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rainer rilling
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Sabine Nuss Medien & Internet (14.09.2004)
Zum Kampf um die Privatkopie
Das Urheberrecht
Es ist nicht neu, dass das bürgerliche Recht nicht statisch ist, sondern sich über die Zeit wandelt. Seit der Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien wird besonders das Rechtsfeld des Geistigen Eigentums global und national reformiert und angepasst, um unter anderem der anarchischen, kostenlosen Verbreitung von eigentlich für den Verkauf gedachten Musik-, Text-, Bild- und anderen Dateien ein Ende zu setzen. Die privateigentumsrechtliche Kontrolle des Netzes versuchen die Rechteinhaber solcher digitalisierten Medieninhalte mit speziellen Kopierschutztechnologien zu gewinnen, allgemeiner: Digitale Rechtesysteme sollen dafür sorgen, dass die freie Bedürfnisbefriedigung dem kontrollierten „nur gegen Bezahlung“ zugeführt wird.

Das neue Urheberrecht unterstützt diese Kontroll-Technologien, u.a. indem es verbietet, dass man die technischen Schranken umgeht (was in aller Regel nicht weiter schwer ist). Nun kann es also dazu kommen, dass man beim Kauf einer Datei keine Kopie (oder nur eine, oder nur zwei, usw.) davon machen kann, wenn es das entsprechende digitale Rechtesystem so vorsieht. Dies jedoch steht offensichtlich im Widerspruch zum Recht auf Privatkopie, das da sagt:

"Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen." (§ 53 Abs. 1 UrhG).

Obgleich nun das Recht auf Privatkopie solche privaten Kopien, die für meinen eigenen, kleinen, unkommerziellen Gebrauch gedacht sind, explizit vorgesehen hat, darf man seither, seit des neuen Gesetzes, nichts mehr cracken oder hacken um technische Schranken zu umgehen, damit man wieder in den Genuß dieser Privatkopie kommt.

Dagegen nun rührten sich schon im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes Netzaktivisten und Bürgerrechtler aller Couleur. Sie organisierten Konferenzen, gaben Bücher raus, schrieben Pamphlete, Petitionen und argumentierten. Sie meinten, man dürfe den Zugang zu Wissen, Ideen und Kultur nicht mit so hohen Hemmschwellen versehen, da dies für Bildung, für die Entfaltung des Individuums, usw. unabdinglich sei. Mit anderen Worten: Der Zugang soll mindestens erschwinglich bleiben, nicht jedes kleine Bit soll was kosten. Außerdem wurde und wird befürchtet, dass über die digitalen Rechtetechnologien auch ganz andere Kontrollmechanismen einhergehen können, weil für den Transfer mitunter Nutzerdaten minutiös erfasst werden. Um gegen den eigentumsrechtlich regulierten und damit eingeschränkten Zugang zu argumentieren, wurde allerhand ins Felde geführt. Vor allem das Allgemeininteresse wurde und wird immer wieder bemüht, auch Thomas Jefferson, der gesagt haben soll, dass: "...ideas should be spread from one to another over the globe, for the moral and mutual instruction of man, and improvement of his condition" und das Argument, dass Wissen nicht auf einen alleine zurückgeführt werden kann und noch mehr: die Zukunft der Wissensgesellschaft und sogar das kulturelle Erbe, welches gefährdet werden würde.

Diese Argumentation ist mitnichten nur eine von bürgerrechtlich engagierten Netzaktivisten. Sie findet sich durchaus auch in den Kommentatoren des Urheberrechts selbst, in Kommentaren des Bundesgerichtshofs, usw. So heißt es in einer aktuellen Ausgabe des Urheberrechts zur Begründung der Schranken dieses Rechts: "Dabei hat der Gesetzgeber nicht nur die Individualbelange des Urhebers zu sichern, sondern ihm ist auch aufgetragen, den individuellen Berechtigungen und Befugnissen die im Interesse des Gemeinwohls erforderlichen Grenzen zu ziehen" (Hillig 2003: XIV).

Der Kampf der Netzaktivisten gegen die kapitalistische Inwertsetzung des Internet im allgemeinen (denn um nichts anderes geht es bei der privateigentums-rechtlichen Strukturierung des Netzes) und gegen die Musik- und Filmindustrie im Besonderen ist erbittert, zumal die Industrie die Bundesregierung aufforderte, die Privatkopie gleich ganz zu verbieten und damit das, worum gekämpft wurde, letztlich völlig zur Disposition stellte. Und zuguter letzt hat die Industrie die größte Lobby und – was wichtiger ist – vor allem das stärkere Argument auf ihrer Seite: sie klagt die Durchsetzung der Eigentumsrechte für auch noch das letzte Fitzelchen Bit und Byte im Internet ein mit der Begründung, dass nur so die Kreation neuer Geistiger Schöpfung gewährleistet sei, was wiederum zu Wachstum und Beschäftigung auf dem Standort Deutschland führen würde. Es ist die bekannte Logik, die innerhalb des Kapitalismus gilt: investiert wird nur, wenn es sich auch rechnet. Was im übrigen nicht gleichzusetzen ist mit „Künstler sind nur kreativ und produktiv, wenn sie damit Geld verdienen“. Die Praxis zeigt, das Künstler in der Regel kreativ sind, obwohl sie in der Regel eher zur Brotlosigkeit neigen. Was Maler oder Sänger in ihre Materialien und Zeit investieren, kommt nur selten zurück und schon gar nicht vermehrt. Die meisten schlagen sich irgendwie durch. Es trifft maßgeblich auf die Rechteverwerter – Industrie zu, die natürlich nur dann in Künstler investieren will, wenn auch die Einnahmen aus dem Verkauf der Werke gesichert sind.

Jedenfalls: Nicht ein Ruck sondern ein pawlowscher Reflex geht üblicherweise durch die Regierungsreihen, wenn von Innovation, Beschäftigung und Wachstum geredet wird, und so erklärt es sich, dass auch Bundesministerin Brigitte Zypries noch ruckte, als sie jüngst in einem Interview mit der Computerzeitschrift zum neuen Urheberrecht c't sagte: " (...) das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie". (http://www.heise.de/ct/04/16/158/).

Dies ist nun keine Verleugnung, denn man muss den Passus tatsächlich genau lesen. Im Urheberrecht steht ja nicht "die Leute haben das Recht dazu, Kopien anzufertigen zum eigenen Gebrauch", sondern es steht "zulässig ist" und das heißt, wenn der Rechteinhaber seine Sachen schützt ist es nicht zulässig, sie zu kopieren, wenn er sie *nicht* schützt, ist es zulässig. Die Erlaubnis, Privatkopien anzufertigen, bleibt damit erhalten, aber in der Praxis wird es nur noch dann möglich sein, wenn die Rechteindustrie auf Digital Rights Systeme verzichtet. Wie realistisch das ist, davon kann sich jeder selbst ein Bild machen.

Angesichts dieser faktischen Absage an die Privatkopie ist es nun doch nochmal interessant, wie das nun begründet wird, war doch jahrelang die Privatkopieschranke ein Institut zur Förderung des sogenannten Allgemeinwohls. Der Wortgeber des Justizministeriums, Ministerialdirektor Elmar Hucko (Leiter der Abteilung Handels- und Wirtschaftsrecht im Justizministerium) sagt nun dazu: "Der Gesetzgeber hätte private Vervielfältigungen schon vor 40 Jahren verboten, wenn er im Verbot einen Sinn gesehen hätte. Aber das funktioniert nicht; das wäre ebenso effektiv gewesen wie ein Verbot des Nasebohrens. (...) Heute sind wir in einer Situation, in der die Content-Inhaber sich selbst schützen könnten, was früher nicht möglich war." (http://www.heise.de/ct/04/16/158/).

Das vermeintliche Allgemeinwohl wird demnach zugunsten der Verwertungsmöglichkeit von Unternehmen zurück gestellt, da nun der technologische Stand der Produktivkräfte Inwertsetzungsmöglichkeiten eröffnet, die so vorher nicht existierten. Dies trifft im übrigen treffend zusammen mit dem gegenwärtigen Entwicklungsstand von Kapitalismus. Die Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft in für die Verwertung des Kapitals unrentabel gewordene Menschenmassen auf der einen Seite und in eine auf der anderen Seite gut ausgebildete und mit Ressourcen ausgestattete Mittel- bis Oberschicht, legt das durchaus nahe. Aktuelle Diskussionen um Eliteuniversitäten und Studiengebühren und die Aufgabe des Ideals einer breiten Bildung passen sich hervorragend ein in diese Praxis, die es nicht mehr für geboten und zweckmäßig hält, den Zugang zu Wissen, Ideen, Kultur für alle gleichermaßen erschwinglich zu halten.

Wer sich darüber wundert oder gar ärgert, dass eine jahrelange Argumentation mit einem Schlag vergessen ist, geht einer verbreiteten Annahme auf den Leim, nämlich dass der bürgerliche Staat jemals den Zweck des Allgemeinwohls im Sinne gehabt hätte, bzw. dass das Allgemeinwohl tatsächlich das Wohl aller meinen würde.


Mario Candeias (14.10.2004 12:40:41)
Widerspruch zwischen Informationsgütern und ihrer Wertform

Die Verbreitung digitalisierter Güter im Internet führt dazu, dass diese tendenziell ihren warenförmigen Charakter verlieren. Digitale Güter sind nicht knapp, können zu verschwindend geringen Kosten beliebig oft reproduziert werden, ohne an Gebrauchswert einzubüssen (tatsächlich steigert sich ihr Gebrauchswert mit der Verbreitung des Produkts). Die Kontrolle über das Produkt entgleitet dem Kapital. Ein Produkt, dessen Tauschwert auf dem Markt nicht realisiert werden kann, hat auch keinen Wert. Um sich Profite und Extraprofite zu sichern bedarf es also der Reorganisation gesellschaftlicher, rechtlicher und technischer Bedingungen, die den Warencharakter digitalisierter Güter über ›künstliche‹ Verknappung wieder herstellen. Unternehmen forcieren seit Jahren die teure Entwicklung von hochelaborierten Verschlüsselungstechnologien und Kopierschutzmechanismen – faux frais (Marx), also höchst unproduktive Kosten, der digitalisierten kapitalistischen Produktionsweise. Sie sollen die Verwertung des eingesetzten Kapitals sichern. Doch existiert kein technischer Schutz, der nicht durch andere Techniken überwunden werden könnte. Auf jeden Kopierschutz folgt mit kurzer Verzögerung das Programm zu seiner Umgehung. Der Schutz des eigenen Produkts kollidiert häufig genug mit den Interessen anderer Kapitalfraktionen, z.B. Herstellern von CD- und DVD-Laufwerken. Die Verfolgung der ›Internetpiraten‹ und ›Power-Downloader‹ und Auseinandersetzungen mit anderen Unternehmen sind ein zunehmendes Ärgernis für die Industrie und Anlass für immer neue Rechtsstreitigkeiten, verbunden mit horrenden Kosten für Anwälte und Prozesse – auch die faux frais der neuen Produktionsweise. Diese Widersprüche haben nun Plattenfirmen (Sony und BMG) dazu bewogen auf Kopierschutz in Zukunft (zumindest teilweise) zu verzichten. Ein lesenswerter Bericht der FR findet sich unter http://www.fr-aktuell.de/re... (›Kontrollierter Rückbau
Plattenlabel überdenken den Kopierschutz für Musik-CD‹). Das wirft ein verändertes Licht auf die von Sabine diskutierten zukünftigen Möglichkeiten der Privatkopie. Wenn es laut Urheberrecht ›zulässig ist‹ Privatkopien anzufertigen, sofern der Rechteinhaber seine Sachen nicht schützt, dann bleibt nun wieder alles beim... alten? Es bleibt abzuwarten, ob das deutsche Justizministerium dem Stand der Entwicklung hinterherhinkt oder technologische und legale Digital Rights Systeme erst noch konvergieren werden.

Sabine Nuss (14.10.2004 21:10:53)
Ja, das stimmt und es hat auch Wellen geschlagen, als Universal den Kopierschutz zurück gezogen hat. Aber in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen mit Frank Briegmann, Deutschland-Präsident von Universal Music, klang das dann so: „(...) wir machen das nur vorübergehend wegen der Funktionsmängel der zur Zeit verfügbaren Systeme. Sobald es einen zuverlässigen Kopierschutz gibt, werden wir ihn auf breiter Front einsetzen.“ (in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. September 2004, Nr. 226, S. 21). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läßt sich recht wenig mit Gewissheit darüber aussagen, wer „das Rennen machen wird“. Die Verschlüssler oder die Entschlüssler – ums mal so auf den Punkt zu bringen. Andererseits zweifle ich nicht daran, dass Technik veränderbar ist und – wenn es der Staat so will – auch entsprechend geändert werden kann/muss. Die Architektur des Netzes wird ja seit der Kommerzialisierung stets und zunehmend auf De-Anonymisierung getrimmt. Code is law (Lessig) und kann daher je nach law umgeschrieben werden. Es wird ja auch an der Hardware, an den Chips usw. rumgebastelt, siehe nur das ewige Gemache um Palladium oder TCPA oder wie es jetzt mittlerweile wieder heißt (die ändern ständig den Namen). Diese Gruppe wurde im Jahr 1999 von Compaq, HP, IBM, Intel und Microsoft gegründet, rund 145 Mitglieder gehören ihr an (aus der Hard- und Softwarebranche.) Unter diesem Dach soll eine neue Rechnerarchitektur entwickelt werden. Die Idee dahinter ist grob, dass ein integrierter Chip darüber wachen soll, ob an der Hardware etwas verändert wurde, ob Software ohne Lizenz genutzt wird oder ob ein Dokument ohne Erlaubnis geöffnet wird, u.v.a.m..... Windows XP meckert ja jetzt schon rum, wenn ich irgendeine Software installiere und will immer die Treiber registiert haben, wie überhaupt das ganze Betriebssystem (jaja, ich weiß, XP gibt’s längst schon gecrackt zu haben irgendwo im Netz). Näheres über TCPA unter http://moon.hipjoint.de/tcp...

Wie auch immer klingt das alles nach einem Wandel vom Multi-Media-Allzweck-Computer hin zur Konsumentenplattform in der die Leute nur noch de-anonymisiert online einkaufen gehen können. Jetzt könnte man sagen, na siehste, wird das doch eine Ende haben mit dem freien Download. Aber just eine von (schon wieder) Microsoft in Auftrag gegebene Studie hat dagegen auch grade wieder verkündet: Das darknet lebt und wird nicht sterben, irgendjemand wird immer cracken und hacken und wieder verbreiten können, weshalb es ökonomisch betrachtet letztlich besser sei, auf Digital Right Management-Systeme zu verzichten: „There is evidence that the darknet will continue to exist and provide low cost, high-quality service to a large group of consumers. This means that in many markets, the darknet will be a competitor to legal commerce.“ siehe http://crypto.stanford.edu/...

Fazit: Die maßgeblichen Akteure wissen selbst nicht so genau und alles befindet sich in der Trial-and-Error-Phase. Sicher ist jedenfalls: Falls das Bemühen um die Verknappung der digitalen Güter mit Hilfe von Eigentumsschutz-Technologie (und Ideologie und Recht) irgendwann dennoch erfolgreich sein wird, was doch nicht ganz auszuschließen ist: der Staat hat seine Hausaufgaben schon mal gemacht.



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