KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 2 - 21.01.1999 - Onlineversion
Wider den erschlichenen > Kommunismus <Erste spontane Vorüberlegungen zu einer Entgegnung
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"Die Kohärenz
dieser Gesellschaft kann nicht verstanden werden ohne eine totale Kritik,
die durch das umgekehrte Projekt der befreiten Kreativität, der Herrschaft
aller Menschen über ihre eigene Geschichte auf sämtlichen Ebenen
erhellt wird. Dies ist die
in Taten umgesetzte Forderung
aller proletarischen Revolutionen, eine Forderung, die bisher stets besiegt
wurde von den Spezialisten der Macht, die die Revolutionen übernehmen
und sie zu ihrem Privatbesitz machen. Wenn man heute dieses Projekt und
diese Kritik, die untrennbar sind (da jeder Begriff
den anderen erhellt), wiederaufnimmt ( ... ) ist es zuerst notwendig, die
Niederlage des gesamten revolutionären Projekts im ersten Drittel
unseres Jahrhunderts in ihrem ganzen Ausmaß und ohne irgendeine tröstende
Illusion zu erkennen sowie ebenso seine offizielle Ersetzung in jeder Region
der Welt wie auch in allen Bereichen durch einen verlogenen Schund, der
die alte Ordnung nur verdeckt und ausstattet. Die Herrschaft des bürokratischen
Staatskapitalismus über die Arbeiter ist das Gegenteil vom Sozialismus:
dieser Wahrheit hat der Trotzkismus nie ins Gesicht blicken wollen. Sozialismus
gibt es nur dort, wo die Arbeiter selbst unmittelbar die gesamte Gesellschaft
verwalten; es gibt ihn weder in Russland noch in China noch anderswo. Die
russische und die chinesische Revolution wurden von innen besiegt. (...)
Die kommenden Revolutionen stehen vor der schweren Aufgabe, sich selbst
zu verstehen. Sie müssen ihre eigene Sprache völlig
neu erfinden und sich gegen alle Rekuperationsversuche verteidigen, die
man für sie vorbereitet... Für die neue revolutionäre Strömung
geht es darum, überall, wo sie auftaucht, damit zu beginnen, die gegenwärtigen
Experimente des Protests und die Menschen, die sie tragen, miteinander
in Verbindung zu setzen. Es wird darum gehen, die kohärente
Basis ihres Projekts gleichzeitig mit diesen Gruppen zu vereinigen.
Die ersten Gesten der einsetzenden revolutionären Epoche konzentrieren
in sich einen neuen - offenen oder verborgenen - Inhalt der Kritik an den
gegenwärtigen Gesellschaften sowie neue Kampfformen; wie Gespenster
erscheinen in ihnen auch die unreduzierbaren Augenblicke der gesamten alten,
uneingelöst gebliebenen revolutionären Geschichte wieder."
To begin with: die Jahrhundertwende-Lüge. Bei dem von den wissenschaftlichen Communist/inn/en leider kaum angemessen diskutierten "Schwarzbuch des Kommunismus" ist die ins Gesicht springende Lüge an dieser Materialsammlung nur der Titel sowie das ihm entsprechende ideologische Drumherum (Vorwort etc.). Wahrheitsgemäß müsste der Titel lauten: Die "kommunistischen" Parteien an der Arbeit. Als kompakten Anfang zu einer Bestandsaufnahme hätten wir Communist/inne/n diese Materialsammlung und Streitschrift allererst zu begrüßen statt apologetisch abzuwehren. Und als Schwarzbuch würde es dann überhaupt erst von uns als wissenschaftlichen Communist/inn/en fortzuschreiben sein. Erst damit könnte der unzureichende und verlogene, z.T. offen antikommunistisch (und vom Herausgeber zugleich antisemitisch) motivierte bürgerliche Vorstoß zu einer wissenschaftlichen Bilanz der Revolutionsversuche im 20. Jh. in die längst fällige kollektive radikale Selbstkritik der Communist/inn/en gewendet werden, d.h. in eine Selbstkritik des wissenschaftlichen Communismus an seiner eigenen utopisch-kommunistischen Vorgeschichte bis heute, seinen theoretischen und praktischen Illusionen, Verstellungen und Verirrungen, mit einem Wort: an seiner bisherigen Unreife. Diese Unreife aber wahrzunehmen und zu kritisieren heisst, die kapitalistischen Verhältnisse als Wurzel der Barbarei noch schärfer erfassen, noch radikaler kritisieren, in der noch die meisten proletarischen Versuche zu ihrer Überwindung bisher selber hängenblieben; die Notwendigkeit und realen Möglichkeiten, verpassten revolutionären Chancen, aufzuweisen für den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung, gerade weil sie die subjektive, psychische, mentale, kulturelle Unreife der Menschen im selben Maße gegen die Befähigung zum Communismus ausbrütet, wie sie die sachlichen und ebenfalls mentalen Produktivkräfte offensichtlich schon längst fertig ausgebrütet hat und täglich perfektioniert, welche unsere Befähigung zu communistischer Produktion und Verteilung schon längst als "die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt", manifest und überreif hat werden lassen. Die Unzulänglichkeiten, Halbheiten und Unreife der proletarischen Revolutionsversuche grausam-gründlich selbst kritisieren hiesse angesichts ihrer "KP"-Gestalten im zurückliegenden Jahrhundert vor allem, den geschlossenen bürgerlichen Verblendungszusammenhang zu kritisieren, wie er den Fetischformen der kapitalistischen Produktionsweise entspringt; das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation in seiner vollen Auswirkung auf "die destruktive Partei" (MEW 2, S.37), auf den/die Proletarier/in, auf dieses Negative der bürgerlichen Gesellschaft, krasser denn je zuvor deutlich zu machen in seinen konkret-historischen Besonderheiten im Jahrhundert des bürgerlichen Totalitarismus: des Totalitarismus der Wert- und Warenform, der reellen Subsumtion der Arbeit und der Natur unters Kapital, des Totalitarismus der Mehrwertproduktion, der Konkurrenz, die noch den entschiedensten Ausbruchsbewegungen der Proletarisierten ihr Muttermal, ihr Verhaltensgesetz aufgeprägt hat: nämlich "eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, dh. auf Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert. Dieser antagonistische Charakter der kapitalistischen Akkumulation" - "dass in denselben Verhältnissen, in denen die Entwicklung der Produktivkräfte vor sich geht, sich eine Repressionskraft entwickelt" (MEW 23, S.675) -, geht mit sämtlichen Folgelasten und Folgekosten einschliesslich absichtlich oder unabsichtlich Hungergetöteten, gezielt genozidal oder "nur kriegsbedingt" Ausgerotteten, absichtlich oder "bloß ökonomisch" durch Zwangsarbeit Vernichteten ... aufs Schuldkonto der bürgerlichen Produktionsweise, des kapitalistischen Weltsystems. Ein für allemal. Nur löst uns diese Feststellung nicht die analytische Fragestellung auf, wie und warum die "kommunistischen Parteien" wider Willen und Bewusstsein von Organisationen des Proletariats im 20.Jh. direkt zu Werkzeugen und Exekutoren des kapitalistischen "Weltgeists", der Logik ebendieses weltumfassend-totalitären Akkumulationsregimes geworden sind. Dass sie das wurden, ist offenbar, und die Miserabilität der "KP"-apologetischen linken Abwehrversuche, die sich der wirklichen Herausforderung dieses Schwarzbuches gar nicht stellen mögen, besteht genau darin, dass sie in die Falle der Schein-Alternative gehen, die ihnen ein Zahlenfetischist (diesmal: der antisemitisch relativierende und desingularisierende Courtois) gestellt hat: indem sie ausschliesslich auf dieser Ebene an der Hekatomben-Waage mit solchen Wissenschaftlern Weltgericht spielen - waren es jetzt an die 60 Mio. Tote allein in der SU, wie ein Courtois will, oder stimmen wir nicht lieber einem Merl zu, dass "die zum Teil sehr hohen Schätzungen drastisch nach unten korrigiert, die niedrigen ( ... ) etwas angehoben werden müssen", ja klar stimmen wir ihm alle nur zu gerne zu, ja also dann sieht ja alles schon wieder viel besser aus -- merken deutsche Linke nicht nur nicht, dass sie auf links nichts anderes als die Verdrängungsfigur der Auschwitzleugnung reproduzieren: als GULag-Leugnung; sie merken auch nicht, wie sie in der spezialistenhaften Fixierung auf Quantifizierung und Fälschung (gewiss muss derartige Spezialforschung auch geleistet werden) immer weiter von den wirklichen historischen und aktuellen Problemstellungen, vom eigenen wissenschaftlichen Denken und Kommunizieren abgelenkt und abgehalten werden. Wir lassen uns damit zum Publikum eines pseudowissenschaftlichen Spektakels machen, zu Parteigänger-Zuschauern in dem ewig-bürgerlichen "Rechts-Links"-Nullsummenspiel. Mit dem uns wirklich-historisch abgeforderten revolutionären Parteiergreifen und wissenschaftlichem Communismus hat das nichts zu tun. KARL MARX pflegte selber so gut wie nie vom "wissenschaftlichen Sozialismus" bzw. Communismus zu sprechen, denn für ihn war das eine Tautologie: der theoretische Ausdruck der wirklichen Bewegung des Communismus gilt dem Historischen Materialisten als ebenjene Wissenschaft-in-Progress, die revolutionäre Praxis und Theorie zu vereinigen bestimmt ist. Als man MARX später einmal auf die Formel vom Wissenschaftlichen Sozialismus (als gleichsam von ENGELS geprägtem Markenzeichen) festzulegen versuchte, hat er diese genau für seine ursprüngliche Auseinandersetzung mit dem "utopischen Sozialismus" gelten lassen. Aber bereits das Hochstilisieren zur "einzig wissenschaftlichen" Schule des Communismus bzw. Sozialismus überliess MARX den Sektierern und Utopisten selber, so den doktrinären deutschen Frühsozialisten in der "Deutschen Ideologie": "Der wahre Sozialismus, der auf der 'Wissenschaft' zu beruhen vorgibt, ist vor allen Dingen selbst wieder eine esoterische Wissenschaft." Gerade eine solche wurde dann "der Marxismus" unter den Händen der "Orthodoxie" und schliesslich, ab der Einbalsamierung von LENIN und der Erfindung des "Leninismus" durch STALIN, der "Marxismus- Leninismus", den auch ALTHUSSER'S Axt nicht mehr von der staatstragenden und parteidienenden Universitätswissenschaft zu trennen vermochte. - Für MARX dagegen "sind die Sozialisten und Kommunisten die Theoretiker der Klasse des Proletariats. Solange das Proletariat noch nicht genügend entwickelt ist, um sich als Klasse zu konstituieren, und daher der Kampf des Proletariats mit der Bourgeoisie noch keinen politischen Charakter tragt, solange die Produktivkräfte noch im Schoße der Bourgeoisie selbst nicht genügend entwickelt sind, um die materiellen Bedingungen durchscheinen zu lassen, die notwendig sind zur Befreiung des Proletariats und zur Bildung einer neuen Gesellschaft - solange sind diese Theoretiker nur Utopisten, die, um den Bedürfnissen der unterdrückten Klassen abzuhelfen, Systeme ausdenken und nach einer regenerierenden Wissenschaft suchen. Aber in dein Maße, wie die Geschichte vorschreitet und mit ihr der Kampf des Proletariats sich deutlicher abzeichnet, haben sie nicht mehr nötig, die Wissenschaft in ihrem Kopfe zu suchen; sie haben nur sich Rechenschaft abzulegen von dem, was sich vor ihren Augen abspielt, und sich zum Organ desselben zu machen. Solange sie die Wissenschaft suchen und nur Systeme machen, solange sie im Beginn des Kampfes sind, sehen sie im Elend nur das Elend, ohne die revolutionäre umstürzende Seite darin zu erblicken, welche die alte Gesellschaft über den Haufen werfen wird Von diesem Augenblick an wird die Wissenschaft bewusstes Erzeugnis der historischen Bewegung, und sie hat aufgehört, doktrinär zu sein, sie ist revolutionär geworden." (MEW 4,143) In diesem letzteren, dialektisch zum proletarisch-communistischen Konstitutions- und Praxis- Prozess hin offenen, exoterischen (und nicht orthodox-doktrinären esoterischen) Wissenschaftsbegriff ab MARX soll im folgenden emfatisch der Ausdruck "wissenschaftlicher Communismus" wiedereingeführt werden: als bewusste Abgrenzung gegen den utopischen Bourgeois- Sozialismus, Staats-, Katheder-Sozialismus zugleich, der im Westen als links- sozialdemokratische und marxologische universitätslinke Konfusionsideologie, im Osten als einstiger "Marxismus-Leninismus" den ganzen linken Flügel der bürgerlichen Gesellschaft ideologisch gesäugt, gebrütet und hochgezogen hat und gegen die unter unseren Augen vor sich gehende geschichtliche Bewegung immer erneut in Stellung bringt. So dass diese Bewegung selber von ihrem eigenen, dem gesellschaftlichen wissenschaftlichtheoretischen Moment mehr denn je enteignet ist und es als fremde, feindliche Macht sich gegenüber sieht: Wissenschaftlichkeit ist zum Gespött, revolutionäre Theorie zum Schimpf und bösen Verdacht geworden, zum buckligen Männlein der spektakulären Rekuperation und zur buckligen Zwergin unterm Schachbrett der antispektakulären Strategie. Da aber die wirkliche Bewegung, die den kapitalistischen Zustand aufhebt, vom historischen Durchbruch Pariser Commune datiert, allererst ihre politische Form, die revolutionäre Diktatur des Proletariats, die schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war, wird im folgenden auch immer vom modernen antistaatlichen Communismus, im Unterschied zum bürgerlich konfundierten "Kommunismus" staatsfetischistischer Provenienz, die Rede sein. Die historische objektive und subjektive Reife oder Unreife für den endlich von der Arbeiterklasse selber durchzusetzenden bewussten Communismus ist eben wissenschaftlich gerade an den Überwindungsmöglichkeiten all der Fetischformen unserer Gesellschaftlichkeit zu beschreiben, zu analysieren und zu bemessen, die als unser bürgerliches Bewusstsein, kapitalistischer Common-Sense, unsere gesellschaftlich-menschlichen Produktionskräfte nurmehr durchscheinen, aber immer noch nicht durchbrechen, immer noch nicht sie freiwillig-bewusst assoziieren lassen. Die im jetzt ausgehenden Jahrhundert global gewordene spektakuläre Warenproduktion hat sich seit dem Zusammenbruch des östlichen bürokratisch- kapitalistischen konzentrierten Spektakels endgültig zum integrierten Spektakel (nämlich Integration des östlichen mit dem westlichen, dem diffusen Spektakel des consumer capitalism der einstigen pax americana) transformiert, was sowohl der klassischen Fetischdreifaltigkeit der kapitalistischen Warenproduktion (Trinitarische Form - siehe MEW 25, 822) als auch dem Staats-, Recht-, Politik-Fetischismus eine bisher nicht gesehene historische Bindekraft verleiht. Das Bild, die Repräsentation des wirklichen gesellschaftlichen Lebens, des gesellschaftlichen Seins scheint in diesem Stadium der kapitalistischen Akkumulation das Bewusstsein des gesellschaftlichen Individuums in einem zum omnipotenten und in einem zum irrealen, total ohnmächtigen und total verlassenen Wesen, ja das gegenständliche Wesen zum Unwesen zu machen - täglich, stündlich, in jedem Augenblick des Überlebens in der konkurrenzgetriebenen Lohnabhängigkeit. Je reifer das Gesellschaftsindividuum für die communistische Produktionsweise ist, um so unreifer droht das gesellschaftliche Individuum in der Partikularität seiner hochentfremdeten Bilderproduktion zu werden. Die Religionskritik eines FEUERBACH und MARX ist aktueller denn je geworden. Die Auseinandersetzung mit "dem Kommunismus" findet in dieser Dialektik statt, in dieser Debatte sind die angedeutete Überreife und Unreife der wirklichen Bewegung ebenso verschränkt. Diese Unreife lässt sich wiederum in ein Wort fassen: die Parteivorstellung. Partei als spiegelverkehrtes Bild vom Proletariat Die apriori Verwechslung des realen Selbstbefreiungsprozesses des Proletariats - als Parteibildungsprozess und Selbstaufhebungsprozess in einem -, d.h. der communistischen Revolution, mit dem Entwicklungsgang derjenigen historisch empirischen Gebilde, welche sich KP nennen, ist wissenschaftlich gesehen der Grundausdruck dieser Unreife, d.h.: dieses Apriori (Identifizierung von "KP" mit Emanzipation des Proletariats und Aufbruch zum bewusst gemachten Communismus) ist selbst schon ein plumper Denkfehler; schon hierin ist der wissenschaftliche Communismus ausgeschaltet, weil elementarstes wissenschaftliches Denken aussetzt. Die Ineinssetzung von irgend vorfindlicher "KP" mit realer communistischer Revolutionsbewegung, Parteibildung der Arbeiterklasse selbst, wird damit sofort zur bloßen Glaubenssache. Die Thesen von DANIEL DOCKERILL: 150 JAHRE KP unternehmen es tatsächlich noch einmal, ein solches Apriori zu setzen. Sie machen stillschweigend die Identität von historisch- empirischen "KP"-Apparaten und proletarischer Revolution, Parteibildungsprozess des Proletariats zur Klasse-für-sich im 20.Jh., zur nicht mehr in Frage zu stellenden Voraussetzung, zum "Axiom". Ebenso stillschweigend setzen sie den - von DANIEL DOCKERILL an anderer Stelle ausgesprochenen Vorwurf als Erpressung ein, wer diese Identität anzweifele, sei "antikommunistischer" bzw. "bolschewistenfresserischer" (auch dies wieder in der gleichen apriori-Identischsetzung) Renegat am Communismus. Der-/diejenige strebe in Richtung Konterrevolution statt in Richtung communistische Revolution. Würden wir dieses Apriori, dieses links wie rechts gängige "Axiom" akzeptieren, dann würden wir keine echte Selbstkritik und vor allem keine wissenschaftliche Diskussion mehr führen/beginnen können sondern nur noch Apologetik dessen, "wie es nun einmal gewesen ist" ( "Vergangenes historisch artikulieren heisst nicht, es erkennen, 'wie es denn eigentlich gewesen ist'. Es heisst, sich einer Erinnerung bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt. Dem historischen Materialismus geht es darum, ein Bild der Vergangenheit festzuhalten, wie es sich im Augenblick der Gefahr dem historischen Subjekt unversehens einstellt. Die Gefahr droht sowohl dem Bestand der Tradition wie ihren Empfängern. Für beide ist sie ein und dieselbe: sich zum Werkzeug der herrschenden Klasse herzugeben. In jeder Epoche muss versucht werden, die Überlieferung von neuem dem Konformismus abzugewinnen, der im Begriff steht, sie zu überwältigen. (...) Die jeweils Herrschenden sind aber die Erben aller, die je gesiegt haben. Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut. Damit ist dem historischen Materialisten genug gesagt. Wer immer bis zu diesem Tage den Sieg davontrug, der marschiert mit in dem Triumphzug, der die heute Herrschenden über die dahinführt, die heute am Boden liegen. Die Beute wird, wie das immer so üblich war, im Triumphzug mitgeführt. ( ... ) Der historische Materialist rückt daher nach Maßgabe des Möglichen von ihr ab. Er betrachtet es als seine Aufgabe, die Geschichte gegen den Strich zu bürsten." WALTER BENJAMIN: THESEN VI,VII Über den Begriff der Geschichte) - "die Geschichte der Parteitage der Sieger ist die Geschichte des Kommunismus, des realen Sozialismus, der proletarischen Revolutionen im 20. Jahrhundert gewesen!" Mit dieser historistisch-opportunistischen Version aber würden wir auch der Lüge am Schwarzbuch "des Kommunismus" voll ins Messer laufen sowie Vorschub leisten, nach einem MAO-Wort: "Wenn der Feind sagt: schrecklich, schrecklich!, dann sagen wir: großartig, großartig!" (oder wenigstens: "längst nicht so schrecklich wie...", oder: "C'est la guerre. C'est la revolution." oder schlicht: "Alles Lüge, Verleumdung, Fälschung.") Damit würden wir übrigens nicht allein den wissenschaftlichen Grundanspruch des Kommunismus ab KARL MARX aufgeben, sondern schon im Ansatz die zugleich damit formulierte "Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei", den entsprechenden materialistisch- ethischen "kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist", durch zynische Apologetik des realen "Sozialismus" ersetzen, in denen der Mensch konkret genau dies war und ist (Kuba, Nordkorea, China, Vietnam die ja nach der Logik dieser THESEN ebenfalls als Übergangsgesellschaften mit automatischem Kurs auf Kommunismus bei ihrem staatsdoktrinären Selbstverständnis zu nehmen und gegen "das kapitalistische Lager" und das "Versagen" von dessen Proletariat allemal noch zu verteidigen wären). Auch gerade die grausam-gründliche Selbstkritik proletarischer Revolutionen hat zur Voraussetzung die Kritik der Religion - in diesem, unserem Fall der "KP"- Religion. Die Legende von der Repräsentation des Proletariats durch "die Partei" LENINschen Zuschnitts ist der bis heute von vielen Kommunist/inn/en unangetastete Kern dieser "Diesseitsreligion" sie ist der wirkliche "Mythus des Zwanzigsten Jahrhunderts" und hat ihre Wirkmächtigkeit noch längst nicht verloren, im Gegenteil. Gegenwärtig, bei der Aufgabe und historischen Chance einer fundamentalen Neuorientierung-als-Rekonstruktion des wissenschaftlichen Communismus ab MARX - d.h. allererst im kollektiven Zurück-zu-MARX! als Kooperation für den subversiven Durchbruch einer MARX- Renaissance (LUKÁCS 1970) - als die Grundlegung und Voraussetzung in Permanenz eines Neuaufbruchs zur organisierten Parteibildung des neuzusammengesetzten Proletariats für den direkten Übergang zum Communismus, steht für uns deshalb die bewusste Alternativentscheidung am Anfang: "Es rettet uns k/ein/ höh'res Wesen, k/ein/ Gott, k/ein/ Kaiser, k/ein/ Tribun, k/eine/ KP. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir /nicht/nur selber tun." Staatsfetischismus Die wissenschaftliche theoretische Kritik ab MARX weist auf, dass der Glaube an ein Höheres Wesen als Erlöser über den Menschen, also die Religion (insbesondere jüdisch-christlicher Prägung), untrennbar ist vom gesellschaftlichen Monopol der Produktions- und Lebensbedingungen (Privateigentum): von dem durch verallgemeinerten Geldkristall herrschenden Verhältnis Kapital/Lohnarbeit; untrennbar ist von Familie als Patriarchat; untrennbar ist vom vollendeten, modernen Staat als bürgerlichem Gewaltmonopol, kristallisierter Sfäre des Rechts und der Politik. Aus dieser Vierfaltigkeit "des Monopols", wie KARL MARX sie im Anschluss an CHARLES FOURIER schon früh wissenschaftlich zusammenfassend auf den Begriff bringt, ist besonders die Staats-, Rechts-, Politik- Dimension für die unwissenschaftliche Vorstellungswelt der "Partei" als Repräsentation des Proletariats analytisch hervorzuheben: Diese "Diesseitsreligion" befriedigt das im Kapitalismus täglich und stündlich bei jedem Menschen hervorgetriebene religiöse Bedürfnis, die religiöse Entfremdungsform, nämlich im wesentlichen durch den unbedingten Glauben an die durch nichts zu ersetzende Rolle des modernen Staats als dem höheren, ja höchsten Wesen, welches die Erlösung vom Kapitalismus für uns, für die Proletarisierten, für die ganze Gesellschaft (Welt) letztinstanzlich zustandebringen könne. Dass wir selber dazu imstande seien durch unmittelbar gesellschaftliche konkrete Übereinkunft, ist diesem sich selbst als Gesellschaftsindividuum entfremdeten Bewusstsein schlechthin unvorstellbar, sein Horizont bleibt die abstrakte Vorstellung: "Der Staat - das sind wir doch alle. Wir selbst, die Gesellschaft - das ist doch der Staat." Es ist nun dieser tiefsitzende, als fetischistische "Alltagsreligion" (MEW 25, 838) durch den kapitalistischen Augenschein immer nur noch bestätigte Glaube an die entscheidende und alleinseligmachende Mittler-Rolle bzw. gar Schöpfer- und Lenker-Stelle der politischen Sfäre, welche die bürgerlich-vereinzelten, der Konkurrenz unterworfenen konkreten Individuen abstrakt-gesellschaftlich als Ganzes repräsentiert, die konzentriert verkörpert in der Partei-als-Repräsentation ihren noch einmal aufs äusserste entfremdeten Widerschein findet. Die tiefsitzend unbewusste Vorstellung von "der Partei" als konzentriertester Einheit von politisch-staatlicher Emanzipation und religiösem Messianismus ist auf der Basis der sich entfaltenden bürgerlichen Gesellschaft ganz folgerichtig: "Hat der Standpunkt der politischen Emanzipation das Recht, ( ... ) vom Menschen überhaupt die Aufhebung der Religion zu verlangen?" Mit dieser Frage eröffnet KARL MARX (1844) in "ZUR JUDENFRAGE" (gegen das virtuell antisemitische Buch des Linkshegelianers BRUNO BAUER "DIE JUDENFRAGE" gerichtet) den Angriff auf den linken, d.h. in der Tradition des Jakobinismus, der bürgerlichen Staats- und Politik-Vorstellung, des Demokratismus befangenen, bis heute ungebrochenen bürgerlichen Revolutionsmythos und zeigt, "dass der Mensch auf einem Umweg, durch ein Medium, wenn auch durch ein notwendiges Medium sich befreit, indem er sich politisch befreit. ( ... ) Die Religion ist eben die Anerkennung des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine ganze religiöse Befangenheit aufbürdet, so ist der Staat der Mittler, in den er seine ganze Ungöttlichkeit, seine ganze menschliche Unbefangenheit verlegt. Die politische Erhebung über die Religion teilt alle Mängel und alle Vorzüge der politischen Erhebung überhaupt. Der Staat als Staat annulliert zum Beispiel das Privateigentum, der Mensch erklärt auf politische Weise das Privateigentum für aufgehoben, ( ... ) Ist das Privateigentum nicht ideell aufgehoben, wenn der Nichtbesitzende zum Gesetzgeber des Besitzenden geworden ist? (...) Dennoch ist mit der politischen Annullation des Privateigentums das Privateigentum nicht nur nicht aufgehoben, sondern vorausgesetzt. ( ... ) Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt d.h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muss. ( ... ) Der Widerspruch, in welchem sich der religiöse Mensch mit dem politischen Menschen befindet, ist derselbe Widerspruch, in welchem sich der Bourgeois mit dem Citoyen , in welchem sich das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft mit seiner politischen Löwenhaut befindet. ( ... ) Die politische Emanzipation ist allerdings ein großer Fortschritt; sie ist zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber sie ist die letzte Form der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung. Es versteht sich, wir sprechen hier von wirklicher, von praktischer Emanzipation. ( ... ) Aber man täusche sich nicht über die Grenze der politischen Emanzipation. Die Spaltung des Menschen in den öffentlichen und den Privatmenschen, die Dislokation [Versetzung, Verschiebung] der Religion aus dem Staat in die bürgerliche Gesellschaft, sie ist nicht eine Stufe, sie ist die Vollendung der politischen Emanzipation, die also die wirkliche Religiosität des Menschen ebensowenig aufhebt als aufzuheben strebt. ( ... ) Die Zersetzung des Menschen ( ... ) in den religiösen Menschen und den Staatsbürger (...) ist keine Umgehung der politischen Emanzipation, sie ist die politische Emanzipation selbst, sie ist die politische Weise, sich von der Religion zu emanzipieren. Allerdings: in Zeiten, wo der politische Staat als politischer Staat [d.h. als radikale Demokratie: in der Jakobiner-Diktatur der Französischen Revolution 1793..., die hier gemeint ist, und in der "demokratischen Diktatur" der bolshevikischen "Jakobiner-mit-dem-Volke" (LENIN) 1917.... um deren Karakter wir uns streiten] gewaltsam aus der bürgerlichen Gesellschaft heraus geboren wird, wo die menschliche Selbstbefreiung unter der Form der politischen Selbstbefreiung sich zu vollziehen strebt, kann und muss der Staat bis zur Aufhebung der Religion, bis zur Vernichtung der Religion fortgehen, aber nur so, wie er zur Aufhebung des Privateigentums, zum Maximum [von der Jakobinerdiktatur unter ROBESPIERRE 1794 festgelegte Höchstlöhne und Höchstpreise], zur Konfiskation, zur progressiven Steuer, wie er zur Aufhebung des Lebens, zur Guillotine fortgeht. In den Momenten seines besonderen Selbstgefühls sucht das politische Leben seine Voraussetzung, die bürgerliche Gesellschaft und ihre Elemente, zu erdrücken und sich als das wirkliche widerspruchslose Gattungsleben des Menschen zu konstituieren. Es vermag dies indes nur durch gewaltsamen Widerspruch gegen seine eigenen Lebensbedingungen, nur indem es die [politische, radikal-demokratistische, jakobinistisch-bolshevikische, ewig-linke] Revolution für permanent erklärt, und das politische Dilemma endet daher ebenso notwendig mit der Wiederherstellung der Religion, des Privateigentums, aller Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, wie der Krieg mit dem Frieden endet." Und wie "der
Kommunismus" dieses Jahrhunderts mit seiner ebenso notwendigen, hämisch-bürgerlich
vorgelegten Bilanz im vorläufigen "Schwarzbuch". Aber die bornierte
Identität und Nichtidentität des Staatsfetischismus mit dem Religiösen
muss noch radikaler deutlich gemacht werden: wurzelt doch die leninistische
"Partei"-Repräsentation als durch und durch jakobinistischer Staat-in-nuce
wie ihr revolutionstheoretisches proton pseudos (= Grundirrtum,
"erste Lüge") von der menschlichen Emanzipation mittels radikalisierter
Politik in der Entfremdungswirklichkeit des demokratisch vollendeten Staats
selber als "die wirkliche
Ausführung des menschlichen Grundes der Religion";
und darin, dass "der vollendete Staat wegen des Mangels, der
im allgemeinen Wesen des Staates liegt, die Religion unter seine
Voraussetzungen
zählt, ( ... ) zeigt sich die Unvollkommenheit selbst der vollendeten
Politik
in der Religion. ( ... ) Der demokratische Staat, der wirkliche Staat,
bedarf nicht der Religion zu seiner politischen Vervollständigung.
Er kann vielmehr von der Religion abstrahieren, weil in ihm die menschliche
Grundlage der Religion auf weltliche Weise ausgeführt ist. ( ... )
Die Religion bleibt das ideale, unweltliche Bewusstsein seiner Glieder,
weil sie die ideale Form der menschlichen Entwicklungsstufe ist,
die in ihm durchgeführt wird. Religiös sind die Glieder des politischen
Staats durch den Dualismus zwischen dem individuellen und dem Gattungsleben,
zwischen dem Leben der bürgerlichen Gesellschaft und dem politischen
Leben; religiös, indem der Mensch sich zu dem seiner wirklichen Realität
jenseitigen Staatsleben als seinem wahren Leben verhält; religiös,
insofern die Religion hier der Geist der bürgerlichen Gesellschaft,
der Ausdruck der Trennung und der Entfernung des Menschen vom Menschen
ist indem in ihr [der politischen Demokratie]
der
Mensch - nicht nur ein Mensch, sondern jeder Mensch - als souveränes,
als höchstes Wesen gilt, aber der Mensch (...), wie er durch die ganze
Organisation unserer Gesellschaft ... sich selbst verloren, veräussert,
unter die Herrschaft unmenschlicher Verhältnisse und Elemente gegeben
ist, mit einem Wort, der Mensch, der noch kein wirkliches Gattungswesen
ist. Das Phantasiegebilde, der Traum, das Postulat des Christentums, die
Souveränität des Menschen, aber als eines fremden, von dem wirklichen
Menschen unterschiedenen Wesens, ist in der Demokratie sinnliche Wirklichkeit,
Gegenwart, weltliche Maxime. ( ... ) Wir haben also gezeigt: Die politische
Emanzipation von der Religion lässt die Religion bestehen, wenn auch
keine privilegierte Religion. ( ... ) Die Emanzipation des Staates von
der Religion ist nicht die Emanzipation des wirklichen Menschen von der
Religion. ( ... ) Die
politische Revolution löst das bürgerliche
Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren
und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen
Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen,
des Privatrechts als zur Grundlage ihres Bestehens, als zu einer
nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer
Naturbasis.
(...) Alle Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen
Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst. Die politische
Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied
der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige
Individuum
[homme
als
homme bourgeois],
andererseits auf den Staatsbürger
[homme
citoyen], auf die moralische Person. Erst wenn der wirkliche
individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt
und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen
Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen
Gattungswesen
geworden ist, erst wenn der Mensch seine forces propres [
= seine eigenen Kräfte, Wesenskräfte] als gesellschaftliche
Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche
Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt,
erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht."
Für diese Kritik an der politischen Form, an der Staatlichkeit schlechthin (denn der bürgerliche Staat, die Demokratie ist der vollendete, historisch-wirklich "zu seinem Begriff gekommene" Staat schlechthin, die fertige Staatsmaschinerie, als welche sie dann KARL MARX 1871 (MEW 17, 542f) der Revolution und Diktatur des Proletariats gegenübergestellt sieht) und an der staatsfetischistisch-politizistischen Einbildung, die soziale Emanzipation wäre mit der politisch-staatlichen Formhypostase bereits vollbracht - demgegenüber haben sämtliche Parteigläubigen des Leninismus nur gereiztes Unverständnis und offene Verachtung übrig. für sie ist das alles bloßes idealistisches Menschheitsgedusel, unpraktisches Filosofastern des "unreifen, frühen, junghelianischen" KARL MARX und vor allem apolitisch-halbanarchistische Organisationsfeindlichkeit ... Wie soll der staatsfetischistische Selbstbezug auf die alleinseligmachende Kraft der politischen Organisation einen Ansatzpunkt für die Auflösung der Repräsentationsfixierung bieten, wenn die Ablehnung, Ignoranz und Ranküne gegenüber der Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse diese geschlossene Vorstellungswelt gerade konstituiert?! Jede/r Gläubige will glauben und nicht zweifeln an dem, was sein Heilsbedürfnis (das immer zutiefst ein unbewusst auf die eigene Person bezogenes ist - vgl. G.LUCÁCS: DIE EIGENART DES ÄSTHETISCHEN übers religiöse Bewusstsein gegenüber dem wissenschaftlichen und dem ästhetischen, wo das religiöse mit dem Alltagsbewusstsein diese unmittelbare pragmatische Ich-Orientierung gemeinsam hat) befriedigt und ihn/sie stabilisiert; in die messianische Diesseits-Erlösungsvorstellung von "der" uns befreienden politischen Organisation schiessen sämtliche Affekte unserer entfremdeten Partikularität im Kapitalismus ein, die im Dienste der wissenschaftlichen Distanzierungsleistung des Subjekts gegenüber dem Objekt der Erkenntnis/Praxis ja suspendiert werden müssen. Deshalb begegnet der staatsfetischistisch Gläubige dem Ungläubigen immer wieder mit dem Grundvorwurf, dass dieser ja garnicht die Erlösung von dem Übel wirklich wolle, sonst würde er sich ja dem Höchsten Wesen und dem Mittler der Befreiung, eben "der" (in der Regel schon vorhandenen) politischen Organisation freiwillig unterstellen, seine Interessen und sein Handeln von ihm repräsentieren lassen. "Du willst ja nur nicht praktisch Partei ergreifen!" Aufs Fest des Höchsten Wesens folgt der Thermidor So predigen KARL KAUTSKY und LENIN, die Gründungsväter der Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) im westlichen und östlichen "Marx"-Ismus, das Proletariat könne sich nicht aus eigener Kraft aufheben, die Befreiung der Arbeiter könne nicht das Werk der Arbeiterklasse selbst sein, sondern stattdessen einzig das Resultat einer Organisation von Gralshütern "der Orthodoxie" - sei's "revolutionären Intellektuellen" im Unterschied, ja theorie-tragenden Gegensatz zu den theorie-impotenten und wehrlos der bürgerlichen Ideologie ausgeliefert-bleiben-müssenden, also zu erlösenden Arbeiter/inne/n; sei's "Berufsrevolutionären" - , die sich als "die Partei des Proletariats" institutionatisiert mit der Aufgabe, das Proletariat in- und ausserhalb dieser Partei von der bürgerlichen Ideologie zu befreien, zur Eroberung des Staats zu erziehen und zur Ausübung der "eigenen" Staatsmacht heranzuziehen ... Wobei sich diese Partei-der-Revolutionsfunktionäre (LENIN: "Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Russland aus den Angeln heben!") selber schon von Anbeginn als archimedischen Punkt der Revolution, damit als Keim und Speerspitze des "Volksstaats" (so die klassisch sozialdemokratische Formel des Staatsfetischismus, die LENIN so nicht übernehmen konnte) bzw. "proletarischen Staats" versteht (LENIN: Wenn 130 000 Großgrundbesitzer Russland regiert haben, dann werden 240 000 Bolsheviki es erst recht regieren können!). Es handelt sich dann um einen Staatsparteistaat, wie er schon in dieser Parteistaatspartei vorgebildet ist ("demokratischer Zentralismus": die nichtproletarischen Klassen, so LENIN in DER LINKE RADIKALISMUS; DIE KINDERKRANKHEIT..., - so ungefähr das einzige marxistische Buch, das VOM HITLER-Regime nicht verboten wurde - "rufen beständig innerhalb des Proletariats Rückfälle in kleinbürgerliche Charakterlosigkeit, Zersplitterung, Individualismus, abwechselnd Begeisterung und Mutlosigkeit hervor. Innerhalb der politischen Partei des Proletariats sind strengste Zentralisation und Disziplin notwendig, um dem zu widerstehen, um die organisatorische Rolle des Proletariats (das aber ist seine Hauptrolle) richtig, erfolgreich und siegreich durchzuführen. ... Wer die eiserne Disziplin der Partei des Proletariats (besonders während seiner Diktatur) auch nur im geringsten schwächt, der hilft faktisch der Bourgeoisie gegen das Proletariat." usw. Das schrieb LENIN, kurz bevor er das revolutionäre Proletariat von Kronstadt - faktische Avantgarde der "Dritten Revolution" und zu jenem Zeitpunkt faktischer Repräsentant des ganzen proletarischen und bäuerlichen Russlands für den faktischen Übergang zur proletarischen Rätediktatur als faktisches Bündnis mit der Bauernschaft zwecks faktische Orientierung auf Kommunismus erster Fase - mit eben dieser Art Begründung zusammenschiessen liess: "faktische Hilfe für die Konterrevolution"... VICTOR SERGE, damals auf seiten der KPR(BOLSHEVIKI), hat in seinen ERINNERUNGEN konzentriert festgehalten, wie die Tragik des LENINschen parteistaatsparteilichen Jakobinertums sich erfüllte: "In diesen schwarzen Tagen sagte LENIN wörtlich zu einem meiner Freunde: 'Das ist der Thermidor. Aber wir werden uns nicht guillotinieren lassen. Wir machen selbst Thermidor.' " VICTOR SERGE: ERINNERUNGEN EINES REVOLUTIONÄRS, PARIS 1951, DT.: WIENER NEUSTADT' 1974; S.150). Die institutionalisierte Repräsentation des Proletariats, eine ganze Zeit lang wohl noch mit dem Proletariat als Subjekt scheinhaft identisch (VlCTOR SERGE selbst schrieb damals: "Die Revolution hat kein anderes Gerüst [als "die Partei", sprich Autokratie der BOLSHEVIKI] und ist nicht mehr fähig, sich von Grund auf zu erneuern." S. 148), "muss" sich historisch-dialektisch, d.h. "bei Strafe des Untergangs" (KARL MARX) als "die Partei des" selber gegen das historisch einzig mögliche Subjekt aktiv wenden und am Proletariat, am einzig möglichen wirklichen Subjekt der communistischen Revolution dessen historisch vorläufige Niederlage selber exekutieren. Die "Repräsentanten" stehen dann denen, die sich nicht mehr repräsentieren lassen können, als vermeintlicher "Fünfter Kolonne" der Konterrevolution gegenüber, in der das Proletariat mitsamt der Bauernschaft und der wirklichen Konterrevolution zu "einer feindlichen reaktionären Masse", einer Vendée von "Bolshevistenfressern" eingeebnet ist. "Die Partei
hat im Oktober 1917 die Macht in Russland erobert und sie formell den Sovjets
übergeben. Der Primat der Partei wurde so durch die Macht der Tatsachen
in der Geburtsstunde der Sovjetmacht ein für allemal begründet
...
Der
formelle Sieg der Sovjetmacht in Russland war gleichzeitig das Zeichen
ihrer Unterordnung unter die Parteidiktatur, am Tage ihres höchsten
Triumphes begann schon die Entmachtung der Räte, und das Banner des
Roten Oktober 'Alle Macht den Räten!' erwies sich bald als bittere
Illusion." (O.ANWEILER: DIE RÄTEBEWEGUNG
IN RUSSLAND 1905-1921, LEIDEN 1958, S. 233f, ZIT, IN: GÖTZ EISENBERG,
WOLFGANG THIEL: FLUCHTVERSUCHE. GIESSEN 1973, S.85)
"Alle die
Bedingungen der Liquidierung des Zarismus, die in der stets unbefriedigenden
theoretischen Debatte der verschiedenen Tendenzen der russischen Sozialdemokratie
seit zwanzig Jahren in Betracht gezogen worden waren - Schwäche der
Bourgeoisie, Gewicht der Bauernmehrheit, entscheidende Rolle eines konzentrierten
und schlagkräftigen, aber im Lande höchst minoritären Proletariats
- zeigten endlich ihre Lösung in der Praxis durch eine Gegebenheit,
die in den Hypothesen nicht vorhanden gewesen war: die revolutionäre
Bürokratie, die das Proletariat führte, gab, indem sie den Staat
ergriff, der Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft. Die rein bürgerliche
Revolution war unmöglich, die 'demokratische Diktatur der Arbeiter
und Bauern' [so die ursprüngliche Formel von LENIN]
machte
keinen Sinn, die proletarische Macht der Sovjets konnte sich nicht gleichzeitig
gegen die Klasse der besitzenden Bauern, gegen die nationale und internationale
Reaktion der Weissen und gegen ihre eigene Repräsentation behaupten,
die als Arbeiterpartei der absoluten Herren des Staates, der Wirtschaft,
der Rede und bald auch des Denkens entäussert und entfremdet war.
Die Theorie der Perrnanenten Revolution von Trotski und Parvus, der sich
Lenin de facto im April 1917 anschloss, war die einzige, die für die
im Verhältnis zur gesellschaftlichen Entwicklung der Bourgeoisie zurückgebliebenen
Länder wahr wurde, aber dies erst nach der Einführung dieses
unbekannten Faktors: der Klassengewalt der Bürokratie. Die Konzentration
der Diktatur in den Händen der obersten Repräsentation der Ideologie
[sprich:
Orthodoxie] wurde in den zahlreichen Auseinandersetzungen innerhalb
der bolshevikischen Führung am konsequentesten von Lenin verteidigt.
Lenin hatte gegenüber seinen Gegnern jedesmal insofern recht, als
er die Lösung unterstützte, die die vorangegangenen Entscheidungen
der minoritären absoluten Macht implizierten: die den Bauern staatlich
verweigerte Demokratie musste auch den Arbeitern verweigert werden, was
darauf hinauslief, sie auch den kommunistischen Gewerkschaftsführern
und in der ganzen Partei, und schliesslich bis hoch in die Spitze der hierarchischen
Partei zu verweigern, ( ... )
Jakobiner mit dem Proletariat - Proletariat mit Jakobinern ? Das Lieblingszitat
aller kapitalistischen und bürokratischen Führungskräfte
bis heute, LENINS "Vertrauen
ist gut, Kontrolle ist besser." - meint ausschliesslich die Kontrolle
der Staatspartei und des Parteistaats über und gegenüber
Proletariat und Bauern sowie deren Organ(isation)en, keinen Augenblick
umgekehrt! Es ist das staatskapitalistische Vermächtnis dieses "proletarisch"-jakobinistischen
Partei- und Staatsgründers; im Zweifelsfalle wenden sich die "Jakobiner-mit-dem-Volke"
gegen das Volk (diesen ULBRICHT-Jakobinismus
finden wir gegenwärtig noch bei unseren "antideutschen" "Antinationalen"
und linken Bomber-Harris-Liebhabern wieder, für die "Volk"
wie "Proletariat" bequemerweise sowieso nichts als reaktionäre "Konstrukte"
sind, und er spukt auch noch in den Beschimpfungen eines angeblich korrumpierten
westlichen, namentlich deutschen Versager-Proletariats in
DANIEL
DOCKERILLS THESEN, das die Bolsheviki habe hängen
lassen und deshalb für den ganzen Schlamassel verantwortlich zu machen
sei). Wäre es da nicht besser, der Staat löste das Volk, die
Partei löste das Proletariat, die Theorie löste das revolutionäre
Subjekt auf und wählte ein anderes? Was aber den historisch-materialistischen
Blick auf das Fänomen des LENINismus
noch immer wieder verstellt und verwirrt, ist die Tatsache, dass zwar
vordergründig "der Leninismus" ebenso wie "der Marxismus- Leninismus",
diese beiden Synonyma, rein garnichts anderes als die Erfindung STALINS
(1924) und damit ebenso synonym mit dem Stalinismus, untrennbar von diesem
sind (- so nannte der pro-leninistische LUKÁCS
mit richtigem historisch-dialektischem Gespür seine späten Versuche
zur Analyse des Stalinismus entgegen der eigenen Intention einer radikalen
Trennung von LENINS und STALINS
System doch nicht etwa "Marxismus-Leninismus und Stalinismus", sondern
ganz korrekt MARXISMUS UND STALINISMUS (1967)
), - dass jedoch zugleich, tiefergehend, der historische und theoretische
Gehalt des LENINschen Revolutionskonzepts
hinsichtlich seiner praktisch-politischen Aktivität, seinem tatsächlichen
gesellschaftlich-ökonomischen Wirken "in der Resultante" und dem
ZUSAMMENHANG SEINER GEDANKEN (GEORG LUKÁCS
1924) unabweisbar schon in Zügen echter proletarisch-communistischer
Revolution zum Vorschein kam. "Vor-Schein" eher, im Sinne von ERNST
BLOCHS Adaption der HEGELschen
Dialektik in Richtung auf den ontologischen Aufweis des "Noch-nicht-Seins".
Wir sehen dieses "Fleisch vom Fleische" der echten communistischen Bewegung
des Proletariats an LENIN, d.h.
an "seinem System", in folgenden Dimensionen: Dass der frühe LUKÁCS hier im Überschwang den revolutionären Realpolitiker KARL MARX ebenso krass verfehlt und verkleinert wie LENINS mindestens ebenbürtig praktisch engagierten und theoretisch weitsichtigen Kombattanten LEON TROTSKI (auf dessen Theorie und Taktik der proletarischen "permanenten Revolution" LENIN ja selber erst, eher pragmatisch, im April 1917 einschwenkte, dessen Nähe zu den Selbstorganisationsorganen des Proletariats er nie erreichte und von dessen praktisch-organisatorischer Power er nicht nur entscheidend abhängig war, sondern wirklich nur träumen konnte - nicht zufällig war sein allerletzter, hilfloser Revolutionsversuch gegen die selbstgeschaffene bürokratisch-monströse STALINsche Parteikreatur die testamentliche Einsetzung TROTSKIS als Parteistaats-Führer) und viele, bedeutendste Zeitgenoss/inn/en jener weltrevolutionären Fase aufs ungerechteste zurücksetzt, soll uns hier im Augenblick nicht kümmern (denn dass auch sogar LUKÁCS sich im tiefsten Grunde bloß vom epochalen Tageserfolg des bolshevikischen Novembercoups bestechen lässt und dieser Jahrhundertverblendung zeitlebens unterliegt, ist eine lässliche Sünde und psychologisch zu verstehende Schwäche seiner Generation von Revolutionär/inn/en. Schwerer fällt schon, darüber hinwegzugehen, dass die an dem leider garnicht so einzigartigen managerialen Unsympath und philiströs-männerischen Hyperfunktionär (schaut man ihn sich nämlich nüchtern materialistisch-historisch näher an; siehe z.B. nur CLARA ZETKIN: GESPRÄCHE MIT LENIN dem realbürokratischen Omnipotenz-Prototypen ULJANOV, den hier LUKÁCS mythisch-prästalinistisch überhöht, gerühmte "Opferfähigkeit" sich nicht allein auf ihn selber, sondern stets zugleich auf Genoss/inn/en und später Hekatomben bäuerlicher und proletarischer Menschen (die Kronstädter sind ja nur eine für uns heute sichtbare Episode; die TsheKa ist und bleibt die eigentlich beständige, fundierende Schöpfung seiner selbst und seiner Partei, der innerste, tragende und weiterwuchernde Kern des "Sovjet"-Staats: LENINS Skelett-im-Schrank) bezieht. Aber auch darauf kommt es hier nicht an, denn in diesem Schatten geht das Licht der historischen Figur wiederum nicht auf (ebensowenig wie umgekehrt). In dieser zugestanden: mythologisierten - Figur LENIN ist vielmehr allererst wie in jedem Mythos "das Wahrwort" freizulegen, herauszusprengen, das vom "Lügenwort", von der bloßen Legende historisch-analytisch getrennt werden muss, um den historischen Gehalt zu retten.- diese Figur verkörpert dann in Wirklichkeit "den ideellen Gesamtrevolutionär" einer bestimmten historischen Fase der proletarisch kommunistischen Emanzipationsbewegung und ihres Übergangskarakters, ihrer Halbheiten, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, mit einem Wort: ihrer Un-/-Reife -- nicht ökonomistisch-deterministisch, aber historisch materialistisch verstanden. Revolutionäre Organisation im Werden: Urbild & Nachbild Angesichts des
leninistischen Jahrhundert- Desasters gilt es auf keinen 'Fall dem Fehlschluss,
der Versuchung eines billigen Spontaneismus, eines wohlfeilen Menshevismus
zu erliegen. Denn der Spontaneismus, auch der von ROSA
LUXEMBURG sowie etlichen Rätekommunisten
erfüllt allemal noch den Vorwurf, den LUKÁCS
1924 so formuliert hat, als er
-wohlbemerkt- sein idealtypisches Bild "der Partei Neuen Typs",
seiner idealtypisch-leninschen Konzeption von "der" revolutionär-communistischen
Organisation, wie sie sein sollte, zeichnet:
Gerade diese
letzte dialektische Zuspitzung auf die historische revolutionäre
Organisation im Werden, in der und mittels derer permanent "die Erzieher
selbst erzogen werden" vom Proletariat, dessen bloßer immer vorwärts
treibender, internationalistischer und sich bewusst wissenschaftliche Einsicht
in den Gang der kapitalistischen Totalität erarbeitender Teil
sie ist, also niemals "die Gesellschaft in zwei Teile - von denen
der eine über ihr erhaben ist - sondieren" (aus These 3 ad
Feuerbach weiter), niemals als unmündige Masse behandeln und "repräsentieren",
niemals die proletarischen Bewegungen modeln wird, sondern "lediglich"
ihnen ihre eigenen Aktionen erklären, sich selbst bewusstmachen hilft
- alle diese hier entwickelten Maximen zeigen heute nur noch auf, was die
reale "Partei LENINS"
gerade
nicht, zumindest nicht hinreichend gewesen ist. Was LUKÁCS
in
seiner typischen "listig äsopischen Apologie" schon damals, am frischen
Grab des historischen LENIN
und
der zementenen Totgeburt des stalinistischen "Leninismus", aber eigentlich
aufweist, sind die revolutionären Wesensmerkmale einer jeden proletarisch-communistischen
Organisation sui generis, wie sie etwa noch ein halbes Jahrhundert später
die "Minimale Definition der Revolutionären Organisation(en)" der
Situationistischen Internationale notwendig abdeckt und neu formuliert.
Ihr zufolge
Es sind Wesen, Substanz und Grundprinzipien dieser in der Tat notwendigen "Organisation-im-Werden", die LUKÁCS "der Parteikonzeption LENINS" stillschweigend unterstellte, als er sie idealtypisch zur minimalen Definition jeder proletarisch-revolutionären Organisation für den Communismus werden liess. In Wirklichkeit legte er damit - auch für uns nach allem, was im dadurch geprägten Jahrhundert an Desillusionierung möglich geworden ist - umgekehrt das Ungenügen, ja die Lüge, aber doch auch wahre Gestalt der LENINschen Partei gemessen an ebendiesen communistischen Organisationskriterien bloß: theoretisch kam sie in WOMIT BEGINNEN?, WAS TUN?, EIN SCHRITT VORWÄRTS - ZWEI SCHRITTE ZURÜCK usw. noch nicht einmal an die von ihr bei LUKÁCS entworfene Reflektion heran! Und praktisch: da hat sie auf Russland beschränkt allerdings ihr Bestes und Äusserstes geleistet, nämlich die radikalste bürgerliche Diktatur der "Jakobiner mit dem Volk" durchzusetzen, also der zeitweilig möglichen politischen Doppelrepräsentation von Bourgeoisie (die als große und grundbesitzverbundene selber im Interesse der bürgerlichen Revolution auszuschalten war!), einschliesslich Kleinbürgertum (vor allem bäuerliches), einerseits - und Proletariat (selbst noch in großem Ausmaß mit Dorfarmut und Parzellenbauerntum verbunden und vernabelt) andererseits, um endlich die halbasiatische Stagnation zu durchbrechen und die Völker des Russischen Reichs in die Dynamik der kapitalistischen Akkumulation hineinzustürzen: die "Zivilisierung mit barbarischen Mitteln", wie LENIN das nannte, heraus aus "der verfluchten Rückständigkeit" und "Oblomowerei"... Dieses Regime hatte einen historischen Moment hindurch tatsächlich den Karakter einer "Regierung der Arbeiterklasse" (KARL MARX), eben aufgrund des Zusammengehens, "ja bis zu einem gewissen Grad sogar Verschmelzen" (LENIN) mit dem Proletariat in Gestalt der Sovjets. Diese vorübergehende relative Identität von bürgerlicher und proletarischer Mission, bürgerlicher und proletarischer Diktatur, bürgerlich-radikaler (jakobinistischer) und radikal proletarischer (communistischer) Organisation ist in der Doppelgestalt der "Partei LENINS" so dialektisch historisch verkörpert, dass die herkömmlichen dualistischen Deutungsmuster (entweder nur als rein bürgerliche oder nur als rein proletarische Gestalt) hinfällig und gleichermaßen unhistorisch-verfehlt bleiben ( - das gilt tendenziell auch für meine eigene Skizze DAS PROLETARIAT ALS ERZIEHUNGSOBJEKT - KURZER LEHRGANG in ÜBERGÄNGE 4/1997, S.97f). Bleiben die Deutungen des LENIN-Fänomens hängen in der - allerdings zunächst notwendigen! - analytischen Zerlegung in bürgerlichen und proletarischen Anteil, wobei die Akzentuierung - als solche ebenso notwendig! - dann aber das jeweils Nichtidentische aus dem identischen Ganzen herauslöst und verabsolutiert, historisch extrapoliert, anstatt als historischen Übergang zu dialektischer Darstellung zu synthetisieren und damit approximativ zur begriffenen Totalität zu konkretisieren, dann "erklären" solche Deutungsurteile alles und verstehen gar nichts. Was wir versuchen müssen zu verstehen - in einer dialektisch-hermeneutisch-fänomenologischen Anstrengung materialistischer Wissenschaft -, ist das reale historische Problem des bürgerlich-proletarischen Doppelprojekts der LENIN, TROTSKI e.a., eine solche notwendig bürgerliche Revolution nachzuholen ("ein- und überholen!"), die von Anbeginn ihrer proletarischen Durchsetzung bewusst über ihren bürgerlichen und demokratischen Inhalt hinausgetrieben und als Übergang in den Communismus (erste Fase), sprich "revolutionärer Sozialismus" (MARX), durchgeführt werden soll: "Dieser Sozialismus ist die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt zur Abschaffung sämtlicher Produktionsverhältnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung sämtlicher gesellschaftlicher Beziehungen, die diesen Produktionsverhältnissen entsprechen, zur Umwälzung sämtlicher Ideen, die aus diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen." (MEW 7, 89f) An dieser programmatischen Permanenz allein sind Konzeption wie Resultate des Projekts der BOLSHEVIKI zu bemessen. Führerstaat als Avantgarde des Staatskapitalismus Diese Repräsentationsform
für die proletarische Klasse hat also das Doppelgesicht von Höherem
Wesen als Tribunat nach der einen Seite (- gern und treffend wird
LENIN
ja als "Tribun" gekennzeichnet, so z.B. bei G.LUKÁCS
(1967),
der von seiner "hinreissenden
Massenwirkung" spricht:
Mit STALIN
wurde
der "Klassenführer" und "Massenführer" dann zur Figur des Volksführers,
Führers (voshd), Vater des Vaterlandes (zugleich der
Werktätigen im Weltmaßstab) und schliesslich Welt-Heiland wie
Weltenrichter (ERNST BLOCH 1937:
"Stalin,
Richtgestalt der Liebe") - und als Staatsdespotie nach der anderen
Seite (LENIN
definiert
die Diktatur des Proletariats als die in letzter Instanz an nichts als
Gewalt gebundene Herrschaft der Partei, ja des Führers
"der Klasse" - d.h. ohne Arbeiterdemokratie, Arbeiterkontrolle usw. Verwirklicht
war diese Diktatur schon ab 7.12.1917, der Gründung - direkt durch
LENIN
- der "Allrussischen Ausserordentlichen Kommission
zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage", WTsheKa, dieses
Geheimstaats-im-Staate, der wie auch seine Nachfolgeformen OGPU, NKWD,
MWD, MGB ... bis KGB direkt dem Befehl des Partei- Führers unterstehen,
ist dieser Geheimpolizei- Orden doch "Schwert und Schild der Partei".)
Es ist das Doppelgesicht des
Staatsfetischismus:
In seiner genuin bürgerlichen Ausprägung, klassisch bei den Jakobinern (MARAT - L'AMI DU PEUPLE als Volkstribun und republikanischer "Diktator" in spe; ROBESPIERE - L'INCORRUPTIBLE der "Kleinen Leute", zuletzt HoherPriester "des Höchsten Wesens und der Natur"), setzen die Ausgebeuteten und Unterdrückten ihre eigene Macht. sich selbst als politische Personifikation gegenüber, die zugleich ihr Repräsentant wie messianische Mystifikation ist: der politische Mittler, Heiler, Anwalt, Erlöser ("hinreissende Massenwirkung" gerade bei schlichtester, ja ärmlicher Volkstümlichkeit der Erscheinung; als Arzt, Advokat Intellektueller, Schullehrer, ehemaliger Priester, der aber herabgekommen ist, um sich "fürs Volk zu opfern"). Dessen lkone wird alsbald zum Fetisch, der die gesellschaftliche Selbsttätigkeit "des Volkes", "des Proletariats" zunehmend mehr ersetzt, lähmt (unter dem Anschein, sie zu stimulieren), erdrückt und schliesslich abwürgt (als Opfernder MONSIEUR MAXIMUM, dann Gekreuzigter im "Thermidor" und als Auferstandener und Würger im "Brumaire") als dass er sie noch ausdrückt. Die Revolution schlägt damit irgendwann um in Konterrevolution, zunächst selber noch im Namen "der Revolution", ihrer Rettung, Konsolidierung, Regulierung auf die "Mitte" hin. Nicht also, ohne dass bestimmte Resultate, soziale Gehalte der Revolution in die Konterrevolution eingehen, von dieser aufgehoben, erbeutet, geplündert, rekuperiert werden. Dieses gesetzmäßig-dialektische Umschlagen von revolutionärem und konterrevolutionärem Moment ineinander ist jeweils nicht einfach in seinen fliessenden Übergängen zu periodisieren und lässt sich nicht durch das theoretische Postulat "Revolution in Permanenz!" wegdekretieren. Das konkrete "Wie" ist entscheidend, nicht der Nachdruck des Willens allein (d.h. der "revolutionäre" Terror): wie kann jeweils in der historischen Situation das Moment der Konterrevolution (wieder) in ein Moment der Revolution gewendet werden, so dass die permanente Revolution auch wirklich gerettet wird und weitergehen kann. Umgekehrt: selbst z.B. die " Dritte, proletarische Revolution", die in der RSFSR 1921 von Kronstadt auszugehen "drohte", konnte nach Einschätzung einiger kommunistisch-pro-bolshevikischer Zeitzeugen (hier sei vor allem verwiesen auf VICTOR SERGE: ERINNERUNGEN ...KAPITEL VIIl sowie S.392f!) gerade dadurch in ein Moment der Konterrevolution verwandelt werden, dass das Regime der Bolsheviki die Einigung auf revolutionärer Seite (durch Verhandlungen, Aussprache, Vermittlung, die allemal möglich gewesen sind, ja von den Kronstädtern gesucht und gefordert wurden!) vereitelte; genauso wie gegenüber der revolutionären MACHNO-Bewegung (VICTOR SERGE S.103f, 137-141, 160), deren sich das Regime im Kampf gegen die Weissen effektiv verbündet bediente, die es aber im selben Zuge wortbrüchig zu Fall brachte und diese revolutionären Bewegungen regelrecht gewaltsam auf die Seite der Konterrevolution zu treiben versuchte, wo diese Arbeiter, Matrosen, Bauern usw. sich keineswegs befanden, - nur um deren revolutionäre Anliegen als "die Partei", d.h. das unumschränkt herrschende staatliche Regime, mit dem 10.Parteikongress zu übernehmen (Beendigung des "Kriegskommunismus"; VICTOR SERGE S.154-157, 177), das konterrevolutionäre Moment, Beseitigung der Rätemacht und damit Diktatur der Arbeiterklasse selbst, aber erst recht rnithilfe dieses revolutionären Moments zu konsolidieren. Indem so das konterrevolutionäre Moment zum übergreifenden gemacht wurde (auch dies als nicht ganz klar und einfach zu periodisierender Prozess), vollzog sich mit Willen und Bewusstsein der bolshevikische Thermidor, später Brumaire usw. usf. Damit wird die Mittlerrolle des Staats / der Partei zum Selbstzweck, die Revolution entlässt ihre Kinder als Konterrevolutionäre, die ihre Eltern fressen; die Diktatur des Proletariats, soweit sie es dem Klassengehalt nach wirklich jemals war, wird ersetzt durch die Diktatur der bürgerlichen Partei und ihrer "Transmissionsriemen", durch einen bürgerlichen Staat, also wieder ganz und gar "Staat im eigentlichen Sinne", den Staat schlechthin, fertige Staatsmaschine, Boa Constrictor und schmarotzenden Auswuchs an der bürgerlichen, wieder und sich erneuernden bürgerlichen, Gesellschaft, mithin einen bürgerlichen Staat neuen Typs (in der SU nach LENlNS eigener Analyse letzter Hand noch dazu ein bürgerlich-zaristisches Gemisch), in welchem die Repräsentanten des proletarischen Elements und der kommunistischen Revolutionsperspektive "ersaufen wie die Fliege in der Milch", bevor ihre letzten Reste von der offenen Konterrevolution des bonapartistischen STALIN-Staats wie späte BABOUVISTEN gejagt und ausgerottet werden. Der zeternde Profet Bei diesem ganzen
Vorgang vom Weiterbestehen eines zwar "bürokratisierten" (- als ob
es auch nur eine Sekunde ohne Bürokratie gegeben hätte! Der "unbürokratische"
Gründungsakt der TsheKa ist das beste Beispiel von deren Dominanz
ab ovo des bolshevisierten "Sovjet"-Staats ...
VICTOR
SERGE S. 95f, 116ff),
"deformierten"
"Arbeiterstaats" (das ist begrifflich nichts als die Verengung des "Volksstaats"
auf die Arbeiter, und die definiert
LENIN
als "Arbeiter, vorgeschrittene Arbeiter, wir", also auch nur wieder die
Parteiarbeiter=Bürokraten selbst - deformiert ist hier lediglich der
Begriff des Staats!) zu sprechen, ist krampfhafter trotskistischer Selbstbetrug
und Betrug an eben den dieser Staatsräson zum Opfer freigegebenen
revolutionären kommunistischen Proletariern, denen man nach Bedarf
wie Trotski dem Kronstädter Proletariat zuruft: "Wir werden euch abknallen
wie die Karnickel." Der bewaffnete Profet hat damit genau der Entwaffnung
seiner eigenen Opposition den Weg vorgezeichnet und deren Abknallen in
den NKWD-Hinterhöfen und Komlntern- Schmutzecken von China bis Spanien,
was das Gezeter über den STALIN-Staat
von dieser Seite ebenso schrill wie unglaubwürdig klingen lässt.
(VICTOR SERGE über
TROTSKI,
mit
dem er in der SU zusammen kämpfte und verfolgt wurde:
Wenn nun, im
letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts der Konterrevolution, das trotzkistische
Sektenwesen zum ersten und letzten Mal seine historische Chance gekommen
glaubt, da es vermeintlich jenseits von gut und böse der leninistischen
Pseudorevolution das letzte Aufgebot stellt, ist das längst gefällte
Urteil über den tragischen "Profeten" zur Kenntnis zu nehmen, der
sowohl Geburtshelfer wie Totengräber des Sovjet als bedeutendster
gescheiterter Selbstregierungsform des revolutionären Proletariats
gewesen ist. Als "der deformierte Arbeiterstaat" SU im August 1968 mit
der einst von TROTSKI geschaffenen
"Roten Armee" und "Warschauer-Pakt"-Truppen die inzwischen ebenso "deformierte"
CSSR überfallen und okkupiert hatte, weil das dortige Proletariat
die Deformation endgültig satt hatte und u.a. mit einer offenen Kritik
des LENINismus begonnen hatte,
"weil
er logischerweise zum Stalinismus führt", wie es manche ausdrückten,
- da konnte die SITUATIONISTISCHE INTERNATIONALE vorläufig
urteilen:
"Die leninistische Illusion hat heute nur noch in den verschiedenen trotzkistischen Richtungen eine Basis, in denen die ldentifizierung des proletarischen Projekts mit einer hierarchischen Organisation der Ideologie unerschütterlich die Erfahrungen alt ihrer Ergebnisse überlebt. Die Distanz, die den Trotzkismus von der revolutionären Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft trennt, erlaubt ihm auch seine respektvolle Distanz gegenüber Positionen, die bereits falsch waren, als sie sich in einem wirklichen Kampf abnutzten. Trotzki blieb bis 1927 mit der hohen Bürokratie von Grund aus solidarisch und versuchte gleichzeitig, sich ihrer zu bemächtigen, um sie zur Wiederaufnahme einer wirklichen bolshevikischen Aktion im Ausland zu bewegen (es ist bekannt, dass er damals sogar verleumderisch seinen Kampfgefährten Max Eastman verleugnete, um mitzuhelfen, das berühmte 'Testament Lenins' zu verheimlichen, das dieser bekannt gemacht hatte). Trotzki wurde durch sehne grundlegende Perspektive verurteilt, denn im Moment, in dem die Bürokratie sich selbst in ihrem Ergebnis als konterrevolutionäre Klasse im Inland erkennt, muss sie sich auch dazu entscheiden, im Ausland im Namen der Revolution tatsächlich konterrevolutionär zu sein, so wie im Inland. Der spätere Kampf Trotzkis für eine IV.Internationale enthält die gleiche Inkonsequenz. Er hat sich sein ganzes Leben lang geweigert, in der Bürokratie die Macht einer getrennten Klasse anzuerkennen, weil er während der zweiten russischen Revolution ein bedingungsloser Anhänger der bolschevikischen geworden war. Als Lukács 1923 in dieser Form die endlich gefundene Vermittlung zwischen Theorie und Praxis zeigte, bei der die Proletarier nicht mehr 'Zuschauer' der Ereignisse sind, die in ihrer Organisation geschehen; sondern sie bewusst gewählt und erlebt haben, beschrieb er als tatsächliche Verdienste der bolschewikischen Partei all das, was die bolschewikische Partei nicht war. (...)" (GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. THESE 112) Pseudo-Entstaatlichung - Ob bewaffneter
oder unbewaffneter "Profet" oder Tribun, Führer der Klasse und der
Massen, Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuss, Generalsekretariat, Kommissariate
und Inspektion, TsheKa und "Wachhund der Revolution" (DSJIERSHINSKI)
-
die "Jakobiner mit dem Volk" sind aufgrund ihres eingefleischten Staatsfetischismus
- der "proletarische" Staat als Repräsentant, die Partei "des Proletariats"
als einziger Mittler (TROTSKI:
"Dampfzylinder")
der Revolution, wenn nicht ihr Schöpfer selbst (LENIN:
"Gebt
uns eine Organisation ... und wir werden ...") und jedenfalls als letztinstanzlicher
Heiliger Geist "Orthodoxie" (LENIN:
"
Der Marxismus ist allmächtig, weil er wahr ist.") - von vornherein
immer nur auf einem Weg: auf dem Weg der politischen Revolution
"bis ans Ende" (LENIN), d.h.
zur Verwirklichung des homme citoyen. Dieser ist aber die bloße
Kehrseite des homme bourgeois, und der Glaube an die trinitarische
Form (Grundeigentum, Kapital, Lohnarbeit als Quellen allen Reichtums)
seine Alltagsreligion. Die jakobinistische Staats-Religion ist die konzentriert
politische
Form dieses Fetischglaubens an die Fetischgestalten der bürgerlichen
Welt: ihre Projektion als Verkörperung des idealtypischen
homme
citoyen in Gestalt des verallgemeinerten staatsbürgerlichen Tugendmenschen,
der die ganze Abstraktion der Gesellschaft als Staat verinnerlicht
hat, und der die abstrakte, politische Gesellschaftlichkeit, Allgemeinheit
"lebt" - dient vom Sansculotten bis zu STAKHANOV,
dem Arbeitersoldaten TROTSKIS,
dem LEI FENG und Parteirebellen
MAO
ZEDONGS und dem Neuen Menschen aus POL
POTS "Altvolk" ... als
das ideelle Stimulans
staatsbürgerlicher Revolution i.S.v. radikaler "Demokratie bis ans
Ende".
"Realpolitik", Politik-Abstinenz oder revolutionäre Politik Das andere Gesicht
des Staatsfetischs ist der Sfäre des homme bourgeois, als dem
"Opfer", Objekt des homme citoyen, zugewandt: "soll" und muss doch
der Staat die ökonomische Sfäre in ihrem fundamentalen Zerrissensein
(Privateigentum der gesellschaftlichen Produktions- und Lebensbedingungen,
darauf beruhende Spaltung in Gesellschaftsklassen) bändigen, verklammern,
zusammenhalten und -zwingen, gewaltsam und friedlich-schiedlich zu einer
künstlich-naturwüchsigen, entfremdet-entfremdenden Einheit der
Gesellschaft vermitteln, zu einer abstrakten Gesellschaftlichkeit über
der wirklichen Gesellschaft. Da die kapitalistisch-verallgemeinerte Warenproduktion
ihre wachsenden und schliesslich antagonistischen Widersprüche produziert,
hat der moderne Staat die Funktion, diese Widersprüche als "geschäftsführender
Ausschuss der Kapitalistenklasse" und "ideeller Gesamtkapitalist" zu unterdrücken,
möglichst unsichtbar zu machen, als Grundmuster des roten Teppichs
der erweiterten kapitalistischen Reproduktion beständig auf dessen
Unterseite zu halten - wodurch er sie um so mehr verschärft und umschlagen,
auf die Oberseite treten lässt .
LUKÁCS zitiert nun MARX: ZUR JUDENFRAGE (MEW 1,368), wo dieser erstmals die politische Revolution, die revolutionäre Politik der Bourgeoisie kennzeichnet, "welche den politischen Staat als allgemeine Angelegenheit, d.h. als wirklichen Staat konstituierte" und damit die politische Sfäre schlechthin, den Staat schlechthin in seiner verallgemeinerten, modernen fertigen historischen Gestalt als zu vernichtendes Objekt und Angriffsziel für die kommende soziale Revolution der ganzen bürgerlichen Gesellschaft, ihren Menschen, ihrer Negation, dem Proletariat, von nun an gegenübersetzt. Diese Negation interessiert den gläubigen Leninisten LUKÁCS hier zwar nicht weiter, der dafür mit der positiv-wissenschaftlichen historisch-ontologischen Bestimmung revolutionärer politischer Notwendigkeit, Möglichkeit und Spielräume fortfährt und "den subjektiven Faktor" einbezieht, also im Vorfeld der historisch heranrückenden communistischen Aufhebung des Politisch-Rechtlich-Staatlichen verweilt; um so mehr interessiert uns Heutige gerade diese "Etappe"; der späteren Fragestellung von MARX (MEW 19, S.28): "Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn [= undergo: englisch für "durchmachen; durchlaufen"]?" - fügen wir hinzu: und wie wird es untergehn!? "In anderen Worten, welche gesellschaftlichen Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten", so setzt MARX selber an, spricht also von "dem zukünftigen Staatswesen der kommunistischen Gesellschaft" (indem er sich auf das Gerede vom Staat im sozialdemokratischen Programmentwurf, den er kritisiert, einen Augenblick lang terminologisch notgedrungen einlässt) als von einer bloßen Analogie! Damit ist von MARX noch zuletzt eindeutig dem Staatsfetischismus, der "in der demokratischen Republik das Tausendjährige Reich sieht", der Todesstoß versetzt: da die historisch notwendige Diktatur des Proletariats ihre Staatlichkeit zu nichts anderem als der revolutionären Umwandlung der kapitalistischen in die kommunistische Gesellschaft einsetzt, setzt sie diese logisch und historisch für ihre Selbstaufhebung eben als Staat ein, d.h. ihre Tätigkeit als politische Übergangsperiode besteht in nichts anderem als der Umwandlung des noch verbliebenen Staatswesens in bloß noch irgendwie staatsanaloge Funktionen kommunistischer Gesellschaftlichkeit. Zusammen mit Politik und Staatlichkeit wird in dieser Übergangsfase das gleiche, d.h. bürgerliche Recht aufgelöst, mit seiner Aufhebung in die kommunistische Fase "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (MEW 19, S.21) verschwindet aber nicht nur das gleiche Recht, als notwendiger Maßstab für gleiche Quanta abstrakter Arbeit, der Form nach, sondern zugleich damit seine Kehrseite als (angesichts der naturgemäßen Ungleichheit der konkret Arbeitenden) "Recht der Ungleichheit, seinem Inhalt nach, wie alles Recht": d.h. Aufhebung jedes Rechts als historischer Eigensfäre, bis auf analoge rudimentäre Funktionen. |
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