0. Interaktion mit dem Buch-Interface
"Mit der Fusion von Technologie und Kultur hat es etwas Merkwürdige
auf sich. [...] Als James Joyce 1922 seinen Roman Ulysses veröffentlichte,
der alle unseren Erwartungen darüber revolutionierte, wie ein Buch
aussehen solle, war er da sehr viel anders als Gutenberg? Man konnte
es damals zwar nicht erkennen, doch Joyce war ein hochbegabter Techniker,
der mit seiner Buch-Maschine herumexperimentierte und sie Dinge tun
ließ, die sie noch nie zuvor getan hatte. Seine Zeitgenossen hielten
ihn für einen Künstler (oder einen Pornographen, je nachdem
mit wem man sprach), doch aus heutiger Sicht hätte er ebensogut
ein Programmierer sein können, der den Programmcode für eine
Satz- und Druck-Anwendung schreibt. Joyce schrieb die Software für
eine Hardware, die einst Johannes Gutenberg ersonnen hatte. Wenn man
den Blickwinkel umkehrt, bleibt die Analogie genauso gültig: Gutenbergs
umwälzende Erfindung, welche die vorhandene Manuskript-Technologie
revolutionierte, die auf Gänsekiele und Schreiber angewiesen war,
bleibt ein ebenso profunder schöpferischer Akt wie Molly Blooms
Schlußmonolog in Ulysses. Beide Innovationen waren das Ergebnis
aufregend einfallsreicher Sprünge nach vorn, und beide veränderten
unsere Sicht auf die Welt. Gutenberg baute eine Maschine, die Joyce
mit einigen innovativen Programmen frisierte, und Joyce brüllte
die Variation eines Themas hinaus, das ursprünglich Gutenberg zu
Papier gebracht hatte. Beide waren Künstler. Beide waren Techniker."[1]
1. Interaktion auf Papier
Steven Johnson spannt einen weiten Bogen von der Erfindung der Drucktechnologie
im 16. Jahrhundert bis zu die Einheit der Buchseite aufsprengenden literarischen
Experimenten moderner Literatur, um das Wechselverhältnis zwischen
Technologie und Kultur hervortreten zu lassen, das heutzutage ganz entscheidend
die medialen Konfigurationen unserer Kultur ebenso bestimmt, wie es
die kulturellen Prägungen technologischer Artefakte begründet.
Als Schnittstellen der Techo-Kultur gelten also mithin Benutzeroberflächen
auf Bildschirmen ebenso wie die Gestaltung von Interfaces in Texten
und Theorien auf ganz konventionellen Buchseiten[2].
Im folgenden sei in der Chronologie ihrer historischen Auftritte ein
kleiner Abriß solcher Experimente nicht-linearer Literatur gegeben,
um von dort aus die Praktiken aktueller - auch eigener - Netzliteratur
zu bestimmen: als gemeinschaftliche Interaktionen mit Texten in kulturellen
und sozialen Netzwerken.
Schon frühe Beispiele diverser sprachlicher Interaktionen (wie
Collagetechniken, Kombinatoriken, reader-response) nehmen wichtige Momente
des Umkippens[3] linearer Sprachverwendung
vorweg, die als eine Art Archäologie später einsetzender medialer
Transformationsprozesse gelesen werden können.
Andererseits können solche kulturellen Kodierungen in und mit Texten
kulturkritisch zur historischen Verortung angeblich vollkommen neuer
Paradigmen - etwa in der Medien- und Netzkunst - beitragen und somit
helfen, technokratische Mythen zu entzaubern, etwa die vermeintliche
Geburt der Netzkunst in den 90er Jahren durch die Entwicklung des ersten
WWW-Browsers.
1.1. Handgreifliche Interaktionen: Ausschneiden und Zusammensetzen
"nimm eine zeitung. nimm eine schere. suche einen artikel aus von der
länge des gedichts, das du machen willst. schneide ihn aus. dann
schneide jedes seiner wörter aus und tue es in einen beutel. schüttele
ihn. dann nimm einen ausschnitt nach dem anderen heraus und schreibe
ihn ab. das gedicht wird sein wie du."[4]
Eine solch radikale Gebrauchsanweisung, die an den Leser appelliert,
selbst spielerische Zufallskombinatoriken anzuwenden, um ein Gedicht
nach dadaistischer Manier zu erzeugen, fordert vom Leser das Unmögliche:
aus der passiven, bisweilen lustvollen und auch produktiven Lese-Aktivität
auf die Seite des Produzenten zu wechseln. Experimentelle Literatur
und Kunst war und ist voll solcher verlockenden Versprechen auf eine
Mitautorschaft der Leser. Und doch bleiben solche Manifeste und Konzepte
mit Anstiftungen zur Destruktion des Literatur- und Kunstbetriebs letztlich
eine rhetorischen Geste, weil die gesellschaftlichen und kulturellen
Produktions- und Rezeptionsformen derartige Überschreitungen verhindern.
Das Ausschneiden von Wörtern aus einem allgemein verfügbaren
Zeichenvorrat ist eben nur eine Verlängerung des lange bekannten
,Crossreadings`, das durch das Zeitungslayout mit seiner simultanen
Präsentation verschiedenster unzusammenhängender Materialien
geradezu herausgefordert wird, wie Lichtenberg es schon beschrieb: "Man
muss sich vorstellen, das Lesen geschehe in einem öffentlichen
Blatte, worin sowohl politische, als gelehrte Neuigkeiten, Avertissements
von allerlei Art u. s. w. anzutreffen sind: der Druck jeder Seite sei
in zwei oder mehrere Columnen geteilt und man lese die Seiten quer durch,
aus einer Columne in die andere."[5]
Kombinatorische Übungen, Umleitungen linearer Lesestrategien, sind
also schon industriell vorproduziert: eine Zeitungsseite ist selbst
schon collagiert - die vermeintlich dekonstruierende dadaistische Geste
erscheint als eine Überhöhung der Neukonditionierungen der
Leser durch massenmediale Formate. So zeigt gerade die Aufforderung
an den Leser zur Abschrift der Zufallskomposition genau auf, was dem
Leser fehlt: womit soll er schreiben, worauf soll er schreiben und wer
wird das je lesen?
Gleichsam als ironische Vertröstung und Aufforderung zur Solidarität
des Lesers mit den unverstandenen dadaistischen Autoren erscheint dann
auch der Schlußsatz dieser Gebrauchsanweisung: "[...] Ziehen Sie
darauf die Zettel einen nach dem anderen heraus und ordnen sie nach
der Reihenfolge. Kopieren Sie gewissenhaft. Das Gedicht wird ihnen gleichen.
Und Sie stehen als ein Schriftsteller von unübertrefflicher Originalität
und bezaubernder Sensibilität da, wenn auch vom großen Publikum
unverstanden."[6]
Unverstanden oder nicht: 1920 jedenfalls las Tristan Tzara einen Zeitungsartikel
als Gedicht vor und die dritte Nummer der Zeitschrift Dada brachte einen
Höhepunkt dieser produktiven Schnipselei:[7] "Typen jeder Art und Größe sind hier durcheinander
gewürfelt, Worte in alle Richtungen über die Seite verteilt,
bunte Papiere zwischen die weißen geschoben. Der Leser muss Blatt
um Blatt im Kreise drehen, um den Sinn oder Unsinn zu entziffern."[8]
1.2. Interaktionen des Lesens: affektive Sinnkonstitution
Der Akt des Lesens wird durch die dadaistische Typographie zu einer
ganz handgreiflichen Tätigkeit und läutet einen ganz entscheidenden
Paradigmenwechsel in der Literaturproduktion, -theorie und -rezeption
ein: Die Momente der Sinn- und Bedeutungsproduktion von und in Texten
setzen sich fort in den Interaktionsprozessen, die im Kopf der Leser
mittels der aufgenommenen Textstrukturen angeregt, rekonstruiert, wiederholt,
zum Leben erweckt und neu zusammengesetzt werden.
Der Akt des Lesens bekommt (wieder) Ereignischarakter. Er ist ein Prozeß
des sinnlichen An- und Kurzschließens zwischen Text- und Leserkörper.
In den ausschweifenden Bewegungen einer solchen ,Lust am Text` liegen
Befreiungspotentiale für eine Wiederauferstehung aller toten Dichter:
"Heute wissen wir, dass ein Text nicht aus einer Reihe von Wörtern
besteht, die einen einzigen, irgendwie theologischen Sinn enthüllt
(welcher die ,Botschaft` des Autor-Gottes wäre), sondern aus einem
vieldimensionalen Raum, in dem sich verschiedenen Schreibweisen [écritures],
von denen keine einzige originell ist, vereinigen und bekämpfen.
Der Text ist ein Gewebe von Zitaten aus unterschiedlichen Stätten
der Kultur. [...] Ein Text ist aus vielfältigen Schriften zusammengesetzt,
die verschiedenen Kulturen entstammen und miteinander in Dialog treten,
sich parodieren, einander in Frage stellen. Es gibt aber einen Ort,
an dem diese Vielfalt zusammentrifft und dieser Ort ist nicht der Autor
[...], sondern der Leser. Der Leser ist der Raum, in dem sich alle Zitate,
aus denen sich die Schrift zusammensetzt, einschreiben, ohne dass ein
einziges verloren ginge. Die Einheit eines Textes liegt nicht in seinem
Ursprung, sondern in seinem Zielpunkt. [...] Die traditionelle Kritik
hat sich niemals um den Leser gekümmert; sie kennt in der Literatur
keinen anderen Menschen als denjenigen, der schreibt. [...] Wir wissen,
dass der Mythos umgekehrt werden muss, um der Schrift eine Zukunft zugeben.
Die Geburt des Lesers ist zu bezahlen mit dem Tod des Autors."[9]
1.3. Interaktion mit Bleistift, Kugelschreiber und Filzstift: herzzero
Um dem (von avantgardistischen Textverarbeitungen) unleserlich gemachten
Text zu Leibe zu rücken und die toten Druck-Buchstaben[10] wieder zum Leben zu erwecken und zu verflüssigen, wird
der lineare Textverlauf, der ,Fluß des Erzählens` in eine
offene Möglichkeitsstruktur umgeleitet: Dieser sprachliche Materialfluß
(deliniarisiert durch Parallelmontage, Assoziationssprünge, Verweismomente)
durchquert und zerstört letztlich die feststehende Einheit der
gedruckten Buchseite und kreiert ein neues Drama des Lesens, indem der
Leser zu direkten Eingriffen aufgefordert wird.
Schon oft wurde der (fiktive) Leser angesprochen, er solle es sich bequem
machen, sich hinlegen, die Welt vergessen, den Autor begleiten, solle
das Buch mit einer Pistole in der Hand lesen oder gar mit einer Hand
in der Hose - aber jetzt muss er sich mit Schreib-Utensilien ausrüsten,
wie Franz Mon nahelegt: "der text erscheint in zwei fassungen, die durch
die drucktype unterschieden sind. es ist also jeweils die linke beziehungsweise
die rechte spalte im zusammenhang zu lesen. niemand ist es jedoch verwehrt,
von der linken in die rechte oder von der rechten in die linke hinüberzulesen.
es wird empfohlen, mit bleistift, kugelschreiber und filzstift zu lesen.
mit dem bleistift streicht man die stellen an, die zusammengehören,
auch wenn sie weit auseinander oder in verschiedenen spalten stehen.
mit dem kugelschreiber korrigiert man, was korrekturbedürftig erscheint,
ergänzt, was einem zur ergänzung einfällt, nicht nur
die anführungszeichen an stellen, wo man jemanden sprechen hört,
sondern auch wörter, satzteile, redensarten, sprichwörter,
zitate (auch selbstgemachte, vom himmel gefallene, denkbare, sagbare).
der filzstift macht unleserlich, was überflüssig erscheint.
bedenken sie dabei, dass seine schwarzen würmer zum text gehören
werden."[11]
Solche Wiederaneignungen des Textkörpers durch Schreib- und Korrekturübungen
für Leser direkt am Drucktext rufen geradezu die kunstvoll abgestuften
Differenzierungen verschiedenster Schreib-Operationen im Kontext mittelalterlicher
Manuskriptkkultur ins Gedächtnis, die ein breites Spektrum diskursiver
Rollenverteilungen aufführen, von denen wir heute nur noch träumen
können: "Es gibt vier Arten, ein Buch zu machen. Man kann Fremdes
schreiben, ohne etwas hinzuzufügen oder zu verändern, dann
ist man ein Schreiber (scriptor). Man kann Fremdes schreiben und etwas
hinzufügen, das nicht von einem selbst kommt, dann ist man ein
Kompilator (compilator). Man kann auch schreiben, was von anderen und
von einem selbst kommt, aber doch hauptsächlich das eines anderen,
dem man das Eigene zur Erklärung beifügt, und dann ist man
ein Kommentator (commentator), aber nicht ein Autor. Man kann auch Eigenes
und Fremdes schreiben, aber das Eigene als Hauptsache und das Fremde
zur Bekräftigung beifügen, und dann muss man als Autor (auctor)
bezeichnet werden."[12]
2. Interaktion mit Lesemaschinen, Zettelkästen, Schreibtischen
Heute stellt sich nun die Frage, ob alle diese Entwürfe, Reflexionen
und Utopien, obgleich noch im Horizont der ,alten` Medien entwickelt,
nicht durch die Realität ,denkender`, virtueller Maschinen erst
Realität werden. Die Geschichte eigentlicher Literatur-Apparate
setzt aber schon einige Jahrzehnte vor der Verbreitung digitaler Maschinen
ein.
2.1. Interaktion mit Klammern: Roussel-Lesemaschine (1937)
Die Schreibweise Raymond Roussels arbeitet - neben der ausführliche
Ausbreitung einer Unzahl phantastischer Maschinenentwürfe - mit
zahlreichen Sprachspielen und literarischen Verfahren, so auch mit extremer
Verschachtelung: durch endlose Aufzählreihungen, Abschweifungen,
Fußnoten und Parenthesen wird ein 9-facher Verschachtelungsgrad
(mittels Klammereinfügungen im Text) erreicht, der ein lineares
Lesen geradezu unmöglich macht. Rezeptionserleichternde Maßnahmen
- etwa mehrfarbiger Druck - können aus Kostengründen seitens
des Verlegers nicht vorgenommen werden. Abhilfe kann erst eine ,Roussel-Lesemaschine`
(Abb. 1) schaffen, die 1937 auf einer Surrealisten-Ausstellung gezeigt
wird: der Text ist nach der Art eines Rundregisters auf Pappkarton montiert
und die einzelnen Karten sind am oberen Rand je nach Verschachtelungsebene
mit verschiedenfarbigen Markern versehen. Zum Lesen drehe man mit der
rechten Hand an der Kurbel, so dass die Text-Karten sequentiell weitergeblättert
werden, während man mit dem linken Zeigefinger mittels der farbigen
Reiter jeweils eine bestimmte Ebene arretiert, so dass nur die entsprechenden
Textkarten aufgeblättert werden.
2.2. Interaktion mit dem Archiv: Luhmanns Zettelkästen
In der Diskussion um neue Formen literarischer Interaktion wird oft
nach der Arbeitsweise von Schriftstellern wie Proust, Joyce, Arno Schmidt
etc. gefragt, die komplexe Textstrukturierungen vorgenommen haben. Dabei
muss die Arbeitsweise einiger Theoretiker, die in ihrem Bereich an durchaus
vergleichbar komplexen Ideenverbindungen arbeiten, als ebenso aufschlussreich
wie der Blick auf künstlerische Schreibweisen für das Interesse
an dieser Thematik angesehen werden. Zum Glück hat Niklas Luhmann
einen kleinen Einblick in den Produktionsprozess der Systemtheorie und
die Geheimnisse seines ungeheuren Outputs (30 Bücher , 150 Aufsätze
in 15 Jahren) gegeben: Er nennt seine Methode ,Kommunikation mit Zettelkästen`,
die ein komplexes System von Kombinatorik und Referenzierungen in Gang
setzen. Nicht nur experimentelle Schriftsteller arbeiten wie eine kombinatorische
Maschine: "Im Augenblick sitze ich an einem Vortrag über ökologische
Probleme in modernen Gesellschaften, und meine Arbeit besteht darin,
Zettel [...] zu sichten und so zu kombinieren, dass ich etwas Substantielles
zu diesem Thema sagen kann. Die neuen Ideen ergeben sich dann aus den
verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Zettel zu den einzelnen
Begriffen. Ohne die Zettel, also allein durch Nachdenken, würde
ich auf solche Ideen nicht kommen. Natürlich ist mein Kopf erforderlich,
um die Einfälle zu notieren, aber er kann nicht allein dafür
verantwortlich gemacht werden. Insofern arbeite ich wie ein Computer
[...]"[13]
Die Organisation seiner Zettelkästen stellt ein komplettes (mechanisches)
Hypertext-System dar, in dem einzelne Karten Ideen, Zitate, Fragmente
enthalten, die durch Querverweise untereinander vernetzt sind. Zusammenhänge
zwischen Schreiben und Denken, Speichern und Generieren von Information
werden an dieser Organisationsweise der ,Diskurs-Werkzeuge` wunderbar
veranschaulicht. Die Systemtheorie als Luhmanns Zettel-Traum? Die dynamischen
Möglichkeiten der Verknüpfung, Verschachtelung und Verzweigung
(und Überraschung!) ergeben sich gerade aus einer unsystematischen
Organisationsweise des Zettelkastens, die auf einer schlichten Codierung
frei nach Wittgenstein mit fester Stellordnung der einzelnen Zettel
beruht.[14]
An den Zettelkasten sind - genauso wie an Hypertext-Systeme - herkömmliche
Diskurstechniken wie Register, bibliographischer Apparat etc. anschließbar,
so dass ein Speicher-, Schreib- und Kommunikationssystem mit internem
und externem Referenzen entsteht, das strukturell eher wie ein neuronales
Netzwerk oder das Internet funktioniert und mit mehr - von seinem Autor
unabhängigem - ,Eigenleben` ausgestattet ist wie ein Buch. Aber
wie kommen die Einträge auf die Zettel? Eine mögliche produktive
(recherchierende) Lesestrategie frei nach Luhmann reißt die Bücher
im Hinblick auf mögliche Verzettelungen auseinander: "Ich habe
immer einen Zettel zur Hand, auf dem ich mir die Ideen bestimmter Seiten
notiere. [...] Wenn ich das Buch durchgelesen habe, dann gehe ich diese
Notizen durch und überlege, was für welche bereits geschriebene
Zettel wie auswertbar ist. Ich lese also immer mit einem Blick auf die
Verzettelungsfähigkeit von Büchern."[15]
2.3. Interaktion mit dem Schreibtisch: MEMEX (MEMory EXtender,
1945)
Mit den Möglichkeiten digitaler Technik standen nicht nur die Formen
der eigentlichen Lektüre, sondern der Ort derselben, sozusagen
die literarische Topographie zur Disposition. Während die konkreten
Weiterentwicklungen von Tisch-Benutzer-Interfaces experimenteller Interface-Designern,
frühen Hypertext-Utopisten, kreativen Softwareentwicklern und Ingenieuren
in den 70er Jahren bei XEROX-Parc und am MIT eine Reduktion von räumlichen
und handlungsorientierten Benutzermetaphern auf eine unmittelbare platte
Arbeitsoberfläche darstellen, projiziert der konzeptuelle Prototyp
aller vernetzen Arbeitsumgebungen und hypertextuellen Environments MEMEX
(Abb. 3) eine Gedächtnis-Erweiterung (MEMory EXtender) - klassisch
im Sinne einer ,Umsetzung` geläufiger Medientheorien - ganz konkret
auf den Arbeitstisch[16] eines Wissenschaftlers.
Dass die hier konzipierten medialen Schnittstellen (Trockenfotographie,
Mikrofilm) sich noch nicht in Richtung der seit den 30er Jahren entwickelten
Analogrechner orientieren, tut der Radikalität des Entwurfs keinen
Abbruch. MEMEX gehört auch heute noch nicht auf die "Dead Media
List"[17], sondern fungiert immer noch als utopisches
Modell für die Entwicklung adaptiver Benutzerschnittstellen und
kooperativen Arbeitsumgebungen im Netz.
Ich drücke den Auslöser und mache ein Bildschirmfoto diese
Szene. Enter.
Vannevar Bush beschreibt das Design der Tisch- und Gedächtniserweiterung
wie folgt: "Der Memex besteht aus einem Schreibtisch und obwohl er auch
aus einer gewissen Entfernung bedient werden kann, arbeitet der Benutzer
vor allem direkt an diesem Möbelstück. Oben befinden sich
schräge durchscheinende Schirme, auf die das Material bequem lesbar
projiziert werden kann. Es gibt eine Tastatur und eine Reihe von Knöpfen
und Hebeln. Ansonsten sieht es wie ein gewöhnlicher Schreibtisch
aus. [...] Der größte Teil des Memex-Inhalts kann bereits
fertig auf Mikrofilm erworben werden. Bücher jeder Art, Bilder,
aktuelle Periodica, Zeitungen [...]. Und es gibt die Möglichkeit
zur direkten Eingabe. Auf der Oberfläche des Memex befindet sich
eine transparente Fläche: (Abb. 3b) Hier können handschriftliche
Notizen, Photographien, Memoranden, alles Mögliche aufgelegt werden.
Wenn dies geschehen ist, wird durch Hebeldruck eine Photographie angefertigt,
die auf dem nächsten leeren Segment des Memex-Films erscheint [..].
Jedes Buch einer Bibliothek kann so erheblich leichter aufgerufen und
betrachtet werden, als wenn man es aus dem Regal nehmen müsste.
Da dem Benutzer mehrere Projektionsflächen zur Verfügung stehen,
kann er einen Gegenstand in Position lassen und weitere aufrufen. Er
kann Notizen und Kommentare hinzufügen ganz so, als hätte
er die Buchseite tatsächlich vor sich."[18]
Ich betätige einen Hebel (Abb. 4) unter meinem Schreib-Tisch und
schalte direkt zum zentralen Moment des MEMEX, dem viel zitierten
Assoziationsmechanismus - eine Operation, die in allen bisherigen
externalisierten Speicher- und Archivierungstechniken fehlte: "Das wahre
Problem bei der Auswahl (Datenselektion) liegt allerdings tiefer und
ist nicht nur durch die mangelnde Anwendung von Hilfsmitteln in den
Bibliotheken oder die schleppende Entwicklung solcher Werkzeuge bedingt.
Es ist vor allem die Künstlichkeit der Indizierungssysteme, die
es erschwert, Zugang zu den Aufzeichnungen zu bekommen. Egal, welche
Daten man in ein Archiv aufnimmt, sie werden alphabetisch oder numerisch
abgelegt, und die Information wird (wenn überhaupt) wiedergefunden,
indem man Unterabteilung für Unterabteilung durchgeht. [...] Der
menschliche Geist arbeitet anders, nämlich mittels Assoziation.
Kaum hat er sich eine Information beschafft, greift er schon auf die
nächste zu, die durch Gedankenassoziation nahegelegt wird, entsprechend
einem komplizierten Gewebe von Pfaden, das über die Hirnzellen
verläuft."[19]
Und genau die Mechanisierung dieser Assoziationsfähigkeit[20] ist das Kernstück im MEMEX-Entwurf, das die
weitstreuenden Wirkungen dieses Textes bis in die heutige Zeit ausmacht.
Und hier realisiert sich im Modell eine Verschränkung und Koppelung[21] kultureller Informationssegmente mit einem
frei programmierbaren Indexsystem, das zudem auch noch verschiedene
Medien anschlussfähig macht; und das finden wir auf keiner Buchseite.
3. Interaktionen des Diskurses
3.1. Interaktion mit Wissensstrukturen: Enzyklopädie
Als Denis Diderot und Jean Le Rond d`Alembert am Vorabend der französischen
Revolution mit dem Projekt Enzyklopädie ein universelles
Wörterbuch der schönen und mechanischen Künste zusammentragen,
ist dieses Unternehmen nur als ein kooperatives Recherche- und Schreibprojekt
unterschiedlichster Experten zu bewerkstelligen. Die Vernetzung der
einzelnen - alphabetisch geordneten Wissensbausteine - geschieht über
die Darstellung (Abb. 5) eines Wissensbaumes[22]. Auf dieser ,Weltkarte des Wissens` können die verschiedenen
Wissensgebiete in einer Zusammenschau überblickt werden, so dass
Zusammenhänge, Verzweigungen, Hierarchien der einzelnen Wissenspartikel
deutlich werden. Im Gegensatz zum linearen Lesen arbeitet man sich durch
die Enzyklopädie mittels sachbezogener, struktureller und
sprachlicher Verweise.[23] Der Leser
wird somit zum aktiven Bestandteil der Wissensorganisation. Er kann
selbst - unterstützt durch Karte und alphabetische Register - eigene
Wissenspfade[24] abschreiten und die ausgebreiteten Wissenspartikel
als mechanisch-künstlerisches und operationelles Produktionswissen
selbst zur Anwendung bringen.
3.2. Interaktion mit Textspalten: Typo-Graphie des Denkens
Neben solchen lexikalischen - alphabetisch organisierten - neuen Diskursformen,
hat Jacques Derrida 1974 mit Glas ein Diskursexperiment vorgelegt,
das mittels typographisch-struktureller Textoperationen eine neuartige
Vernetzung von Texten inszeniert und somit praktische Konsequenzen aus
seiner radikalen Diskurskritik[25]
zieht, indem das klassische Modell des Buches dekonstruiert wird: Der
Diskurs (zwischen Hegel und Genet) entfaltet sich in einem zweispaltigen
Text-Umbruch (Abb.7), der ständig durch weitere Einfügungen,
Umleitungen, Einschübe etc. unterbrochen wird. Gleichzeitig werden
verschiedene Genres durchquert und durchlässig gemacht: Hermeneutik,
philosophische Textinterpretation, experimentelle literarische Verfahren
(wie Cut-Up, Collage).
Derrida versucht sich hier darin, neue philosophische Schreibweisen
zu erkunden: aufbauend auf der automatischen Schreibweise der Surrealisten
spielt er mit sprachlichen Bedeutungen, lässt sich von Klangassoziationen
leiten und folgt allen möglichen Abschweifungen - in einer Art
,automatischer Interpretation`: Eine der zwei Kolumnen für Derrida
"sichert, bewahrt, assimiliert, verinnerlicht, idealisiert den Fall
und hebt ihn im Monument auf [...]. Die andere lässt den Rest fallen,
das Risiko der Rückkehr zum Gleichen eingehend."[26]
Derrida will mittels dieser zweispaltigen Typographie die beiden verschiedenen
Diskurse sich wechselseitig dekonstruieren lassen: jegliche hierarchischen
Dispositionen und Text-Auslegungen sollen vermieden werden. Den Lesern
gibt er durch seine teils kryptische Schreibweise durchaus aber wieder
neue Rätsel auf, die wiederum nach erneuten hermeneutischen Expositionen
und Ansprengungen zu verlagen scheinen. Bürger konstatiert in diesem
Zusammenhang kritisch das Scheitern einer solchen Methode, wie er überhaupt
den dekonstruktivistischen Diskursexperimenten sehr skeptisch gegenübersteht.
Vielleicht nimmt er sie jedoch einfach zu ernst: "Wenn der Autor ein
(sein) Spiel mit uns treibt, bleibt uns nichts anderes übrig, als
unsererseits mit seinen Texten zu spielen. Die Frage, was das Spiel
mit den zwei Texten bezwecken soll, beantwortet der Autor dahingehend,
,man wolle den Text uneinnehmbar machen` [...]. Dem Leser soll die Herrschaft
über den Text entrissen werden. Er kann nicht umhin, auf die andere
Hälfte der Seite zu blicken, und plötzlich vermischen sich
beide Texte, verwischt sich die Grenze, die sich zunächst so scharf
abzuzeichnen schien, nicht nur durch den weißen Zwischenraum zwischen
den Kolumnen, sondern auch durch die andere Thematik und die andere
Verfahrensweise."[27]
Bürgers Kritik orientiert sich allerdings an einer Vorstellung
von Text und Texthermeneutik, die Derridas Begriff und Methodik der
Dekonstruktion gerade zu überwinden trachtet.[28]
Solche philosophischen Crossreadings sind ein Versuch, im ansonsten
sehr strengen Genre philosophischer Texturen eine neue Art und Weise
des Interpretationsspiels in Gang zu setzen.[29]
So finden sich auch im Netz vielerlei Materialien und Diskussionsforen
eben zu diesem ansonsten in der Derrida-Rezeption gerade im deutschsprachigen
Raum sehr vernachlässigten ,philosophischen proto-Hypertext`.[30]
4. Zwischenspiel: Umherschweifende Produzenten oder Glanz und Elend
immaterieller Arbeit im Netz
Die neuen Arbeits- und Kooperationsformen, die jetzt im Netzwerk möglich
sind, werden in der Medientheorie, selbst in der ,Unterabteilung Netzkritik`
durchweg positiv bewertet, soziale und kulturelle Utopien scheinen sich
in den vernetzten Hypermedien zu realisieren: so scheint die Trennung
von Arbeit und Freizeit aufgehoben, die Produktionsmitteln scheinen
allgemein verfügbar zu sein ...
Um aber auch die Widersprüche und Haken der Globalisierung und
Vernetzung im Kontext gesamtgesellschaftlicher Arbeitsteilungen zu reflektieren,
erscheint es mir angebracht, einen kurzen Ausflug in die Gefilde der
ökonomischen Grundlagen dieser ,virtuellen Arbeit` zu unternehmen,
bevor einige im künstlerisch-wissenschaftlichen Feld genauer betrachtet
werden - sozusagen als retardierendes Moment, als Innehalten auf einem
womöglich allzu linearem Weg von der Theorie zur Praxis, von der
Literatur zum Netz, den dieser Text einzuschlagen gedenkt.
Welchem Zeittakt unterliegen die Operationen und Kooperationen im Netz?
Welchen Status haben die User, die Nutzer, die virtuellen Text- und
Theoriearbeiter im Netz?
4.1. Interaktion mit der Zeit: Takte der Kooperation
Frank Hartmann beschreibt das grundlegende Verhältnis von ästhetischer
und allgemeiner gesellschaftlicher Zeitorganisation als ein musikalisches
"Taktgefühl" und macht - wie schon Umberto Eco in den entscheidenden
Charakteristika des "offenen Kunstwerkes"[31] - Anleihen bei musikalischen Improvisationstechniken: "Jeder
ist [...] eine innere Kooperative, ein selbstgenügsames Kollektiv.
Er hat die für seine Leistung nötigen Ordnungen anschaulich
in sich und übt sie schnell und sicher aus, ein Verfügen,
das kein analytisches Nachvollziehen und Durchspielen, sondern der direkte
Zugriff aus der Souveränität des Rück- und Überblicks
ist. [...] Dieses formale Potential wird zunehmen und liegt gesellschaftlich
bereit, um an anderem Ort genutzt zu werden. Es ist absehbar, dass sich
die künstlerische Arbeit seiner bedient. Der Kooperationserfahrenheit
des Arbeitsvermögens entspricht in der ästhetischen Produktivität
zwar nichts gleichlautendes, aber in dem Maße, in dem künstlerische
Praxis Aktion wird, sie ihren Zielpunkt in der öffentlichen Handlung
hat und nicht in einem Außerhalb der Produktion, des Zeitpunktes,
der Autors und des Ortes liegendem Produkt, bildet sich eine Art Taktstraße
heraus, die Aktionszeit. Diese Trasse organisiert gleichsam selber,
wie beim musikalischen Improvisieren, die Zeiten, in die die Beiträge
unterschiedlicher kooperierender Autoren hineingehen können. Es
ist, sobald die Zeitspannung hergestellt ist, immer schon etwas da.
Nun ist dieser Taktgeber in den bildenden Künsten kein reines Zeitmaß,
sonder immer auch optisches Medium."[32]
4.2. Interaktion zwischen Ökonomie und Information
In der Gesellschaftstheorie wird der neue Status von Produktion als
eine Ablösung vom industriellen Produktionssystem beschrieben,
die Ökonomie der psychischen Produktion werde abgelöst durch
eine ,immaterielle` Ökonomie der Information (in den quartären
Sektoren der Kommunikationsdienstleistungen).
Die folgenden Merkmale markieren am deutlichsten den Bruch mit der industriellen
Produktionsweise:
- die Quellen des Reichtums sind forthin konzeptuelle Tätigkeiten
- Wertzuwachs wird hauptsächlich durch Transaktionen aller Art
in Kommunikation und Distribution erzeugt
- Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang und Transfer von Informationen
erscheinen als die grundlegende Fähigkeit, geradezu als Grundbedingung,
um arbeiten zu können
- grundlegende Produktivkraft wird der Wissenschaftssektor, genauer
eben die Integration wissenschaftlicher Arbeit in die industriellen
Produktionsprozesse
- vorherrschendes soziales Paradigma ist nicht mehr der einzelne, möglicherweise
sogar in Serie geschaltete, Arbeiter der Massenproduktion, sondern das
Team aus eigenverantwortlichen ProduzentInnen verschiedenster Qualifikationen
- virtuelle Managementstrategien laufen auf Animation zu eigenverantwortlicher
Kooperation der ,subjektiven Produzenten` hinaus, anstatt auf Kontrolle
linearer Arbeitsabläufe und reinem Zeitmanagement
- die individuellen und die kollektiven Interessen der Arbeitenden scheinen
mit denen der Firma identisch zu sei, bzw. zu werden: jeder wird virtuell
zu seinem eigenen ,Scheinselbständigen`
- Leben und Arbeit werden ununterscheidbar, freie Zeit lässt sich
nicht mehr von der Arbeitszeit unterscheiden: wir sind ständig
online, ständig erreichbar, immer adressierbar.
- soziale Kooperation und gesellschaftliche Interventionsprozesse werden
zur Grundlage ,virtueller Arbeit`:
"Diese immaterielle Arbeit konstituiert sich unmittelbar kollektiv,
ja man könnte sogar davon sprechen, dass sie nicht anders als in
Form von Netzwerken und Strömen existiert. [...] Der Produktionszyklus
selbst ist dabei abhängig von der kapitalistischen Initiative;
sobald der ,Job` erledigt ist, löst sich der Zusammenhang auf in
jene Netzwerke und Ströme [...]."[33]
4.3. Interaktion zwischen Arbeit und Konsum: Soziales Interface
In den emphatischen Entwürfen virtueller Zukunfts-Szenarien[34] werden die neuen sozialen Interfaces kollaborativer
Netzwerkarbeit zumeist wenig beachtet: an diesen Schnittstellen werden
nicht nur die ,handwerklichen` professionellen Fähigkeiten im Umgang
mit den vernetzten multimedialen Produktionsmitteln prozessiert, sondern
das gesellschaftliche Verhältnis von Produktion und Konsumption
erfährt einen fundamentalen Wandel, so die Auffassung Maurizio
Lazzazatos: "Den Prozess der produktiven Kooperation in Gang zu setzen
ebenso wie den gesellschaftlichen Zusammenhang zu den Konsumentinnen
und Konsumenten herzustellen, bedarf es der materiellen Verbindung im
und durch den Kommunikationsprozess. Immaterieller Arbeit selbst fällt
die Aufgabe zu, Formen und Modalitäten der Kommunikation ständig
zu innovieren, also auch Arbeit und Konsum zu verändern. [...]
Eine Besonderheit der von der immateriellen Arbeit hervorgebrachten
Ware, das heißt ihr Gebrauchswert, der im wesentlichen auf dem
,Wert` ihres informativ-kulturellen Inhalts beruht, besteht darin, dass
er nicht im Akt der Konsumption zerstört wird, sondern dass er
das ideologische und kulturelle Milieu der Konsumierenden erweitert
und verändert, ja sogar erst erschafft. [...] Immaterielle Arbeit
produziert in erster Linie ein gesellschaftliches Verhältnis -
ein Verhältnis, das Innovation, Produktion und Konsum einschließt-,
und der (ökonomische) Wert, der dieser Tätigkeit zukommt,
hängt einzig und allein davon ab, ob es ihr gelingt, diese Relation
zu erzeugen. [...] Die Arbeit produziert nicht nur Waren, sondern vor
allem ein soziales Verhältnis, das Kapital."[35]
4.4. Interaktion mit der Arbeit: Microslaves
Der Kulminationspunkt virtueller Ökonomien besteht nun darin, die
immensen gesellschaftlichen Produktivkräfte der neuen Märkte
auf der einen Seite an die schier unbegrenzten ,freigesetzten` Produktivitäten
der jetzt neuerdings (schein-) selbständigen Produzenten - mit
hoher räumlicher und zeitlicher Mobilität - auf der anderen
Seite zu koppeln und zu binden.
Für den ,intellektuellen Proletarier` wird die immaterielle Arbeit
zu einer doppelten Projektion von Selbständigkeit: zum einen scheint
er die Produktionsmittel jetzt endlich in den eigenen Händen zu
halten, während er gleichzeitig nur für sich selbst und vor
allem für die eigene Selbst-Verwirklichung zu arbeiten scheint.
Nirgends treten die Widersprüche der postindustriellen Gesellschaft
deutlicher zutage als in dieser sehr ambivalenten Figur des immateriellen
Arbeiters, des Netz-Junkies, des extremen Programmieres, Systemanalytikers,
kreativen IT-Spezialisten, des Hackers, Netz-Administrators, Software-Entwicklers,
des Interaktions-Designers, des intelligenten Assistenten, Projekt-Managers,
Art-Directors, des Database-Engineers für kulturelle Wissenssysteme,
des Microslaves, des technischen Autoren, der online-Redakteurin.
Ein Ensemble von Tätigkeitsmerkmalen, die in der Moderne ganz klar
dem Autor, dem Künstler oder dem Intellektuellen zugedacht und
auf den ,Leib geschrieben` waren, vollzieht sich jetzt Über das
,Interface` des allgemeinen immateriellen Arbeiters, der entscheidend
daran mitwirkt, die Netzwerke der neuen Produktionsweisen aufzubauen,
Akkumulations- und Reproduktionsprozesse der neuen Märkte aufzuspüren,
den Aktienkurs in Turbulenzen zu bringen - und vor allem seine eigenen
Subjektivitäten ins Spiel zu bringen, allzeit bereit, jederzeit
selbst unternehmerisch tätig zu werden und gleichzeitig die Verhältnisse
und das Verständnis davon, was Arbeit, Artikulation, Zeichen und
Wert ist, radikal in Frage zu stellen; Lazzazato beschreibt eben jenes
absurde Verhältnis, gleichzeitig Produzent und Konsument, Autor
und Leser, Kapital und Arbeit, Subjekt und Objekt zu sein: "Das ,Rohmaterial`
der immateriellen Arbeit ist Subjektivität [...]. Die Produktion
von Subjektivität hört auf, in erster Linie ein Instrument
sozialer Kontrolle zu sein, Marktsubjekte für Tauschverhältnisse
hervorzubringen; sie wird unmittelbar produktiv, zielt [...] auf die
Konstruktion konsumierend-kommunizierender Subjekte, die selbst ,aktiv`
sind. Immaterielle Produzentinnen und Produzenten [...] sorgen dafür,
dass eine Nachfrage befriedigt wird, und zur gleichen Zeit schaffen
sie diese Nachfrage. Die Tatsache, dass immaterielle Arbeit Subjektivität
und (ökonomischen) Wert zur gleichen Zeit produziert, zeigt, wie
die kapitalistische Produktionsweise unser Leben durchdrungen und hergebrachte
Unterscheidungen - Ökonomie, Macht, Wissen - niedergerissen hat.
Der Prozess gesellschaftlicher Kommunikation ist mitsamt seinem Hauptinhalt,
der Produktion von Subjektivität, unmittelbar produktiv geworden:
Hier wird gewissermaßen die Produktion ,produziert`."[36]
Dieses Ineinanderfallen und Überlagern der Produktionsprozesse
(von Wissen, Gedanken, Bildern, Tönen, Sprache, Programmen und
Organisationsweisen) und deren Kommunikation, Verbreitung und Verwertung
schließt materielle und Ästhetisch-wissenschaftliche Produktionsweisen
kurz: die klassischen Autorfunktionen werden industriell-organisierten
Produktionsprozessen unterworfen, während die Rezipienten, Konsumenten
und Adressaten durch produktive Rezeption zum aktiven Bestandteil des
Verwertungs- und Reproduktionskreislaufes werden. Genau an dieser Schnittstelle,
dieser kreativen Austauschbeziehung liegen die entscheidenden Möglichkeiten
der neuen Produktionsverhältnisse: "Immaterielle Arbeit konstituiert
unmittelbar kollektive Formen, Netzwerke und Ströme." [37]
4.5. Theorieinterfaces: Schnittstellen für konnektives Handeln
und postmediale Produktionen
Welche neuen Handlungs- und Aktionsmöglichkeiten schälen sich
auf der Basis virtueller vernetzter Arbeits- und Lebenszusammenhänge
heraus, wenn Information, Kommunikation und Wissen als die grundlegenden
Produktionsparameter fungieren und gesellschaftlichen Verhältnisse,
Kooperationsformen, Gruppenprozesse selbst zu maßgeblichen Produktionsfaktoren
werden?
Im Anschluss an Félix Guattari versucht Andreas Broeckmann diese
"postmediale Praxis"[38] der nun allseits
vernetzten "Gruppensubjekte" im Mantel eines gewissen Subversions- und
Widerstandspotentials zu skizzieren.
Im Projekt IO_Lavoro Immateriale (Abb.8) von
Knowbotic Research[39] wurde diese
Debatte um Theorie- und Praxisformen immaterieller Arbeit mittels spezieller
technischer und sozialer Interfaces weitergetrieben. Maurizio Lazzarato
stellte in diesem Zusammenhang eine Gruppe von Soziologen und Philosophen
zusammen, die prototypisch in kollektive intellektuell-künstlerische
Arbeitsformen verwickelt wurden :
"Jeder der Teilnehmer und Teilnehmerinnen trug selbstverfertigtes Textmaterial
in die Datenbank ein, verband jeden Datensatz mit einem ihn repräsentierenden
Schlüsselbegriff, und erstellte eine eigene konzeptuelle Karte,
in der die Beziehungen der diskursiven Elemente durch Distanzen und
Clusterbildungen repräsentiert wurden. Wiederum wurden diese Einzelkarten
von einem Computersystem zusammengefasst und zu einer einzigen, dynamischen
Karte synthetisiert, in der aufgrund algorithmischer Regeln stets neue
potentielle Konstellationen zwischen den verschiedenen Materialien dargestellt
werden."[40]
5. Interaktion im Netz
5.1. Frühe Telematische Projekte
5.1.1. Hole-in-Space, 1980 (Kit Galloway und Sherrie Rabinowitz)
Solche Produktions- und Vermittlungsformen, die ein radikales Infragestellen
des Autor-Text-Leser-Verhältnisses beinhalten und somit auch die
Machtfrage nach der Schaltung von Medienkonstellationen stellen, finden
sich schon in frühen telematischen Projekten wieder:
Grundsätzlich lässt sich alles verbinden. Aber man muss es
schaffen.
Es piept. Die Verbindung ist hergestellt. Ich logge mich ein in eine
Bilddatenbank zu Expanded Cinema und telematischen Projekten. Endlich
steht die Verbindung . Leider sehe ich nur ein sehr schlechtes, grob
gerastertes Bildschirmfoto. Die Szenerie ist aber ziemlich klar:
In einem Schaufenster einer Stadt an der amerikanischen Ostküste
werden Gesichter von Einkaufenden und Neugierigen von einer Videokamera
aufgezeichnet und auf einer Großprojektion gezeigt. Manche lachen,
winken. Eine Frau versucht immer wieder ein kleines Kind in dem von
der Kamera aufgezeichneten Bildausschnitt hochzuhalten. Die meisten
scheinen allerdings lediglich aus dem Bild ,herauszuschauen`. Erst auf
den zweiten Blick fällt dem Betrachter auf, dass die Passanten
vor dem Fenster keinesfalls dieselben sein können, die auf der
Großprojektion zu sehen sind. (Abb. 9)
Aufschluss über diese seltsamen Blickkonstellationen schafft erst
ein Blick auf weitere Hintergrundinformationen zu dem Projekt:
Ohne diese beschreibenden Informationen ist das Bild allein als Dokument
der telematischen Aktion wertlos.[41]
5.1.2. Im Elektronischen Café (anlässlich der Olympischen
Spiele Los Angeles 1984)
Der Prototyp aller Internetcafés ist in der Geschichtsschreibung
etwas untergegangen. Wie fast immer ist die Dokumention äußerst
mangelhaft.[42] und wir können
uns die Szenerie nur mit etwas Phantasie ausmalen:
Electronic Café (Abb.10) ist ein multimediales Computer-
und Video-Netz, angeschlossen an eine öffentliche Bilddatenbank[43], das fünf von verschiedenen Volksgruppen bewohnte Bezirke
von Los Angeles sieben Wochen lang während der Olympischen Spiele
1984 in sog. Echtzeit miteinander verband:
In diesen multikulturellen Kommunikationszentren, die mit interaktiven
Systemen zur Bild-, Text- und Ton-Bearbeitung ausgestattet sind, werden
den Benutzern Zugänge zu unbekannten sozialen Welten ermöglicht.
Durch das Aufnehmen, Speichern, Übertragen und Vernetzen von Bildern
und Daten, die aus der Alltagskultur, den Bräuchen und Mythen der
verschiedenen Volksgruppen gewonnen sind, entsteht ein allgemein zugängliches
Archiv sozialer Gesten. Die Produktion, Reflektion, Bearbeitung der
eigenen kulturellen Bilder und Visionen erzeugt einen ,virtuellen elektronischen
Kommunikationsraum` - eine ,Community Memory`, der einen Austausch mit
fremden, direkt schwerlich kommunizierbaren sozialen Welten ermöglicht.
Eine solche aktive Art des ,Umweltdesigns` lässt letztlich auch
den eigenen kulturellen Systeme als virtuell (künstlich produziert)
und somit veränderbar erscheinen:
"Gestützt auf Simulationsinstrumente (persönliche Metamedien),
stellen wir Modelle alternativer Wirklichkeiten her (Kunst); gestützt
auf konversationelle Netzwerke (die öffentlichen Metamedien also),
können wir aber auch die kulturellen Kontexte kontrollieren, die
die Publikation und den Empfang dieser Modelle determinieren (Politik).
Die Kontrolle des Kontextes beinhaltet die Kontrolle der Bedeutung,
die Kontrolle der Bedeutung ist identisch mit der Kontrolle der Wirklichkeit."[44]
5.1.3. Europäisches Tagebuch (Wam Kat: Zagreb Diary, 1992)
Das Europäische Tagebuch hat sich unmittelbar aus Kollaborations-
und Kommunikationsweisen innerhalb der Nachrichtenströme von Mailbox-Netzwerken
entwickelt:
Ausgehend vom Zagreb Diary, in dem der holländische Friedensaktivist
Wam Kat seit Frühjahr 1992 seine persönlichen Eindrücke
vom Kriegsgeschehen im ehemaligen Jugoslawien - "gewissermaßen
wie offene Briefe an meine Freunde oder an Menschen, die ich für
Freunde halten" - als öffentliches Tagebuch innerhalb einer relativ
geschlossenen Netzstruktur (des Zerberus-Mailbox-Netzes) zirkulieren
ließ, wurden auf Initiative von Peter Glaser Anfang 1993 persönliche
Eintragungen, subjektive Geschichten und Erlebnisse quer durch Europa
in Mailbox-Netzen zusammengetragen:
"Zur Idee des Europäischen Tagebuchs:
Durch Verbreitung über elektronische Medien zur ,Nachricht` geadelt,
erzeugen heute Agenturmeldungen den Anschein, die ,wirkliche Wirklichkeit`
wiederzugeben. Den jeweils speziellen Arten von Sprachgebrauch, die
sich ,Politik`, ,Wirtschaft` oder ,Wissenschaft` nennen, soll durch
das ,Europäische Tagebuch` eine Vielfalt individueller Realitäten
zur Seite gestellt werden, und zwar selbstbewußt. [...] Um Tagebuch
zu schreiben, muß man kein Künstler sein. Zu den Vorteilen
des Tagebuchs gehört, daß Inhalt und Stil freigestellt bleiben.
Es geht um die Wahrnehmung der Welt aus erster Hand."[45]
Als eines der wenigen Netz-Werk-Schreibprojekte hat das Europäische
Tagebuch wirklich eine zeitlang in radikaler Autonomie funktioniert
- ohne Leitung und ohne Kunstanspruch. Das Zusammenstoßen äußerst
unterschiedlicher Alltagsausschnitte aus den verschiedensten Schauplätzen
ereignet sich gerade in der Vermischung unterschiedlichster Privatzonen.
Das Private wird öffentlich - die Öffentlichkeit konstituiert
sich nicht mehr über die Massenmedien, sondern durch Konversationspraktiken,
die an mündliche Erzählformen und Praktiken der oral history
anknüpfen.
5.2. Interaktion im WWW
Als Weiterentwicklung virtuell-konzeptueller kollaborativer Texte und
früher Medienkunst-Projekte, die eine imaginäre Interaktion
mit Lesern und Zuschauern propagieren, verlangen kollaborative Projekte
im Netz tatsächlich den Input und die Manipulation von Daten seitens
der UserInnen. Das Einschleusen ausführbarer Programme, Schreibrechte
für anonyme User auf Datenbanken und das Aufknacken der zunächst
noch an der Buchkultur orientierten Interfaces von Browsern und Netzseiten
hin zu aktions- und objektorientierten und von den Usern konfigurierbaren,
einfach ,benutzbaren` Interfaces schafft jetzt auf breiter Basis Möglichkeiten
netzwerkunterstützter Zusammenarbeit, die bisher nur avancierten
Netzkunstprojekten vorbehalten war.
5.2.1. Interaktion mit einem (endlosen) Satz
Der Pionier interaktiven Fernsehens und früher telematischer Projekte
Douglas Davis wollte schon in seinen TV und Videoexperimenten aus den
starren Sender-Empfänger-Paradigmen massenmedialer Medienschaltungen
ausbrechen. Unvergessen ist eine Kameraeinstellung bei einer open-TV-Übertragung,
in der er immer wieder gegen das Objektiv der aufnehmenden Kamera trommelt
und den Zuschauern zuwinkt und sie auffordert, näher zu kommen
(Abb.11).
Dieses Durchbrechen der Zuschauenden zur ,anderen Seite` konnte freilich
in den Konzept-Art und Video-Kunst-Projekten nur simuliert werden -
und so ist es nur konsequent, wenn gerade Douglas Davis den vielleicht
wirklich ,ersten` hypertextuellen Virus im Netz 1995 aussetzt, den ersten
wirkliche ,Welttext`[46]:
Der First collaborative Sentence ist ein einziger Satz, der immer
weiter geschrieben werden kann - und auch wird: ohne Thema, unstrukturiert,
ohne Absender, ohne Empfänger, anonym, vollkommen offen - und den
in seiner jetzigen Version vorzulesen wahrscheinlich ein ganzer Tag
nicht ausreichen würde:
"THE WORLD`S FIRST CLICK here if want to see a close-up of yourself
with your nose on the screen before plunging on ahead: CLICKCLICKCLICK
CLICKCLOSER CLOSERCLOSERCLICKCLICKCLICKCLICK [...]".[47]
5.2.2. Hypertext als Assoziationsspiel: Der Assoziationsblaster
Diese frühen Ansätze kollaborativen Schreibens sind heutzutage
trotz verstärkter technologisch möglicher Feedbackmöglichkeiten
in den Netzprotokollen - man denke nur etwa an JAVA-Scripte oder die
Annotationsmöglichkeiten zu beliebigen Seiten im Netz über
Third Voice[48] - kulturell
bisher kaum eingeholt.
Um deutlich zu machen, wie Vernetzungsstrategien als neue Produktionsparadigmen
für Texte funktionieren, möchte ich auf die Funktionalität
eines avancierten Netz-Literatur-Projektes eingehen, das mittels automatischer
Verlinkungsroutinen ein zentrales Moment des Schreibens im Netz zur
Hauptfunktion der Textkonstitution erklärt: den Link, den Zwischenraum
der Texte, die Intertextualität: Es handelt sich um den Assoziations-Blaster[49]:
(Abb.12)
Bisherige Mitschreibe-Projekte im Netz kranken größtenteils
daran, dass sie nach wie vor immer noch so tun, als würde ein vereinzelter
User-Autor in einem einzigen Textfenster ganz allein für sich schreiben.
Die Diskussions-, Konversations- und Kooperationskulturen in Diskussionsforen,
newsgroups, MUDs und Mailinglisten stellen dagegen die gemeinschaftlichen
Aspekte der Netzkommunikation in den Vordergrund, die durch selbstgeschaffene
Regeln kommunizierbar gemacht und durch entsprechende Features in den
verwendeten Interfaces unterstützt werden: Reply- und Zitatfunktionen,
Bewertungs- und Kommentierungsroutinen, grafische Darstellungen des
Diskussionsverlaufs, Such- und Verknüpfungsoptionen.
Genau an dieser Schnittstelle zwischen technischen Parametern der Übertragung
und Speicherung und den darauf aufbauenden kulturellen Kodierungen setzt
der Assoziationsblaster an, indem er keine Themen und keine Geschichte
vorgibt, sondern ausschließlich mit der Linkstruktur selbst arbeitet:
",Die Entscheidung liegt bei uns, den Usern.` (TRON)
Der Assoziations-Blaster ist ein interaktives Text-Netzwerk in dem sich
alle eingetragenen Texte mit nicht-linearer Echtzeit-Verknüpfung(TM)
automatisch miteinander verbinden. Jeder Internet-Benutzer ist aufgerufen,
die Datenbank mit eigenen Texten zu bereichern.
Die einzelnen Beiträge können nicht der Reihe nach gelesen
werden, stattdessen wird anhand der entstehenden Verknüpfungen
von einem Text zum anderen gesprungen. Die dadurch entstehende endlose
Assoziations-Kette vermag dem Zusammenhalt der Dinge schlechthin auf
die Spur zu kommen.
Die Datenbank mit den Texten ist nach Stichworten geordnet. Jeder Text
gehört zu einem bestimmten Stichwort und die Stichworte stellen
auch die Verbindungen zwischen den Texten her. Jeder Internet-Benutzer
darf auch neue Stichwörter eintragen, die dann sofort Auswirkungen
auf alle bereits vorhandenen Texte haben."[50]
Da sich keine Auswahlmenus oder Stichwortlisten zur Navigation anbieten,
kann ein User dieses Projekts sich lediglich über ein zufällig
ausgewähltes oder in eine Suchmaske eingegebenes Stichwort in den
Datenbestand hineinbegeben. Auch von hier aus kommt er nur über
die generierten Links in dem ausgewählten Text-Fragment weiter
- oder er kann eben selbst in ein Eingabefeld seine ,Assoziationen`
einschreiben, woraufhin die eingegebenen Textfragmente automatisch verlinkt
werden: alle Worte, zu denen schon Stichworte existieren, sind sofort
wie durch ein Wunder in dem eingegeben Text als Links markiert, (Abb.
12b) während der gerade eingegebene Text auch sofort in das Netzwerk
der kollektiven Assoziationen eingewoben ist. Der gesamte Datenbestand
des Assoziationsblasters ist über geschickte Suchmaschinen-Anmeldungen
mit dem Rest des Internets verbunden, so dass die relativ hohen Zugriffszahlen[51]
von über 1000 pro Tag zu erklären sind.
Kommt es zur Informationsverdichtung durch Linkhäufung und unmittelbare
automatische Anknüpfung an und in fremde Texte? Ist das vielleicht
ein möglicher Versuch, Ansätze für eine Poetik der Netzliteratur
zu finden?
Interessant ist, wie im weiteren Verlauf des Projekts, Features zur
Verdichtung[52], Kommentierung und
Kommunizierbarkeit des Datenmaterials eingebaut werden: ein skalierbares
Bewertungssystem, vom User konfigurierbare Filtermechanismen, ein Diskussionsforum,
in dem die MitschreiberInnen ihre Beiträge, die Features des Blasters
und allgemeine Themen diskutieren.
5.2.3 Interaktion mit der Systemtheorie: Schreiben in nic-las
5.2.3.1. Kollaborative Wissenschafts-Praktiken im WWW?
Das Wissenschaftsverständnis hat sich angesichts der postmodernen
Informationstechnologien von einem passiven deskriptiven Paradigma (Relation
zur Natur, Repräsentation von Fakten, Entdeckungen von ,Geheimnissen`
durch geniale Einzelwissenschaftler) zu einem konstruktivistischen Ansatz
hin entwickelt: Hier stehen die Prozesse und Operationen im Vordergrund,
durch die Erkenntnisse überhaupt erst erzeugt werden. Diese Prozesse
und Operationen sind von vornherein als ein kollaboratives Netzwerk
angelegt; komplexe Forschungen können nur noch im teamwork[53] vollzogen werden.
5.2.3.2. cultural studies der Netzwerke?
Hier sei nun ein eigenes Projekt vorgestellt:
Im Forschungsprojekt "Netz/Werk/Kultur/Techniken: kulturwissenschaftliche
Wissensproduktion in Netzwerken"[54]
suchte ich zusammen mit Studierenden der Kulturwissenschaften an der
Universität Hildesheim nach Möglichkeiten, Hypermedia und
Netzwerke nicht nur zu rezipieren (=lesen), sondern kulturkritische
hypermediale Diskurse selbst zu initiieren, zu entwerfen, zu gestalten
(=schreiben) und in die kommunikativen Strukturen der Netzwerke zurückzukoppeln
- Eingriffe in die Felder hypermedialer Diskurstechniken vorzunehmen.
Der oszillierende hybride Status von Netz-Texten im Spannungsfeld von
Lese- und Schreiboperationen wurde zum zentralen Kulminationspunkt unserer
Projektarbeit: Charakteristisch für online-Texte ist das kollaborative
Entwerfen und Strukturieren von Ideen, die Beschleunigung von Austausch-
und Verteilungsprozessessen, die Öffnung von Textstrukturen: die
Erstellung und Überarbeitung von Texten sowie ihre Einbindung in
andere Kontexte vollziehen sich nicht mehr im Kopf einzelner Autoren,
sondern digitale Textnetzwerke konfigurieren sich von vornherein im
öffentlichen Raum. Jeder Teilnehmer an digitalen Diskursen ist
potentiell gleichermaßen Sender und Empfänger, Schreiber
und Leser, Produzent und Rezipient.
5.2.3.3. Vom Zettelkasten zur Schnittstelle der Wissensproduktion
In einer Verschränkung von inhaltlicher Recherche und Aufbereitung
aller im Forschungsprojekt angefallener Materialien und Dokumente arbeiten
wir gemeinsam mit Kooperationspartnern an der Optimierung und Adaption
einer offenen Informationslandschaft nic-las:[55]: (Abb.13) Basierend auf der Systemtheorie von Niklas
Luhmann liegen die Basisoperationen in vielfältigen nicht-liniearen
Verknüpfungsmöglichkeiten von Textstellen und Zitaten (automatische
Verknüpfungen nach keywords ebenso wie ein differenziertes Meta-Auszeichnungssystem
etwa für Personen- und Sachregister oder Zuordnungen und Zugriffsrechte
für verschiedene AutorInnen) und in dynamischen diskursiven und
kommunikativen Operationen (wie intuitive und assoziative Annotation
und Kommentierung). Gerade diese Verbindung von hierarchischen und rhizomatisch-chaotischen
Strukturen ermöglicht eine intertextuelle Praxis des Schreibens
mit Synergieeffekten zwischen Lesen und Schreiben wie es in den emphatischen
Debatten um den Text-Begriff in den 60er Jahren und dem Poststrukturalismus
theoretisch entwickelt wurde. Die große Flexibilität im Interface-Design
liegt vor allem darin begründet, dass für die online-Schreib-,
Kommunikations- und Archivprozesse keine neuen Metaphern oder Datenstrukturen
vorgegeben werden, sondern dass jede Aktivität des Benutzers in
der einfachsten möglichen Aktion besteht: im Anlegen einer ,Unterscheidung`.[56]. Verschiedene AutorInnen schreiben nicht nur
zeitversetzt am selben Dokument, tauschen nicht nur ihre Zettelkästen,
Zitatdatenbanken oder Referezen aus oder annotieren, kommentieren und
ergänzen feststehende Texteinheiten, sondern entwerfen verschiedene
Perspektiven, konstruieren Ein-, Aus- und Übergänge zwischen
den Texten und re- und dekontextualisieren ihre Eingaben dabei permanent:
Der Text wird zu einer Oberfläche, zu einer Schnittstelle
für die Begegnung von Leser und Schreiber, Anbieter und Nutzer,
Sender und Empfänger.
Ob solche Versuche wirklich längerfristig und nachhaltig neue Diskursformen
herausbilden helfen, vielleicht sogar die von Hypertext-Theoretikern
immer wieder geforderte (und von den Programmentwicklern bisher nie
eingelöste) Hybridisierung zwischen Form und Inhalt, zwischen Text
und Kontext, zwischen Produktion und Rezeption, zwischen Autorfiktionen
und Leserimaginationen zu bearbeiten und managen helfen - wird die Zukunft
gezeigt haben werden.
6. immer interagieren: brechen, dekonstruieren, programmieren?
Der epistemologische Bruch, der sich angesichts digitaler Interaktionsformen
mit Texten, Bildern und Tönen in den kulturellen Wissenssystemen
vollzieht, liegt weniger in den oben beschriebenen Interaktionsformen
als solchen begründet - denn Texte wurden und werden (historisch)
schon immer traktiert, umgeschrieben, zerschnitten und wieder neu zusammengeklebt[57] mittels der jeweiligen medialen Aufschreibsystemen
-, als vielmehr in den Ausformungen dieser Interaktionsformen, d. h.
in der Art und Weise wie sie sich im Netzwerk digitaler Diskurse vollziehen,
also in ihrer freien Gestalt- und Verfügbarkeit. Der Unterschied
zwischen Schreiben und Lesen, genauer gesagt zwischen den Akten des
Schreibens und Lesens in digitalen Umgebungen ist zunächst einmal
medial aufgehoben: Wir können im Netz direkt auf jede Seite schreiben,
ohne noch irgendwelche Werkzeuge wie Schere, Bleistift, Druckerpresse
hinzuziehen zu müssen, weil eben genau diese Werkzeuge als Tools
und Programme, als Client Plug-Ins, Server-Programme in derselben Medienkonfiguration
ausführbar sind, die auch für das Anzeigen der Seite verantwortlich
sind.
Es vollzieht sich also nicht die Begegnung des Regensschirms mit der
Nähmaschine auf dem Bildschirm der Worte, sondern es handelt sich
um ein Verschalten der (virtuellen) Lesemaschinen und anderer konzeptueller
Aufforderungen zur Mitarbeit der LeserInnen mit den Schreibmaschinen,
Druckerpressen und Aufschreibsystemen.[58]
Der vom Dekonstruktivismus endlos durchkonjugierte Bruch, dass alle
Texte aus anderen Texten zusammengeschnitten sind, dass in jedem Buch
ein weiteres steckt, das heraus will, dass die Texte nicht bei den Lesern
ankommen, sondern sich als aktive Rezeptionsprozesse genau um die Leerstellen
der Texte, Bücher und Diskurse herum neu konstituieren, ist jetzt
in den digitalen Diskursen universell in den Code selbst eingeschrieben:
Crossreadings auf Serverebene, [59]
Cut-up Maschinen zwischen online-Zeitschriften, postmoderne Thesis-Generatoren,
Sonettmaschinen, universelle Annotiationstools, kollobarative Mitschreibeprojekte[60]
feiern auf verschiedenen Levels einen interkulturellen Textbegriff,
die ältere offene Textverarbeitungen aus literarischen Experimenten[61] und ästhetisch-sozialen Aufbruchsbewegungen wie der
Surrealismus und Situationismus als allgemeine Nutzerparadigmen wiederauferstehen
lassen. Die in der Literaturgeschichte vielfach wiederaufgenommene Parole
Lautreamonts: "Die Poesie soll von allem gemacht werden, nicht von einem",
hallt jetzt als vielfach gebrochenes Echo aus den Untiefen des Netzes
wieder:
Die Texte, Strukturen, Index-Systeme, Meta-Informationen, Verknüpfungsstrukturen
zwischen den Texten liegen als ,open source` im Netz bereit. Hören
wir endlich auf, zu lesen und zu schreiben und die Geschichte immer
wieder zu wiederholen, und fangen wir an, gemeinsam zu Schreib/Lesern
zu werden, d. h. unsere kulturellen, mentalen, diskursiven Wissenssysteme
zu verknüpfen, unsere Lieblingsstellen und Lektüre-Momente,
Lesezeichen, Randbemerkungen, Fußnoten auszutauschen und das Internet
als einen interkulturellen intertextuellen Diskursraum zu benutzen.
Nicht das Taschenbuch, die mailbox, der Hypertext oder das ebook ist
revolutionär, sondern der Gebrauch, den wir davon machen.
[1] Steven Johnson, Interface Culture.
Wie neue Technologien Kreativität und Kommunikation verändern,
Stuttgart 1999 (New York 1997), S. 11.
[2] Den Gebrauch eines Buches als Werkzeug
radikalisieren Gilles Deleuze und Félix Guattari als Gebrauchsanweisung
in einem der ersten Theorie-Hypertexte: "Und Proust, dessen Werk voller
Bedeutungen stecken soll, meinte, dass sein Buch wie eine Brille sei:
probiert, ob sie euch paßt; ob ihr mit ihr etwas sehen könnt,
was euch sonst entgangen wäre [...]. Findet die Stellen in einem
Buch, mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben
nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches,
sondern eine neue Art zu Lesen." Deleuze, Gilles, u. Guattari, Félix,
Rhizom, Berlin 1977 (Paris 1976), S. 40.
[3] "Es geht um ein Umkehren der Bedeutungsvektoren.
Alle Zeiger, Zeichen, Verkehrssignale zeigen und deuten von nun an exzentrisch
von uns selbst weg, und nichts mehr zeigt auf uns zu. Wir sind es von
nun an, die auf die Welt Bedeutungen projizieren. Und die technischen
Bilder sind derartige Projektionen." Flusser, Vilém, Ins Universum
der technischen Bilder, Göttingen 1985, S. 41.
[4] Tristan Tzara, zit. n. Mon, Franz,
"collage in der literatur", in: prinzip collage, hg. v. Franz
Mon u. Heinz Neidel, Neuwied u. Berlin 1968, S. 50.
[5] Georg Christoph Lichtenberg, zit.
n. Riha, Karl, Cross-Reading und Cross-Talking. Zitat-Collagen als
poetische und satirische Technik, Stuttgart 1971, S. 7.
[6] Hier aus einer anderen Übersetzung
entnommen: Tristan Tzara, zit. n. Riha, Karl, Cross-Reading und Cross-Talking.
Zitat-Collagen als poetische und satirische Technik, Stuttgart 1971,
S. 39.
[7] Vgl. Wescher, Herta, Die Collage,
Geschichte eines künstlerischen Ausdrucksmittels, Köln
1968, S. 134.
[8] Tristan Tzara, zit. n. Riha, Karl,
Cross-Reading und Cross-Talking. Zitat-Collagen als poetische und
satirische Technik, Stuttgart 1971, S. 40.
[9] Roland Barthes, "Der Tod des Autors",
in: Texte zur Theorie der Autorschaft, hg. v. Fotis Jannidis,
Gerhard Lauer, Matias Martinez, Simone Winko, Stuttgart 2000, S. 185-193,
hier S. 190 f.
[10] Die ja nach Platos Fundamentalopposition
zur Schrift bekanntlich im Gegensatz zur mündlichen Kultur ohne
Beisein ihres Autors zirkulieren - und eben nicht antworten können
[11] Mon, Franz, herzzero, Neuwied
1968, S. 5.
[12] Illich, Ivan, Im Weinberg des
Textes. Als das moderne Schriftbild entstand. Ein Kommentar zu Hugos
"Didascalicion", Frankfurt a. M. 1991, übers. v. Ylva Eriksson-Kuchenbuch,
Originaltitel: L'Ere du livre, Paris 1990, S. 112
[13] Luhmann, Niklas, "Biographie,
Attitüden, Zettelkästen", in: Archimedes und wir,
Interviews, hg. v. Dirk Baecker u. Georg Stanitzek, Berlin 1987, S.
125-156, hier: S. 144.
[14] "(1) Beliebige innere Verzweigungsfähigkeit.
Man braucht zusätzliche Notizen nicht hinten anzufügen, sondern
kann sie überall anschließen, auch an einzelne Worte mitten
im laufenden Text. Ein Zettel mit der Nummer 57/12 kann dann im laufenden
Text über 57/13 usw. weitergeführt werden, kann aber zugleich
von einem bestimmten Wort oder Gedanken aus mit 57/12a ergänzt
werden, fortlaufend über 57/12b usw.; wobei intern dann wieder
mit 57/12a1 usw. angeschlossen werden kann. Auf dem Zettel selbst verwende
ich rote Buchstaben oder Zahlen, um die Anschlußstelle zu markieren.
Es kann mehrere Anschlußstellen auf einem Zettel geben. Auf diese
Art ist eine Art Wachstum nach innen möglich [...]
(2) Verweisungsmöglichkeiten. Da alle Zettel feste Nummern haben,
kann man auf Zetteln Verweisungen in beliebiger Zahl anbringen. Zentralbegriffe
können mit einem Haufen von Verweisungen belegt sein, die angeben,
in welchen anderen Zusammenhängen etwas zu ihnen gehöriges
festgehalten ist. [...] [O]ft suggeriert die Arbeitssituation, aus der
heraus man sich zu einer Notiz entscheidet, eine Vielzahl von Bezügen
auf schon Vorhandenes. [...] Es ist dann wichtig, den Zusammenhang gleichsam
strahlenförmig, ebenso aber auch mit Querverweisungen an den angezogenen
Stellen, sogleich festzuhalten. [...]"
Luhmann, Niklas, "Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht",
in: Öffentliche Meinung und sozialer Wandel, hg. v. H. Baier,
H. M. Kepplinger, K. Reumann, Opladen 1981, S. 222-228, hier: S. 224.
Vgl. auch die spannenden Arbeiten von Markus Krajewski zu den Luhmannschen
Zettelkästen: Käptn Mnemo. Zur hypertextuellen Wissensspeicherung
mit elektronischen Zettelkästen: http://infosoc.uni-koeln.de/synapsen/MnemoNet/MnemoNet.html.
Und ders.: Die Geburt der Zettelwirtschaft aus dem Geiste der Bibliothek.
Episoden aus / einer Geschichte / der Kartei. Magisterarbeit am
Lehrstuhl für Geschichte und Ästhetik der Medien, Humboldt
Universität zu Berlin, pdf-Version 1.0, 27. 10. 1999.
[15] Luhmann, Niklas, "Biographie,
Attitüden, Zettelkästen", in: Archimedes und wir, Interviews,
hg. v. Dirk Baecker u. Georg Stanitzek, Berlin 1987, S. 125-156, hier:
S. 150.
[16] Der Bild-Essay Schreib-Tische
- Desk-Tops: Von der Ars Memoria zum ,Memory Extender` von Heiko
Idensen findet sich unter: http://www.hyperdis.de/txt/
[17] http://www.well.com/user/jonl/deadmedia/
[18] Bush, Vannevar, "As we may think",
in: Atlantic Mounthly, Nr. 176, Juli 1945, S. 101-108; eine Übersetzung
wichtiger Teile findet sich auf Hartmut Winklers Open Desk: http://www.uni-paderborn.de/~winkler/bush-d.html..
Der Originaltext ist vielfältig im Netz vorhanden, z. B. unter:
http://win-www.uia.ac.be/u/debra/INF706/memex.html; oder: http://www.isg.sfu.ca/~duchier/misc/vbush/;
vgl. Abb. 2.
[19] Ebd.
[20] Konsequent umgesetzt in ein kollaboratives
Schreibprojekt ist dieses Prinzip im Assoziationsblaster. Vgl.
Kapitel 5.2.3.
[21] "Es braucht jedoch noch einen
weiteren Schritt zur assoziativen Indizierung. Deren grundlegender Gedanke
ist ein Verfahren, von jeder beliebigen Information - sei es Buch, Artikel,
Fotografie, Notiz - sofort und automatisch auf eine andere zu verweisen.
Dies ist es, was den Memex wirklich Ausmacht: Es ist ein Vorgang, der
zwei Informationen miteinander verbindet. Das ist das Kernstück.
[...] Vor ihm befinden sich zwei zu verbindende Informationen, auf nebeneinanderliegende
Positionen projiziert. Am jeweils unteren Rand davon befinden sich eine
Anzahl leerer Codeflächen, dort werden Zeiger gesetzt, die auf
die jeweils andere Information zeigen. Der Benutzer drückt eine
einzige Taste, und die Gegenstände sind dauerhaft miteinander verbunden.
[...]
Danach kann jederzeit, wenn eine der Informationen auf einer der Projektionsflächen
sichtbar ist, die andere sofort abgerufen werden, indem ein Knopf unter
der entsprechenden Codefläche gedrückt wird. Darüber
hinaus können mehrere Gegenstände, wenn sie auf diese Weise
zu einem Pfad verbunden wurden, nacheinander durchgeschaut werden, schnell
oder langsam, indem man einen ähnlichen Hebel bedient, wie er zum
Durchblättern der Bücher benutzt wird. Es ist genau so, als
wären die jeweiligen Artikel, Notizen, Bücher, Photographien
etc. leibhaftig aus weit entfernten Quellen zusammengetragen und zu
einem neuen Buch verbunden worden. Und es ist noch mehr als dies, denn
jede Information kann so zu einem Teil unzähliger Pfade werden."
Ebd.
[22] Ein Ausschnitt aus einer Darstellung
dieses Wissensbaumes findet sich in der Imaginären Bibliothek
(http://www.hyperdis.de/pool/), eine Transkription des Schematas in
d` Alembert, Jean Le Rond; Denis Diderot u. a., Enzyklopädie.
Eine Auswahl, Frankfurt a M. 1989. S. 28-29.
[23] Das Pariser Parlament bezieht
sich in seinem Verbot der Enzyklopädie 1759 explizit auf
die subversive Funktion dieser Querverweise ("[...] das ganze in diesem
Wörterbuch verstreute Gift findet sich in den Verweisen."). Mit
Verweisen von einem Band zu einem (erst später erscheinenden) anderen
wurde die Zensur geschickt umgangen, etwa im berühmt gewordenen
Verweis von ,Menschenfresser` (Anthropophages) im ersten Band auf die
Begriffe ,Kommunion` und ,Eucharistie` oder vom orthodox gehaltenen
Artikel ,Jesus Christus` auf den eher ketzerischen Eintrag unter ,Eklektizismus`
(s. a. d'Alembert/Diderot 1989, S. 20 ff.).
[24] Gerade die Tafeln und Abbildungen
der Enzyklopädie setzen neue Standards im Wissensdesign
und trugen wesentlich zur praktischen Umsetzung und Anwendung des Wissens
- vor allem in den Bereichen Handwerk, Kunst und Buchdruck bei. Von
den insgesamt fünfunddreißig Bänden sind allein zwölf
Bände den Tafeln und Abbildungen gewidmet, zwei Registerbände
verzeichnen Schlagworte, Wissensgebiete und Stichworte. Auch die Zeichnungen
und Tafeln sind in das komplexe Verweissystem einbezogen, indem sie
einerseits bestimmte Zusammenhänge und Mechanismen darstellen,
Details am Rande erklären - und gleichzeitig Verweise auf übergreifende
Artikel enthalten, die diese Einzelfunktionen wiederum in einen größeren
Zusammenhang stellen. Die enzyklopädische Montage zeigt Querschnitte
durch Maschinen und Arbeitsvorgänge, breitet die einzelnen Objekte
vor dem Leser so aus, dass dieser diese wieder zum eigenen Gebrauch
zusammensetzen kann. Als eines der ersten großangelegten kapitalistischen
Buchprojekte (die Geschichte dieses Projekts wird ausführlich und
spannend erzählt in Darnton, Robert, Glänzende Geschäfte.
Die Verbreitung von Diderots Encyclopedie. Oder: Wie verkauft man Wissen
mit Gewinn?, Berlin 1993) beinhaltet sie gleichzeitig Gebrauchsanweisungen
zur Buch-Herstellung (Abb.6) (von der Papierproduktion über das
Setzen bis zum Druck): "In jedem dicken Buch steckt ein dünnes,
das heraus will." Ebd., S. 9. Der Gebrauch der Enzyklopädie ist
also der eines aktiven, operationellen ,Nachschlagens` - und somit zur
fortlaufenden Lektüre nicht geeignet.
[25] "Es geht nicht darum, der Buchhülle
noch nie dagewesene Schriften einzuverleiben, sondern endlich das zu
lesen, was in den vorhandenen Bänden schon immer zwischen den Zeilen
geschrieben stand. Mit dem Beginn einer zeilenlosen Schrift wird man
auch die vergangene Schrift unter einem veränderten räumlichen
Organisationsprinzip lesen. [...] Was es heute zu denken gilt, kann
in der Form der Zeile oder des Buches nicht niedergeschrieben werden."
Derrida, Jacques, Grammatologie, Frankfurt a. M. 1974, S. 155.
[26] Derrida zit. n. Bürger, Peter,
"Derrida: Gl", in: ders., Das Denken des Herrn, Frankfurt a.
M. 1992, S. 150- 156, hier: S. 150.
[27] Bürger, Peter, "Derrida:
Gl", in: ders., Das Denken des Herrn, Frankfurt a. M. 1992, S.
150- 156, hier: S. 151-152.
[28] Derrida selbst bezeichnet die
Dekonstruktion als ein "Projekt", das, ganz im Gegensatz zu einer starren
Methode oder einer strengen wissenschaftlichen Kritik, mit Strategien
der "doppelten Geste", der Differenzbildung, der Demarkierung, der supplementären
Strukturen ... gerade die Begriffshierarchien metaphysischer Diskurse
erschüttern soll. Er vollzieht in seinen Texten dabei interessanterweise
ähnliche Unterbrechungen, Brüche und vielschichtige Text-Vernetzungen
wie in den zu dekonstruierenden literarischen und philosophischen Texten.
In der Praxis seines Schreibens verzichtet er auf eine neutrale Außen-Position.
Stattdessen verwickelt und verwebt er sich in prozessurale neue Schreibweisen:
"Wer schreibt? An wen? Und um zu senden, zu schicken, zu expedieren
was? An welche Adresse?" fragt er in Die Postkarte von Sokrates bis
an Freud und Jenseits, Berlin 1982, S. 8. In Form eines ,Postkartenromans`
versucht er eine Theorie der Sendung, des Kuriers und der Übertragung
im Kontext von Psychoanalyse und Telekommunikation zu entwickeln. In
dem Essay "Living On" (in: Deconstruction and criticism, hg.
v. Harold Bloom, New York 1979, S. 75-176) untersucht Derrida Grenzlinien
in Maurice Blanchots Texten und kommentiert den Prozeß seiner
Gedanken gleichzeitig, indem er eine einzige Fußnote einsetzt,
die unterhalb des gesamten Textes parallel weiterläuft. Vgl. Johanna
Bossinade, "Text als Differance (Derrida)", in: Poststrukturalistische
Literaturtheorie, S. 78-87 und "Dekonstruktion (Derrida)", a. a.
O., S. 176-187.
[29] Ein solcher eher ,praktischer`
Aspekt der Derrida-Lektüre für Medientheorie und -praxis schwingt
mit in Ulmer, Gregory L., Applied Grammatology. Post(e)-Pedagogy
from Jacques Derrida to Joseph Beuys, Baltimore: The Johns Hopkins
University Press 1985.
[30] Vgl. Glasweb: http://glas.lake.de;
VERSTäRKER: Nr. 1, Lesegruppe Glasweb: Peter Krapp:
http://www.culture.hu-berlin.de/verstaerker/vs001/krapp_glas.html.
[31] In: Das offene Kunstwerk,
Frankfurt a. M. 1973, OT: Opera aperta, Mailand 1962 beschreibt Eco
verschiedene ,Kunstwerke in Bewegung`, die über das Ansprechen
von Möglichkeitsfeldern einen aktiven Interpretations- und Rezeptionsprozess
herausfordern (Partituren serieller Musik, informelle Malerei, Visuelle
Poesie, Live-Fernsehsendungen, Querschnittstechniken bei Joyce): "Jedes
Ereignis, jedes Wort steht in einer möglichen Beziehung zu allen
anderen, und es hängt von der semantischen Entscheidung bei einem
Wort ab, wie alle übrigen zu verstehen sind." Ebd., S. 39. Die
Kunstwerke werden als Mechanismen aufgefaßt, derer man sich bedienen
kann: "Offenes Kunstwerk als Vorschlag eines ,Feldes` interpretativer
Möglichkeiten, als Konfiguration von mit substantieller Indeterminiertheit
begabten Reizen, so dass der Perzipierende zu einer Reihe stets veränderlicher
,Lektüren` veranlaßt wird; Struktur schließlich als
,Konstellation` von Elementen, die in wechselseitige Relationen eintreten
können" Ebd., S. 154.
[32] Hartmann, Frank, Medienphilosophie,
Wien 2000, S. 303. Frank Hartmann bezieht sich hier teilweise implizit
auf einen Artikel von Dieter Hoffmann-Axthelm, der die musikalischen
Grundlagen der Kooperation am Ende freilich noch stärker betont:
"Der Kooperationserfahrenheit des Arbeitsvermögens entspricht in
der ästhetischen Produktivität zwar nichts Gleichlautendes,
aber in dem Maße, in dem künstlerische Praxis Aktion wird,
sie ihren Zielpunkt in der öffentlichen Handlung hat und nicht
in einem Außerhalb der Produktion, des Zeitpunktes, des Autors
und des Ortes liegendem Produkt, bildet sich eine Art Taktstraße
heraus, die Aktionszeit. Diese Trasse organisiert gleichsam selber ,
wie beim musikalischen Improvisieren, die Zeiten, in die die Beiträge
unterschiedlicher Autoren hineingehen können. Es ist, sobald die
Zeitspannung hergestellt ist, immer schon etwas da.
Nur ist dieser Taktgeber in den bildenden Künsten kein reines Zeitmaß,
sondern immer auch optisches Medium. Gegenstand sind die aktuellen Wahrnehmungsgewohnheiten:
Schnitte, Beschleinigungen, Überblendungen, Gleichzeitigkeiten
und Zeichenabstraktionen der alltäglichen Wahrnehmung. Foto, Film,
Video, Computerfilm bringen sie nicht hervor, aber stellen sie dar,
treiben sie voran, spitzen sie zu. Wir sollten die optischen Medien
nicht überschätzen. Subjekt ist, bei aller Unterworfenheit
unter Taktverfahren, noch immer die Wahrnehmung. Kooperation heißt,
seit ihrer Erfindung, rhythmisierte Wahrnehmungszeit. Nicht neutralisierte
optische Signale, sondern Lieder waren ihre ersten Taktgeber. Aus der
Arbeitskraft ausgetrieben, kehre die Kooperation, so sie wieder ästhetisch
würde, nur zu ihren Anfängen zurück." Hoffmann-Axthelm,
Dieter, "Kunst und Kooperation", in: Künstlergruppen. Von der
Utopie einer Kollektiven Kunst, hg. v. Florian Rötzer, Kunstforum,
Bd. 116, 11/12 1991, S. 154-159, hier: S. 159.
[33] Lazzazato, Maurizio, "Immaterielle
Arbeit. Gesellschaftliche Tätigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus",
in: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion,
hg. v. Toni Negri, Maurizio Lazzazato, Paolo Virno, Berlin 1998, S.
39-52, hier: S. 46-47.
[34] Vgl. die äußerst dürftigen
Zukunftsentwürfe in den Planets of Vision, Bestandteil der
EXPO 2000 in Hannover: http://www.planetofvisions.com/.
[35] Lazzazato, Maurizio, "Immaterielle
Arbeit. Gesellschaftliche Tätigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus",
in: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion,
hg. v. Toni Negri, Maurizio Lazzazato, Paolo Virno, Berlin 1998, S.
48.
[36] Lazzazato, Maurizio, "Verwertung
und Kommunikation. Der Zyklus immaterieller Produktion", in: Umherschweifende
Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion, hg. v. Toni Negri,
Maurizio Lazzazato, Paolo Virno, Berlin 1998, S. 53-66, hier: S. 57
f.
[37] Ebd., S. 61.
[38] "Postmediale Praxis entsteht aus
den vernetzten Praktiken leidenschaftlicher Individuen und Gruppen,
die in lokalen und translokalen Kontexten arbeiten und dabei Medien
verwenden wie Magazine, Plattenlabels, CD-Roms, Websites, Clubevents,
Mailinglisten, usw. Differenzen werden in diesen Netzwerken nicht negiert,
sondern ausgelebt. Postmediale Praxis wird auch bestimmt durch eine
kritische Haltung gegenüber den verwendeten Medien, sie handelt
eher in lateralen als in vertikalen Konfigurationen und akzeptiert die
Prozessualität und kontinuierliche Transformation von Kontext und
Praxis. [...] Postmedia könnte in diesem Sinne als fröhlichere
Variante des Spiels von modernen Betriebsstrukturen, von Telearbeit,
digitaler Cottage-Industrie, ,lean management` und doppelt freien Lohnarbeitern
gelesen werden." Broeckmann, Andreas, "Knowbotic Research - Wirksamkeit
und konnektives Handeln. Konstruktionen im Translokalen" unter: http://www.kulturprozent.ch/brainstorming/referenten/willhelm/knowbot.htm.
[39] http://io.khm.de/.
[40] Andreas Broeckmann, wie Anm. 40.
Mittels eines speziellen Editor-Interfaces ist diese Datenbank nach
Anmeldung auch im Netz verfügbar und prinzipiell offen für
weitere Einträge: http://io.khm.de/. Vgl. auch die kommentierende
und interpretierende Projektkritik von Hans Ulrich Reck, "Konnektivität
und Kartographie. Über: künstlerische Praxis, Arbeit, Subjektivität,
Handeln" auf demselben Server.
[41] Die übertragenen Bilder stammen
nämlich von einer Einkaufspassage an der Westküste, wo die
gleiche Installation aufgebaut ist. In einer permanenten Live-Übertragung
werden wechselseitig Bilder aus der einen sozio-kulturellen Situation
in die jeweils andere übertragen. Über Gesten, kleine Szenen
und kurze Botschaften ereignet sich eine ständig fortschreibende
Konversation in kleinen Ausschnitten, in der die Beteiligten selbst
zu Akteuren werden. Im weiteren Verlauf der Aktion kommt es sogar zu
Verabredungen mit Bekannten und Verwandten, die ,auf der anderen Seite
des Monitors` leben. Soziale Rückkoppelung statt closed circuit
Rückprojektion des eigenen Bildes. Westcoast meets Eastcoast.
[42] Ausführlicher lediglich in
Youngblood, Gene (1986), "Der virtuelle Raum. Die elektronischen Umfelder
von Mobile Image", in: Ars Electronica. Festival für Kunst und
Gesellschaft, Linz, S. 289-302. Der Text entstand 2 Monate vor der
Projekt-Realisierung aus konzeptuellen Entwürfen der Künstler
für einen Katalog, der allerdings nie erschienen ist.
[43] Auf der Hardware-Ebene besticht
das Elektronische Café durch eine Systemintegration aller verfügbaren
Medien - auf der Software-Ebene fungiert eine Art simples Mail-Box-Programm
als gemeinschaftliche Datenbasis für die ,Community memory`: "Jeder
Nutzer hat uneingeschränkten interaktiven Zugang zu den Datenbasen
und kann gleichberechtigt Beiträge einbringen. Jedermann kann jederzeit
Botschaften senden, Akten anlegen, andere Mitteilungen lesen und Kommentare
und Anregungen durch öffentlich zugängliche Terminals in Bibliotheken,
Lebensmittelgeschäften, Kaffeehäusern und Gemeinschaftszentren
vorbringen. Es gibt keine Zensur und keine persönlichen Akten,
doch können Botschaften oder Akten nur von ihren Autoren verändert
werden [...] ein Instrument für kollektives Denken, Planen, Organisieren,
Entscheiden [...]" Ebd., S. 300.
[44] Youngblood, Gene, "Metadesign",
in: Kunstforum, Bd. 98, 2/1989, S. 76-84, hier: S. 80.
[45] Peter Glaser in einer Einladungsmail
vom 11.1.1993 20:53:33. Vgl. auch das Kapitel "Leben im Netz - Geschichten"
aus der Diplomarbeit von Rena Tangens, Das Leben im Netz. Die Bürgernetze
Z-NETZ, CL und ZaMir und ihre Geschichten, Bielefeld 1996, S. 55-87.
Jetzt ist es noch als Archiv erreichbar unter der newsgroup: t-netz/alt/tagebuch
oder im Archiv des Zerberus-Netzes: http://www.zerberus.de/texte/wam_kat/.
[46] "Welttexte" hieß ein heftig
umstrittener Beitrag auf der Mailingliste "Netzliteratur", den Reinhold
Grether dort am 7. Januar 1999 veröffentlichte. "Literatur, auf
der Höhe unserer Zeit", so der Schlußsatz, "muß ,Welttexte`
schaffen, auf Basis der Konnektivität (Technologien, Materialien,
Multipersonalität) der Netze." Wie das globale Imaginäre sich
in 24 Netzprojekten zeigt und konzeptualisiert untersucht Reinhold Grether
in "Versuch über Welttexte", in: Hyperfiction. Zum digitalen
Diskurs über Internet und Literatur, hg. v. Beat Suter u. Michael
Böhler, S. 85-100. Vgl auch seine Artikel in telepolis (http.//www.heise.de/tp)
und das Projekt "Netzliteratur, Netzkunst und Netzwissenschaft" unter:
http://www.netzwissenschaft.de/.
[47] "THE WORLD'S FIRST WHAT? YOU ASK.
DON'T WORRY. SOON YOU'LL KNOW. BUT FIRST LET ME ASK SOMETHING FAR MOR
IMPORTANT: The temporary author-artist of these lines and this work
is Douglas Davis. In face he (cf. me) is facing you at this moment,
from a moment in 1973 when he, that is, me, tried to focus the lens
of his video camera directly on you, the viewer on the other side of
the then-imperial TV screen. Well, we have broken that screen down many
times then--,we` being the early video artists determined to destruct
the big lie that TV was a ,mass` one-way medium, you, impatient viewer
who lusted for something better (and finally got it, in lots of ways),
and the inexorable roll of technological innovation, moving us finally
into the digital era and THIS MEDIUM, the InterNet/Web, where you take
over from me....
But not yet, please. Wait just a few pages....hold out your hand there...yes,
I think I got it...your fingers...hand in hand let's look through....
ALL THE GOOD DIGITAL BITS YOU CAN RETRIEVE FROM US ALONG THE WAY [...]"
http://ca80.lehman.cuny.edu/davis/.
[48] Vgl. http://www.thirdvoice.com.
[49] http://www.assoziations-blaster.de/
initiiert von den beiden Stuttgarter Merz-Akademie-Studenten Alvar Freude
und Dragan Espenschied.
[50] So die Begrüßungsseite
des Blasters: http://www.assoziations-blaster.de/
[51] Am 14.09. 2000 waren 61968 Texte
zu 5026 Stichw_rtern eingegeben worden, innerhalb eines Tages kommen
bis zu 300 Texte und 25 neue Stichwörter dazu. Details zur Statistik
(Suchmaschinenauswertungen, wenig und häufig gesuchte Stichworte)
sind abrufbar unter: http://www.assoziations-blaster.de/statistik/.
[52] Mit diesem Begriff kritisierte
Hartmut Winkler eine ausschweifende, in die Breite gehende Tendenz zur
Beliebigkeit in Texten aus kollaborativen Schreibprojekten auf dem Workshop:
Odysseen des Wissens, Weimar, 2.-3.3 2000. Vgl. Winkler, Hartmut, "Kollaborative
Schreibprojekte im Netz. Über Komplexität und einige mediengeschichtliche
Versuche sie wieder in den Griff zu bekommen" unter: http://www.uni-paderborn.de/~winkler/,
sowie das Kapitel "Verdichtung" in: ders. Docuverse, Berlin 1997.
[53] Ein Blick etwa in physikalische
Forschungsliteratur zeigt Teams von mehr als 2000 WissenschaftlerInnen,
die über Jahrzehnte zusammenarbeiten. Selbst bei einer Dissertation
in einem solchen Arbeitskontext tauchen dann etwa die Namen von über
500 ,Mitautoren` (in alphabetischer Reihenfolge) auf, so dass - trotz
der restriktiven Regeln des zunftartig organisierten Wissenschaftsbetriebs
- der einzelne Forscher ganz deutlich als Knoten in einem Geflecht von
Querbeziehungen positioniert wird. Der Konzeption des WWW-Standards
am CERN lag u.a. der Wunsch und die Notwendigkeit der Entwicklung eines
einfachen Austauschformats für wissenschaftliche Texte im Netz
zugrunde.
http://hoshi.cic.sfu.ca/~guay/Paradigm/History.html gibt einen
sehr fundierten Überblick über die historischen Entwicklungen
des Web-Konzepts aus den verschiedensten Quellen - (Bush, Nelson, Engelbart,
CERN) nebst medientheoretischen Hintergrund (Mc Luhan, Landow).
siehe auch: Tim Berners-Lee (Ted Nelson and Xanadu), http://www.w3.org/pub/WWW/Xanadu.html
[54] Alle Dokumente und Materialien
des Projekts sind archiviert unter: http://www.hyperdis.de/netkult/
[55] Die Entwickler bezeichnen nic-las
als ,autopoetische Informationslandschaft`: Das Akronym nic-las steht
für nowledge integrating communication-based labelling and access
system.
[56] Diese Unterscheidungen strukturieren
schon während der Texteingabe den Datenbestand dynamisch und schreiben
somit jede Veränderung in einem kleinen Detail in den Gesamtkontext
ein und diferrenzieren so die Wissensstrukturen immer weiter aus. Personen-,
Themen- und Zeitreferenzen vernetzen jede Texteinheit innerhalb verschiedener
Kontexte.
[57] Die Imaginäre Bibliothek
zeigt diese Prozesse auf: http://www.hyperdis.de/pool/.
[58] Aufschreibesysteme im erweiterten
kittlerschen Verständnis als kulturell-mediale Diskursnetzwerke.
[59] Das CaterCapillar-Network: http://student.merz-akademie.de/catercapillar/
ermöglicht eine automatische Indizierung und Verknüpfung von
Dateien auf verschiedenen Servern, eine Art Fortsetzung des Assoziationsblasters
auf der Ebene der Netztopologien.
[60] Vgl. http://www.hyperdis.de.
[61] Solche Proto-Hypertexte sind im
Detail beschrieben in: Idensen, Heiko, "Die Poesie soll von allen gemacht
werden! Von literarischen Hypertexten zu virtuellen Schreibräumen
der Netzwerkkultur", in: Literatur im Informationszeitalter,
hg. v. Friedrich A. Kittler u. Dirk Matejovski, Frankfurt a. M. 1996,
S. 143-184.