http://www.proletarische-briefe.de/artikel?id=21
Als Bundeskanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010 am 14. März 2003 vor dem Deutschen Bundestag erläuterte, war der US-Angriff auf den Irak absehbar. Außenpolitisch abgelenkt, richtete der Regierungschef die sozialpolitischen Waffen gegen die Lohnabhängigen seines Landes. Er leitete unter dem Motto „Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung“ die schwerste Attacke seit mehr als 50 Jahren ein. Inzwischen haben Bundestag und Bundesrat die angekündigten Sozialeinschnitte gegen den Widerstand von unten durchgesetzt. Es ist eine große Koalition des Sozialabbaus entstanden, ohne parlamentarische Alternative. Die Wirtschaftsverbände fordern weitere Einschnitte und haben dabei die „Wissenschaft“ und die Massenmedien auf ihrer Seite. „Globalisierung“ heißt ihr Zauberwort, um den Sozialkahlschlag als unabwendbaren Sachzwang einzufordern. Dieser politischen Einheitsfront aus Wirtschaft (Unternehmer), Staat, Wissenschaft und Massenmedien steht der Protest der Straße gegenüber.
Vor allem die Verteuerung der Gesundheitsleistungen (Praxisgebühren, Zuzahlungen, Leistungskürzungen), die geplante Herabstufung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe (Hartz IV) und Einschnitte bei den Rentenzahlungen (Rentennullrunde, höhere Pflegebeiträge für Rentner, weitere Absenkung des Nettorentenniveaus) lösen Angst, Zorn und Empörung aus, die zu eindrucksvollen Massendemonstrationen führen.
Man versteht die Welt nicht mehr: Warum Sozialleistungen kürzen, wenn der Reichtum zunimmt? Warum länger arbeiten, wenn der technische Fortschritt Gegenteiliges möglich macht? Warum Überstunden leisten, auf Feiertage, Urlaub und Krankschreibungen verzichten oder intensiver arbeiten, wenn Millionen arbeitslos sind? Warum predigen die da oben „Blut, Schweiß und Tränen“, obwohl die Springquellen des Reichtums noch nie in der Menschheitsgeschichte derart reichhaltig gesprudelt haben? Irgendetwas muss faul sein - aber was?
Die vorliegende Schrift liefert Antworten auf solche Fragen. Im ersten Kapitel sollen einige Gesetze erläutert werden, die auf der Grundlage der Agenda 2010 zustande kamen. Hier fällt auf, dass in der offiziellen Sprachregelung der positiv besetzte Begriff „Sozialreformen“ verwendet wird, wenn es um die tatsächliche Verschlechterung der sozialen Lage, also um herbe Sozialeinschnitte, geht. Dies ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was Anfang der 70er Jahre und vor dem Ersten Weltkrieg unter Sozialreformen verstanden worden war. Damals ging es um wirkliche soziale Fortschritte, um den Ausbau sozialer Sicherungssysteme und nicht um deren Zerstörung. Klassische Sozialdemokraten hofften gar, dass solche Sozialreformen in Richtung Sozialismus gehen würden und deshalb an die Stelle der Revolution treten müssten. Ein Irrtum – wie man heute weiß. Die derzeitigen Sozialreformen von oben tragen zur Verelendung der breiten Massen bei, beinhalten das direkte Gegenteil des klassischen Begriffs der Sozialreform. Es droht eine neue Art der Barbarei.
Das zweite Kapitel fragt nach den allgemeinen Voraussetzungen des Sozialabbaus. Es zeigt die Stoßrichtung auf, analysiert, wer zu den Opfern und wer zu den Profiteuren des Sozialabbaus gehört. Eine Klassenlinie wird erkennbar, die sich wie ein roter Faden durch alle sozialpolitischen Maßnahmen hindurch zieht.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Gründen des Sozialabbaus: die den Kapitalismus charakterisierenden allgemeinen ordnungspolitischen Gründe, die säkular und konjunkturell wirksamen Gründe und schließlich die militärpolitischen Triebkräfte des Sozialabbaus. Außerdem wird die Bedeutung der Globalisierung für die Politik des Sozialabbaus analysiert.
Die Ideologie des Sozialabbaus thematisiere ich im vierten Kapitel. Denkanstöße, wie es auch anders sein könnte, findet der Leser im fünften Kapitel.
Kapitel I
Gesetze auf der Grundlage der Agenda 2010: Was ist an Sozialabbau beschlossen worden?
Die Regelungen, die auf der Grundlage der Agenda 2010 verabschiedet worden sind, beschleunigen dramatisch einen Sozialabbau, der im Zuge steigender Massenarbeitslosigkeit bereits Ende der 70er Jahre einsetzte. Nachfolgend sollen einige der auf der Grundlage der Agenda 2010 verabschiedeten Gesetze skizziert werden.
a) Arbeitslosengeld II: Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe
Ausgangslage: Die Arbeitslosenunterstützung besteht derzeit noch aus dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe. Als Versicherungsleistung wird das Arbeitslosengeld aus Sozialbeiträgen finanziert, die zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Unternehmern aufgebracht werden. Die Arbeitslosenhilfe ist im Gegensatz dazu vom Bund steuerfinanziert. Läuft das Arbeitslosengeld aus, besteht derzeit noch ein zeitloser Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, die etwa 53 bzw. 57% (Arbeitslosengeld: 60% bis 67%) des früheren Nettolohns beträgt. Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen ist bei der Arbeitslosenhilfe großzügiger geregelt als bei der Sozialhilfe. Arbeitslosenhilfe erhalten rund 1,5 Millionen Personen. Die Sozialhilfe wird von den Kommunen als „Hilfe zum Lebensunterhalt“ an derzeit rund drei Millionen Menschen gezahlt. Etwa 800.000 von ihnen gelten als erwerbsfähig. Da der Arbeitslosenanspruch bei derzeit 300.000 Menschen zu gering ist, wird hier ergänzend Sozialhilfe gewährt.
Neue Regelung (Teil von Hartz IV): Nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes sollen Arbeitslose, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, ab 1. Januar 2005 eine einheitliche Leistung, das Arbeitslosengeld II, erhalten. Das Arbeitslosengeld II orientiert sich am Sozialhilfesatz und wird im Westen und in Berlin 345 Euro, im Osten 331 Euro im Monat betragen. Weiterhin soll es Wohngeld geben. Jedoch fallen die Zuschüsse für Kleidung, Einrichtungen und anderes weg.
Arbeitslose, deren reguläres Arbeitslosengeld ausläuft und die deshalb in das Arbeitslosengeld II abrutschen, erhalten zwei Jahre lang Zuschläge. Diese betragen im ersten Jahr maximal 160 Euro; für jedes Kind gibt es 60 Euro. Im zweiten Jahr werden die Zuschläge halbiert.
Mit dem Arbeitslosengeld II verlieren nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit bis zu 800 000 der etwa 2,2 Millionen Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ihre Unterstützung. Der Grund dafür sind neue Bedürftigkeitsregeln: Alles muss offen gelegt werden – nicht nur das eigene Vermögen sondern auch Vermögen und Einkommen der Kinder und des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehe- oder Lebenspartners. Bereits seit 2003 erhalten rund 160 000 Haushalte keine Leistung mehr, weil strengere Kriterien für die Anrechnung von Vermögen und Einkommen gelten. Weitere 500 000 mussten zumindest Einschränkungen hinnehmen.
Hier ein Beispiel zum Arbeitslosengeld II: Der Berliner Heiko G. hat nach Angaben des Tagesspiegels (15.05.04) 25 Jahre als Kfz-Mechaniker gearbeitet. Dann ist er entlassen worden, weil er krank war und sein Chef sich einen jüngeren und gesünderen Mechaniker gesucht hat. Während Heiko im Flur der Arbeitsagentur (der neue Name für die Bundesanstalt für Arbeit) in Berlin-Mitte wartet, wird einige Straßen weiter, im Bundesrat am Leipziger Platz, über seine Zukunft entschieden, darüber, wie sein Leben ab 1. Januar 2005 weitergehen wird. Er hat Angst, ist wütend, weil er nicht weiß, wie das gehen soll, von 345 Euro im Monat zu leben. Würde er mit einer Lebenspartnerin zusammenleben, müsste er je nach deren Einkommen selbst darauf noch verzichten.
b) Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld
Ausgangslage: Derzeit besteht bis zum 45. Lebensjahr ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 12 Monate. Der Anspruch steigt danach gestaffelt bis zum 57. Lebensjahr an. Ab dem 57. Lebensjahr wird Arbeitslosengeld maximal für 32 Monate gezahlt.
Neue Regeln für Arbeitslose: Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld soll für die über 55-Jährigen auf 18 Monate und für die unter 55-Jährigen auf maximal 12 Monate begrenzt werden. Beispiel: Ein Lohnabhängiger hat zurzeit nach Vollendung des 47. Lebensjahrs eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld für 22 Monate erworben. Das geplante Gesetz verkürzt die Zeit auf 12 Monate. Aus verfassungsrechtlichen Gründen soll die Kürzung erst ab 2006 in Kraft treten. Durch die kürzere Bezugsdauer verlieren die entsprechenden Arbeitslosen insgesamt etwa 3,5 Mrd. Euro.
c) Neue Zumutbarkeitsregeln: Jegliche Arbeit muss angenommen werden
Ausgangslage: Die Regierungen haben in der Vergangenheit die Zumutbarkeitskriterien stark herabgesetzt. Schon heute sind Bezieher von Arbeitslosengeld grundsätzlich verpflichtet, jede Art von Arbeit zu akzeptieren. Allein das Gehalt, nicht die Tätigkeit ist maßgeblich für eine neue Stelle. Arbeitslose sind verpflichtet, in den ersten drei Monaten ihrer Arbeitslosigkeit eine Arbeit mit bis zu 20% weniger Gehalt anzunehmen. In den folgenden drei Monaten sind 30% zumutbar. Mit dem siebten Monat gilt das Arbeitslosengeld als Maßstab. Entsprechend müssen Bezieher von Arbeitslosenhilfe jeden Job annehmen, der mehr Lohn als die Arbeitslosenhilfe abwirft. Seit Anfang 2003 muss Arbeit auch außerhalb des Pendlerbereichs akzeptiert werden, wenn nicht wichtige Gründe (z.B. familiäre Bindung) entgegenstehen. Falls eine vom Arbeitsamt angebotene zumutbare Stelle (oder auch Weiterbildungsmaßnahme) vom Arbeitslosen abgelehnt wird, kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zu zwölf Wochen ausgesetzt werden. Entsprechend verkürzt sich die verbleibende Anspruchsdauer. Falls ein zumutbares Jobangebot ein zweites Mal abgelehnt wird, kann die Zahlung von Arbeitslosengeld oder –hilfe ausgesetzt werden.
Neue Regelung: Sobald die arbeitslos gemachte Person nach 12 oder 18 Monaten (älter als 55 Jahre) das Arbeitslosengeld II bezieht, kann sie zu jeder Art von Arbeit verpflichtet werden. Selbst ein Minijob ist zumutbar. Vorheriger Beruf und Qualifikation bzw. ortsübliche Tariflöhne spielen keine Rolle mehr! Beispielsweise müsste ein allein stehender Lehrer, Buchhalter oder Ingenieur mit einem früheren Lohn von vielleicht 4000 Euro (brutto) einen Aushilfsjob bei der Müllabfuhr, einer Friedhofsgärtnerei oder an einem Schlachthof mit möglicherweise 500 Euro akzeptieren. Weigert er sich, dann droht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II im ersten Schritt um 30%. Stellt die Agentur für Arbeit Verstöße zum wiederholten Mal fest, kann sie das Arbeitslosengeld II komplett streichen. Personen, die jünger als 25 Jahre sind, müssen sogar damit rechnen, dass ihnen bereits beim einmaligen Verstoß das Arbeitslosengeld II verweigert wird.
Dazu werden die Sperrzeiten für das Arbeitslosengeld erleichtert. Es reicht künftig aus, dass der Sachbearbeiter „mangelndes Bemühen“ um Arbeit feststellt. Der Arbeitslose müsste dann den Beweis antreten, dass die Stelle tatsächlich nicht akzeptabel war. Derzeit muss noch der Sachbearbeiter die Zumutbarkeit des Angebots nachweisen. Das Arbeitslosengeld II kann künftig auch dann gekürzt werden, wenn der Arbeitslose bei der Jobsuche nicht genügend Eigeninitiative zeigt. Bei der Prüfung von Sperrzeiten wird anders als heute negativ angerechnet, wenn jemand seinen Job von sich aus gekündigt hat und nicht entlassen wurde.
d) Lockerungen des Kündigungsschutzes
Ausgangslage: Der Kündigungsschutz gilt für Firmen mit mehr als fünf Beschäftigten. Das sind rd. 6,5 Mio. Erwerbstätige (inklusive geringfügig Beschäftigte) in 1,5 Mio. Betrieben. Wie unsicher die Arbeitsplätze trotz des derzeit noch geltenden Kündigungsschutzes sind, belegt eine erst kürzlich erfolgte Kündigung des Berliner Entsorgungsunternehmens Alba. Am 10. Juli 2003, einem späten Donnerstagabend, machte plötzlich ein böses Gerücht die Runde: 60 Sortierer und 30 Kraftwagenfahrer sollten an diesem Abend ihren Job verlieren. Tatsächlich wurden die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter ins Büro des Geschäftsführers zitiert: „Die Leute wurden alphabetisch aufgerufen und haben dann einzeln ihre Kündigung erhalten – fristgerecht zum 30. November“, berichtete Harri Mikolaizik, Sortierer im Alba-Recycling-Werk. (Tagesspiegel, 12.7.2003) Dieser „Nacht-und-Nebel-Aktion“ (Verdi) ging eine Verhandlung über eine Lohnkürzung um 15 bis 20 Prozent bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie für zwei Jahre voraus.
Neue Regelung: Der Kündigungsschutz entfällt für Neueinstellungen in Kleinbetrieben bis zu 10 Beschäftigte. Existenzgründer dürfen statt bis zu zwei nun bis zu vier Jahre befristet einstellen. Zudem wurde das Kündigungsschutzverfahren beschleunigt. Um das Prozessrisiko des Unternehmers bei der Kündigung zu mindern, erhält der Arbeitnehmer eine Abfindungsoption. Diese wird so ausgestaltet, dass ihre wirtschaftliche Vertretbarkeit für die Unternehmen gewährleistet ist. Die Sozialauswahl soll auf drei Kriterien (Alter, Betriebzugehörigkeit, Unterhaltspflicht) beschränkt werden. Besondere Lohnabhängige (Leistungsträger) können von der Sozialauswahl ausgenommen werden, wenn deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
e) Krankengeld / Zuzahlungen / Leistungsausgrenzungen
Ausgangslage: Wer länger als sechs Wochen krank ist, bekommt 70 bis 90% des Nettolohns von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt. Der Besuch einer Arztpraxis ist bis Ende 2003 kostenfrei. Beim Zahnersatz ersetzen die Krankenkassen die Kosten für Brücken, Kronen und Prothesen nur in der billigsten Ausführung und auch nur zu einem Anteil von maximal 65%.
Neue Regelung:
Eine Praxisgebühr von zehn Euro müssen Personen über 18 Jahre beim ersten Arztbesuch im Quartal und immer dann zahlen, wenn keine Überweisung oder Vorsorgeuntersuchung vorgenommen wird.
Zudem werden die Versicherten durch Zuzahlungen (geschätzte Entlastung der Krankenkassen: 3,3 Mrd. Euro) belastet. Bei allen medizinischen Leistungen (etwa verschreibungspflichtige Medikamente – rezeptfreie Arzneimittel müssen vollständig aus eigener Tasche bezahlt werden) wird eine Zuzahlung von 10% verlangt. Diese beträgt mindestens fünf, höchstens 10 Euro. Im Krankenhaus fallen 10 Euro je Tag bei maximal 28 Tagen im Jahr an (bisher 9 Euro je Tag für 14 Tage). Zuzahlungen plus Praxisgebühren sollen zunächst zwei Prozent des Bruttoeinkommens (maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 3450 Euro im Monat) nicht übersteigen. Bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro wären dies 600 Euro.
Leistungsausgrenzungen: Sterbegeld, Entbindungsgeld, Sehhilfen und Sterilisationen müssen künftig privat finanziert werden. Nur noch Minderjährige erhalten Sehhilfen von den Kassen. Taxifahrten zur ambulanten Versorgung werden meist nicht mehr bezahlt.
Krankengeld (geschätzte Entlastung für die Krankenkassen: 5 Mrd. Euro) und Zahnersatz (geschätzte Entlastung: 3,5 Mrd. Euro) werden künftig aus der paritätischen Finanzierung der GKV herausgenommen, d.h. die Lohnabhängigen müssen beides dann allein absichern. Dadurch erhöht sich ihre Beitragslast, während der Arbeitgeberanteil entfällt.
Kapitel II
Zur Stoßrichtung des Sozialabbaus
Geld kennt keine Moral, kennt weder Rücksicht noch Anstand. Unter bestimmten Bedingungen entwickelt sich das „unmoralische“ Geld weiter, wird Kapital, das nur einen Zweck hat: sich zu vermehren. Antike und mittelalterliche Schriftsteller hassten das Kapital gewordene Geld wegen seiner zersetzenden Kraft, wegen der Raffgier, die es bei den Menscher erzeugt, den Ökonomismus, den es erzwingt. Einst Mittler zum Leben, zur Entwicklung höherer Lebensweisen, wird der zum Kapital gewordene Reichtum Selbstzweck, wird systematisch eingesetzt, um sich selbst zu hecken. Mittel und Zweck sind von gleicher Art.
Diese allgemeine Form des Kapitals, die Aristoteles in der Analyse des Kaufmanns- und Wucherkapitals entdeckt hatte und die dann von den Merkantilisten mit Hochschätzung versehen wurde, lautet: Geld – Ware – Mehrgeld (Der Kaufmann schießt Geld vor, kauft damit Waren, die er zu einem höheren Preis verkauft) oder für das Zinsgeschäft: Geld – Mehrgeld, d. h. Geld, das nach Ende der Leihfrist vergrößert (Zins) zum Ausgangspunkt zurückkehrt.
Unsere heutige Welt ist dadurch gekennzeichnet, dass diese Kapitalform die Produktion einschließt, das Kapital also auch die Quellen des Reichtums (Natur und Arbeit) beherrscht und für sich nutzbar macht. Die gekaufte, sich in der Produktion betätigende Arbeitskraft ist die Quelle des (Tausch)Werts, einschließlich des Mehrwerts (Profit, Zins, Grundrente). Den Unternehmern dienen die Lohnabhängigen als Mittel für ihre Zwecke, der Vermehrung ihres vorgeschossenen Kapitals. Die Quelle ihres Profits wirft um so mehr für sie ab, je weniger sie dafür bezahlen müssen und je länger und intensiver sie ihre Arbeitssklaven benutzen. Die Lebensinteressen der Lohnabhängigen stehen dem entgegen.
Dies ist der Kern des Konflikts.
a) Abbau der Lohnnebenkosten: Eine Politik der Lohnsenkung
Die Politik des Sozialabbaus greift in den Konflikt zugunsten der Unternehmer ein. Im Vordergrund stehen zunächst die Lohnnebenkosten. Diese setzen sich aus den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegversicherung, der Arbeitslosenversicherung sowie der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen. Grundsätzlich werden die Beiträge paritätisch (Ausnahme: Unfallversicherung) finanziert, also durch Arbeitnehmer und Unternehmer zu jeweils gleichen Teilen.
Die Absenkung des allgemeinen Rentenniveaus und die Einführung der Riester-Rente waren bereits der Einstieg in den Ausstieg aus der paritätischen Beitragsfinanzierten Rente. Der Unternehmer zahlt nicht wie bei der gesetzlichen Rente die Hälfte dazu. Die Beschäftigten müssen alleine bezahlen.
In die gleiche Richtung zielen die Herausnahmen des Krankengeldes und des Zahnersatzes aus der paritätischen Finanzierung. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollen von derzeit rund 14,5 Prozent auf etwa 13 Prozent sinken. Dieser Vorteil wirkt nur auf der Seite der Unternehmer. Denn die Lohnabhängigen müssen sich in Zukunft zusätzlich privat versichern. Dies wird mehr als die eingesparten Beitragspunkte kosten, da an der Finanzierung der privaten Zusatzversicherungen der Unternehmer nicht mehr beteiligt ist. Hinzu kommen erhebliche Zuzahlungen und verschiedene Leistungskürzungen, von denen die Versicherten einseitig betroffen werden. Mit der Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und die Herabsetzung der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme sollen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden. Auch hier liegt der Vorteil bei den Unternehmern. Für sie werden die Lohnnebenkosten gesenkt, während die Lohnabhängigen auf der Leistungsseite Nachteile haben.
In der Senkung der Lohnnebenkosten sind sich alle parlamentarischen Fraktionen grundsätzlich einig. Allein die von den jeweiligen Parteien besonders präferierten Wirtschaftsverbände sowie das parlamentarische Spiel aus Regierung und Opposition, das der Profilierung dienen soll, erzeugen verschiedene Varianten. Die derzeitige Opposition geht bei den Vorschlägen zum Sozialabbau schon deshalb einen Schritt weiter, um ihr größeres Durchsetzungsvermögen und ihre besondere Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Manche Politiker der Regierungsparteien wählen demgegenüber mildere Varianten, in der Hoffnung, enttäuschte Wähler zurückzugewinnen.
b) Kern des Konflikts: Der Kampf um die Mehrwertrate
Der Zweck all der Maßnahmen liegt auf der Hand: Die durch Verringerung des Arbeitgeberanteils herabgesetzten Bruttogesamtlöhne (in der amtlichen Statistik als „Arbeitnehmerentgelt“ definiert) erhöhen nämlich die Profite. Die wissenschaftliche Kategorie für diesen Zusammenhang ist die Mehrwertrate, das Verhältnis aus dem produzierten Mehrwert und dem Kapitalteil, der zum Kauf der Wertquelle, der Arbeitskraft, vorgeschossen wird. Karl Marx nannte diesen Kapitalteil variables Kapital im Unterschied zum konstanten Kapital, das dem Kauf der Produktionsmittel (Arbeitsmittel, Rohstoffe, Hilfsstoffe etc) dient.
Die Bewegung der Mehrwertrate hat auf die Verwertung des Gesamtkapitals, gemessen an der Profitrate (Mehrwert in % des insgesamt vorgeschossenen Kapitals), großen Einfluss. Die quantitativen Relationen lassen sich durch die Formel der Profitrate rasch nachweisen. Wenn P' für die Profitrate, m für den Mehrwert, M' für die Mehrwertrate, v bzw. c für das variable bzw. konstante Kapital und K für das insgesamt vorgeschossene Kapital stehen, dann lautet die Formel der Profitrate:
P' = m/(c+v) oder P' = M'* v/K
Bei gleich bleibender Wertzusammensetzung des Kapitals (v/K bleibt konstant) wächst die Profitrate proportional zur Mehrwertrate. Die Mehrwertrate und mit ihr die entsprechende Profitrate steigen bei fallenden Löhnen, bei Verlängerung der Arbeitszeit oder bei größerer Arbeitsintensität.
In der Mehrwertrate ist der Klassengegensatz zwischen Lohnabhängigen und Unternehmern direkt und unmittelbar, also ohne nebulöse Zwischenglieder, ausgedrückt. Alle Schritte des Sozialabbaus, so unterschiedlich sie uns auf den ersten Blick erscheinen mögen, fokussieren sich darauf. Ihre Wirkungen laufen allesamt auf eine direkte oder indirekte Erhöhung der Mehrwertrate hinaus. Der Ausstieg der Unternehmer aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen gehört zusammen mit den damit einhergehenden Leistungskürzungen und den Zusatzversicherungen zu den direkten Wirkungen. Durch niedrigere Arbeitgeberanteile fallen die Gesamtlöhne, so dass die Mehrwertrate und mit ihr proportional die Profitrate steigen können.
c) Über die indirekten Wirkungen des Sozialabbaus: Länger und schneller arbeiten bei geringerem Lohn
Und nun zu den indirekten Wirkungen: Etliche Sozialeinschnitte wie die Reduzierung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe oder die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld vermindern den Teil des Einkommens, der durch Vermittlung des Staates an die Arbeitslosen transferiert wird. Umgekehrt bleibt dann mehr übrig für die besitzenden Klassen bzw. für deren Staat.
Einige Schritte des Sozialabbaus beeinflussen indirekt alle drei Einflussfaktoren der Mehrwertrate (Lohn, Arbeitszeit, Arbeitsintensität). Dies gilt für die Reduzierung der Arbeitslosenhilfe auf die Sozialhilfe, für die Herabsetzung der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme, die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und für die Einschränkungen beim Kündigungsschutz. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, die Konkurrenz zwischen den Arbeitslosen und den Beschäftigten zu steigern. Die Einschränkungen beim Kündigungsschutz und die Herabsetzung der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme sind wichtige Schritte, um die Beschäftigten permanent durch Billigangebote des Arbeitsmarktes unter Druck zu setzen. Bislang noch vorhandene Segmentierungen des Arbeitsmarktes werden aufgebrochen: Jeder konkurriert mit jedem und das bundesweit.
Die Konkurrenz zwischen den lohnabhängig Beschäftigten und den Arbeitslosen fällt umso erdrückender aus, je schlechter deren materielle Situation ist. Erstens wächst mit ihrer Armut auch die Bereitschaft, in ihrer verzweifelten Lage alle Lohn- und Gehaltstarife zu unterbieten. Zweitens nimmt im selben Umfang die Furcht der Beschäftigten zu, in eine größere materielle Armut hinab geschleudert zu werden. Durch diese doppelte Disziplinierung wird noch mehr Arbeit durch eine größere Arbeitsintensität bzw. durch Überstunden verausgabt, was wieder zur Vermehrung des Arbeitslosenheeres und damit zur Verschärfung der Konkurrenz beiträgt. Ein feiner Mechanismus im Dienste der Unternehmer.
Dieser Zusammenhang ist keineswegs neu. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts konnte Marx eine vergleichbare Konstellation beobachten. “Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse“, schreibt er in seinem Hauptwerk ‚Das Kapital' „schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Diktate des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungenem Müßiggang durch Überarbeit des anderen Teils und umgekehrt, beschleunigt zugleich die Produktion der industrielle Reservearmee.“
d) „Denkanstöße“ aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zur Steigerung der Mehrwertrate
Die sozialen Grausamkeiten sind mit der Agenda 2010 keinesfalls abgeschlossen. Im Gegenteil: Der erfolgreiche Versuch, die Mehrwertrate auf Kosten der Lohnabhängigen zu steigern, hat den Werwolfshunger des Kapitals nach weiterer Steigerung erst entfacht. Verschiedene „Expertenkreise“ der internationalen Organisationen (u.a. OECD, IWF), der Bundesbank, der Forschungsinstitute oder die „Fünf Weisen“ fordern unisono die Fortführung des begonnenen „Umbaus“. Im Vordergrund stehen Forderungen nach längeren Arbeitszeiten, nach weiteren Sozialeinschnitten und nach einer radikalen Verschlechterung des Arbeitsrechts für die Lohnabhängigen (u.a. völlige Beseitigung des Kündigungsschutzes, weitere Einschnitte ins Tarifrecht).
Um dies durchzusetzen, muss die Widerstandskraft der Lohnabhängigen gebrochen werden. In den Gewerkschaften sehen die Unternehmerverbände immer noch Sammelbecken des Widerstands, wodurch ihre Offensive gestoppt werden könnte, wie 1996 ihr Angriff auf den Kündigungsschutz, der Versuch, Karenztage im Krankheitsfall einzuführen oder die geplante Beseitigung des Schlechtwettergelds für Bauarbeiter. Die Möglichkeit der Gewerkschaften, Gegenmacht zu organisieren, soll weiter beschnitten werden - Pläne zur Öffnung der Flächentarifverträge, zu einer weiteren Einschränkung von Streikmöglichkeiten bis hin zur staatlichen Zwangsschlichtung zielen in diese Richtung.
Schützenhilfe kommt von verschiedenen Forschungsinstituten: „Die Flächentarifverträge müssten sehr viel flexibler gestaltet werden können“, kommentiert Eckhardt Wohlers vom HWWA. „Sie sollten nur noch als Rahmen dienen, an denen sich die Betriebe orientieren können. (…) Vor Ort sollte immer die letzte Entscheidung fallen.“ Carsten Meier vom IfW ergänzt: „Die Tarifautonomie der Gewerkschaften ist keine heilige Kuh.“ (Berliner Zeitung 18.6.03) Die Bundesbank hatte In einer Denkschrift mit dem Titel „Wege aus der Krise“, die sie am 7. März 2003, also nur wenige Tage vor der Agenda-Verkündung veröffentlichte, Öffnungsklauseln und eine Abkehr vom Günstigkeitsprinzip der Tarifverträge gefordert. „Es muss möglich sein, im Interesse der Arbeitnehmer (!) in einem gefährdeten Betrieb von den vereinbarten Tariflöhnen nach unten oder der Arbeitszeit nach oben abzuweichen.“
Der Kampf geht also nicht nur weiter, er wird an Schärfe zunehmen.
Kapitel III
Gründe des Sozialabbaus
Man hat gesehen, wie die schrankenlose Verwertung des Kapitals den Sozialabbau in seiner gesamten Vielfalt und Breite erzwingt. Hauptgesichtspunkt beim Sozialabbau ist immer die Steigerung der Profitabilität auf Kosten der Lohnabhängigen und deren Ersatzleute, die wiederum eine wichtige Rolle in der Konkurrenz der Lohnabhängigen untereinander spielen. Diese Grundlage des Sozialabbaus soll noch etwas näher spezifiziert werden.
a) Allgemeine Gründe
Das Kapital ist ein spezifisch gesellschaftliches Verhältnis, eine geschichtlich bestimmte Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Die Beziehungen der Menschen untereinander, die dadurch gegeben sind, bilden die Gesellschaft – nach ihrer ökonomischen Struktur betrachtet. Es ist selbstredend, dass in einer solch kapitalistisch strukturierten Gesellschaft das Kapital die bestimmend Macht bildet, nicht nur in der Ökonomie sondern ebenso in der geistigen Produktion und in der Politik.
Das Kapital als solches handelt allerdings nicht. Seine Bewegung Geld – Ware – Mehrgeld braucht einen subjektiven Träger, der früher treffend als Kapitalist bezeichnet worden ist. Aus nahe liegenden ideologischen Gründen ist dieser Ausdruck heute verpönt. Stattdessen wird die Bezeichnung Unternehmer vorgezogen. Welchen Namen man immer wählen mag: Auch der Unternehmer ist nichts anderes als das personifizierte Kapital. Der objektive Inhalt der Kapitalbewegung macht sich als sein subjektiver Zweck geltend. Dies ist seine soziale Charaktermaske, die ihm als Träger der Kapitalbewegung aufgenötigt wird. Als Person mag ein Unternehmer ein liebenswerter Mensch sein, sich für die Armen interessieren, vielleicht sogar manche Formen des Sozialabbaus ablehnen; als Funktionär des Kapitals steht er jedoch rücksichtslos gegen die Belange der Lohnabhängigen. Daher das Bedürfnis der Unternehmer nach maßloser Verlängerung der Arbeitszeit, nach Wochenend- und Nachtarbeit, nach Beseitigung der Feiertage, nach Lohnkürzungen, nach Abbau der Lohnnebenkosten, nach Intensivierung der Arbeit.
Vor mehr als 200 Jahren hatte bereits der französische Frühsozialist Charles Fourier folgendes anzumerken: „Im übrigen habe ich festgestellt, dass die Mängel eines Berufs nichts mit der Person zu tun haben; kein Tadel trifft den Anwalt, der seine Klienten um Hab und Gut bringt, oder den Börsenspekulanten, der das Volk ausplündert; der Fehler liegt allein bei der Zivilisation (sprich Kapitalismus), die so viele schädliche Berufe erzeugt und bei den Philosophen, die uns einreden, diese nichtswürdige Zivilisation sei die Bestimmung des Menschen.“
Die ungestillte Gier nach Mehrarbeit ist ein ordnungspolitischer Faktor, der solange wirken muss, wie diese Rahmenbedingungen fortbestehen. Selbst wenn einige Unternehmer versuchten auszuscheren, hätten sie kaum Chancen, dies auch wirklich zu tun. Die Konkurrenz mit anderen erlaubt keine freiwillige Beschränkung dieser Gier. Die ordnungspolitischen Faktoren sind derart massiv, dass solche Spielräume einfach nicht existieren.
Eine Analyse der Konkurrenz zeigt nämlich, dass darin die Bestimmungen der Kapitalbewegung zur Geltung kommen, gewissermaßen durch die Konkurrenz erst exekutiert werden. In diesem Konkurrenzkampf wird dem Träger der Kapitalbewegung die Verwertung des Kapitals als sein Motiv aufgeherrscht. Die Unternehmer können sich nicht besänftigen lassen oder sich für einen wirklichen „Sozialstaat“ engagieren, sie können bestenfalls durch massiven Widerstand von unten zur Rücksicht gezwungen werden. Daran hapert es noch. Das wirksamste Mittel wäre allerdings, die fürchterlichen Rahmenbedingungen selbst zu ändern. Mit der Beseitigung des historisch spezifischen Kapitalverhältnisses würden zugleich die Charaktermasken des Kapitals samt aller „schädlicher Berufe“ und aller Theorien über die Notwendigkeit des Sozialabbaus verschwinden.
b) Säkulare Tendenzen
Die Tendenz zum Sozialabbau ist also etwas Systemimmanentes. Wie stark allerdings diese Tendenz wirkt, hängt zu einem großen Teil von der relativen Größe der Arbeitslosigkeit ab, die selbst wiederum eine abhängige Variable der Kapitalakkumulation bildet.
Wächst die Wirtschaft schneller (beschleunigte Akkumulation), dann nimmt gewöhnlich die Arbeitslosigkeit ab, so dass die negativen Wirkungen der „Industriellen Reservearmee“ auf die Löhne nachlassen. In der Vergangenheit haben die Lohnabhängigen solche Phasen länger anhaltenden Wachstums zur Durchsetzung echter Sozialreformen genutzt. Beispielsweise führte die niedrige Arbeitslosigkeit der späten 50er bis Anfang der 70er Jahre zum „Sozialaufbau“. Die soziale Besserstellung bildete eine wichtige Voraussetzung für eine Reihe Illusionen über die tatsächlichen Verhältnisse. Der alte Kapitalismus mit seinen Klassengegensätzen und den immanenten Verelendungstendenzen schien überwunden. Für kurze Zeit glaubte man, eine „Soziale Marktwirtschaft“ könnte alle sozialen Probleme lösen.
Der Traum währte nicht lange. Seit Mitte der 70er Jahre steigt die Arbeitslosigkeit säkular, also über den Konjunkturzyklus hinweg, an. Das anschwellende Arbeitslosenheer verschärft seitdem die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, so dass Lohn- und Sozialeinschnitte immer weniger von unten verhindert werden können.
Zudem reagieren die Sozialkassen empfindlich auf die Arbeitslosigkeit: Arbeitslose zahlen keine Versicherungsbeiträge, wohl aber kostet eine weitere Million Arbeitslose zusätzliche 15 Mrd. Euro im Jahr. Mit steigenden Arbeitslosenzahlen brechen den Sozialsystemen deshalb die Einnahmen weg. Teilweise nehmen sogar die Ausgaben zu. Es entstehen Deckungslücken, die durch Einschnitte bei den Sozialleistungen und/oder durch Beitragserhöhungen ausgeglichen werden müssen. Die paritätische Finanzierung führt im Falle der Beitragserhöhung zu einer Anhebung der Bruttogesamtlöhne. Gegen diese automatische Verteuerung wehren sich die Unternehmer. Ihr Weg ist vorgezeichnet: Abschiebung der Lasten auf die Versicherten durch Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung und durch Einschnitte bei den Sozialleistungen.
Der Sozialabbau setzte unter Bundeskanzler Helmut Schmidt (seit 1974) ein, wurde durch die Regierung Helmut Kohl (Bundeskanzler durch konstruktives Misstrauensvotum im September 1982) weiter vorangetrieben und wird durch die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder nochmals verschärft.
c) Konjunkturelle Gründe
Die säkular vorhandene Tendenz zum Sozialabbau wird seit Sommer 2000, dem Beginn des Konjunkturabschwungs, zyklisch verstärkt. Dies hat mehrere Gründe:
Erstens haben die Massenentlassungen der zurückliegenden Jahre zu einer gewissen Lähmung der Lohnabhängigen beigetragen. Ihre Widerstandskraft hat unter dem anschwellenden Arbeitslosenheer und durch die allgemeinen Verunsicherungen über den Erhalt der noch vorhandenen Arbeitsplätze schwer gelitten. Außerdem zeigt sich auf der parlamentarischen Bühne, die in den öffentlichen Medien zur eigentlichen Kampfarena hochstilisiert wird, keine Alternative zum Sozialabbau. Die unterhalb dieser Ebene formulierte Kritik an den Sozialeinschnitten wird von den Massenmedien nur am Rande aufgegriffen. Seit Monaten warnen die Verbände der freien Wohlfahrtspflege insbesondere vor Kürzungen der heutigen Arbeitslosenhilfe durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II. „Dies ist ein sozialstaatlicher Abbau, wie er in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie vorgenommen wurde“, stellte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider fest. Die Sozialhilfe selbst sei um mehr als zehn Prozent zu niedrig; sie laufe kumulativ den Preissteigerungen hinterher. Diakonie-Präsident Jürgen Gohde sieht die Sozialhilfe nach den erheblichen Einschränkungen der zurückliegenden zehn Jahre auf ein derart tiefes Niveau, dass sie „kaum mehr ihren Aufgaben gerecht wird.“ (Süddeutsche Zeitung, 12.4. 03) Der vom DGB am 8. Mai 2003 vorgestellten 5-Punkte-Plan, der eine Alternative zur damals gerade verkündeten Agenda 2010 bildete, löste lediglich ein kurzes Presseecho aus; danach verstummte die Diskussion. Die Medien erweisen sich in Angelegenheiten des Sozialabbaus als williges Sprachrohr des Unternehmerlagers.
Zweitens hat die Wirtschaftskrise die Unternehmer in Bedrängnis gebracht: Kapital wird massenhaft vernichtet, die Zahl der Konkurse erreicht historische Rekordstände, die realisierten Profitraten sind bis Anfang 2003 aufgrund schrumpfender Märkte kräftig gesunken. Solche konjunkturellen Schwierigkeiten verstärken den Kampf zur Steigerung der Mehrwertrate. Die Unternehmer sehen günstige Gelegenheiten, „Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt“ mutig durchzusetzen. Darunter verstehen sie völlig flexible Arbeitsmärkte, die nicht gestört werden durch Mindestlöhne, Arbeitslosenunterstützungen oder Kündigungsschutz.
Drittens verschärft die zyklisch gewachsene Arbeitslosigkeit die bereits säkular vorhandenen Deckungslücken in den Sozialkassen, da die Einnahmen aufgrund sinkender Beitragszahler zurückgehen. Derselbe Mechanismus verschärft zusätzlich die Krise der Staatsfinanzen.
Die schlechte Konjunktur hat demnach den Hang zum Sozialabbau sowohl auf der Ebene des Staates und der Sozialversicherungssysteme als auch bei den Unternehmen zyklisch verstärkt, und zugleich die Widerstandskraft geschwächt. Insgesamt müssen die Sozialeinschnitte als Resultat einer kombinierten Wirkung aus allgemein kapitalistischen, aus säkularen und konjunkturellen Gründen gesehen werden.
d) Krieg und Sozialabbau
Dass die Agenda 2010 den darin verkündeten Sozialabbau mit dem „Mut zum Frieden“ verbindet, hat eine tiefere inhaltliche Seite. Wie der Krieg ist auch des Kanzlers „Mut zum Frieden“ eine besondere Art der Außenpolitik.
Gegen Jugoslawien wählte er einst den Krieg, statt den Frieden. Ein Uno-Mandat brauchte er ebenso wenig wie der US-Präsident Bush in seinem März-Feldzug gegen den Irak. Außenpolitische Erwägungen sprachen damals für den Krieg. Im Mittleren Osten verhielt es sich anders. Zusammen mit Frankreich, Russland, China und einigen anderen Staaten lehnte Deutschland den Krieg aus kommerziellen Gründen ab. Als Vize-Weltmeister auf dem Weltmarkt muss Schröder die Einflusssphären der deutschen Wirtschaft im Mittleren Osten verteidigen. Russland und Frankreich haben dort starke Ölinteressen, die sich beide Staaten durch zahlreiche Verträge mit Saddam Hussein zu sichern glaubten.
US-Präsident Bush will eine Neuaufteilung der Einflusssphären, will die Ölquellen, die Pipelines, die nachgelagerte Industrie. Die Umkehr der hoch defizitären Handelsbilanz ist ökonomisch durch Ausweitung der Exporte nicht herstellbar; als zusätzliches Konkurrenzmittel muss er den Krieg einsetzen. Es ist allerdings ein Nullsummenspiel: Was amerikanische Konzerne an Geschäft bekommen, geht Russland, Frankreich, Deutschland etc. verloren.
Zur Herstellung gleicher Konkurrenzbedingungen muss deshalb der Krieg auch von dieser Seite her als Mittel ins Spiel gebracht werden. Der Kriegsetat wächst deshalb nicht nur in den USA, er wächst inzwischen weltweit. Auch in Deutschland soll mittelfristig wieder mehr Geld dafür ausgegeben werden. Neue kostspielige Militärstrategien werden ausgeheckt. Geld ist genug da, wenn es darum geht, deutsche Soldaten rund um den Globus zu schicken, um dort strategische Weltmarktinteressen langfristig zu sichern. Sozialeinschnitte sind nötig, um die laufenden oder geplanten militärischen Engagements zu bezahlen.
So verschärft die militärisch begleitete auswärtige Konkurrenz auf dem Weltmarkt die Klassenkonkurrenz im Innern der Gesellschaft. Der Kampf um die Mehrwertrate gewinnt eine neue Qualität.
Unternehmerlager und Staat haben den Lohnabhängigen und den Arbeitslosen den Fehdehandschuh hingeworfen, der allerdings nur zögerlich aufgenommen wird. Aber am Kampf kommen sie nicht vorbei, wollen sie nicht alles verlieren.
e) Sachzwang Globalisierung?
Der Sozialabbau wird gern mit der Globalisierung in Verbindung gebracht. Unter dem globalen Druck der Finanzmärkte, so lautet das Argument, müssten die Staaten unterschiedslos Sozialeinschnitte vornehmen, befänden sich in einer „Globalisierungsfalle“, die keine Alternative zulasse. Unternehmer und staatliche Sozialpolitiker pflegen ihre Maßnahmen unter Hinweis auf diesen Sachzwang zu legitimieren. Widerstand dagegen scheint zwecklos zu sein.
Tatsächlich weisen die Länder trotz der ins Feld geführten objektiven Zwänge des Weltmarktes erhebliche ökonomische Unterschiede auf: Dies gilt zunächst für den Stand der Produktivkräfte. Deutschland ist unstrittig höher entwickelt als z. B. Portugal, Griechenland oder Indien. Produktivitätsvorsprünge gibt es nicht nur in einzelnen Produktionsbereichen wie dem Transportsystem, sondern im Gesamtsystem der miteinander verzahnten Produktionszweige. Die jeweiligen nationalen Systeme der Produktivkräfte weisen eine unterschiedliche Produktivität mit einer damit einher gehenden unterschiedlichen Intensität der Arbeit auf, so dass die Länder mit Blick darauf eine Stufenleiter verschiedener Entwicklungsgrade bilden. Entsprechend unterschiedlich sind die Bedingungen der Warenproduktion. Lohnhöhe, Arbeitsintensität und Arbeitszeit sind weitgehend einheitlich nur innerhalb eines Landes, nicht aber weltweit. Es gibt zwar einen Weltmarkt, nicht jedoch eine Weltwirtschaft.
Trotz aller Globalisierungstendenzen bestehen die ökonomischen Unterschiede fort und werden seit Beginn der kapitalistischen Epoche reproduziert, wobei sich die Stellung einer Nation auf der Stufenleiter verändern mag. Aber es gibt keine Tendenz der Vereinheitlichung. Afrika zum Beispiel besitzt seit langer Zeit die niedrigsten Löhne, ohne dass dorthin massive Kapitalströme eingesetzt hätten. Wären die Löhne entscheidend, hätte Afrika längst einen Entwicklungsschub haben müssen. Nicht das „teure“ Deutschland sondern die Niedriglohn-Region Afrika müsste Exportweltmeister sein. Tatsächlich besitzen die Länder mit den höchsten Löhnen tendenziell die relativ höchste Exportkraft. Die Kapitalbewegung folgt anderen Gesetzen, als Politiker und Unternehmer vorgeben. Bereits ein Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse des Weltmarktes zeigt also, wie wenig sich die Globalisierungsthese als Anspruchsgrundlage für niedrige Löhne eignet.
Liegt die mittlere Arbeitsintensität in einem Land höher als in einem anderen, dann produziert ein z.B. 8-stündiger Arbeitstag in dem höher entwickelten Land mehr Gebrauchswerte und entsprechend auch mehr Tauschwerte. Da die größere Wertproduktion mit einer größeren Warenmenge einhergeht, ist in der Einzelbetrachtung der Wert einer Ware derselben Art gleich groß, egal ob die Ware unter größerer oder geringerer Intensität hergestellt worden ist. Allerdings ist die Arbeitszeit, die für eine Ware aufgeboten werden muss, in dem Land mit geringerer Arbeitsintensität vergleichsweise länger.
Ähnlich verhält es sich mit den Produktivitätsunterschieden: Das Land mit der relativ höheren Produktivität produziert während des 8-stündigen Arbeitstags mehr Gebrauchswerte als das weniger entwickelte Land. Unter die Gebrauchswerte fällt allerdings auch die Geldware (z.B. das Gold), die durch die vergleichsweise höhere Produktivität ebenfalls in größeren Mengeneinheiten bereitgestellt werden kann. In den acht Stunden liefert also die produktivere nationale Durchschnittsarbeit mehr Waren aber zugleich auch mehr Geld, so dass der Preis der Ware (Ausdruck des Warenwerts in Geld) keinesfalls niedriger ist als in dem Land mit geringerer Produktivität. Wie bei der Intensität gilt auch hier, dass im globalen Zusammenhang die Arbeitszeit als Maß der Werte modifiziert wird: Das Land mit der niedrigeren Produktivität und Intensität muss mehr Arbeitszeit aufwenden als das höher entwickelte Land, um dieselbe Wertgröße zu produzieren.
Der Weltmarkt besteht also aus sich selbst reproduzierenden Volkswirtschaften, die Gebilde eigener Art darstellen und die solange eine gewisse Eigenständigkeit bewahren werden, wie der kapitalistische Weltmarkt fortexistiert. (Vergleiche Guenther Sandleben, Nationalökonomie & Staat, VSA-Verlag 2003). Diese Theorie der Volkswirtschaften bildet eine implizite Kritik der Globalisierungsthese. Entsprechend scheint eine einheitliche Weltwirtschaft mit einer wirklichen Weltregierung, die aus der Globalisierungstendenz folgen müsste, eine bürgerliche Utopie zu sein, die häufig genug am Vorabend größerer Kriege geträumt wird.
Die nationalökonomische Eigenständigkeit eröffnet der Lohn- und Sozialpolitik interessante Spielräume, die innerhalb eines Landes genutzt werden können. Wenn ein 8-stündiger Arbeitstag bei hier angenommener doppelter Produktivität einen im Vergleich zum weniger entwickelten Land doppelt so hohen Reichtum produziert, dann könnten bei gleicher Mehrwertrate Profite und Löhne (inklusive Sozialleistungen) ebenfalls um das Doppelte über dem Niveau des weniger entwickelten Landes liegen.
Anders herum formuliert: Der Arbeitstag des weniger entwickelten Landes müsste im Durchschnitt auf 16 Stunden ausgeweitet werden, um einen gleich großen Reichtum zu produzieren. Empirisch finden wir eine Kombination: In den entwickelteren Ländern liegt die Arbeitszeit meist niedriger, während zugleich bei höherer Mehrwertrate höhere Löhne und Sozialleistungen erbracht werden. Trotz kürzerer Arbeitszeiten und höherer Löhne bzw. Sozialleistungen erwirtschaften die Lohnabhängigen der entwickelten Länder mehr Profit. Solche Unterschiede bei den Löhnen, Sozialleistungen, Arbeitszeiten und den Verteilungsrelationen haben im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Preise der Waren. Das Argument, höhere Löhne und eine Verkürzung der Arbeitszeit würden die Konkurrenzkraft eines Landes untergraben, erweist sich bei näherer Analyse der Konkurrenz als unzutreffend.
Es gilt hier festzuhalten, dass die Spielräume einer aktiven Lohn- und Sozialpolitik durch den Weltmarktzusammenhang keinesfalls beseitigt werden. Jedenfalls besteht kein durch Globalisierung erzeugter Sachzwang, Sozialeinschnitte vorzunehmen und die Löhne in Richtung des nackten Existenzminimums absenken zu müssen. Die Lohn-Preis-Spirale gilt international ebenso wenig wie national.
Dass dennoch ein derartiger Trend des Sozialabbaus so gut wie in allen Ländern existiert, liegt nicht an der wirtschaftlichen Globalisierung und der damit einhergehenden internationalen Standortkonkurrenz. Die Tendenz zum Sozialabbau, zu Lohnkürzungen und zur Verlängerung der Arbeitszeit wird in jedem einzelnen Land durch das dort jeweils existierende Kapital hervorgerufen. Wie bereits gezeigt worden ist, kennt das „unmoralische“ Kapital keine Rücksichtnahmen, begrenzt sich nicht selbst in seinem endlosen Verwertungsprozess, worin die Lohnarbeit die tragische Rolle spielt, die einzige Wertquelle zu bilden, die um so mehr für das Kapital sprudelt, je geringer die Lohn- und Sozialleistungen sind und je länger bzw. intensiver gearbeitet wird.
Dagegen ist Widerstand möglich, der allerdings nur von unten kommen kann. Handlungsspielräume sind aufgrund der relativen Eigenständigkeit der Volkswirtschaften vorhanden. Man muss also keinesfalls auf die großen globalen Aktionen warten. Auch hier gilt: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ In der Lohn- und Sozialpolitik sind nationale Alleingänge durchaus möglich.
Kapitel IV
Alles für den „kleinen Mann“: Wie Staat, Unternehmer und Wissenschaft den Sozialabbau verkaufen
Man könnte vielleicht über die „Selbstlosigkeit“ erstaunt sein, mit der Politiker, Sachverständige, Unternehmer und deren Verbände den Sozialabbau einfordern. Sie erwecken den Eindruck, als würden sie sich rund um die Uhr um das Wohl ihrer Wähler, ihrer Beschäftigten und vor allem um das der Arbeitslosen kümmern. Sie rechtfertigen deshalb die Sozialeinschnitte mit Argumenten des Allgemeinwohls, wobei den Ärmsten besonders geholfen werden soll. Zwei Aspekte stehen im Vordergrund: Der Sozialabbau soll einerseits durch Schaffung neuer Arbeitsplätze die Arbeitslosigkeit verringern und andererseits sollen durch Abbau der Neuverschuldung des Staates die zukünftigen Generationen weniger belastet werden.
a) Warum der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit kein ernsthaftes Ziel sein kann
Wenn die Beseitigung der Arbeitslosigkeit tatsächlich ein ernsthaftes Anliegen wäre, müsste ein derart wichtiges Ziel doch längst erreicht worden sein, statt dass man sich immer weiter davon entfernt. Wurden vielleicht die falschen Mittel eingesetzt oder wurde gar das Ziel nur vorgetäuscht, ohne es ernsthaft anzugehen?
Die Vergangenheit jedenfalls zeigt, wie berechtigt solche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Vollbeschäftigungsziels sind. Seit Beginn der Schmidtregierung Mitte der 70er Jahre haben sämtliche Bundesregierungen, ob schwarz-gelb oder rot-grün den Sozialabbau mit wachsender Schärfe vorangetrieben und dabei das Gegenteil von dem erreicht, das sie als Ziel vorgaben. Offensichtlich ist der Sozialabbau als Mittel ungeeignet, die Arbeitslosigkeit wirklich zu bekämpfen. Tatsächlich hatten wir bereits herausgefunden, dass es sich umgekehrt verhält. In Wirklichkeit ist die Minderung der Arbeitslosigkeit kein Ziel, sondern die Arbeitslosen sind ein Mittel, um den Sozialabbau und damit die Umverteilung von unten nach oben durchzusetzen.
Dies kann natürlich so nicht gesagt werden, da sonst mit Widerstand zu rechnen wäre. Also wählt man die Marketinglösung, verhüllt das eigentliche Ziel, indem man das besondere Anliegen zu einer allgemeinen Sache macht, an der selbst die Lohnabhängigen und Arbeitslosen ein Interesse haben müssten. Die kleinen Leute, so wird vorgetäuscht, seien gar keine Opfer sondern die eigentlichen Profiteure der Sozialeinschnitte. Dass daneben die Profite steigen, wird entweder verschwiegen, oder als Beitrag zur Schaffung der notwendigen Arbeitsplätze angesehen. Also wiederum nur ein Mittel im Interesse des „kleinen Mannes“.
Die materielle Macht der Unternehmer wird ergänzt durch deren geistige Macht, mit der die Öffentlichkeit bestellt wird. Denn die Unternehmer verfügen nicht nur über die Produktionsmittel zur Herstellung von Butter, Autos oder Panzern sondern zugleich über die Produktionsmittel, womit Zeitungen, Zeitschriften, Filme, Radio- und TV-Sender produziert werden. Die Macht reicht bis hinein in die Wissenschaften. Die Gelehrten der Ökonomie sind diesem Machtkartell besonders ausgesetzt, da sie gerade die sensiblen Punkte der Profitmacherei zu ihrem Gegenstand haben. Entsprechend apologetisch zeigt sich ihre Wissenschaft. Persönliche Karrieren, Renommee, Publikationsmöglichkeiten, öffentlicher Einfluss, Forschungsgelder etc. hängen von der Konformität mit dem Kapitalinteresse ab. An entscheidenden Stellen formulieren sie deshalb messerscharf die Interessen der Unternehmer. Ein Beispiel dafür ist die Arbeitsmarkttheorie: Fallen die Löhne, dann steigt die Nachfrage der Unternehmer nach Arbeit, so ihre Behauptung. Die Löhne müssen also sinken, damit die Unternehmer mehr Arbeiter einstellen. Fehlt diese Flexibilität der Löhne nach unten etwa als Folge von Tariflöhnen oder von staatlichen Transferleistungen (Arbeitslosengeld bis hin zur Sozialhilfe), dann würde durch eine derartige Marktwidrigkeit Arbeitslosigkeit notwendig entstehen.
Oder in den Worten des US-amerikanischen Ökonomen Gary Becker, Wirtschaftsnobelpreisträger von 1992: „Das exzessive Niveau an sozialer Sicherung hat dazu geführt, dass Deutschland so geringe Wachstumsraten hat und eine unerträglich hohe Arbeitslosigkeit. (…) Dass dieses System nicht tragfähig ist, spiegelt sich darin, dass die Unternehmen sich mit Investitionen zurückhalten und dass wenig neue Firmen gegründet werden. Wenn es nicht bald Reformen gibt, wird das immer schlimmer. (…) Die einzige Lösung liegt darin, die Arbeitsmärkte zu flexibilisieren.“ (FAZ, 1.7.2003)
Nicht nur der Interessengegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital sondern auch die Schuldzuweisungen sind hier unmissverständlich formuliert. Die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und fehlgeleitete Sozialpolitiker haben die Arbeitslosigkeit verschuldet! Ökonomiestudenten durchlaufen diese Schule und sind dann bestens präpariert, in ihrem späteren Beruf die Klasseninteressen „wissenschaftlich“ zu bedienen.
Dass alles andere nur nicht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als ernsthaftes Ziel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik verfolgt wird, zeigt sich, sobald man die objektiven Funktionen der Arbeitslosigkeit näher analysiert.
Im Zusammenhang mit dem Sozialabbau wurde die erste Funktion der Massenarbeitslosigkeit bereits herausgestellt. Danach verschärft das Arbeitslosenheer die Konkurrenz der Lohnabhängigen untereinander. Es drückt entsprechend seines Umfangs auf das Lohnniveau, es diszipliniert die Lohnabhängigen, hält die Ansprüche gerade während konjunktureller Aufschwungsphasen im Zaum, macht die Lohnabhängigen den Unternehmern gefügig. Einer staatlichen Disziplinierung bedarf es im Regelfall gar nicht mehr, manchmal noch nicht einmal einer betrieblichen; die disziplinierenden Wirkungen durch die Arbeitslosen mit der damit einhergehenden Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, reichen gewöhnlich aus. Der stumme Zwang ökonomischer Verhältnisse ist heutzutage wirksamer als die Peitsche früherer Sklavenaufseher.
Eine zweite Funktion kommt hinzu. Die kapitalistische Produktionsweise verläuft niemals kontinuierlich sondern weist eine plötzliche und ruckweise Expansion mit fieberhaftem Produktionsanstieg auf, die eine Voraussetzung einer gleichfalls plötzlichen Kontraktion bildet. Für dieses wechselvolle Auf und Ab der Akkumulation bedarf es einer größeren Reserve von Arbeitslosen, die in Zeiten der Expansion eingesetzt wird, um dann in schlechten Konjunkturphasen durch Massenentlassungen wieder aufgefüllt zu werden. Das Heuern und Feuern ist eine feine Sache für die Unternehmer, die gewissermaßen gratis über diese Reserve verfügen. Außerdem können sie mit besonderer Rücksichtslosigkeit die modernen Lohnsklaven für ihre Zwecke ausnutzen. Im Gegensatz dazu mussten die früheren Herren sorgfältiger mit ihren Untergebenen umgehen, da sie immer der Gefahr ausgesetzt waren, ihre Sklaven gesundheitlich derart zu ruinieren, dass sie völlig wertlos wurden.
Die Arbeitslosigkeit erfüllt noch eine letzte Funktion: Technische Fortschritte lassen neue Anlagesphären des Kapitals mit einem wachsenden Bedarf nach Arbeitskräften entstehen. Gerade die ersten Jahre sind die profitabelsten. Auf den neuen Technologiefeldern entwickeln sich Sturm- und Drangperioden des Kapitals mit hohen Extraprofiten und einem kaum zu stillenden Bedarf nach Arbeitskräften. Die reale Existenz einer industriellen Reservearmee schafft hierfür die notwendigen Voraussetzungen.
Man sieht also: Die Arbeiter werden fortwährend angezogen und wieder abgestoßen, sie werden hin- und hergeschleudert. Um das zugrunde liegende Akkumulationsbedürfnis zu befriedigen, bedarf es einer genügend hohen Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger hoher Flexibilität.
Auf Grundlage kapitalistischer Akkumulation hat sich also die Arbeitslosigkeit keinesfalls als ein Ärgernis herausgestellt, das zu beseitigen wäre. Sie ist vielmehr eine Lebensnotwendigkeit, unbedingt erforderlich, um die Akkumulation in ihrer gesamten Dynamik aufrechtzuerhalten. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kann deshalb gar kein wirkliches Ziel bilden, es sei denn, das Arbeitslosenheer nähme bedrohliche Ausmaße an, dass die Wirtschaftsordnung selbst in Gefahr geriete.
Als Ergebnis zeigt sich also: Das Ziel „Vollbeschäftigung“ wird nur vorgetäuscht, um die geplanten Sozialeinschnitte besser zu verkaufen.
b) Generationengerechtigkeit: Auf Kosten der Zukunft leben?
Grüne und sozialdemokratische Politiker putzen den Sozialabbau nicht nur als Mittel zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit heraus, wodurch eine Art soziale Gerechtigkeit zwischen Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen hergestellt werden soll. Der Sozialabbau scheint zudem im Dienste einer weiteren Gerechtigkeit zu stehen: Es sei unverantwortlich, sagen sie, ständig über unsere Verhältnisse zu leben. Wir könnten es nicht zulassen, dass unsere Kinder ein Leben lang nur dafür arbeiten müssten, die Schulden abzutragen, die unsere Generation etwa durch überhöhte Sozialansprüche aufgehäuft hätte.
Die Politiker ignorieren, dass den Schulden des Staates entsprechende Forderungen gegenüberstehen müssen und dass sich – wenn wir vom Ausland absehen – beides notwendigerweise saldiert. Wenn der Staat mehr Schulden macht, besitzen andere mehr Guthaben. Die Zinsen, die der Staat zahlen muss, verschwinden nicht in „Schwarzen Löchern“ sondern in den Taschen jener, die Besitzer der festverzinslichen Staatspapiere sind, wie Banken, Versicherungen, Fonds, Privatanleger. Hier findet eine gigantische Umverteilung statt zugunsten der Geldkapitalbesitzer. Dies müssen die „Sozialpolitiker“ ausblenden, da sie nicht einen Profitabbau sondern einen Sozialabbau verkaufen wollen. Also redet man nicht über die Kehrseite der Verschuldung, über die Guthaben und die Zinseinnahmen, sondern stattdessen einseitig über die Schulden.
Können wir überhaupt auf Kosten unserer Kinder leben, wenn den heutigen Schulden gleich große Guthaben gegenüberstehen, beides sich also saldiert? Man wird wohl kaum bestreiten können, dass die heutigen Kinder der Arbeiter und die der großen Masse der Angestellten in Zukunft den Reichtum schaffen werden, den andere verzehren. Denn die reichen Kinder von heute, die unter anderem die Staatspapiere vererbt bekommen, werden als Kuponschneider ebenso selbstverständlich von der täglichen Arbeit anderer leben wie heute bereits ihre Eltern. Vorausgesetzt natürlich, es gibt noch den Staat und die übrigen Abgreifmechanismen.
Wie wenig stichhaltig das Generationenargument ist, zeigt folgende Überlegung: Die Schulden saldieren sich, wie gezeigt, mit entsprechenden Guthaben. Es werden nicht nur die Schulden, sondern zugleich die Guthaben vererbt. Eine Belastung zukünftiger Generationen ist per saldo gar nicht möglich. Es existiert wohl ein Konflikt zwischen den zukünftigen Schuldnern und deren Gläubigern, nicht aber zwischen den Generationen.
Dass ein solcher Konflikt gar nicht bestehen kann, wird auch deutlich, sobald wir uns an der wirklichen Warenproduktion orientieren. All die Waren, die der Staat heute verbraucht, muss er der laufenden bzw. der zurückliegenden Produktion entnehmen. Da der Staat nicht von der zukünftigen Produktion leben kann, ist es unmöglich, dass er die zukünftige Generation auf diese Weise belastet. Wenn der Staat (einschließlich Sozialversicherungen) mehr verbraucht als er einnimmt, dann müssen umgekehrt die anderen weniger verbrauchen. Anders formuliert: Die Aufteilung des neu produzierten Reichtums zwischen Staat und Gesellschaft setzt den Reichtum als gegebene Größe voraus. Es kann nur das verteilt werden, was da ist.
Bislang wurden die auswärtigen Transaktionen nicht angesprochen. Unter Einbeziehung der außenwirtschaftlichen Warenströme zeigt sich, dass wir alles andere nur nicht über unseren Verhältnissen leben. Die hohen deutschen Exportüberschüsse von rd. 100 Milliarden Euro (4,5% des BIP) beinhalten, dass bei uns insgesamt weniger Güter und Dienste konsumiert bzw. investiert werden, als man hier produziert hat. Würde demgegenüber der Konsum um diese 100 Milliarden Euro erhöht, könnten rein rechnerisch die privaten Konsumausgaben um fast 8% wachsen; jeder Einwohner könnte sich im Durchschnitt einen zusätzlichen Warenkorb in Höhe von rd. 1.200 Euro leisten. Mit Blick auf diese „Unterkonsumtion“ leben wir nicht über, sondern schlicht unter unseren Verhältnissen. Zusammen mit den durch Exportüberschüsse entstandenen Auslandsguthaben existieren Ansprüche auf Reichtum, der im Ausland produziert wird. Durch Vererbung wandern solche Ansprüche auf zukünftige Generationen. Unter Einbeziehung des Auslandes verkehrt sich also das Argument: Nicht wir leben auf Kosten der Zukunft, vielmehr könnten wir uns heute mehr leisten, als wir es tatsächlich tun.
Man sieht also, dass ein Sozialabbau als Mittel zur Herstellung einer „Generationengerechtigkeit“ völlig überflüssig wäre. Das Generationenargument dient nur dazu, den Widerstand der „kleinen Leute“ moralisch zu untergraben, indem der Sozialabbau in einen guten Zweck, in einen notwendigen Beitrag für die eigenen Kinder verdreht wird.
Kapitel V
Eine andere Welt ist nötig
Die Diskussion über den Sozialabbau erweist sich als überflüssig, sobald man den kapitalistischen Blickwinkel aufgibt: Es sind genügend Güter vorhanden, um alle Menschen, ob krank oder gesund, ob alt oder jung, ausreichend zu versorgen. Den Defiziten bei den Sozialkassen stehen entsprechende Guthaben gegenüber. Wir leben nicht über unseren Verhältnissen, sondern wir schöpfen im Gegenteil die Möglichkeiten gar nicht erst aus, die güterwirtschaftlich gegeben sind. Der Lebensstandard könnte für alle höher und die Arbeitszeit trotz aller Sozialleistungen kürzer sein. Unter anderen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen würden die Menschen unvergleichlich besser versorgt.
Bereits ein grober Blick auf die ungenutzten Ressourcen unserer Gesellschaft zeigt, welche Möglichkeiten der Reichtumsproduktion heutzutage bestehen. Es herrscht kein Mangel sondern Überfluss. Mehr als vier Millionen sind offiziell arbeitslos; das sind gut 11% der Erwerbstätigen. Eine Integration dieser Arbeitslosen würde nach Aufbau entsprechender Kapazitäten einen zusätzlichen Reichtum von ebenfalls rd. 11% bedeuten. Durch die Einbeziehung stiller Reserven (nach Berechnungen des IAB etwa 2,8 Millionen Personen) und unter Berücksichtigung der Teilzeitarbeitslosen entstünde ein zusätzlicher Reichtumseffekt in gleicher Größenordnung. Beides Zusammen würde den Reichtum um rd. 20% steigen lassen. Anders formuliert: Bei gleicher Reichtumsproduktion könnte die Arbeitszeit um ein Fünftel verkürzt werden. In die Rechnung sind noch nicht die vielen Vorruheständler und Rentner eingegangen. Viele von ihnen würden gern arbeiten, wenn die Arbeit kürzer und weniger anstrengend wäre. Weitere Möglichkeiten zur Arbeitszeitreduktion wären also vorhanden.
Mit der Beseitigung der Arbeitslosigkeit würden die Arbeitsverwaltung und viele andere Einrichtungen überflüssig, die auf der Arbeitslosigkeit beruhen. Mancher Psychologe oder Mediziner, Sozialbetreuer, Polizist, Rechtsanwalt oder Richter würde nun nicht mehr gebraucht und könnte sich auf andere Weise nützlich machen. Bei genauerer Betrachtung würden all die Arbeiten überflüssig, die keinen wirklichen Beitrag zur Versorgung der Menschen leisten.
Die Frage, welche Arbeiten in einer güterwirtschaftlich organisierten Gemeinschaft überflüssig und welche notwendig wären, hat Darwin Dante Anfang der 90er Jahre in seinem Buch „5 Stunden sind genug“ (Manneck Mainhatten Verlag, Frankfurt 1993) beantwortet. Anhand der Zahlen des Statistischen Jahrbuches für die Bundesrepublik Deutschland berechnete er die notwendige Arbeitszeit, die erforderlich ist, um die heutige Gütermenge zu produzieren. Nach einer umfassenderen Analyse kommt er zu dem Schluss, dass unter Abzug allerlei überflüssiger Tätigkeiten, die auf der Geld- und Eigentumsordnung beruhen und nichts zur eigentlichen Bedürfnisbefriedigung der Menschen beitragen, die “notwendige Arbeit“ nicht mehr als 5 Stunden pro Woche (!) – nicht pro Tag - betragen müsste.
Die Möglichkeiten, die aufgrund des hohen Stands der Produktivkräfte vorhanden sind, werden unter dem kapitalistischen Regiment nur zu einem Bruchteil güterwirtschaftlich genutzt. Wir könnten in einer Welt leben, wie sie die Menschheit zuvor noch nie gesehen hat. Vom Standpunkt dieser materiellen Fülle des Lebens muss die heutige sozialpolitische Diskussion als pure Zeitverschwendung angesehen werden. Vorschläge für Einsparungen sind völlig überflüssig. Alle derzeitigen sozialpolitischen Fragen lösen sich auf in Ordnungspolitik. Um solche Fragen ein für alle mal zu lösen, um eine wirkliche „Jahrhundertreform“ durchzusetzen, bedarf es einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation hin zu einer Gütergemeinschaft.
Befreit vom kapitalistischen Zwangscharakter ließe sich die Arbeit dann neu organisieren, so dass sie ihren bitteren, leidvollen Charakter verlieren würde. Monotonie, Einseitigkeit und Verkrüppelung in der Arbeit hörten auf zu existieren. Die Arbeit wäre kürzer, sie könnte aber auch abwechselungsreich gestaltet werden. Jeder würde für eine kurze Dauer eine bestimmte, durch die Arbeitsteilung festgelegte Teilfunktion ausüben, ohne dass er lebenslanger Teilarbeiter sein müsste. Und die große Industrie liefert dazu die technischen Voraussetzungen, indem sie den Spezialcharakter der Arbeit und den Fachidiotismus überwindet. Die Wechselfälle des Arbeitsmarktes mit all den Massenentlassungen und der Neuaufteilung der Entlassenen auf neue Funktionsfelder belegen, – wenngleich noch auf ekelhafte Art - dass eine Rotation der Arbeit bereits Tatsache ist.
Nicht die Teilarbeit, die an den Stand der Produktivkräfte gebunden ist, kann aufgehoben werden, sondern nur die dauerhafte Anbindung dieser Teilarbeit an eine Person lässt sich beseitigen. An die Stelle des durch die Teilarbeit stumpf gemachten Teilindividuums kann das “total entwickelte Individuum“ (Marx) treten, für das dann die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen einander ablösende Betätigungsweisen bilden. Morgens mag der Mensch Räder an Lokomotiven montieren, vormittags programmieren, nachmittags die Fabrik streichen, abends Wissenschaft, Kunst etc. kritisieren, ohne lebenslanger Monteur, Programmierer, Anstreicher oder Kritiker zu sein.
Die Arbeit würde Spaß machen. Sie könnte sich in freie produktive Selbstbetätigung verwandeln, wäre ein Genuss des Lebens und nicht, wie unter dem Regime des Privateigentums, ein dem individuellen Leben entfremdetes Mittel zur Erhaltung einer bloß physischen Existenz.
Eine andere Welt ist nötig – und die kann nur jenseits kapitalistischer Barbarei liegen. Der Sprung dorthin ist vor allem eine praktische Frage: Die Waffe der Kritik ist längst geschmiedet, die Gedanken der alten Welt sind längst widerlegt. Nun kommt es darauf an, die Welt zu ändern.
Dieser Text ist unter einer Creative-Commons-Lizenz lizenziert.