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Peter Heilbronn |
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Gewerkschaft 2010
( original )
Zur Lage und Funktionsweise der Gewerkschaften in der BRD heute
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07/2003 |
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1. Gewerkschaft 2010 - ein Schritt vor, zwei zurück
1.1. Gewerkschaft der Lohnabhängigen
1.2. Kurz zur Geschichte
1.3. Zwischen Klientel, Eigeninteresse und Gemeinwohl
1.4. Gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang
1.5. Das Verhältnis Gewerkschaft zum Arbeitskampf
2. Ausblick
2.1. Das Fanal
2.2. Rahmenbedingungen gewerkschaftlichen Handelns
2.3. Bürgerbewußtsein muß finanzierbar bleiben
2.4. Gleichheit als Verlierer
1. Gewerkschaft 2010 - ein Schritt vor, zwei zurück
In diesem Artikel geht es um ganz allgemeine Betrachtungen zur Lage der
Gewerkschaften allgemein, besonders in der BRD.
Es geht nicht so um den einzelnen engagierten Gewerkschaftler oder die
berechtigten Interessen
der Lohnarbeitenden. Hier geht es um die prinzipielle und wissenschaftliche
Einordnung der Gewerkschaften
an Hand von Phänomenen, die jedem alltäglich einsichtig sind. Es soll nicht
moralisiert werden, sondern nüchtern der
Gang der Dinge analysiert und ausgewertet.
An Hand unserer Betrachtungen können wir auch die Wurzel vieler Mißverständnisse
und Fehlanalysen aufdecken, wenn es um
die Interessen von Menschen geht. Etwas, was zu verstehen ja ganz viele Leute
vorgeben und vor allem besser wissen,
was für uns alle gut ist, als wir selbst. Das reicht von linksradikalen Sekten
bis zum Bundestag, der ja rechtskräftig
unsere Interessen beschliesst.
Als wichtiges Mittel stellt sich im Folgenden die scheidende Betrachtung der
Menschen einerseits als Bürger und
andererseits als Arbeiter dar. Wir betreiben also hier eine Analyse der
verschiedenen Charaktermasken derselben Menschen.
So haben Bürger und Arbeiter gleiche, aber auch völlig unterschiedliche, sich
widersprechende Interessen.
Diese lassen sich nun in Grundzügen besonders gut an Hand ihrer
institutionalisierten Interessenvertreter, der Gewerkschaften, zeigen.
1.1. Gewerkschaft der Lohnabhängigen
Von seiten des (Lohn)Arbeiters hat die Gewerkschaft eine klare Funktion. Sie ist
Ausdruck des gemeinsamen Interesses der Arbeiter an
Arbeitsbedingungen auf Höhe der Zeit (z.B. Arbeits- und Kündigungsschutz) und
einer irgendwie als "gerecht" empfundenen Entlohnung,
also Arbeitszeit und Lohnhöhe. Diese Rahmenbedingungen werden einerseits in
Gesetze gegossen, bzw. in Verträgen zwischen den
Gewerkschaften und den Körperschaften des gemeinsamen Interesses der Unternehmer
für eine bestimmte Zeit fixiert (Tarifvertrag).
Für den ordnungsgemäßen Ablauf von Auseinandersetzungen der beiden Parteien in
diesem Spiel gibt es eine Fülle von gesetzlichen
Regelungen, bis in die Statuten der Gerwerkschaften hinein.
Was sind nun die Grundlagen, auf denen dieses Modell funktioniert. Wenn ich
Hoffnung auf einen Anteil auf gesellschaftlichen Reichtum habe,
dann muß es:
- Recht auf privates Eigentum (eigene Hände Arbeit) geben und das Recht
- einen Vertrag zu schließen (Vertragsfreiheit).
Also habe ich die Freiheit das Unternehmen zu wählen, für das ich arbeiten will
und kann die Bedingungen aushandeln, zu denen ich arbeite.
Der Lohn und alles, was sich daraus machen läßt ist mein Privateigentum, über
das ich frei verfügen kann und dessen Schutz gewährleistet ist.
Diese Freiheiten haben wir alle und das sind die bürgerlichen Freiheiten,
wie sie nicht zuletzt im Grundgesetz verankert sind.
Es sind z.B. keine Freiheiten des Feudaladels, welcher nach Gutdünken auf seinem
Stück Land Recht sprechen konnte, das ist vorbei.
Also Bürger sein heißt hier einerseits Staatsbürger und Rechtssubjekt,
andererseits auch Anerkennung der bürgerlichen,
demokratischen Spielregeln.
Diese Spielregeln werden zu den eigenen gemacht und sie werden als die
natürlichen und notwendigen vertreten. Man hat ein Selbstbewußtsein
als Bürger, mit Rechtssicherheit und dem Schutz vor Willkür.
Das ist in diesem Bezugssystem auch richtig. Der Arbeiter ist so gesehen ein
Bürger, wie jeder andere auch, mit seinen Rechten und Pflichten.
Wessen Interessen vertritt den nun die Gewerkschaft. Das sieht man am besten,
wenn man in der Geschichte zurückgeht
und sich die einfachen Formen ansieht.
1.2. Kurz zur Geschichte
Nun ein bisschen schattenrißartig Gewerkschaftsgeschichte in Deutschland. Wie
der Name 'Gerwerkschaft' schon sagt, vertraten diese Vereinigungen
im Deutschen Kaiserreich vornehmlich Interessen der Meister, Handwerker, der
proletarisierten Handwerker bzw. der Facharbeiter.
Sie war also hier bestimmt durch die Interessen einer privilegierten Schicht
innerhalb der Arbeiter.
Am Anfang durften auch keine einfachen Arbeiter in die Gewerkschaften eintreten.
Im Gegensatz dazu sagt der Name 'Trade Union',
wie die Gewerkschaften im Angelsächsischen Raum heißen, dass diese Art
Differenzierung so nicht gegeben war. Man muß allerdings
bemerken, dass in den USA z.B. die Gewerkschaften eine völlig andere Entwicklung
genommen haben, als in Europa, von Asien ganz zu
schweigen. Hier gibt es erhebliche Unterschiede.
Auf jeden Fall ist zu sagen, das die Gewerkschaft als solches einen gewaltigen
Fortschritt für die Arbeiter darstellte. Da sie
erstmals zusammen mit der Arbeiterpartei den Interessen der Arbeiter eine
gesellschaftsweite Organisationsform gab, die
in der Folgezeit immer stärker politische Relevanz bekommen sollte.
Also im Deutschen Reich zumindest vertraten die Gewerkschaften die sehr
spezielle Interesses der Besser- und Bestqualifizierten.
Bis heute ist es ebenfalls so, das nichtarbeitende Arbeiter keine Vertretung in
der Gewerkschaft hatten und haben.
Das heißt, dass die Parzellierung mit der Borniertheit, Beschränkung auf die
eigenen Interessen,
ein Grundmoment in den deutschen Gewerkschaften ist und damit die Konkurrenz
innerhalb der Arbeiterschichten ausdrückt.
Sie schleppt somit den Keim der alten feudalen Kleinteiligkeit der
unterentwickelten deutschen Verhältnisse mit sich.
| [Die feudalen Reste] |
Die anfängliche Zusammensetzung der Gewerkschaftler bedeutet aber auch, das der
Handwerkerstolz und überhaupt der Stolz
auf die eigene Arbeit ein konstituierendes Moment darstellen.
Das biblische 'Du sollst das Brot im Schweiße deines Angesichts brechen' ähnelt
nur zu sehr dem gewerkschaftlichen
'Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen'. Aber über diesen Aspekt gerade
der deutsche Arbeitsmoral und überhaupt des
Nationalstolzes bis Patriotismus als Teil gewerkschaftlichen
Selbstverständnisses ist andere Ebene. Dies bricht erst im
1.Weltkrieg als offener Widerspruch auf.
Wie aber sahen nun die Interessen aus, die die Gewerkschaften zu vertreten
hatten. Zuerst einmal ging zusammen mit den Arbeiterparteien
um ganz grunsätzliche demokratische, also bürgerliche, Rechte, wie freies,
allgemeines und gleiches Wahlrecht, gegenüber dem feudalen Ständewahlrecht.
Das ist grundsätzlich gegenüber der damaligen hinterwäldlerischen Entwicklung im
Deutschen Kaiserreich ein Fortschritt.
Es ging um den Sonntag als freien Tag, Pausen, Einschränkung von Frauen- und
Kinderarbeit, Festlegung von Obergrenzen für
die Arbeitszeit. Allgemeine Nothilfeorganisationen hingegen für Arbeiter setzen
sich nicht durch. Dagegen gab es wohl solche, deren
Hilfe aber an die Betriebszugehörigkeit gebunden blieb und damit als
Disziplinierungsmittel dient.
Die Arbeitsbedingungen in der Industrie sind teiweise katasrophal und
unterliegen keinerlei gesetzlicher Regelung und Kontrolle.
Der Unternehmer ist absoluter Herrscher in seiem Privateigentum, der Fabrik,
über sein Privateigentum, weil bezahlt, die Arbeiter.
Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (1863) Lasalles z.B. wollte seinen
Verbündeten im preußischen Obrigkeitsstaat sehen, als im
liberalen Bürgertum.
Politisch gesehen kann man sagen, dass die Gewerkschaften teilweise eine sehr
unrühmliche Rolle gespielt haben. Gerade die 'Freien Gewerkschaften'
waren von ihrer Ausrichtung her streng konservativ. Ihre Ausrichtung war, wie
sie heute noch ist, dem Arbeiter einen erträglichen Platz
in der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, nicht diese
abzuschaffen. Es war doch das Vaterland, um was es ging.
Man war doch kein 'vaterlandsloser Gesell'. (Natürlich ist der Proletarier
ökonomisch betrachtete vaterlandslos.)
| [Die Politik der Gewerkschaft] |
Wie auch heute lag damals ein Hauptaugenmerk auf den Gewerkschaftskassen,
welche ja jeden Arbeitskampf und die Nothilfemaßnahmen, das Unterstützungswesen
zu finanzieren hatten. Richard Müller sagte dazu:
"
Die Gewerkschaftsführer mußten den Inhalt ihrer Kassenschränke bei jedem Kampfe
berücksichtigen.
Sie gingen aber weit darüber hinaus und verlegten den ganzen Schwerpunkt ihrer
Entscheidung auf diese Stelle.
Wesen und Inhalt der Gewerkschaftsbewegung wurde dadurch bestimmt.
"
(Richard Müller 'Vom Kaiserreich zur Republik', S. 19)
Politische Fragen durften von den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern im
Gegensatz zu den Gewerkschaftsführern nicht diskutiert werden.
Die Führungen hatten immer Angst, dass ihnen das Heft aus der Hand gleiten
konnte und die Mitglieder nicht mehr unter ihrer Konrolle waren.
Ihr Einfluß auf die Sozialdemokratie war immer ein mäßigender, z.B. 1906 beim
Abwenden politischer Massenstreiks auf dem Mannheimer Parteitag.
Es wäre noch eine Menge über Streikverbote, Burgfrieden und den
revisionistischen Einfluß auf die sozialdemokratische Reichstagsfraktion
dieser Zeit zu sagen. Aber das ist die Aufgabe einer anderen Arbeit. Hier ging
es nur darum ein kurzes Schlaglicht zu geben.
1.3. Zwischen Klientel, Eigeninteresse und Gemeinwohl
Kommen wir nun zu den unterschiedlichen Interessen, welche die Gewerkschaften
vertreten. Betrachten wir sie
dazu unter jeweils verschiedenem Blickwinkel.
Es gibt für verschiedene Branchen verschiedene Gewerkschaften. Diese sind nun
die Funktionsträger der dortigen Arbeiter.
Schon auf organisatorischer Ebene findet eine Trennung satt und die gemeinsamen
Interessen der Arbeiter äußern sich
nur in ihren brancheneigenen Forderungen.
Weiterhin existiert in der BRD ein Verbot solidarischer Streiks von
Arbeitern in verschiedenen Branchen füreinander.
Generalstreik ist natürliche ebenso verboten. Denn Generalstreik gilt als
politischer Streik und nicht mehr
einer für die vom Staat anerkannten Interessen der Lohnabhängigen.
Welche Arbeiter in welcher Gewerkschaft in Vertretung stehen ist ebenso
rechtlich genau geregelt.
| [Teilung in Branchen und Arbeitslose] |
IG-Metall Vize Peters im ZDF 'Fernwirkungen von Streiks sind nicht das Ziel,
aber auch manchmal nicht zu vermeiden' in
der Diskussion um den gerade verlorenen Metallerstreik.
In diese Parzellierung fällt auch das gerede von 'ungerechten' und
'unsolidarischen Streiks', bei denen Firmen betroffen sind,
deren Belegschaft gar nicht streikt. Zum Beispiel der Cockpit-Streik (er brachte
gut 20% Lohnerhöhung für diese Piloten) hat
eine wahre Flut von Empörung ausgelöst, ohne das auch nur
die Idee erschien gleichlautende Forderungen an den eigenen Unternehmer zu
stellen. Diese Empörung war einfach nur die Wut
und Enttäuschung über sich selbst und seinen eigenen Gewerkschaftsapparat im
Deckmantel eines herbeihalluzinierten Gemeinwohles.
Das Bewußtsein gemeinsamer Interessen über alle Branchengrenzen, aller Arbeiter
ist so außer Reichweite gehalten.
Ihren Köpfen sind sie z.B. vorrangig nicht Arbeiter, vielleicht Metaller, aber
bestimmt BWM-Mitarbeiter, die Stolz auf "ihren"
Betrieb sind. Diese anerzogene und ständig bestärkte Beschränktheit findet
Ausdruck in der eigenen Wahrnehmung der eigenen Interessen.
Diese Parzellierung ist sowohl organisatorisch, wirklich, als auch in den Köpfen
verwirklicht.
Bürger haben zu recht nur die gemeinsamen Interessen ihres Eigentums und der
Vertragsfreiheit und gesicherter Existenz.
Aber noch mehr. Die Parzellierung der Gewerkschaften ist die Institution
gewordene Konkurrenz unter den Arbeitern.
Nur so und mit der Angst läßt sich erklären, weshalb man sich nicht für andere
freut, wenn sie mehr Löhne erkämpft haben und es dann selbst als
Ansporn nimmt, dies seinerseits zu fordern.
Sie benehmen sich halt wie die Bürger, die ihre Privatinteressen für sich selbst
vertreten, z.B. einen Zaun um ihren
in Privatbesitz befindlichen Garten ziehen. Freiheit, Gleichheit und Konkurrenz
sind nicht trennbare Bestandteile der Bürgerlichkeit.
Jeder kämpft gegen jeden und nur, wenn es nicht anders geht, findet man sich
zusammen zum Arbeitskampf. Solange aber hofft man, dass
es einen selbst nicht trifft. Dies beinhaltet aber, dass es jemand anders
treffen muss, da man aus Erfahrung weiss, wie der Hase läuft.
Man zittert um seinen eigenen als seinen Besitz betrachteten Arbeitsplatz, weil
er das einzige unter den heutigen Bedingungen ist,
was die bürgerliche Existenz sichern kann.
Laut Telekollege Volkswirtschaftslehre ist die
Aufgabe der Gewerkschaften auch die, die
konkreten Interessen der Arbeitenden zu vertreten. Damit sind die Gewerkschaften
in ihrem Tun, die Löhne, Absicherungen zu erhöhen
und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, genau den Interessen der Arbeitslosen
entgegengesetzt. Der Grund ist schlicht, dass
damit die Kosten von auch neu zu schaffenden Arbeitsplätzen sich erhöhen und
deswegen die Unternehmen keine schaffen würden.
Also ist das Interesse der Arbeitslosen im Wesentlichen darauf begrenzt, einen
Arbeitsplatz zu erhalten. In dieser ganzen Konstruktion
sehen wir ein weiteres Dilemma. Nicht nur werden die Arbeiter in
Brancheninteressen parzelliert gehalten, sondern auch von den
keinen Arbeitsplatz habenden Arbeitern, die nun Arbeitslose heißen, getrennt.
Diese haben überhaupt keine Vertretung eines
gemeinsamen Interesses.
In Wirklichkeit haben natürlich die Arbeiter als Bürger immer das gemeinsame
Interesse nach einem guten Arbeitsplatz, ob sie gerade
arbeiten oder arbeitslos sind. Die Arbeitslosen wollen genausogute Arbeitsplätze
erhalten wie alle anderen auch. Nur wird durch den
Druck auf sie erreicht, dass sie immer schlechtere in Kauf nehmen (müssen). Das
ist eine Spirale nach unten, da sie hiermit ihrerseits
unfreiwillig Druck auf die anderen Arbeitsplatzbedingungen (z.B.
Billiglohnsektor) nach unten ausüben. Also strukturell geht hier die
Reise mittelfristig nach unten, im Interesse des Kapitals selbstverständlich.
Damit sinken auch wirklich die Kosten der Arbeitsplätze
tendentiell und damit steigt dies bezüglich der Profit. Man sieht ganz klar in
wessen Interesse diese Einteilung der Arbeiter ist.
An dieser Stelle findet auch wieder die Konkurrenz unter den Arbeiter, als
Konkurrenz um den eigenen Arbeitsplatz, also die eigene
bürgerliche Existenz, an die Oberfläche. 'Es geht doch um MEINEN Arbeitsplatz.'
Aber ebenso klar ist, dass die meisten nicht Lohnarbeiten wollen würden, wenn
sie nicht müssten. Sie brauchen keinen Arbeitsplatz,
sondern unter den heutigen Bedingungen einfach das Geld, um ordentlich leben zu
können. Die Kapitalseite weiss das und fordert darum
das Abstandsgebot zwischen Grundversorgung und geringstem Lohn. Das natürlich in
die Richtung, das die Grundversorgung (Sozialhilfe)
abgesekt werden muss und nicht der geringste Einstiegslohn. Nicht Arbeit soll
sich wieder lohnen, sondern Arbeitslosigkeit soll sich nicht
lohnen.
Wie wir also gesehen haben, ist die branchenartige Teilung der Gewerkschaften
nicht nur Ausdruck der wirklich unterschiedlichen Interessen
von z.B. Chemiearbeiter und Bürokraft. Sie zementiert gleichzeitig die Trennung
in den Köpfen und nicht zu vergessen die Trennung
in den realen Arbeitskämpfen. Letzere ist sogar juristisch verbürgt. Sie
fungiert in der Konkurrenz der Arbeiter untereinander.
In anderen Ländern z.B. Frankreich oder Italien sind solidarische
Streiks Normalität. Dort herrscht auch auf Grund der Geschichte aber
insbesondere der anderen Praxis im Streik selbst, ein anderes
Bewußtsein der Zusammengehörigkeit. Wie man am Beispiel Ver.di sieht, schließen
sich Gewerkschaften unter dem stärker werdenden Druck,
wie andere Unternehmen auch zusammen, fusionieren. Hier wird es dann wieder
schwerer, die Aktionen und Interessen so zu teilen, dass dies
den Arbeitern plausibel ist, wenn sie schon in der selben Gewerkschaft sind.
Ebenso kann jeder sehen, dass er sehr schnell selbst
arbeitslos werden kann. Dies führ aber im Allgemeinen zu einer Verschärfung der
Konkurrenz unter den Arbeitern und fast nie zu
einer Solidarisierung.
Wie bei jeder größeren Organisationsform gibt es auch hier ein wichtiges
Eigeninteresse des Apparates.
Das Interesse des Führungsstabes der Gewerkschaft ist ganz klar Führungsstab zu
bleiben und sich somit an
diesem exklulsiven und besserbezahlten Arbeitsplatz zu halten. Sie haben da
keine große Lust auf Veränderungen.
| [Eigeninteresse der Führung] |
Wie die Realität zeigt gibt es große Differenzen zwischen den Forderungen der
sogenannten Basis, also den Arbeitern selbst und
dem, was schließlich in offizieller rechtlicher Form, von den
Verhandlungsführern der Gewerkschaften als Forderungen
der Arbeiter ausgegeben wird. Die Gewerkschaftsführung ist ein nicht zu
vernachlässigender Faktor mit Einfluß und rechtlich
abgesichertem Vertretungsanspruch. Sie haben als Führungsschicht, wie jede
andere Führungsschicht auch, mehr zu verlieren
als diejenigen, die zu vertreten sie vorgeben.
Die Gewerkschaften müssen selbst nach betriebswirtschaftlicher Weise handeln,
haben eine innere Hierarchien und Lohnverhältnisse.
Sie kann man, so gesehen, durchaus als ein Unternehmen betrachten, welches mit
bestimmten Interessen handelt und in einem abgegrenzten
und verrechtlichtem Gebiet operiert. Der Widerspruch wird eklatant, wenn die
Gewerkschaft selbst Leute entlässt.
| [Eigeninteresse der Gewerkschaft] |
Dann gibt es noch das Interesse der Gewerkschaft als solcher, an ihrer
erfolgreichen Weiterexistenz. Das Bewußtsein dieses Interesses
führt dazu, dass die Forderungen der Basis schon einmal gebrochen und gefiltert
werden. Wer will schon einen teuren Arbeitskampf
riskieren, ohne die Aussicht auf Erfolg zu haben. Da könnte eine Menge Prestige
verloren gehen. Außerdem steht für viele in
Lohnabhängigkeit bei der Gewerkschaft selbst die Existenz auf dem Spiel, das
heißt die Existenz ihres Unternehmens, Arbeitgebers.
Aber auch die Geschichte hat z.B. im ersten
Weltkrieg gezeigt, dass den deutschen Gewerkschaften die Gewerkschaftskasse
oftmals näher war, als sich in Konfrontation mit dem Kaiserstaat zu begeben.
Es gibt in der BRD, wie in vielen Ländern ein Verbot sogenannter wilder Streiks,
dass
heißt solcher, die im wesentlichen ohne die Gewerkschaft stattfinden, von den
Arbeitern selbst ausgeht.
Gerade als einzigste Großorganisation kann sie in der Organisierung viel
Gegengewicht einbringen.
Die Gewerkschaft ist somit nicht an der Selbstorganisation nicht nur nicht
interessiert, sondern untergräbt sie systematisch.
Jede Selbstorganisation oder eigene, direktere Formen den Arbeiterinteressen
Ausdruck zu verleihen, stellt nämlich den
Vertretungsanspruch der Gewerkschaft als Gewerkschaft selbst in Frage. Dies
gefährdet ihre komfortable Weiterexistenz.
Alleine schon durch die Form der Organisierung und der verschiedenen
Interessenschichtungen wird klar, dass von der Forderung zum
Streik ein langer Weg durch die Instanzen ist. Jeder Arbeiter sieht sich seinem
Interessenunternehmer Gewerkschaft genauso abstrakt
vereinzelt gegenüber, wie dem eigentlichen Unternehmen, gegen welches ihm die
Gewerkschaft beistehen soll. Die unterste Schicht der
Gewerkschaftsfunktionäre, welche gerade die mit dem härtesten Job sind in der
Hierarchie, müssen dies oftmals ausbaden, wenn die
Kollegen kommen. So gesehen ist die Gewerkschaft auch ein Mittel und Garant der
Stabilität, weiche Forderungen und
kurze Arbeitskampfmaßnahmen.
Was also der Betriebsrat im Kleinen ist die Gewerkschaft im Großen, ein
Ausgleich der Interessen der formal gleichen Vertragspartner
der Arbeitsverträge: Unternehmer und Arbeiter. Sehen wir uns die Argumentationen
der Gewerkschaften an, so findet man Formulierungen
wie 'kostenneutral' oder 'den Produktivitätssteigerungen angemessen'. Was die
Argumenteschmieden hervorbringen ist, dass man
den Unternehmen mit den Argumenten der Wirtschaftswissenschaften und der
Statistik vorrechnet, dass die gestellten Forderungen
nicht weh tun, oder bezüglich bestimmter ökonomischer Parameter "gerecht" oder
"angemessen" wären.
| [Ausgleich der Interessen] |
Da bleibt die eigene Forderung in einem Wust an Berechenbarkeit und Statistik
stecken und man muß sich vielleicht sagen lassen, dass die
eigenen Interessen unrealistisch seien. Gerecht ist also ein bestimmter
mathematischer Faktor bezüglich einer durchschnittlichen
wirtschaftswissenschaftlichen Bezugsgröße. So die Realität. Spätestens hier, an
der Oberfläche der wirklich gestellten Forderungen
und durchgesetzten Prozente sollte einem klar werden, das wohl nicht die
Interessen der Arbeiter alleinig vertreten werden. Dazu weiter.
Große und starke Gewerkschaften sind für das relevante Kapital, also die
Großindustrie, extrem wichtig. Wobei sich die Stärke, die
sie an der Gewerkschaft bevorzugen die gegen über den Arbeitern ist. Die
Gewerkschaft als staatlich reglementierter und alimentierter
Gesprächspartner ist damit ein wichtiger Stabilitätsfaktor. Die wilden Streiks
sind nicht nur verboten, sondern ihnen wird durch die
Gewerkschaft selbst die Spitze genommen, in dem man eine Art Mediation betreibt.
Die Gewerkschaften geben nicht nur vor, sondern
vertreten bei kostenneutralen Forderungen oder dem Aufschwunggefasel die
gesellschaftlichen Gesamtinteressen, wie auch der Staat.
Das vollzieht sich immer in Rücksicht auf die angeblich schwierige Lage der
Unternehmen. Sei es, dass der Aufschwung gerade nicht
gefährdet werden dürfte, oder man gerade in der Krise keine überzogenen
Forderungen stellen dürfe. Da ist viel "Verantwortungsbewußtsein"
für die Lage der Nation gefragt.
Wenn man also weder beim Aufschwung noch in der Krise ohne die Unternehmen zu
gefärden seine
Forderungen stellen darf, dann darf man sie überhaupt nicht stellen. In diesem
Aufweichen und Reduzieren der Forderungen bis zu Unkenntlichkeit statt. Wieder ein Widerspruch der Gewerkschaften, den sie nicht lösen können,
ohne sich wirklich positionieren zu müssen. Man kann nicht die Weltwirtschaftliche Lage und die der Nation im besonderen betrachten und
die Interessen der Arbeiter vertreten wollen, da die Lage der Nation, die der hier erwirtschafteten Profite ist. Dies ist eigentlich
Aufgabe des Staates und nicht der Gewerkschaft. Aber besonders in der BRD finden sich die Gewerkschaften, gerade auch in der Geschichte zu
sehen, darin wieder, als Interessenvermittler zwischen Unternehmern und Arbeitern Staatsfunktionen ausüben zu wollen.
| [Großkapital und Gewerkschaften] |
Je größer das Kapital, um so besser sind Gewerkschaften für sie, da sie relativ einfach die moderaten Lohnforderungen bedienen können
und auch sonst ein anderes Interessengewicht bei Verhandlungen haben als ein Mittelständler.
Sie profitieren von Flächentarifverträgen, die die Gleichheit der Verhältnisse oder gerade die Ungleichheit (z.B. Ost/West) zementiert.
Tarifverträge werden auf mehrer Jahre geschlossen und garantieren so lange Planungssicherheit. Einmal solch einen Vertrag geschlossen
kann man schlecht nächsten Monat mehr Lohn fordern. Hier greifen wieder gewisse gesetzliche Stillhaltefristen u.ä.
Man sollte in diesem Zusammenhang auch das bundesdeutsche Tarifrecht ansehen, welches geradezu eine Knebelung der Aktionsformen und
Forderungen der Gewerkschaften ist, im Sinne der Stabilität, also letztendlich der Profite. Die Tarifverhandlungen müssen(!) zum Beispiel
mit einem Ergebnis enden. Im Zweifelsfalle wird ein staatlicher(!) Vermittler eingeschaltet. Das, da der Staat dem Bürger als neutrale
Vermittlungsinstanz gilt und nicht Vertreter des nationalen Kapitalgesamtinteresses.
Noch einmal zu bemerken, sind die Betrachtungen bezogen auf Mitteleuropa und insbesondere BRD.
Bei einer weltweite Betrachtung, zB China, würde dies total andere Ergebnisse hervorbringen. Dort gibt es die halbstaatlichen Gewerkschaften,
welche die der Unternehmer genannt werden und die der Arbeiter, Untergrundorganisationen mit ihren eigenen Publikationen und Strukturen.
Also allgemein betrachtet finden wir hier nicht nur eine Interessenvertretung der Arbeiter, sondern eine Gemengelage verschiedenster
Teilinteressen. Vom Resultat her aber ist zu sehen, dass die Interessengegensätze in rechtliche und formale Verlaufsformen gegossen sind.
Wie die bürgerlichen
Globalisiserungsgegner eine Verrechtlichung auf internationaler Ebene verlangen, so haben wir eine Verrechtlichung kontradiktorischer
Interessen: Arbeiter und Unternehmer.
Die Gewerkschaft als rechtlich alimentierte Vertreterin der Interessen ihrer Arbeiter ist Teil dieses Systems.
Wie der einzelne Arbeiter
als Bürger Teil des bürgerlichen Systems ist, so bewegt sich die Gewerkschaft auch streng innerhalb der rechtlichen Grenzen.
Sie ist ein wichtiges und unverzichtbares Instrument zur Sicherung
des sozialen Friedens. Das ist ihre Existenz und ihre Aufgabe, diese muß sie sichern.
| [Verrechtlichung und Sphärentrennung] |
Was z.B. gerade in Italien lief, der Protest der Gewerkschaften gegen ein sie nicht selbst betreffendes Gesetz, was dem Präsidenten der
Republik eine bestimmte erweiterte Immunität bzg. juristischer Strafverfolgung sichert, ist hier in der BRD nicht denkbar. Weder darf sich
eine Partei im Unternehmen betätigen, noch darf sich eine Gewerkschaft politische betätigen. Das letzteres auch in diesem Land doch passiert,
ist nur Ausdruck dafür, dass sich Ökonomie und Politik überhaupt nicht trennen lassen. Diese Trennung aber ist im bürgerlichen Bewußtsein
angelegt. Der Staat, als das Politische, hat die Interessen aller, des Allgemeinen, zu vertreten und neutral zu sein. Das Ökonomische, als die Unternehmen,
findet im Politischen nur seine Rahmenbedingungen. Das Ökonomische ist das Private, da hat der Staat nich reinzureden. Das ist nicht nur
die Ansicht neoliberaler Ökonomen, sondern reicht über den liberalen Flügel bis weit in die Arbeiterschaft hinein.
So ist Generalstreik auch klar ein politisches Instrument, reicht er doch in die Sphäre des Allgemeinen hinein und beeiträchtigt das Gemeinewohl, die Nation.
Er macht, als Praxis, darauf aufmerksam, dass es gemeinsame Interessen und viel Verbindendes unter den Arbeitern gibt.
Diese Streikform macht nur Sinn, wenn ein Mindestmaß an Verständigung gegeben ist und solidarischem Verhalten, also das praktische Bewußtsein
gemeinsamer Interessen. Das kann vom Staate und den Unternehmen nicht gewünscht sein, ist doch sonnenklar. Darum ist er hierzulande,
auch wegen den Erfahrungen im 1.Weltkrieg, verboten. Nun ist auf keinen Fall gesagt, das Generaltstreik alleine schon die Verhältnisse
verändern würde, Italien sähe sonst schon anders aus, aber er wäre ein Anfang. Es hängt auch direkt von seiner Länge ab, was in ihm als
Bewußtseinsprozeß in den Köpfen der Arbeiter passieren wird.
1.4. Gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang
Wir haben also gesehen, das die Gewerkschaften als allgemeine Institution der gesellschaftlichen Stabilität die Interessen
sowohl von Unternehmen, Arbeitern und Staat vertreten. Dies natürlich in unterschiedlichem Maße und abhängig von den
jeweiligen Bedingungen und Kräfteverhältnissen. Was gleich bleibt ist aber, das hier bürgerliche Interessen aller Seiten
geschützt und vertreten sind.
Wie der Staat im Allgemeinen, sichert die Gewerkschaft bezüglich der Interessengegensätze Arbeiter und Unternehmer die Stabilität im Besonderen.
So werden aber nicht nur die Bürgerrechte, wie das persönliche Eigentum der Arbeiter, erhalten, sondern das private Eigentum überhaupt.
Mit diesem wird ebenso das Privateigentum an Produktionsmitteln gesichert.
Sofern sich also die Tätigkeit der Gewerkschaft auf oben skizzierten Möglichkeitsraum beschränkt, ist sie somit
Vertreterin der bürgerlichen Interessen des Arbeiters, also seiner Interessen als Bürger des Staates.
Hier steckt ein wichtiger Ansatz zum Verstehen. An dieser Stelle decken sich die Interessen des Bürgers mit dem Staat,
Rechtssicherheit, Ruhe, Ordnung und privates Eigentum. Das ist das Bett des Prokrustes ,
wo sich unser Arbeiter nun gebettet hat.
Es ist also sehr wichtig etwas hier festzuhalten, insbesondere gegen die traditionslinken Vertreter des heren Arbeiterbildes.
Als Bürger hat der Arbeiter die gleichen Interessen wie der Staat. Es gibt keine 'wirklichen' oder 'wahren'
Interessen der Arbeiter,
sondern nur die, die sie halt haben. Es sind Menschen in der Realität, die diese als menschliche Realität produzieren, und sei sie auch unmenschlich.
Der sozialer Frieden garantiert den geregelten Ablauf, mit mehr oder minder asymmetrischen, aber doch Vorteilen für alle.
Als Arbeiter hat der Mensch an sich aber durchaus widersprechende Interessen. Auf der einen Seite will er sein bisschen Hab und Gut nicht verlieren.
Er möchte einen wie auch immer gerecht gerechneten Lohn haben, um dies zu erhalten. Dafür schimpft man ihn schon einmal als Besitzstandswarer
und unsolidarisch mit denen, die keine Arbeit haben. Diese Beschimpfungen gelten zwar offiziell der Gewerkschaft, treffen aber den Arbeiter,
deren Interessen sie vertritt. Kommt "seine" Firma in Schwierigkeiten, so verzichtet er schon mal gerne auf Lohn und hofft, das dies helfen
wird. Seine Sinnen und Trachten ist auf den Erhalt seines Arbeitsplatzes gerichtet, damit auf den Erhalt seines Einkommens, damit auf
seine Existenz als Bürger. Das wird jeder verstehen. Aber eigentlich widerspricht er seinen eigenen Interessen, da er selbst und
"freiwillig" seinen Lohn senkt. Aber die Angst der Menschen, ihre Unsicherheit ist ein wirkmächtiger sozialer Faktor.
Auf der anderen Seite sieht er auch Fernsehen und weiss um die enormen Profitsteigerungen.
Die Inflation und die schleichend steigenden Preise fressen den Lohn auf über kurz oder lang.
Es ist ganz klar, wenn er sein bisheriges Niveau zumindest halten will, dann muß er mehr Lohn verlangen.
Im schlimmsten Falle wird er arbeitslos und nach einer Schonfrist schließlich als Sozialhilfeempfänger Freiwild für jeden noch so schlechtbezahlten Job.
Selbst dann noch erhält er sich ein Mindestmaß an Würde und Einkommen als Bürger.
Er sieht die gigantischen Profite, den Reichtum, die überquellende Masse an
Waren um sich herum. Er weiss, welche grosse Rolle der Vertrieb in seiner Firma spielt, wie in allen Unternehmen, die versuchen ihre Waren loszuwerden.
Aber er wird sich tendentiell immer weniger davon legal aneignen können, obwohl er schon jetzt verzichtet und mehr arbeitet.
Dies endlich ist die Sollbruchstelle zwischen Arbeiter und Bürger. Hier bekommt die ganze durch Werbung und Ideologie aufgeladene
Scheinwelt ihre ersten ernsten Kratzer.
| [Umschlag] |
Die Bedingungen, auf die er als Bürger eingeschworen ist, die er als seine eigene verteidigt. Diese Bedingungen drücken ihn selbst immer tiefer
und werfen in tendentiell aus seiner Bürgerrolle heraus. Diese Bürgerrolle spielt er auf einer immer kürzer werdenden Klaviatur, wenn sein
Budget schmilzt. Genau dass, an was er sich klammert und aus dem er sein Selbstbewußtsein zieht, sein kleines bisschen Privateigentum.
Genau jenes ist es, was ihn als gesellschaftliche Macht, als Kapital knechtet. Aber das zu sehen, ist ein langer schmerzhafter Prozeß,
indem man sich selbst in Frage stellen muß, seine Scheinbürgerlichkeit. Das Geheimnis der Ideologie ist, dass jeder formal ein reicher
Mann sein könnte, aber real es nie werden kann. Das Perfide daran ist, dass wir alle das wissen und trotzdem die Hoffnung nicht verlieren
zumindest das, was wir haben, zu retten.
Aber weiter. Wir spüren, in einer Zeit der Rezession im globalen industriellen Zyklus wird der Kampf härter um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Eigentlich hat der Bürger der Arbeiter ist sowieso schon verloren. Aber die Menschen klammern sich an die noch so kleine Hoffnung, dass es sie
nicht trifft, bzw. dass es nicht so schlimm werden wird, in Konkurrenz zu allen anderen. Die ökonomische Realität, die auch bald in den Zentren der Produktion wie hier in der
BRD wieder eine soziale Realität wird, ist folgendes. Das nun mal der Arbeiter zwar ein formal gleicher Vertragspartner zum Unternehmer ist, aber real
in einer sozial und ökonomisch absolut unterlegenen Position befindet. Diese grundsätzliche Asymmetrie ist Ausdruck des grundsätzlichen
Widerspruchs der unterliegenden Produktionsweise der jeden Tag auf Neue reproduziert wird.
Und dies drückt sich entsprechend in seiner Lohntüte und der Gewerkschaft aus.
1.5. Das Verhältnis Gewerkschaft zum Arbeitskampf
Wir haben es also mit einer notwendige Schieflage der Beziehung der Gewerkschaften zu den Arbeitern zu tun.
Dem einzelnen Arbeiter steht dieser komplizierte Apparat gegenüber, der rechtkräftig seine Interessen vertritt. Das ist das eine.
Das andere ist auch das Kräfteverhältnis, was auf die Gewerkschaften wirkt und sie
unabweisbar in die Defensive drängt. Kommen wir nun dazu, die Funktionen der Gewerkschaft hierauf zu durchleuchten.
Die Rolle der Gewerkschaft ist jetzt eine konservativ erhaltende. Sie schützt den sozialen Frieden und erhält damit natürlich auch die
allgemeinen Bedingungen für die Kapitalproduktion. Dabei wird aber immanent der Arbeiter als Arbeiter erhalten! Er wird weiter
jeden Morgen zur Arbeit gehen müssen, wie seine Kinder es in Zukunft tun müssen. Sie sind schon seit ihrer Geburt potentiell kleine Arbeiter.
Gleichzeitig erhält sie sich als die Organisation des institutionalisierten Lohnarbeiterinteresses.
| [konservativ] |
Die Realbewegung heute zeigt aber, dass sich die Lage der Gewerkschaft selbst weiter verschärft.
Die Rolle und Einfluß der Gewerkschaften nehmen tendentiell ab.
Dies sieht man am fallenden Organisierungsgrad der Arbeiter und andererseits am schwindenden Einfluß auf die klassischen Verbündeteten
in der Politk.
Die Gewerkschaften mit ihrem schwerfälligen und etablierten Apparat, der auch noch sein Eigeninteresse wahrt, sind grundsätzlich nicht
aktionsfreudig. Sie hindern die Arbeiter eher daran, spontan ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Diese
gegen Aktion bis Gegenaktion reichende Qualität hat man früher mal reaktionär genannt.
Dies wird am Verhältnis der Gewerkschaft zum Streik als zwiespältiges deutlich. Streik ist nun eines der wenigen starken Mittel, welche die
Gewerkschaft überhaupt besitzt, neben z.B. Demonstrationen oder anderem. Es ist also notwendig und von der Basis auch gefordert, dieses
Mittel einzusetzen. Aber die Gewerkschaft muß als alimentierter Verhandlungspartner mit Rechtsfähigkeiten seine
eigene Verläßlichkeit unter Beweis stellen. Das gegenüber den Arbeitern, damit sie sehen, dass sich für sie mal etwas bewegt. Aber auch
gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft, z.B. in Form des Staates, dass ein vermittelnder und moderater Abschluß gefunden wird,
der die Verwertungsbedingungen des Kapitals nicht stört.
Die ist der unentrinnbare Widerspruch der Gewerkschaft in der bürgerlichen Gesellschaft, der mit Interessenvermittlung nur unzureichend
beschrieben ist.
Sie sind auch in der widersprüchlichen Position mit einem Streik die eigene Macht zu demonstrieren, gegenüber den Unternehmern und den
eigenen Arbeitern und doch im Rahmen der Spielregeln bleiben zu müssen. Außerdem ist dem Streik immer die Gefahr der Unruhe virulent, die die
Gewerkschaft unter allen Umständen und mit allen Mitteln unterbinden muß. Das sieht man sehr schön in der Geschichte. Aber auch heute sind
die sogenannten 'Operettenstreiks' 'ohne Fernwirkung' schlagkräftiger Beweis aus der gesellschaftlichen Realität.
Die Arbeiter werden hierbei als Tarriermasse benutzt und dürfen mal ein Werkstor blockieren, während die Gewerkschaftsspitze laut eigenen
Aussagen die Automobilhersteller schon 2 Wochen vorher gewarnt hat, damit diese sich Lagerbestände für den weiteren reibungslosen Fortgang
ihrer Produktion anlegen können.
Die Arbeiter hingegen benutzen die Gewerkschaft als Dienstleister nicht mehr die Löhne zu erhalten, sondern nun schon die Arbeitsplätze
einfach zu sichern. Koste es was es wolle, die Arbeiter werden es zahlen, wenn sie moch können.
2. Ausblick
2.1. Das Fanal
Wie um die allgemeinen Aussagen konkret zu belegen ist das passiert, was schon lange erwartet wurde.
Unter dem Druck der von Medienberichten flankierten konzertierten Aktion von Politik und Industrieverbänden
hat die IG-Metall die Segel gestrichen. Besonders betrüblich ist dies, da diese zweitgrößte Einzelgewerkschaft
der BRD als eine der kämpferischsten galt. Also nicht mehr nur ein Operettenstreik für eine Zahl 'vor dem Komma',
sondern die Aufgabe des Arbeitskampfes selbst.
Angetreten, die sozialen Kahlschläge zu mildern und den Verfall des Sozialstaatsskelettes abzubremsen, war die
konkrete Forderung die 35h-Woche nach über 10 Jahren auch endlich im Osten. Von Lohnangleichung war schon gar nicht
die Rede. Nun aber das katastrophale Desaster, nach rund 50 Jahren einen Arbeitskampf um auch noch so rudimentäre
Forderungen aufzugeben.
Die Metaller, die sich zum Kampf gestellt haben, werden es ihren Bossen in Betrieb und Gewerkschaft zu danken wissen.
Vielleicht dämmert nun dem einen oder anderen, das die bestehenden Gewerkschaften hierzulande nicht das richtige
Mittel sind, um ihre legitimen und bürgerlichen Interessen durchzusetzen. Sie sind enttäuscht worden, generationenweise
spätestens seit dem 1.Weltkrieg und das zu recht. Dies ist der Beginn des Verfalls der institutionalisierten
Interessen und kommt zur rechten Zeit. Die Gewerkschaft schafft sich selber ab, so sie in dieser Zeit versucht sich
zu erhalten. Sie offenbart ihren augenblicklichen wirklichen Charakter, für die Arbeiter keine Wirkung mehr zu haben.
Diese Widersprüche können den Arbeitern immer schwerer vermittelt werden.
Soll er immer für Gemeinwohl, Aufschwung und Stabilität draufzahlen. Schlechte Zähne für die bessere Weltwirtschaftslage?
2.2. Rahmenbedingungen gewerkschaftlichen Handelns
Wie wir aufgezeigt haben, sind die Möglichkeiten der Wirkungsweise der Gewerkschaft immer eingeschränkter, je knapper die Resourcen
werden, die die Gesellschaft an die Lohnabhängigen zu verteilen hat. In Zeiten der Niedergangsphase des industriellen Krisenzyklus
ist auch der Hebel über die Politik, hierzulande mit Namen SPD immer kürzer und macht eher seinerseits Druck, dass die Gewerkschaften
von Arbeits- und Lohnkämpfen absehen sollen. Was sie ja offensichtlich auch tun. Die Rahmenbedingungen der Politik für die
Arbeiter schmilzt mit sinkenden Profitmassen selbst dahin. Der Staat besitzt eben nur den Gestaltungsspielraum,
der durch Weltmarkt und Profitrate gegeben ist. Ganz im Gegenteil muß der Staat die gesetzlichen sozialen und ökonomischen Sicherheiten für
die Lohnarbeiter abbauen, da diese ein Hindernis für das Halten der Profitraten ist.
Die Rahmenbedingungen des Handelns der Gewerkschaft ist nun mal der bürgerliche Staat und damit direkt die Verwertungsbedingungen des Kapitals.
Der Verteilungskampf scheint notwendiger und gleichzeitig unmöglicher! Dies ist ein eklatanter Selbstwiderspruch.
Er ist schon so absurd, wie der Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Reichtum und sinkenden Löhnen, trotz der gewaltigen Profitmassen.
Wir sehen heute den ganz normalen Generalangriff auf das soziale System, welches die Profitrate noch zusätzlich nach unten zieht.
Was kann hier also die Gewerkschaft tun ?
Es ist klar, das alles wird so weiterlaufen, wie bisher. Die Gewerkschaft kann nur bremsen nicht anhalten oder umkehren, denn dafür ist sie
gemacht. Im Gegenteil, sie wird den schwachen und seinerseits unorganisierten Widerstand in ihre organisatorischen Strukturen lenken und
kanalisieren.
Damit gerät die Gewerkschaft aber in Widerspruch zu ihrer eigenen Klientel, als auch zu ihrer Funktion, sie hat schlicht keinen Spielraum mehr!
Wie gesagt, Arbeitskampf wird nötiger, aber unter den schmelzenden Bedingungen unmöglicher. Man kann nicht die Forderungen der Arbeiter
gegen die Unternehmen vertreten und gleichzeitig Kostenneutralität wahren, Streiks veranstalten und den sozialen Frieden nicht stören.
Sie hat es auch in "guten" Zeiten vernachlässigt, z.B. die gesetzlichen Arbeitszeiten von 56h pro Woche zu verändern.
Die 35h Woche ist nur Tarifvertrag, kein Gesetz! Hier hätte selbst in ihrer Beschränkung angesetzt werden müssen.
Das die Arbeitslosen auf Grund der Borniertheit der Gewerkschaften nicht vernünftig eingebunden wurden, wird sich noch
als schwerer Fehler erweisen. Selbst 1918, waren die Arbeitslosenkomitees stärker organisiert als in den heute so
wohl ausgerüsteten Gewerkschaftsapparaten.
2.3. Bürgerbewußtsein muß finanzierbar bleiben
Der Arbeiter kann nur ein Bürger sein, wenn er die entsprechende Möglichkeiten der Anteilnahme des gesellschaftlichen Reichtums hat.
Das wäre der Zusammenhang und der Grund jeder Sozialpolitik, zumindest den Schein dieser Möglichkeit aufrecht zu erhalten, auch wenn er
ständig mit der Realität kollidiert. Hart formuliert ist die Bürgerlichkeit auf der rein ökonomischen Ebene also einen angemessenen Wahrenkorb.
Mit genügend in der Tasche folgt der ganze Sozialklimbim wie Haus, Auto, Kleidung und das sozial Prestige als Bürgerschablone.
Die politische Ebene der Bürgerlichkeit, das bürgerliche Gesetz, Rechtsnormen, Staat, Gewaltenteilung sind in den Industriestaaten schon Realität.
Das verrückte an der Geschichte ist nun, die bürgerliche Gesellschaft gegenüber der Willkürherrschaft im feudalistischen Ständestaat diesem
gegenüber ein Fortschritt darstellt. Heute aber schlägt dies auf der Höhe der Entwicklung um und ist, wo dies vollständig entwickelt ist ein Hemmnis,
reaktionär.
Einerseits wird das Bewußtsein des Arbeiters als Bürger gebraucht, um die Gesellschaftsordnung stabil zu halten, andererseits unterminiert die
Produktion ständig diesen "Bürger" mit bei fallenden Löhnen und Rückbau der sozialen Sicherheiten.
Warum kann der Schein einer bürgerlichen Existenz des Arbeiters entstehen? Bei globaler Betrachtung des Proletariats sind die besseren, also besserbezahlten
und damit höherqualifizierten Arbeiter in den sogenannten Industriestaaten konzentriert.
Hier wird großes BIP erwirtschaftet, so ist auch mit gesunkenem Anteil noch mehr Brohsamen an die Arbeiterschaft zu verteilen
als z.B. in Kenia. Also dieser zwar geringe Anteil aber an relativ hohem BIP ermöglicht erst das bürgerliche Sein (Häuschen, Auto, Hund)
und damit das bürgerlicher Bewußtsein der Arbeiter, sein Selbstbewußtsein.
Aber damit ist's aber jetzt so langsam Essig, zumindest die Rezessionsphase des aktuellen Krisenzyklus anhält, um es ganz vorsichtig zu formulieren.
2.4. Gleichheit als Verlierer
So verschieden ihre Lebenssituation auch ist, sie sind alle gleich.
Sie sind gleich als Verlierer ihres Lohnes, ihrer Renten, ihrer Gesundheitsversorgung und die der zukünftigen Arbeiter, ihrer Kinder.
Nun, die momentane Entwicklung deutet auf die Zuspitzung dieser Widersprüche hin. Die Frage ist, ist dies ist auf lange Sicht den Arbeitern vermittelbar.
Ist vermittelbar, dass sie sich einschränken müssen, stillhalten, die Verluste hinnehmen müssen obwohl kein Ende des Tales der Tränen in Sicht kommt.
- Werden sie sich dessen bewußt werden, oder
- wer wird Ziel ihrer Frustration und ihrer Angst?
Der Spagat der Gewerkschaft zwischen den unterschiedlichen Interessen wird schon jetzt schwieriger. Die Journallie schreit und die Kollegen sind sauer.
Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit dringt über das Portemanaie zurück in die Köpfe der Menschen, der Lohnabhängigen.
Das zu Verteilende unter gegebener Profitrate in Zeiten einer Weltrezession wird selbst in arbeitsproduktivitätshohen Volkswirtschaften wie der BRD weniger.
Das jetzt Ifo-Intitut soviel Milliarden Euro bringt das Abschaffen von Feiertagen
- das ist so dermaßen lächerlich, was die wohlbezahlten "Wissenschaftler" da der Politik als Argumentationsgrundlage geben
- wenn es nicht notwendig wäre im Industriezeitalter lesen zu können, würde es glatt verboten werden müssen
BIP oder Bruttoinlandsprodukt ist Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen + Abschreibungen, ist also
wesentlich die Preissumme aller im Land produzierten Waren.
Richard Müller : "Vom Kaiserreich zur Republik, 1925, Band I" kann man eine Menge geschichtlicher
Fakten bezüglich dem reaktionären Verhalten der Gewerkschaften nachlesen:
"
Von SPD und Gewerkschaftsapparat im Stich gelassen, setzen die proletarischen Massen zwangsläufig auf selbstständige Organisierung.
"
Unhold der griechischen Sage, der Wanderer gestreckt hat, oder ihm die Beine abschlug,
damit der Besucher in sein Bett paßte. Er wurde vom Helden Theseus getötet. So wird der Arbeiter in die Verhältnisse
gezwungen und gedrückt oder gedehnt, bis er in die Maschinerie passt.
Ute Osterkamp 'Hat der Marxismus die Natur des Menschen verkannt oder: Sind die Menschen für den Sozialismus nicht geschaffen?' aus: Schriftenreihe der Marx-Engels-Stiftung 20
www.telekolleg.de im Kurs Volkswirtschaftslehre bekommt man sehr einfach die Sicht der offziellen politischen Ökonomie
geboten und kann sie in all ihrer Schlichtheit bewundern.
- Zum Thema Gewerkschaften von Seiten linker Gewerkschaftler 'www.labournet.de'.
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last update : Fri Mar 04 16:49:50 CET 2005 Peter Heilbronn
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