Welche Perspektive hat die Anti-Globalisierungsbewegung?
Die Anti-Globalisierungsbewegung ist spätestens seit den Protesten von Genua im Juli 2001 in aller Munde. Es ist angesagt gegen die "Globalisierung" zu sein. Viele linke Gruppen haben mit dieser Bewegung ein neues Aufgabenfeld gefunden und wittern Morgenluft. Diese Bewegung, die ganz und gar nicht einheitlich ist, hat ihre Helden, den Clown José Bové und den maskierten Subcommandante Marcos; in Frankreich ihre Presse in Form der Le Monde diplomatique; ihre heiligen Plätze wie Porto Alegre und San José in Chiapas; ihren Ökonomen, Tobin; ihren berühmten Grossvater, J. M. Keynes; ihre "glorreichen" militärischen Schlachten von Seattle, Nizza, Davos und Genua; ihre neue Sprache, "Neoliberalismus", "Sozialforum" und "Zivilgesellschaft"; ihre grossen Satane, die WTO, die Weltbank und den IWF.Die Anti-Globalisierungsbewegung wird von verschiedenen Gruppen getragen, von denen ATTAC die bekannteste ist. Daneben sind an ihr mit Christen, Sozialdemokraten über Gewerkschafter bis hin zu Anarchisten, Autonomen und anderen linken Gruppen unterschiedlichste Kräfte beteiligt. Diese Bewegung stellt auf der einen Seite ein Rückzugsgefecht der staatskapitalistischen Linken dar, auf der anderen Seite ist es für viele Jugendliche der Beginn einer Kritik am Kapitalismus. Wir begrüssen diese Kritik, kritisieren aber ihre fehlende Analyse der kapitalistischen Gesellschaft, die Form der Bewegung sowie ihre fehlende Perspektive.
Es heisst, die "Globalisierung" mit ihren Finanzmärkten und Riesenkonzernen unterwandere "die Entscheide der Völker, der demokratischen Institutionen und der souveränen Staaten" (Gründungsplattform von ATTAC), als wenn es jemals so gewesen wäre, dass die Menschen Einfluss auf ihre Leben gehabt hätten und nicht die Konzerne und Politiker. Insofern kann man nicht wieder herstellen, was nie existierte, es sei denn die zerstörte Illusion davon.
Die Bewegung möchte die "Globalisierung" "gerechter" gestalten, "supranationale Institutionen" wie die WTO "demokratisieren" und "reformieren", "multinationale Konzerne" "zähmen" und "kontrollieren". Statt des "Freihandels" wird ein "fairer Handel" favorisiert. Das sind nur einige der Vorstellungen und Zielsetzungen. Grundsätzlich geht es darum, den "Sozialstaat" zu verteidigen und mittels von Gesetzen, Steuern und durch Kontrolle des Staates den "entfesselten" Kapitalismus zu "bändigen", d.h. ihn zu regulieren und zu steuern. Die Gesellschaft solle von der Politik gestaltet werden und nicht von den Gesetzen des Marktes.
Es entsteht auch der Eindruck, dass der Kapitalismus vor dem "Ausufern" der Macht der Finanzmärkte eine harmonische Gesellschaft gewesen sein muss, in der es keine Probleme gab. Ein Teil des Kapitals, das Finanzkapital, wird dämonisiert und vom anderen Kapital getrennt. Eine solche Theorie erinnert auch sehr an die Theorie vom "raffenden" und "schaffenden" Kapital der Nazis, zumal z.B. die ATTAC-Theoretikerin Susan Georges bereits eine Art Verschwörungstheorie in ihrem Buch "Lugano-Report" entworfen hat.
Die Ideologie und das Programm der Bewegung ist ein staatsfixiertes, eines das einen Kapitalismus mit "menschlichem Antlitz" anstrebt. Ein "demokratischer", "friedlicher", gerechter" oder "sozialer" Kapitalismus aber ist ein Unding. Die Kritik an der "Globalisierung" stellt dem "schlechten" globalen Kapitalismus den "guten" "lokalen Kapitalismus" entgegen (beide sind allerdings nur verschiedene Erscheinungen des Kapitals). Es ist sogar von der "Verantwortungslosigkeit des Kapitalismus" die Rede, dabei beruht alles Wirtschaften im Kapitalismus gerade auf der Expansion und der Vergrösserung des Profites. Es ist der Kampf aller gegen alle. Die kleinen Kapitalisten wollen zu den grossen gehören, die grossen wollen noch grösser werden, etc. In diesem Wettbewerb gibt es Verlierer, weshalb Armut (die von Staaten, Konzernen oder Klassen) auch notwendig zum Kapitalismus gehört. Somit ist die Ideologie, welche eine "andere Globalisierung" fordert, nicht antikapitalistisch, sondern stellt eine Verteidigung des nationalen oder eines "idealen" Kapitalismus dar (z.B. Protektionismus).
Diese Bewegung hat vier mögliche Perspektiven: Ein Teil wird resignieren, weil sich durch die Demos nichts grossartig ändern wird. Ein Teil wird zunehmend mit staatlichen Institutionen oder Konzernen zusammenarbeiten und ihre Positionen wie die Tobin-Steuer werden wie in Frankreich zunehmend von der etablierten Politik aufgenommen werden. Dieser Teil wird eine "alternative" Krisenpolitik betreiben und eventuell als "alternative" Politiker wie die Grünen enden und ihre Rolle bei der Modernisierung spielen. Ein Beginn zu dieser Entwicklung stellen die NGOs dar, welche bei zwischenstaatlichen Konferenzen und Gipfeln mitreden dürfen. Selbst Frankreichs Aussenminister Vedrine sprach sich für eine "humane und kontrollierte Globalisierung" aus, was auch die Bedeutung dieser Ideologie bei der Formierung der unterschiedlichen Wirtschaftsblöcke sowie in Bezug auf die ideologische Unterfütterung antiamerikanischer Einstellungen verdeutlicht. Ein Teil wird aus der Frustration heraus eventuell zu Methoden des individuellen Terrors greifen. Ein Teil wird die Perspektivlosigkeit dieser künstlich organisierten Bewegung erkennen und zu einer generellen Kritik des Systems übergehen, sich an sozialen Kämpfen in den Betrieben orientieren und nach einer revolutionären Perspektive suchen, welche allein - jenseits von Resignation und Opportunismus - eine wirkliche Perspektive aufzuzeigen fähig sein wird.
Unabhängige Rätekommunisten
Ausführlicher werden wir uns mit der Anti-Globalisierungsbewegung und unserer Kritik an ihr in einer demnächst erscheinenden Broschüre beschäftigen.
Kontaktadressen: Revolution Times, Postlagernd, 23501 Lübeck und Soziale Befreiung, Postlagernd, 36433 Bad Salzungen
Homepages: www.geocities.com/raetekommunismus/
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