13. Kapitel

Maschinerie und große Industrie

1 .

Die Tendenz des Kapitals, neue Produktivkräfte zum Zwecke der Steigerung der Mehrwertrate freizusetzen, resultiert also darin, das besondere Geschick überflüssig zu machen, d.h. die im Werkzeug inkarnierten Potenzen des geteilten Arbeitsprozesses vor. ihrer Bindung an die arbeitenden Subjekte zu befreien und durch die Veränderung des Arbeitsmittels die "enge technische Basis" der Manufaktur aufzuheben:

"Die Umwälzung der Produktionsweise nimmt in der Manufaktur die Arbeitskraft zum Ausgangspunkt, in der großen Industrie das Arbeitsmittel." (MEW 23/391)

Das Prinzip der Maschinerie besteht darin, daß die Instrumente

"statt als Werkzeuge des Menschen jetzt als Werkzeuge eines Mechanismus oder als mechanische" (MEW 23/393)

fungieren.[1] Der mit einem einzelnen Werkzeug operierende Arbeiter ist ersetzt durch einen Mechanismus, der mit einer Masse von Werkzeugen zugleich dieselben Operationen ausführt, weiche der Arbeiter mit ähnlichen Werkzeugen verrichtete:

"Hier haben wir die Maschine, aber erst als einfaches Element der maschinenmäßigen Produktion." (MEW 23/396)

Mit dieser durch die Werkzeugmaschine vollführten Emanzipation vom Geschick der Arbeiter kann dieser auch in seiner verbleibenden Funktion als einfache Triebkraft ersetzt werden:

"Nachdem erst die Werkzeuge aus Werkzeugen des menschlichen Organismus in Werkzeuge eines mechanischen Apparats, der Werkzeugmaschine verwandelt, erhielt nun auch die Bewegungsmaschine eine selbständige, von den Schranken menschlicher Kraftvöllig emanzipierte Form. Damit sinkt die einzelne Werkzeugmaschine… zu einem bloßen Element der maschinenmäßigen Produktion herab." (MEW 23/398)

In dieser maschinenmäßigen Produktion sind die gesellschaftlichen Momente des Arbeitsprozesses von den Subjekten abgelöst: Kooperation und Teilung der Arbeit sind im Arbeitsmittel objektiviert, der Zusammenhang der Arbeit bestimmt sich durch die Maschinerie; die einfache Kooperation erscheint wieder

"als räumliche Konglomeration gleichartiger und gleichzeitig zusammenwirkender Arbeitsmaschinen" (MEW 23/399),

die nur noch

"gleichartige Organe desselben Bewegungsmechanismus" (MEW 23/400)

bilden, und auch

"die der Manufaktur eigentümliche Kooperation durch Teilung der Arbeit." (MEW 23/400)

tritt wieder auf, aber jetzt als Maschinensystem,

"als Kombination von Teilmaschinen." (MEW 23/400)

Die Teilung der Arbeit ist in der Fabrik Ergebnis der Organisation des Produktionsprozesses nach technischen Prinzipien, die der Maschinerie zugrunde liegen und von ihr erzwungen werden:

"in der Manufaktur müssen Arbeiter, vereinzelt oder in Gruppen, jeden besondren Teilprozeß mit ihrem Handwerkszeug ausführen. Wird der Arbeiter dem Prozeß angeeignet, so ist aber auch vorher der Prozeß dem Arbeiter angepaßt. Dies subjektive Prinzip der Teilung fällt weg für die maschinenartige Produktion. Der Gesamtprozeß wird hier objektiv, an und für sich betrachtet, in seine konstituierenden Phasen analysiert, und das Problem, jeden Teilprozeß auszuführen und die verschiednen Teilprozesse zu verbinden, durch technische Anwendung der Mechanik, Chemie usw. gelöst…" (MEW 23/400 ff)[2]

Damit sind auch die spezifischen Schranken der Zusammenarbeit die die Manufaktur dem Kapital auferlegt, beseitigt: Mit der Übertragung des Gesamtprozesses an einen Mechanismus werden die durch Verselbständigung und Isolierung der Teilarbeiten bewirkten Unterbrechungen des Produktionsprozesses hinfällig:

"Wenn in der Manufaktur die Isolierung der Sonderprozesse ein durch die Teilung der Arbeit selbst gegebnes Prinzip ist, so herrscht dagegen in der entwickelten Fabrik die Kontinuität der Sonderprozesse" (MEW 23/401),

und der Zusammenhang der Arbeit hat im "automatischen System der Maschinerie", in welchem der Arbeiter nur noch den selbständigen Operationen der Maschinen nachhilft, seine entwickeltste Gestalt.[3]

Das automatische Maschinensystem, das ein von allen Schranken menschlicher Naturkraft und Geschicklichkeit emanzipiertes Mittel menschlicher Arbeit darstellt, welches - sich selbst bewegend - die Arbeit vollführt, ist als gegenständliche Bedingung des Arbeitsprozesses selbst Produkt menschlicher Arbeit und verweist als solches auf seine Entstehung aus einer Produktionsweise, in der die Arbeiter durch die handwerkliche Produktion von Maschinen die Loslösung des Arbeitsmittels von den menschlichen Schranken selber schüfen. Durch die Produktion von Maschinen schafft die Manufaktur die Voraussetzungen für ihre eigene Überwindung. Ihr Mangel, die Bindung an die subjektiven Fähigkeiten des spezialisierten Arbeitsvermögens erforderte und ermöglichte die Produktion von Maschinen durch Anwendung bestehender Erfindungen. Sie schuf das Geschick und die technischen Voraussetzungen, Maschinen zu bauen und dadurch menschliches Geschick überflüssig zu machen:

"Wir erblicken hier also in der Manufaktur die unmittelbare technische Grundlage der großen Industrie. Jene produzierte die Maschinerie, womit diese in den Produktionssphären, die sie zunächst ergriff, den handwerks‑ und manufakturmäßigen Betrieb aufhob." (MEW 23/403)

Doch stellt die handwerksmäßige Produktion von Maschinen einen Mangel dar, der sich an der nicht beliebig vermehrbaren Zahl spezialisierter maschinenproduzierender Arbeiter und dem an menschliche Kraft und Geschicklichkeit gebundenen beschränkten Umfang des Produkts zeigt. Maschinenproduktion auf großem Maßstab setzt voraus, daß die Industrie die "ihr unangemessene materielle Grundlage" aufhebt und die Produktion von Maschinen selbst maschinenmäßig betreibt:

"Die große Industrie mußte sich also ihres charakteristischen Produktionsmittels, der Maschine selbst, bemächtigen und Maschinen durch Maschinen produzieren. So erst schuf sie ihre adäquate technische Unterlage und stellte sich auf ihre eignen Füße." (MEW 23/405)

Erst auf Grundlage maschineller Produktion von Maschinen entsteht das automatische Maschinensystem, das als von allen subjektiven Schranken emanzipiertes Produkt menschlicher Arbeit einen objektiven, durch technische Notwendigkeit bestimmten Zwang darstellt, dem der Arbeiter sich unterwerfen muß:

"im Maschinensystem besitzt die große Industrie einen ganz objektiven Produktionsorganismus, den der Arbeiter als fertige materielle Produktionsbedingung vorfindet. In der einfachen und selbst in der durch Teilung der Arbeit spezifizierten Kooperation erscheint die Verdrängung des vereinzelten Arbeiters durch den vergesellschafteten immer noch mehr oder minder zufällig. Die Maschinerie, mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen, funktioniert nur in der Hand unmittelbar vergesellschafteter oder gemeinsamer Arbeit. Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit." (MEW 23/407)

2.

Als Mittel der relativen Mehrwertproduktion enthält die Maschinerie eine Besonderheit, die dem Zweck der Verwertung entgegensteht: Im Unterschied zu den Produktivkräften kooperativer, geteilter Arbeit und zu den Produktionsbedingungen, die Naturkräfte und Wissenschaft[4] darstellen, ist die Steigerung der Produktivkraft durch Maschinen mit wachsender konstanter Kapitalauslage verbunden, die entsprechend in den Wert des Warenprodukts eingeht:

"Gleich jedem andren Bestandteil des konstanten Kapitals schafft die Maschinerie keinen Wert, gibt aber ihren eignen Wert an das Produkt ab, zu dessen Erzeugung sie dient. Soweit sie Wert hat und daher Wert auf das Produkt überträgt, bildet sie einen Wertbestandteil desselben. Statt es zu verwohlfeilern, verteuert sie es im Verhältnis zu ihrem eignen Wert." (MEW 23/408)

Andrerseits ermöglicht die Maschine durch ihre produktiven Potenzen, ihren eigenen Wert auf eine sehr viel größere Summe von Waren zu verteilen: Mit der Maschinerie wächst nicht nur die Differenz zwischen dem Arbeitsmittel als "wertbildendem und als produktbildendem Element' (MEW 23/408)

- "Erst in der großen Industrie lernt der Mensch, das Produkt seiner vergangnen, bereits vergegenständlichten Arbeit auf großem Maßstab gleich einer Naturkraft umsonst wirken zu lassen." (MEW 23/409) -

es sinkt auch der Grad, worin der von der Maschine abgegebene Wertteil das Produkt verteuert durch wachsenden Umfang des Produkts und wachsende Geschwindigkeit der Arbeitsoperationen. Daraus erklärt es sich,

"daß beim Maschinenprodukt der dem Arbeitsmittel geschuldete Wertbestandteil relativ wächst, aber absolut abnimmt. Daß heißt, seine absolute Größe nimmt ab, seine Größe im Verhältnis zum Gesamtwert des Produkts, z.B. eines Pfundes Garn, nimmt zu." (MEW 23/411)

Der Anwendung der Maschinerie liegt also ein Vergleich zugrunde zwischen der Verbilligung der Waren durch die von ihr erzeugte Produktivkraftsteigerung und dem damit einhergehenden wachsenden konstanten Kapitalbestandteil des Produkts: Die Produktivität der Maschine mißt sich daran, wieweit der von ihr dem Produkt zugesetzte Wert geringer ist als der,

"den der Arbeiter mit seinem Werkzeug dem Arbeitsgegenstand zusetzen würde." (MEW 23/412),

also am

"Grad, worin sie menschliche Arbeitskraft ersetzt." (MEW 23/412)

Doch ist diese Wirkung der Maschinerie - der Ersatz menschlicher Arbeitskraft - nicht zu verwechseln mit dem Zweck, den das Kapital verfolgt.[5] Die Maschinerie wird vom Kapital nur soweit angewandt, wie sie der Steigerung der Mehrwertrate dient. Die kapitalistische Anwendung der Maschinerie bemißt sich daher an einem anderen Vergleich:

"Ausschließlich als Mittel zur Verwohlfeilerung des Produkts betrachtet, ist die Grenze für den Gebrauch der Maschinerie darin gegeben, daß ihre eigne Produktion weniger Arbeit kostet, als ihre Anwendung Arbeit ersetzt. Für das Kapital jedoch drückt sich diese Grenze enger aus. Da es nicht die angewandte Arbeit zahlt, sondern den Wert der angewandten Arbeitskraft, wird ihm der Maschinengebrauch begrenzt durch die Differenz zwischen dem Maschinenwert und dem Wert der von ihr ersetzten Arbeitskraft." (MEW 23/414),

was zu einer unterschiedlichen Verwendung von Maschinen zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Ländern und in unterschiedlichen Industriezweigen führt.

3.

Da die Steigerung der Produktivkraft durch die Maschinerie, der Ersatz von menschlicher Arbeit durch die Maschinen, nur als Verwertungsmittel des Kapitals dient also nicht Ersatz von Arbeit sondern Steigerung der Mehrarbeit der Zweck der kapitalistischen Maschinerie ist, sind ihre Auswirkungen auf den Arbeiter alles andere als erfreulich. Die mit der Maschinerie vollzogene Emanzipation der gesellschaftlichen Produktivkraft von der Arbeit des einzelnen. Arbeiters kehrt sich gegen diesen: statt die menschliche Arbeit zu erleichtern, wird die kapitalistisch angewandte Maschinerie zum Zwangsmittel der verstärkten Exploitation der Arbeiterklasse.

a)Die Unabhängigkeit der Maschinerie von Kraft und Geschicklichkeit des einzelnen Arbeiters erübrigt für das Kapital jede Rücksicht auf die natürliche Verschiedenheit der Subjekte. Wo die Natur der Arbeitskraft für die Verwertung keine Schranke mehr darstellt, kann das Kapital auch Frauen und Kinder als Arbeitskraft ausbeuten. Die Billigkeit der Arbeitskraft bleibt das einzige Kriterium für die Einverleibung von Menschenmaterial in den Produktionsprozeß:

"Dies gewaltige Ersatzmittel von Arbeit und Arbeitern verwandelt sich damit sofort in ein Mittel, die Zahl der Lohnarbeiter zu vermehren durch Einreihung aller Mitglieder der Arbeiterfamilie, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, unter die unmittelbare Botmäßigkeit des Kapitals." (MEW 23/416)[6]

Durch die damit einhergehende Senkung des Werts der männlichen Arbeitskraft, der nun nicht mehr die Reproduktion der Familie miteinschließt, kann das Kapital die Weiber‑ und Kinderarbeit erzwingen - es wird zum notwendigen Interesse des Arbeiters, Frau und Kinder zu verdingen - und seinen Verwertungsgrad steigern:

"So erweitert die Maschinerie von vornherein mit dem menschlichen Exploitationsmaterial, dem eigensten Ausbeutungsfeld des Kapitals, zugleich den Exploitationsgrad." (MEW 23/417)

Weil das Kapital durch den Ankauf von Unmündigen bzw. Halbmündigen in Widerspruch zu seinen eigenen Verkehrsformen gerät - die Gesetze des Warentauschs erfordern den Arbeiter als freie Person - und durch die physische, moralische und intellektuelle Verkümmerung der Individuen den Bestand der Bevölkerung gefährdet, ist die Einmischung des Staates - des Hüters der Menschenrechte - in das Fabrikwesen eine notwendige Reaktion zur Aufrechterhaltung des Kapitalverhältnisses.[7]

Weiber- und Kinderarbeit dient dem Kapital als Mittel, die in der Manufaktur zwangsläufige Insubordination der Arbeiter durch Verschärfung der Konkurrenz zu beseitigen und die Unterwerfung aller Arbeiter unter die mit der kapitalistischen Maschinerie gegebenen Arbeitszwänge durchzusetzen:

"Durch den Überwiegenden Zusatz von Kindern und Weibern zum kombinierten Arbeitspersonal bricht die Maschinerie endlich den Widerstand, den der männliche Arbeiter in der Manufaktur der Despotie des Kapitals noch entgegensetzte." (MEW 23/424)

b) Durch die Unterwerfung des Arbeiters unter die Maschinerie wird diese

"als Träger des Kapitals… zum gewaltigsten Mittel, den Arbeitstag über jede naturgemäße Schranke hinaus zu verlängern." (MEW 23/425)

Im verselbständigten Arbeitsmittel - "an und für sich ein industrielles Perpetuum mobile" - existiert der Verwertungstrieb, des Kapitals als Möglichkeit und Zwang,

"die widerstrebende, aber elastische menschliche Naturschranke auf den Minimalwiderstand einzuzwängen." (MEW 23/425)

Marx stellt im folgenden dar, daß mit der gewandelten Beschaffenheit des konstanten Kapitals dem Einzelkapitalisten neue Motive zur Verlängerung des Arbeitstages erwachsen:[8] er sucht durch den längeren Arbeitstag den Wert der Maschine so schnell wie möglich zu reproduzieren, um unnützen materiellen und moralischen Verschleiß zu vermeiden, den Anteil des konstanten Kapitals, der zur Anwendung einer bestimmten Arbeiteranzahl nötig ist, zu ökonomisieren. So vergrößert er die Wirkung der Maschinerie - die Maschinenarbeit gilt bei ihrer Einführung als potenzierte -, die vermittelt über den Markt seine Konkurrenten dazu zwingt, ebenfalls die neue Produktionsmethode einzuführen. Durch die Verfolgung seines Interesses trägt jeder einzelne Kapitalist dazu bei, den Widerspruch der industriellen Produktion zu verallgemeinern: Die Ausdehnung der Mehrarbeit auf Kosten der notwendigen vermindert die Anzahl der vom gesellschaftlichen Gesamtkapital beschäftigten Arbeiter und zwingt zur beständigen Verlängerung des Arbeitstages:

"Es liegt also in der Anwendung der Maschinerie zur Produktion von Mehrwert ein immanenter Widerspruch, indem sie von den beiden Faktoren des Mehrwerts, den ein Kapital von gegebner Größe liefert, den einen Faktor, die Rate des Mehrwerts, nur dadurch vergrößert, daß sie den andren Faktor, die Arbeiterzahl, verkleinert. Dieser immanente Widerspruch tritt hervor, sobald mit der Verallgemeinerung der Maschinerie in einem Industriezweig der Wert der maschinenmäßig produzierten Ware zum regelnden gesellschaftlichen Wert aller Waren derselben Art wird, und es ist dieser Widerspruch, der wiederum das Kapital, ohne daß es sich dessen bewußt wäre, zur gewaltsamsten Verlängrung des Arbeitstages treibt, um die Abnahme in der verhältnismäßigen Anzahl der exploitierten Arbeiter durch Zunahme nicht nur der relativen, sondern auch der absoluten Mehrarbeit zu kompensieren." (MEW 23/429 ff)[9]

Konsequenz dieses Widerspruchs der kapitalistischen Maschinerie ist die Schaffung einer überflüssigen Arbeiterbevölkerung aufgrund der Ersetzung von Arbeitern durch die Maschinerie und der Anwendung bisher unzugänglicher Arbeitskräfte, wobei das Kapital die wachsende Konkurrenz unter den Arbeitern ausnutzt, um ihnen seine Bedingungen aufzuzwingen:

"Daher das ökonomische Paradoxon, daß das gewaltigste Mittel zur Verkürzung der Arbeitszeit in das unfehlbarste Mittel umschlägt, alle Lebenszeit des Arbeiters und se>, Familie in disponible Arbeitszeit für die Verwertung des Kapitals zu verwandeln." (MEW 23/430)

c) Zwar wird das Kapital durch die Maschinerie von der spezifischen Natur der Arbeitskraft unabhängig, doch tritt diese infolge des Einsatzes von Maschinen erneut als Schranke für den Verwertungstrieb des Kapitals auf: Die Verlängerung des Arbeitstages erzwingt einen "gesetzlich beschränkten Normalarbeitstag" (MEW 23/431). Doch sind mit der Maschinenproduktion, in der die Bewegung der Arbeitskraft sich der Maschine anpassen muß, neue Mittel zur Steigerung der Mehrwertrate gegeben, die die Beschränkung kompensieren: Es tritt eine "Änderung in dem Charakter des relativen Mehrwerts ein", dadurch daß das Kapital

"vergrößerte Arbeitsausgabe in derselben Zeit, erhöhte Anspannung der Arbeitskraft, dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit, d.h. Kondensation der Arbeit dem Arbeiter zu einem Grad aufzwingt, der nur innerhalb des verkürzten Arbeitstages erreichbar ist. Diese Zusammenpressung einer größern Masse Arbeit in eine gegebne Zeitperiode zählt jetzt als was sie ist, als größtes Arbeitsquantum. Neben das Maß der Arbeitszeit als ‚ausgedehnte Größe' tritt jetzt das Maß ihres Verdichtungsgrads." (MEW 23/432)

Intensivierung der Arbeit ist also ein der maschinellen Produktion immanenter Zwang, der aus der Beschränkung der Verwertung durch die gesetzliche Arbeitstagregelung resultiert:[10]

"Sobald die Verkürzung des Arbeitstags, weiche zunächst die subjektive Bedingung der Kondensation der Arbeit schafft, nämlich die Fähigkeit des Arbeiters, mehr Kraft in gegebner Zeit flüssig zu machen, zwangsgesetzlich wird, wird die Maschine in der Hand des Kapitals zum objektiven und systematisch angewandten Mittel, mehr Arbeit in derselben Zeit zu erpressen. Es geschieht dies in doppelter Weise: durch erhöhte Geschwindigkeit der Maschinen und erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinerie oder seines Arbeitsfeldes." (MEW 23/434)

Daß Intensivierung der Arbeit zumeist mit Produktivitätssteigerung durch Verbesserung der Maschinerie einhergeht, ändert nichts am selbständigen Charakter dieser Methode der Mehrwertauspressung, was Marx an der historischen Durchsetzung der Intensivierung belegt: Sie ist die Reaktion des Kapitals auf die von ihm selbst provozierte staatliche Regelung eines verkürzten Arbeitstages und läßt als solche erkennen, daß jede Arbeitszeitbeschränkung zum Mittel des Kapitals wird, mehr Arbeit einzusaugen. Der Vorteil des verkürzten Arbeitstages für den Arbeiter wird zur Grundlage verschärfter Ausbeutung, so daß das Kapital erneut den Widerstand der Arbeiter und staatliche Arbeitszeitverkürzung hervorruft und sich durch verstärkte Intensivierung schadlos hält:

"Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß die Tendenz des Kapitals, sobald ihm Verlängrung des Arbeitstags ein für allemal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich durch systematische Steigrung des Intensitätsgrads der Arbeit gütlich zu tun und jede Verbeßrung der Maschinerie in ein Mittel zu größrer Aussaugung der Arbeitskraft zu verkehren, bald wieder zu einem Wendepunkt treiben muß, wo abermalige Abnahme der Arbeitsstunden unvermeidlich wird." (MEW 23/440)[11]

4.

Durch die Maschinerie zwingt das Kapital nicht nur das menschliche Exploitationsmaterial beständig zu vermehrter Arbeitsausgabe, sondern bestimmt durch die Anwendung eines automatischen Maschinensystems auch die Art und Weise der Verausgabung der Arbeitskraft. Die Fabrik ist die adäquate Gestalt eines Arbeitsprozesses, in dem die dem Kapital gehörigen Produktionsmittel, Produkte vergangener Arbeit, dazu dienen, die lebendige Arbeit zum Zweck der Verwertung des Kapitals einzusaugen.[12] In ihr erweist sich am Arbeitsprozeß selbst, daß die Arbeiter Ausbeutungsobjekte des Kapitals sind.

Die Maschinerie fungiert als Subjekt des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, dem die Arbeitskräfte unterworfen sind. Während das erste Ure-Zitat für jede mögliche Anwendung der Maschinerie gilt, enthüllt das zweite diese Eigentümlichkeit ihrer kapitalistischen Anwendung:

"Diese beiden Ausdrücke sind keineswegs identisch. In dem einen erscheint der kombinierte Gesamtarbeiter oder gesellschaftliche Arbeitskörper als übergreifendes Subjekt und der mechanische Automat als Objekt; in dem andren ist der Automat selbst das Subjekt, und die Arbeiter sind nur als bewußte Organe seinen bewußtlosen Organen beigeordnet und mit denselben der zentralen Bewegungskraft untergeordnet." (MEW 23/442)[13]

Die automatische Fabrik bestimmt daher Charakter und Zusammenhang der einzelnen Arbeiten. Die Emanzipation des Werkzeugs von den persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft führt zur "Tendenz der Gleichmachung oder Nivellierung der Arbeiten" (MEW 23/442), welche als Teilarbeiten über die Kombination von Maschinen zusammengeschlossen sind. Auf Basis dieser Gleichheit besteht die Verschiedenheit der Tätigkeiten einerseits in der Anpassung der Arbeiter an die spezialisierten Glieder der Maschine, andererseits in der Hierarchisierung in Maschinenarbeiter, bloße Handlanger und mit technischen Kenntnissen ausgestattete Arbeiter, die mit der Kontrolle und Reparatur der Maschinerie beschäftigt sind:

"Diese Teilung der Arbeit ist rein technisch." (MEW 23/443)

Da auf dieser technischen Grundlage nur noch die Erlernung der aller Virtuosität entleerten Anpassung an den jeweiligen Bewegungsablauf der Maschine erforderlich ist, die formverändernden Potenzen im sich selbst bewegenden Arbeitsmittel objektiv sind, "kann fortwährender Personenwechsel stattfinden ohne Unterbrechung des Arbeitsprozesses" (MEW 23/443 ff), was jedoch nicht heißt, daß das "alte System der Teilung der Arbeit' in der Fabrik verschwindet: weil es technisch überwunden ist, kann dieses System, das in der Manufaktur Schranke der Verwertung war, in der Fabrik systematisch zur Exploitation der Arbeitskraft "in noch ekelhafterer Form reproduziert und befestigt" werden:

"Aus der lebenslangen Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen, wird die lebenslange Spezialität, einer Teilmaschine zu dienen. Die Maschinerie wird mißbraucht, um den Arbeiter selbst von Kindesbeinen in den Teil einer Teilmaschine zu verwandeln. Nicht nur werden so die zu seiner eignen Reproduktion nötigen Kosten bedeutend vermindert, sondern zugleich seine hilflose Abhängigkeit vom Fabrikganzen, also vom Kapitalisten, vollendet." (MEW 23/445)[14]

Die Herrschaft der vergegenständlichten über die lebendige Arbeit tritt mit der Maschinerie, der die Arbeiter "als lebendige Anhängsel" dienen, diesen als technischer Zwang gegenüber, dem sie sich anpassen müssen, so daß ihre Tellarbeit eine beständige inhaltslose Qual ist:

"Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Arbeitsprozeß, sondern zugleich Verwertungsprozeß des Kapitals, ist es gemeinsam, daß nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technisch handgreifliche Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Automaten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als tote Arbeit, welche die lebendige Arbeitskraft beherrscht und aussaugt." (MEW 23/445 ff)

Mit der großen Industrie sind die gesellschaftlichen Potenzen der Arbeit vom einzelnen Arbeiter getrennt: Sie existieren in der Maschinerie als Verwertungsmittel des Kapitals:

"Das Detailgeschick des individuellen, entleerten Maschinenarbeiters verschwindet als ein winzig Nebending vor der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind und mit ihm die Macht des 'Meisters' (master) bilden." (MEW 23/446)[15]

Die technische Disziplinierung durch die gleichförmige Bewegung der Maschinerie und die "eigentümliche Zusammensetzung des Arbeitskörpers" (MEW 23/446 ff) geben der Beaufsichtigung des Arbeitsprozesses ihre entwickelte Form. Der von der Arbeit getrennte Zweck ist in ihr als technische Oberwachung präsent. Daher tritt im Fabrikregime an die Stelle der Antreiberfunktion das "Strafbuch des Aufsehers" (MEW 23/ 447), ein Kodex von ‚privatgesetzlichen und eigenherrlichen' Reglementierungen, die dafür sorgen, daß die vom Kapitalisten gekauften Arbeitskräfte sich den technischen Zwängen der Maschinerie unterwerfen, die als Mittel des Kapitals

"zum systematischen Raub an den Lebensbedingungen der Arbeiter während der Arbeit, an Raum, Luft, Licht und an persönlichen Schutzmitteln wider lebensgefährliche oder gesundheitswidrige Umstände des Produktionsprozesses" (MEW 23/449 ff)

führen.

5.

Mit der Maschinerie nimmt der Kampf zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter eine neue Form an: er richtet sich gegen die Maschine selbst, die als "materielle Existenzweise des Kapitals" (MEW 23/451) auftritt; denn die Anwendung der Maschinerie führt nicht nur zu einer Zerstörung der Arbeitskraft im Produktionsprozeß, sondern verhindert ihren Verkauf in dem Maße, wie sie sie ersetzt. Die Einführung von Maschinen stellt also eine ständige Bedrohung der Existenz des Arbeiters dar:

"Als Maschine wird das Arbeitsmittel sofort zum Konkurrenten des Arbeiters selbst. Die Selbstverwertung des Kapitals steht im direkten Verhältnis zur Arbeiterzahl, deren Existenzbedingungen sie vernichtet. Das ganze System der kapitalistischen Produktion beruht darauf, daß der Arbeiter seine Arbeitskraft als Ware verkauft. Die Teilung der Arbeit vereinseitigt diese Arbeitskraft zum ganz partikularisierten Geschick, ein Teilwerkzeug zu führen. Sobald die Führung des Werkzeugs der Maschine anheimfällt, erlischt mit dem Gebrauchswert der Tauschwert der Arbeitskraft. Der Arbeiter wird unverkäuflich, wie außer Kurs gesetztes Papiergeld." (MEW 23/454)

Da es für den auf seine Reproduktion bedachten Arbeiter so erscheinen muß, als ob seine Existenzbedrohung in der bestimmten Form des Produktionsmittels begründet sei, dessen Einführung ihn überflüssig macht, richtet sich seine Reaktion gegen die Maschine selbst und nicht gegen die Verhältnisse, in denen die Maschine zum Konkurrenten des Arbeiters wird:

"Die verselbständigte und entfremdete Gestalt, welche die kapitalistische Produktionsweise überhaupt den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitsprodukt gegenüber den Arbeitern gibt, entwickelt sich also mit der Maschinerie zum vollständigen Gegensatz. Daher mit ihr zum erstenmal die brutale Revolte des Arbeiters gegen das Arbeitsmittel." (MEW 23/455)[16]

Umgekehrt ist die Maschine - insofern als mit dem Prinzip der Kostenersparnis gegenüber der von ihr ersetzten Arbeitskraft die objektive Bedingung für ihren Einsatz gegeben ist - für den Kapitalisten ein systematisch angewandtes Instrument des Klassenkampfes

- "Die Maschinerie wirkt jedoch nicht nur als übermächtiger Konkurrent, stets auf dem Sprung, den Lohnarbeiter "überflüssig" zu machen. Als ihm feindliche Potenz wird sie laut und tendenziell vom Kapital proklamiert und gehandhabt. Sie wird das machtvollste Kriegsmittel zur Niederschlagung der periodischen Arbeiteraufstände, strikes usw. wider die Autokratie des Kapitals." (MEW 23/459) -

und wird durch die bürgerlichen Apologeten des Fabriksystems als solches propagiert.

6.

Während die im falschen Bewußtsein befangenen Arbeiter an der Maschinerie nur ihre negativen Wirkungen und nicht ihren kapitalistischen Ursprung bekämpfen, behaupten bürgerliche Ökonomen in apologetischer Umdrehung, daß diese negativen Wirkungen aufgehoben Würden durch positive Folgen der Maschinerie, daß nämlich

"alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und notwendig ein adäquates Kapital zur Beschäftigung derselben identischen Arbeiter freisetzt." (MEW 23/461)[17]

Die Betrachtung der Zusammensetzung des Kapitalwerts zeigt jedoch, daß statt Freisetzung hier nur Bindung von Kapital in einer anderen Form stattfindet,

"worin es aufhört, sich gegen Arbeitskraft auszutauschen, d.h. Verwandlung von variablem in konstantes Kapital." (MEW 23/462),

d.h. Verwandlung der Arbeiter "aus Käufern in Nicht‑Käufer", was auch in den lebensmittelproduzierenden Zweigen Deplacement von Arbeitern nach sich zieht:

"Statt also zu beweisen, daß die Maschinerie durch die Freisetzung der Arbeiter von Lebensmitteln letztere gleichzeitig in Kapital zur Anwendung der erstren verwandelt, beweist der Herr Apologet mit dem probaten Gesetz von Nachfrage und Zufuhr umgekehrt, daß die Maschinerie nicht nur in dem Produktionszweig, worin sie eingeführt, sondern auch in den Produktionszweigen, worin sie nicht eingeführt wird, Arbeiter aufs Pflaster wirft." (MEW 23/463 ff)

Eine neue Beschäftigung können die freigesetzten Arbeiter nur finden vermittels eines neuen, zuschüssigen Kapitals.

Da die bürgerliche Ökonomie die positiven Seiten der Maschinerie, die in ihrer Produktivkraftsteigerung enthalten sind, gegen ihre Verkehrung, die aus der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie entspringt, festhält, kann sie - und das macht ihren Zynismus aus - den Arbeitern, die das Arbeitsmittel bekämpfen, entgegenhalten, daß die Maschinerie selbst keinen Grund für eine solche Reaktion abgibt:

"Und dies ist die Pointe der ökonomischen Apologetik! Die von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Antagonsimen existieren nicht, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung!" (MEW 23/465)

Weil die bürgerliche Ökonomie am Nutzen der Maschinerie unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen interessiert ist, kann sie sich die Erklärung ihres ökonomischen Charakters sparen und ihren Gegnern obendrein die Dummheit aufbürden, "nicht die kapitalistische Anwendung der Maschinerie zu bekämpfen, sondern die Maschinerie selbst", und sie damit als "Gegner des sozialen Fortschritts" denunzieren. (MEW 23/465)

Die ‚kompensatorischen Wirkungen', weiche die bürgerliche Ökonomie der Maschinerie zuschreibt, erklären sich als Konsequenzen ihrer kapitalistischen Anwendung, die wachsende Gebrauchswertmengen nur zum Zweck der Mehrwertsteigerung produzieren läßt: Die Einführung der Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, führt zu steigender Nachfrage nach Produktionsmitteln und zur Veränderung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die neue Arbeitskräfte erfordert. Wachsende Luxusproduktion und Transportindustrie, zunehmende Verlagerung der Produktion auf langfristige Unternehmungen und damit Entstehung neuer Produktionsfelder, Vergrößerung der unproduktiven Arbeiterzahl sind Folgen des Widerspruchs, daß die industrielle Mehrwertproduktion vergrößerte Produktenmasse - und damit auch Lebensmittelmenge - bei verminderter Arbeiteranzahl einschließt. Obwohl sie wachsende Nachfrage nach Arbeit implizieren, sind sie also keine Widerlegung des bezeichneten Widerspruchs sondern seine Bestätigung.

7.

Die Ersetzung der Arbeiter durch die Maschinerie sowie die angeblichen kompensatorischen Gegenwirkungen, die von der bürgerlichen Ökonomie veranschlagt werden, sind also die Verlaufsform der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie. Die ständige Veränderung der technischen Grundlage der Produktion bewirkt, daß die Arbeiter faktisch verdrängt und virtuell ersetzt werden. Diese Verschiebung des Verhältnisses von c und v wird durch die Vermehrung der Arbeiteranzahl bei quantitativer Ausdehnung der Produktion nicht widerlegt; diese vollzieht sich vielmehr auf ihrer Grundlage:

"Relative Abnahme der beschäftigten Arbeiteranzahl verträgt sich also mit ihrer absoluten Zunahme." (MEW 23/473)

Diese sich widersprechenden Tendenzen des Kapitals setzen sich als abwechselnde Phasen der kapitalistischen Produktion durch. Die Revolutionierung des Produktionsprozesses, die Arbeiter freisetzt, wird "beständig unterbrochen durch Ruhepunkte und bloß quantitative Ausdehnung" (MEW 23/473). Die Durchsetzung dieser aus der industriellen Produktion erschlossenen gegensätzlichen Wirkungen der Maschinerie auf den Arbeiter als periodischer Wechsel von Repulsion und Attraktion vollzieht sich im industriellen Zyklus, der auf Grundlage der großen Industrie und des mit ihr entstehenden Weltmarkts zur normalen Bewegungsform der kapitalistischen Produktion wird.[18] Weit entfernt davon, die negativen Folgen der Maschinerie zu kompensieren, vergrößert das Wachstum der Industrie nur das Elend der Arbeiterklasse:

"Wachstum in der Anzahl der Fabrikarbeiter ist also bedingt durch proportionell viel rascheres Wachstum des in den Fabriken angelegten Gesamtkapitals. Dieser Prozeß vollzieht sich aber nur innerhalb der Ebb‑ und Flutperioden des industriellen Zyklus. Es wird zudem stets unterbrochen durch den technischen Fortschritt, der Arbeiter bald virtuell ersetzt, bald faktisch verdrängt. Dieser qualitative Wechsel im Maschinenbetrieb entfernt beständig Arbeiter aus der Fabrik oder verschließt ihr Tor dem neuen Rekrutenstrom, während die bloß quantitative Ausdehnung der Fabriken neben den Herausgeworfnen frische Kontingente verschlingt. Die Arbeiter werden so fortwährend repelliert und attrahiert, hin‑ und hergeschleudert, und dies bei beständigem Wechsel in Geschlecht, Alter und Geschick der Angeworbnen." (MEW 23/477)

8.

Die große Industrie produziert nicht nur durch die in der Anwendung der Maschinerie eingeschlossenen Wirkungen die Existenzunsicherheit der Industriearbeiter, sondern vergrößert das Elend der Arbeiter auch dadurch, daß sie mit ihrer gesellschaftlichen Durchsetzung alle überkommenen Produktionsweisen ergreift und ihren Zwecken adäquat macht. Einerseits verwandelt sie traditionelle Produktionsformen in industrielle, andererseits erhält sie sie in verwandelter Form solange aufrecht, wie sie sich auf Grundlage der industriellen Produktion profitlich betreiben lassen. Schamloseste Ausbeutung ist die Folge, bis ein Punkt erreicht ist, wo die unüberschreitbare Naturschranke der Arbeitskräfte zur Einführung der Maschinerie mit den ihr eigenen Konsequenzen für den Arbeiter führt, ein Prozeß, der durch die - mit der Zerstörung der Arbeitskräfte in solchen Bereichen notwendige - Verallgemeinerung der staatlichen Arbeitszeitregelung beschleunigt wird.

9.

Weil die Veränderung der überkommenen Produktionsmethoden mit der Zerstörung der Arbeitskräfte die Grundlage der Verwertung vernichtet, wird das gesetzliche Eingreifen des Staates für alle Produktionsbereiche erforderlich. Als

"erste bewußte und planmäßige Rückwirkung (!) der Gesellschaft auf die naturwüchsige Gestalt ihres Produktionsprozesses" (MEW 23/504)

läßt die Fabrikgesetzgebung das Verhältnis von Staat und Gesellschaft erkennen: da die "bewußte und planmäßige" Aktion des Staates die kapitalistische Produktionsweise als naturwüchsig sich entwickelnde unterstellt und nur die in ihr eingeschlossenen negativen Wirkungen zu beseitigen sucht, ist alles Handeln des Staates bloße Reaktion auf seine unbegriffenen Voraussetzungen. Deshalb sind auch die unmittelbar gegen die Interessen der Kapitalisten gerichteten Maßnahmen des Staates Notwendigkeiten des Kapitalverhältnisses. Der Staat zwingt der Kapitalistenklasse Bedingungen auf, die zwar die Verwertung des Kapitals beschränken, jedoch insgesamt den der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlichen Fortschritt sichern.[19] Der Staat, der in Verfolgung des allgemeinen Interesses die Kapitalistenklasse beschränkt, offenbart den Charakter einer Gesellschaft, deren Fortschritt darin besteht, die Produzenten des Reichtums vor der unmittelbaren Zerstörung zu schützen. Indem er die Kapitalisten daran hindert, ihr Exploitationsmaterial zu vernichten, sichert er das Funktionieren einer Produktionsweise, in weicher eine Klasse sich auf Kosten der anderen erhält. Die Natur des sozialen Fortschritts, den der Staat als Garant des Allgemeinwohls durchsetzt, kennzeichnet ihn gerade in seiner Gegnerschaft zur Kapitalistenklasse als Klassenstaat.

Die Gesundheitsklauseln belegen durch ihre Halbherzigkeit wie durch den Widerstand seitens der Kapitalisten

- "Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits‑ und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen? " (MEW 23/505) -

als durch ihren kompensatorischen Charakter.

Auch die staatliche Durchsetzung eines Ausbildungswesens institutionalisiert nur den mit der industriellen Produktion erreichten gesellschaftlichen Fortschritt als Zurichtung der Individuen für die kapitalistische Verwertung. Der mit der großen Industrie proklamierte "Elementarunterricht als Zwangsbedingung der Arbeit" (MEW 23/506 ff) verbindet produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik nur "als eine Methode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion", nicht "als die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen." (MEW 23/508)[20] Er entspringt den Notwendigkeiten kapitalistischer Industriearbeit: Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit in der Werkstatt und in der Gesellschaft, die auf der Vereinseitigung der Arbeiter und ihrer Fixierung auf spezialisierte Teiltätigkeiten beruht, steht in Widerspruch zum Prinzip der großen Industrie, auf wissenschaftlicher Grundlage den Produktionsprozeß "ohne alle Rücksicht auf die menschliche Hand" in seine einfachen Bestandteile zu zerlegen und dementsprechend technologisch zu organisieren:[21]

"Die buntscheckigen, scheinbar zusammenhanglosen und verknöcherten Gestalten des gesellschaftlichen Produktionsprozesses lösten sich auf in bewußt planmäßige und je nach dem bezweckten Nutzeffekt systematisch besonderte Anwendungen der Naturwissenschaft." (MEW 23/510)

Diese als Potenz des Kapitals dem Arbeiter feindlich gegenüberstehende revolutionäre technische Basis der Industrie verändert beständig die Funktion der Arbeiter, die gesellschaftliche Kombination des Arbeitsprozesses und damit auch die gesellschaftliche Arbeitsteilung, der die Arbeiter unterworfen sind.

- "Die Natur der großen Industrie bedingt daher Wechsel in der Arbeit, Fluß der Funktion, allseitige Beweglichkeit des Arbeiters. Andrerseits reproduziert sie in ihrer kapitalistischen Form die alte Teilung der Arbeit mit ihren knöchernen Partikularitäten." (MEW 23/511) -

und erfordert daher die Ausbildung der Fähigkeit des Arbeiters, wechselnde Teiltätigkeiten ausführen zu können: Mobilität. Ausbildung ist also die Befähigung zur Unterwerfung unter jedweden maschinellen Prozeß, die Zurichtung des Arbeiters für beliebige partikulare Tätigkeiten. Als solche enthält sie zwar die Voraussetzungen für "möglichste Vielseitigkeit der Arbeiter", für

"das total entwickelte Individuum, für welches verschiedne gesellschaftliche Funktionen einander ablösende Betätigungsweisen sind" (MEW 23/512)

stellt aber das Gegenteil dieser Entfaltung des gesellschaftlichen Individuums dar - seine Bornierung und Anpassung an beliebige inhaltsleere Teiltätigkeiten.

Auch der rechtliche Schutz der Familienmitglieder gegeneinander - die staatliche Reaktion auf die Zerstörung der überkommenen Familienverhältnisse - garantiert in den Rechten von Frauen, Kindern und Jugendlichen nur ihre Funktion für die Verwertung des Kapitals.[22]

Da die große Industrie alle Produktionszweige und Lebensbereiche ergreift und für das Verwertungsinteresse des Kapitals funktionalisiert, zieht sie auch die allgemeine Durchsetzung der Fabrikgesetzgebung nach sich. Als staatlicher Zwang richtet sich diese zunächst gegen die Interessen der Einzelkapitalisten, die ihren Vorteil immer wieder in Bereichen ohne gesetzliche Regelung suchen, schließlich aber wegen ihrer Konkurrenzinteressen die Gleichheit der Ausbeutungsbedingungen für alle Kapitale fordern und den Gesetzen zu allgemeiner Gültigkeit verhelfen. Umgekehrt beschleunigt die Durchsetzung der Fabrikgesetzgebung, dieses "physischen und geistigen Schutzmittels der Arbeiterklasse", die Entwicklung der industriellen Produktionsweise und damit der Herrschaft des Kapitals. Die Verallgemeinerung der Fabrikgesetzgebung

"zerstört alle altertümlichen und Übergangsformen, wohinter sich die Herrschaft des Kapitals noch teilweise versteckt, und ersetzt sie durch seine direkte, unverhüllte Herrschaft. Sie verallgemeinert damit auch den direkten Kampf gegen diese Herrschaft…

Mit den materiellen Bedingungen und der gesellschaftlichen Kombination des Produktionsprozesses reift sie die Widersprüche und Antagonismen seiner kapitalistischen Form, daher gleichzeitig die Bildungselemente einer neuen und die Umwälzungsmomente der alten Gesellschaft." (MEW 23/526)

10.

Die Revolutionierung des Arbeitsmittels durch die große Industrie macht bei ihrer gesellschaftlichen Durchsetzung auch vor der Agrikultur nicht halt. Sie wirkt dort am intensivsten zum Nachteil der Arbeiter, weil deren Repulsion nicht von einer Attraktion an anderer Stelle begleitet wird:

"In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie das Bollwerk der alten Gesellschaft vernichtet, den ‚Bauer' und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt." (MEW 23/528)

kapitalistische Umwandlung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses wird nicht nur erkauft durch "Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft" sondern auch durch die Zerstörung der natürlichen Grundlagen des Reichtums aller Produktionsweisen:

"Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit… Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter." (MEW 23/529 ff)

Fußnoten:

[1] Der Unterschied von Werkzeug und Maschine läßt sich nur ökonomisch erklären. Beide sind Arbeitsmittel, worüber die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise hinwegsieht. Hierauf zielt die Forderung von Marx nach einer "kritischen Geschichte der Technologie" (MEW 23/391, Fn. 89), welche die Unterschiede am Arbeitsmittel aus ihrem spezifischen Charakter als "produktive Organe des Gesellschaftsmenschen" und damit aus dem Zweck der kapitalistischen Produktionsweise und nicht aus irgend welchen natürlichen Besonderheiten zu erklären hätte. ‑
Zum gängigen Mißverständnis des Marxschen Hinweises auf die materialistische Methode siehe "Wissenschaft und Technologie", Einleitung!

[2] Die Maschinerie enthält in ihrem Mechanismus alle Bestimmungen der zweckmäßigen Formierung des Arbeitsgegenstandes; sie ist vergegenständlichtes Wissen um die Naturgesetze, denen der Gegenstand gehorcht. Hieran läßt sich erkennen, daß die kapitalistische Mehrwertproduktion als Voraussetzung für die permanente Revolutionierung der Produktion universelle Naturwissenschaft unterstellt. Dies darf allerdings nicht als Ableitung der Naturwissenschaft mißverstanden werden. An dieser Stelle ist auf die Existenz der Naturwissenschaft als Bedingung kapitalistischer Produktion geschlossen. Die Ableitung der Naturwissenschaft fällt in die Betrachtung der Konkurrenz, wo sie sich als Produkt des Kapitals erweist.

[3] Vgl. GR/592 ff: "Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt; sondern den Naturprozeß, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein.

[4] "Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreise eines elektrischen Stroms oder über Erzeugung von Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut." (MEW 23/407)

[5] Einer solchen Verwechslung unterliegt die Fragestellung von J. St. Mill, inwieweit die Anwendung der Maschinerie "die Tagesmühe irgendeines menschlichen Wesens erleichtert" habe. (MEW 23/391)

[6] Vgl. MEW 4/469: "Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäußerung er heischt, d.h. je mehr die moderne Industrie sich entwickelt, desto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und Kinder verdrängt. Geschlechts‑ und Altersunterschiede haben keine gesellschaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse. Es gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Geschlecht verschiedene Kosten machen."

[7] Einerseits fuhrt die endgültige Durchsetzung des Kapitalverhältnisses zur Abschaffung der Kinderarbeit und zur gesetzlichen Garantie staatlicher Ausbildung, andererseits zum selbständigen Verkauf der Arbeitskraft durch die Frau. Indem das Kapital "die für die Konsumtion nötige Familienarbeit" zu seiner Selbstverweitung usurpiert (MEW 23/417, Fn. 120), zerstört es selbst die Grundlage, auf der das Familienverhältnis beruht. Die Emanzipation der Frau vom bornierten Dasein einer Reproduktionsgehilfin des Mannes führt auf kapitalistischer Grundlage zu ihrer Angleichung an den Mann als freie Lohnarbeiterin und damit zu einer Gleichheit der "Exploitationsbedingungen der Arbeit" (MEW 23/419) Vgl. Fn. 22!

[8] Da der Zwang des Kapitals zur Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft sich über die Profitüberlegungen der Einzelkapitalisten durchsetzt (vgl. 10. Kapitel), fällt auch der Grund für die Arbeitszeitverlängerung in der industriellen Mehrwertproduktion nicht zusammen mit den Motiven des Einzelkapitalisten bei der Anwendung von Maschinerie im Produktionsprozeß. Der Einzelkapitalist gehorcht der Tendenz zur Arbeitszeitverlängerung aus den Zwängen der Konkurrenz (Vgl. Marxens Hinweis auf die Profitrate MEW 23/428 Fn. 150!) Vgl. Fn. 10!

[9] im Unterschied zur Produktion des absoluten Mehrwerts, der auf der Ausdehnung des Arbeitstages beruht, ist die Tendenz zur Verlängerung des Arbeitstages an dieser Stelle also die Folge eines Widerspruchs der relativen Mehrwertproduktion.

[10] Die Steigerung des relativen Mehrwerts durch Intensivierung der Arbeit setzt sich Über das Motiv des Einzelkapitalisten durch, billiger zu produzieren; er setzt sich mittels Intensifikation in ein besseres Verhältnis zum Durchschnitt. Daß damit neben das Maß der Arbeitszeit als extensive Große das "Maß ihres Verdichtungsgrades" tritt, bestätigt die Arbeitszeit als Wertmaß, an der diese vergrößerte Arbeitsverausgabung gemessen wird.

[11] Aus dem Zusammenhang von gesetzlicher Regelung des Arbeitstages und Intensivierung durch die Kapitalisten, die sich wechselseitig bedingen und daher im zeitlichen Ablauf abwechseln, erklärt sich also die historische Darstellung an dieser Stelle.

[12] Vgl. MEW 2/149: "Die moderne Fabrik, die auf Anwendung von Maschinen beruht, ist eingesellschaftliches Produktionsverhältnis, eine ökonomische Kategorie."

[13] Vgl. GR/585: "Der Produktionsprozeß hat aufgehört, Arbeitsprozeß in dem Sinn zu sein, daß die Arbeit als die ihn beherrschende Einheit über ihn übergriffe. Sie erscheint vielmehr nur als bewußtes Organ, an vielen Punkten des mechanischen Systems in einzelnen lebendigen Arbeitern; zerstreut subsumiert unter den Gesamtprozeß der Maschinerie selbst, selbst nur ein Glied das Systems, dessen Einheit nicht in den lebendigen Arbeitern, sondern in der lebendigen (aktiven) Maschinerie existiert, die seinem einzelnen, unbedeutenden Tun gegenüber als gewaltiger Organismus ihm gegenüber erscheint. In der Maschinerie tritt die vergegenständlichte Arbeit der lebendigen Arbeit im Arbeitsprozeß selbst als die sie beherrschende Macht gegenüber, die das Kapital als Aneignung der lebendigen Arbeiter seiner Form nach ist."
Der Fehler Uns" die Eigentümlichkeit der kapitalistisch angewandten Maschinerie als Natureigenschaft des Arbeitsmittels auszugeben, bildet die Grundlage der modernen Technokratiediskussion. So sieht etwa Gehlen ("Die Seele im technischen Zeitalter" Reinbeck bei Hamburg, 1972) in der Gesamtentwicklung der Technik eine "hintergründige, bewußtlos aber konsequent verfolgte Logik (!) " am Werk, welche auf der Stufe der Autornation ihre "methodische Vollendung" erreicht (S. 19): In der automatisierten Produktion wird der geistige Aufwand des (?) Subjekts entbehrlich, demgegenüber der "Geist der Technik" nun die "freie Selbstmacht" erlangt "und jetzt als die progressive (?) Bewußtseinsform dieses Zeitalters (!) mit der Unwiderstehlichkeit (!) eines Verhängnisses sich ausbreitet." (S. 30) Wer könnte da widerstehen!
Auch für Schelsky ("Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation", in: ders. "Auf der Suche (?) nach der Wirklichkeit (!), Düsseldorf ‑ Köln, 1965) zwingt die moderne Technik dem Menschen ein neues Verhältnis zur Welt auf: "Der Mensch löst sich vorn Naturzwang ab, um (!) sich seinem eigenen Produktionszwang wiederum zu unterwerfen." (S. 449) Der wissenschaftlich-technische Fortschritt unterliegt dem "Kreislauf der sich selbst bedingenden Produktion"(S. 449), in dem "die Mittel (!) die Ziele (!) bestimmen oder bester die technischen Möglichkeiten ( !) ihre Anwendung (!) erzwingen." (S. 456) Wo solcher Zwang möglich ist, hilft allerdings nur noch die "metaphysische Dauerreflexion." (S. 471) !
Habermas ("Technik und Wissenschaft als Ideologie", Frankfurt a.M., 1970) vertritt in seiner Kritik der Technokratietheorie entgegen verbreiteten Gerüchten dieselbe Position: Er "begründet" (=rechtfertigt) die ‚Logik (!) der technischen Entwicklung' zum der "Organisation der menschlichen Natur" (S. 56), wobei er zu der "ernüchternden Überlegung" kommt, daß die moderne Technik, "wenn sie überhaupt auf einen Entwurf (!) zurückgeht, offenbar nur auf ein ‚Projekt' der Menschengattung insgesamt zurückgeführt werden kann und nicht auf ein historisch überholbares." (S.55) So oder so ‑ scheiß Menschengattung!
Wie man sieht, hat es die Apologetik eines Ure inzwischen zur Anerkennung als selbständige wissenschaftliche Disziplin gebricht. Während Ure die Durchsetzung des Fabriksystems begrüßte, ergeht sich die moderne Soziologie samt ihrer anthropologischen Unterabteilungen in der Beweihräucherung der unausweichlichen kapitalistischen Menschennatur.

[14] Vgl. Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses/80: "Die gesellschaftlichen Formen ihrer eignen Arbeit […] sind von den einzelnen Arbeitern ganz unabhängig gebildete Verhältnisse […]Und dies nimmt um so realere Formen an, je mehr einerseits ihr Arbeitsvermögen selbst durch diese Formen so modifiziert wird, daß es in seiner Selbständigkeit, also außer diesem kapitalistischen Zusammenhang ohnmächtig wird, seine selbständige Produktionsfähigkeit gebrochen wird, andrerseits mit der Entwicklung der Maschinerie auch technologisch die Bedingungen der Arbeit als die Arbeit beherrschend erscheinen und zugleich sie ersetzen, unterdrucken, überflüssig machen in ihren selbständigen Formen".

[15] Vgl. GR/428: "Das Kapital in seiner wahren Entwicklung kombiniert die Massenarbeit mit dem Geschick, aber so daß die erste ihre physische Macht verliert und das Geschick nicht im Arbeiter, sondern in der Maschine existiert und der durch wissenschaftliche Kombination mit der Maschine als Ganzes wirkenden factory, Der gesellschaftliche Geist der Arbeit erhält eine objektive Existenz außer den einzelnen Arbeitern."

[16] Maschinenstürmerei als Kampf der Arbeiter gegen die "Materielle Existenzweise des Kapitals" ist Ausdruck einer objektiven Form falschen Bewußtseins und darf nicht als ein historisches Phänomen beim ersten Einsatz von Maschinen mißverstanden werden. Auch heute ist der Widerstand gegen die Einführung neuer Produktionsmethoden alles andere als der Kampf gegen das Kapital.

[17] In diesen Aussagen der bürgerlichen Nationalökonomie macht sich der Standpunkt des Staates geltend, den die Auswirkungen der Maschinerie auf die Arbeitslosigkeit interessieren, die seine Mittel verringert ‑ Einkommen bringen Steuern, Arbeitslosigkeit zehrt sie auf ‑ und die Unbotmäßigkeit verstärkt.

[18] Marx verweist darauf, daß die Darstellung der Durchsetzung von Repulsion und Attraktion im industriellen Zyklus "zum Teil rein tatsächlich Verhältnisse" berührt, "wozu unsre theoretische Darstellung selbst noch nicht geführt hat." (MEW 23/474) Er erklärt an dieser Stelle also, daß sich in der realen Bewegung des Kapitals ein Wechsel von Revolutionierung des Produktionsprozesses und seiner Vergrößerung vollzieht, der mit der industriellen Form der Mehrwertproduktion eintritt.

[19] Diese widersprüchliche Fortentwicklung der Gesellschaft ist der Grund dafür. daß Marx die kapitalistische Entwicklungsstufe als Grundlage einer höheren Gesellschaftsform darstellt und den kapitalistischen Charakter der staatlichen Fortschrittsmaßnahmen mit den in ihnen enthaltenen Momenten, die über den Kapitalismus hinausweisen, konfrontiert. Hiermit erweist sich auch die Umdichtung des bekannten Marxschen Ausspruchs, in welchem die Erringung der Zehnstundenbill als ein Sieg der "politischen Ökonomie der Arbeiterklasse" über die politische Ökonomie der Mittelklasse bezeichnet wird (Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter‑Assoziation, MEW 16/11) zur positiven Möglichkeit der Überwindung des Kapitalismus mit Hilfe des Staates als blanker Revisionismus.

[20] Da der Elementarunterricht in der privaten Form des Fabrikunterrichts, also als Zurichtung für die spezifische Tätigkeit in einem bestimmten Unternehmen, in Widerspruch steht zum Erfordernis, den Arbeiter jeder beliebigen Funktion zu unterwerfen, wird er zur Angelegenheit eines den Sonderinteressen der Kapitalisten entzogenen staatlichen Schulwesens.

[21] Gegenüber der reinen Naturwissenschaft nimmt die Technologie als Anwendungswissenschaft in ihren Experimenten den industriellen Produktionsprozeß vorweg. Wenn auch ihre Ergebnisse nach kapitalistischen Rationalitätskriterien angewandt werden, kann der Technologie als Wissenschaft daraus kein Vorwurf gemacht werden, wie es ‚kritische Marxisten' (Vahrenkamp, Sohn‑Rethel, Bahr u.a.) versuchen.

[22] Die Auflösung der traditionellen Familienverhältnisse im Kapitalismus verbietet trotz der Zerstörung von Liebe und Erziehung den reaktionären Wunsch nach Wiederherstellung der alten Familie, da sie die Entwicklungsmomente für eine ‚höhere Form' enthält:
"So furchtbar und ekelhaft nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisierten Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter."(MEW 23/514)