter dem Primat des Eigentums gings dabei jedoch nie um ‘Emanzipation’. Vielmehr wurde die [i]Eigentumslosigkeit[/i] als [i]Zwangsmittel[/i] benutzt, die Eigentumslosen zu zwingen, [i]fremdes[/i] Eigentum zu vermehren. In vorkapitalistischen Epochen wurde der Zwang noch verhältnismäßig direkt ausgeübt (Sklaverei, Leibeigenschaft, Kasten etc), wäre allerdings ohne [i]ideologische ‘Unterfütterun’[/i] (Religionen) ebensowenig denkbar gewesen wie heutzutage als geldvermittelter.

    Konkurrenz ist so zu sagen die ‘Existenzweise’ gesellschaftlicher Wesen unter der Bestimmung des Eigentums. Dass diese Bestimmung sich auf ‘immaterielle’ gesellschaftliche Produkte nur mittels ‘administrativer Krücken’ (DRM, Kopierschutz etc einerseits; ‘Unrechtsbewußtsein’ andererseits) mehr schlecht als recht anwenden lässt, macht nur die Fragwürdigkeit des ganzen Konstrukts ‘an sich’ deutlich. Ohne Eigentum bspw. keine Trennung der Produktion vom Bedarf und vor allem kein ‘Wert’.

    D.h. bspw., wenn die Produktion (gleichgültig ob ‘materielle’ oder ‘immaterielle’) um des ‘Wertes’ willen stattfindet, wird von vornherein von jeglichem wirklichen Bedarf abgesehen, weil Bedarf nur als ‘zahlungskräftiger’ gültig ist. Die Konkurrenz ist praktisch die Spähre, in der die ‘Gültigkeit’ des Produkts an der ‘zahlungskräftigen Nachfrage’ gemessen wird. Den ‘Mehrwert’ könnten die ’selbstoragnisierten ArbeiterInnen’ sowenig ‘abschöpfen’ wie der Kapitalist. Der kann sich zwar allerhand Luxus ‘leisten’, nur ‘verprasst’ der eben keinen ‘Mehrwert’ sondern gibt Geld aus, das dann weg ist.

    Wenn ‘Selbstorganisation’ daher ein Kriterium für Konkurrenzfähigkeit ist, dann ist das also [i]systemkonform[/i]. Was das mit Emanzipation zu tun haben könnte, wüsste ich nicht zu sagen, außer man würde behaupten, die Verlierer der Konkurrenz hätten ihre Niederlage verdient o.s.ä. Von dem Standpunkt aus müsste man sich indes jegliches ‘Moralisieren’ bspw. über ‘Menschenrechte’ etc. verkneifen …

  10. Benni

    @oldcrow,unkultur: Wir reden völlig aneinander vorbei wie es scheint. Wenn ihr “Selbstorganisation” hört, dann scheint bei euch nur Selbstausbeutung möglich zu sein (sei es jetzt in der Variante des Alternativbetriebs oder in der des Selbstständigen). Selbstausbeutung funktioniert aber nur am Markt. Wenn wir einfach Selbstorganisiert “unser Ding” machen ohne uns um den Markt zu kümmern, kann uns auch niemand ausbeuten. Und nur so kann es ja auch was werden mit dem Kommunismus, wie denn sonst?

    Jetzt kommt ihr wahrscheinlich wieder damit, dass man ja trotzdem ausgebeutet werden muss um überleben zu können. Alles richtig, aber es gibt Spielräume und die kann man nutzen (oder es bleiben lassen).

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