KOMMUNISTISCHE
STREITPUNKTE
- Zirkularblätter - Nr. 2
- 21.01.1999 - Onlineversion
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Zwi Schritkopcher |
Dezember
1998
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Staatspolizeiliche
Einzwängung des Konkurrenzkampfes als Übergang zur Anarchie des
Plans
Auch hier sind
die bolshevikischen Repräsentanten des Proletariats konsequente Jakobiner,
wie KARL MARX sie schildert:
Aus dem Revolutionssturm
1920/21 berichtet VICTOR SERGE:
"Der Kriegskommunismus' konnte etwa so definiert werden:
In der staatsmonopolistischen
Umklammerung durch eine "omnipotente" Bürokratie müssen sich
hierbei die ökonomischen Gesetze der kapitalistischen Konkurrenz in
spezifisch gebrochenen Formen durchsetzen, welche die Forschung erst allmählich
rekonstruieren kann: wie sich konkret die Konkurrenz unter voneinander
getrennt gesellschaftlich Produzierenden in einem künstlichen Repräsentationsmonopol
hinter und über ihrem Rücken jeweils vollzieht: als gebrochene
Wirkung der Konkurrenz in einer staatssozialistischen Warenproduktion,
deren Resultat es auf spezifische Weise ist:
Und schliesslich
möchten die Apologeten des "Realsozialismus" bzw. der automatischen
Übergangsgesellschaften die krasseste dort waltende Konkurrenz nicht
wahrhaben (und benennen sie deshalb gewöhnlich mit dem Euphemismus
"sozialistischer Wettbewerb"): "die Konkurrenz der Arbeiter unter
sich ist nur eine andre Form der Konkurrenz der Kapitalien" (Grundrisse
544)
Die spezifisch "sozialistische" Warenproduktion, der ihr dienende "Wettbewerb" beliefen sich im Endeffekt nur noch auf die erweiterte Reproduktion des konzentrierten Bildes von sich, dieser staatskapitalistischen Gesellschaft selbst, als krampfhaft "sozialistischer" Fiktion, als Fälschung einer proletarischen Revolution usw., und wurden damit spektakulär (Auch das staatsmonopolkapitalistische, konzentrierte Spektakel ist "das Kapital, das einen solchen Akkumulationsgrad erreicht hat, dass es Bild wird." GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. THESE 34 (S.16) Die spektakuläre Warenproduktion nimmt hier nur eine besondere, kompensatorisch zugespitzte, auf den Staatskultus bezogene Form an). Konzentriertes SpektakelWiederum steht "die KP" notwendig im Zentrum der spektakulär "sozialistischen" Warenproduktion, denn sie ist das Bild des Proletariats-als-Repräsentiertem, der Gesellschaftlichkeit als Staatlichkeit, welches Bild aus Bildern permanent erneuert und restauriert, retuschiert reproduziert werden muss: es geht eben nicht um irgendeine Ware, sondern um eine "sozialistische" Ware, "sozialistisches Kapital", "sozialistische Lohnarbeit, "sozialistischen Staat" usw. usf. (im MANIFEST DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI wird so der Bourgeois-Sozialismus gekennzeichnet:"Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Arbeit nichts ändern (...) Freier Handel! im Interesse der arbeitenden Klasse; Schutzzölle! im Interesse der arbeitenden Klasse; Zellengefängnisse! im Interesse der arbeitenden Klasse: das ist das letzte, das einzige ernstgemeinte Wort des Bourgeoissozialismus. Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, dass die Bourgeois Bourgeois sind - im Interesse der arbeitenden Klasse." MEW 4, 489) Schon die LENINistische "revolutionäre Ideologie" besteht aber in der permanenten Rhetorik, dass die KP als Repräsentation der Arbeiterklasse, als Besitzerin des reinen, unverfälschten Bildes der revolutionären Arbeiterklasse und als orthodoxe Hüterin der Reinheit der Arbeiterklasse keine Bourgeoisie und auch keine Bürokratie sei, sondern schlicht die absolute Führung der Gesellschaft, ihre unumschränkte Besitzerin (siehe GUY DEBORD: ... SPEKTAKEL ... THESE 98): das einzig permanent anzuschauende und zu verinnerlichende Bild des Proletariats von sich selbst. Diesem Selbstzweck-Ziel dient auch die "sozialistische" Warenproduktion - subjektiv, indem ihre Herstellung objektiv gerade die historische Mission der Parteistaatspartei ist: "um die brutalste ursprüngliche kapitalistische Akkumulation der Geschichte durchzuführen." (G.DEBORD, THESE 104) Das heisst: diese spektakuläre Struktur ist ontologisch (= seinsmäßig, historisch-genetisch) keinen Augenblick von der ökonomischen Basis losgelöst, der sie entspringt (DEBORD heisst nicht BAUDRILLARD)! Diese "KP" ersetzt bzw. verkörpert eine Bourgeoisie, die ununterbrochen das Bild ihres Verschwindens organisiert. Damit bleibt sie Bürokratie: "die Bürokratie, die als einzige Eigentümerin eines Staatskapitalismus übriggeblieben war" (G.DEBORD, THESE 104) und - noch bis zur "Großen Proletarischen Kulturrevolution" unter MAO ZEDONG - auch am Bilde des Verschwindens der Bürokratie arbeiten lässt ... Aber klassisch die "Industrialisierung der stalinistischen Epoche enthüllt die letzte Realität der Bürokratie: Sie ist die Fortsetzung der Macht der Ökonomie, die Rettung des Wesentlichen der Warengesellschaft durch die Aufrechterhaltung der Arbeit als Ware. (...) Die totalitäre Bürokratie ist ( ... ) lediglich eine herrschende Ersatzklasse für die Warenwirtschaft. Das schwach werdende [défaillante] kapitalistische Privateigentum wird durch ein vereinfachtes, weniger diversifiziertes, als kollektives Eigentum der bürokratischen Klasse konzentriertes Nebenprodukt ersetzt. Diese unterentwickelte Form einer herrschenden Klasse ist auch der Ausdruck der ökonomischen Unterentwicklung und kennt nur die Perspektive, diesen Entwicklungsrückstand in bestimmten Regionen der Welt aufzuholen. Die nach dem bürgerlichen Modell der Trennung [vom Proletariat] organisierte Arbeiterpartei hat für diese Ergänzungsaufgabe der herrschenden Klasse den hierarchisch-staatlichen Rahmen [cadre] bereitgestellt. ( ... ) Die revolutionäre Ideologie [hier nur i.S.v.: verkehrtem, falschem, kopfstehendem, verzerrtem Bewusstsein], d.h. die Kohärenz des Getrennten - dessen größte voluntaristische Anstrengung der Leninismus bildet - , welche die Verwaltung einer Realität innehat, die sie abweist, wird mit dem Stalinismus wieder zu ihrer Wahrheit in der Inkohärenz gelangen. In diesem Moment ist die Ideologie keine Waffe mehr, sondern ein Ziel. Die Lüge, die nicht mehr widerlegt wird, wird zum Wahnsinn. In der totalitären ideologischen Proklamation ist die Realität ebenso wie der Zweck aufgelöst: alles, was sie sagt, ist alles, was sie ist. Sie ist ein lokaler Primitivismus des SpektakeIs, dessen Rolle jedoch in der Entwicklung des WeltspektakeIs wesentlich ist. Die Ideologie, die sich hier materiatisiert, hat nicht die Welt ökonomisch verändert wie der zum Stadium des Überflusses gelangte Kapitalismus: sie hat lediglich die Wahrnehmung polizeilich verändert. Die machthabende totalitär-ideologische Klasse ist die Macht einer verkehrten Welt: je stärker sie ist, um so mehr behauptet sie, dass sie nicht existiere, und ihre Stärke dient ihr allererst zur Versicherung ihrer Nichtexistenz. Nur in diesem Punkt ist sie bescheiden, denn ihre offizielle Nichtexistenz muss auch mit dem nec plus ultra der geschichtlichen Entwicklung zusammenfallen, das man gleichzeitig angeblich ihrem unfehlbaren Kommando verdanken soll. Die überall zur Schau gestellte Bürokratie muss für das Bewusstsein die unsichtbare Klasse sein, so dass das ganze gesellschaftliche Leben verrückt wird. Die gesellschaftliche Organisation der absoluten Lüge folgt aus diesem grundlegenden Widerspruch." (GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. aus THESEN 104,105,106) Weltkapitalistische Katastrofe, Deutsche Misere, linke AbwehrDie westliche Linke ist bis heute auf das mythische Bild vom "Realsozialismus" fixiert, sie klebt noch an der Schau wie an der Unsichtbarmachung der bürokratisch-kapitalistischen KP-Bourgoisie-Repräsentanten (unsichtbar gemacht und zur Schau getragen in den diversen lkonen von LENIN & TROTSKI bis CHE & FIDEL ... , ja noch in der zur leeren Projektionsfläche umgestülpten Maske eines Commandante ... ). Die Glaubenssucht an den roten Stern, diese Sfinx und Venus des jakobinistischen Flügels der bürgerlichen Gesellschaft, der "revolutionäre" Katastrofenangst und Rettungsgewissheit versinnbildlicht, wurde in der tatsächlichen Katastrofe der historischen Niederlage der proletarischen communistischen Revolutionsbewegungen im 20.Jahrhundert erneuert und verzweifelter denn je hervorgebracht: als die Geburt der spektakulären Warenökonomie auch die interessierte Illusion an der "realsozialistischen", "linken" Scheinalternative als Nachgeburt auf die Welt brachte. Bis heute weigert sich die westliche Linke zu sehen was sie sieht, sich bewusst zu machen was das heisst: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung zwischen den beiden Kriegen wurde durch das vereinte Wirken der stalinistischen Bürokratie und des faschistischen Totalitarismus, der seine Organisationsform der in Russland erprobten totalitären Partei entlehnt hatte, vernichtet." (G.DEBORD, THESE 109)Mit diesem Vernichtungswerk verbunden war die Vernichtung der europäischen Juden durch das kapitalistische Deutschland, in der sich die Katastrofe des Jahrhunderts, des Jahrtausends, schlechthin manifestiert (shoah). VICTOR SERGE sprach als von "dem grausamsten und verhängnisvollsten Verbrechen unserer Zeit": "Hier wurde der Begriff des Menschen, wie er in Jahrtausenden der Zivilisation erworben worden ist, in Frage gestellt." "Niemand vermag heute die politischen, sozialen, psychologischen Konsequenzen zu ermessen. Die Seele des Menschen wird die Spuren davontragen; und dazu hat eine von wenigen Menschen beschlossene Maßnahme genügt." (ERINNERUNGEN EINES REVOLUTIONÄRS, S.426f) Die Einzigartigkeit dieser mit unvergleichlicher deutscher Gründlichkeit exekutierten Katastrofenhaftigkeit des modernen Kapitalismus ist aus ihrer eigenen Qualität (und Quantität auch) klar und kann niemals aus der Welt, der Geschichte geschafft werden; die deutschen Richter- und Henker-Typen waren es, die in der Vorgeschichte der Menschheit das - bislang - konzentrierteste, infernalischste Exempel an der Menschengattung selbst statuiert haben, mit dem zugleich der Kapitalismus als Subjekt, als mit Willen und Bewusstsein handelndes (deutsches) Menschenkollektiv, das Exempel an seinem wirklichen Todfeind - dem revolutionären Proletariat und an seinem fantasmatischen Feindbild "dem Juden" als Projektionsfigur "des Geldmenschen", der abstrakten Gesellschaftlichkeit (abstrakter Arbeit - Vgl. MOISHE POSTONE 1979) und der revolutionären Weltverschwörung - statuiert hat. Der deutsche Kapitalismus hat also das Exempel an der Gattung (rassistisch, normalistisch), am revolutionären Proletariat (antikommunistisch, antirevolutionär) und am Judentum (antisemitisch mit allen Bedeutungsinhalten) statuiert: so sind Antikommunismus, Antisemitismus und Gattungsfeindschaft unlösbar miteinander verbunden. Diese moderne kapitalistische Dreifaltigkeit ist natürlich nicht nur in der deutschen Kulturregion und Mentalität zu verorten, wo sie der historischen Deutschen Misere entsprechend den einzigartigen furor teutonicus gegen und für die Welt der kapitalistischen Modernisierung entfesselt hat (Deutsch sein heisst eine Sache um ihrer selbst willen tun.); so beobachtete VICTOR SERGE an dem stalinistischen Furor das Ähnliche: "Dieser als ununterbrochenes Hetzgeschrei [über "Schädlinge", "Faschisten", "Spione", "trotzkistische Agenten" etc., kurz.- "Feinde des Volkes"] wohlorganisierte Wahnsinn( ... ) stand, seiner psychologischen Natur nach, genau auf dem selben Niveau wie die Nazi-Agitation gegen "die jüdisch-freimaurerische Plutokratie, den Marxismus, den Bolschewismus" und - manchmal - gegen "die Jesuiten". Wir wohnten der Entstehung von Kollektivpsychosen bei, wie sie das Mittelalter gekannt hat, und der Bildung einer Technik der Erstickung des kritischen Sinnes, den der moderne Intellekt so mühsam erworben hat. Irgendwo in 'Mein Kampf' stehen 20 Zeilen des vollendetsten Zynismus über die Nützlichkeit der kraftvoll angewandten Verleumdung. ( ... ) Die unerwartete, ungeheuerliche Behauptung überrumpelt den Durchschnittsmenschen, der es nicht fassen kann, dass jemand imstande sei, derart zu lügen. ( ... ) In keinem Falle handelt es sich darum, zu überzeugen; es handelt sich letzten Endes darum, zu töten." (V.SERGE, S.380f) In der Intensität, Konsequenz, Systematik, Qualität dieses Ausmerzungswillens gegen die "Volksfeinde" - nicht in seinem kapitalistischen Modernisierungsmotiv für den säuberungs- und akkumulationsbesessenen jeweiligen National-"Sozialismus" und auch nicht in der quantitativen Dynamik - lag der entscheidende Unterschied zwischen dem KZ-System des NS und dem GULag-System der SU. Dies bezeugt z.B. auch JEVGENINA GINSBURG, die das schlimmste stalinistische Lager, auf der Halbinsel Kolyma, überlebt hatte: "Die Besonderheit unseres Infernos von Elgen bestand darin, dass das Eingangstor nicht die Aufschrift trug: Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren. Im Gegenteil, die Hoffnung war immer da. Man brachte uns nicht in die Gaskammern oder an den Galgen. Wohl gab es Arbeiten, die den sicheren Tod bedeuteten, aber bei anderen konnte man durchaus überleben. Die Chance dafür war zwar weitaus geringer als die zu sterben, aber es gab sie wenigstens - schemenhaft, flackernd wie eine Kerze im Wind, war sie immerhin ein Hoffnungsschimmer. Und wo Hoffnung ist, gibt es auch Angst. ( ... ) " (J. GINSBURG: GRATWANDERUNG. MÜNCHEN 1984, S.99) Oder wie sie (Kommunistin jüdischer Herkunft) die anlaufende realsozialistische Judenverfolgung an ihrem Verbannungsort mitbekommt: "Am nächsten Tag, als ich die Zeitung aufschlug, fand ich den Bericht über die Mörder im weissen Kittel. Was nun folgte, war bisher unbekannt in Kolyma. Zum ersten Mal drang die Pest des Antisemitismus bis zu unserem fernen Planeten vor. Bisher waren wir für die oberen eine homogene Spezies gewesen. Wir wurden auf der Basis voller nationaler Gleichheit geschunden, ohne dass bei den Märtyrern nach 'Juden oder Griechen' [PAULUS-BRIEF AN DIE KOLOSSER] unterschieden wurde, sozusagen. Sogar die anti-kosmopolitische Kampagne von 1949 war an uns vorübergegangen. ( ... ) In dieser Hinsicht war Kolyma beschämend weit zurückgeblieben. Erst jetzt, 1953, besann man sich und begann mit der 'Regulierung der nationalen Bevölkerungsstruktur'. Der Leiter der Sanitätsverwaltung rannte eines Tages wie von der Tarantel gestochen im Krankenhaushof umher und schrie: 'Und der Gorin - ist der nicht Jude? Und der Walter - ist der nicht Jude? Wer ist hier noch alles Jude?' ( ... ) " (S.406) Es ist nicht nur die "russisch-patriarchalische Gemütlichkeit", der man die zaristische Vorgeschichte auf Schritt und Tritt anmerkt, die die "sovjetische" konterrevolutionäre Barbarei in ihren besonderen Formen, abgesehen natürlich von der gesamten "fortschrittlichen" Modernisierungsfraseologie und "kommunistischen" Teleologisierungsideologie, mit der preussisch-deutschen offenen und enthemmten Modernisierungsreaktion des Nationalsozialismus völlig unvergleichbar macht, letzlich macht die verschiedene "Ökonomie-der-Zeit" in beiden Systemen den Unterschied der konterrevolutionären Qualität aus, die wirklich nur noch rasende deutsch kapitalistische Arbeitsmentalität: der durchgedrehte allesdurchdringende dalli-dalli-Ton der geölten Megamaschinerie der deutschen Menschenvernichtung-durch-Arbeit und Arbeit-für-Menschenvernichtung ist in der Geschichte einzigartig. Durchs NS-Deutschland hat das Kapital, noch nicht blut- und schmutztriefend genug, der Weltgeschichte ein singuläres, grell blitzartiges Zeichen gesetzt: frei gemacht werden durch Lohn- und Zwangsarbeit heisst hier: Lasst alle Hoffnung fahren. Seitdem ist der Kapitalismus in sein katastrofisches Stadium übergegangen. Das ist die neue Qualität, die Steigerung, der epochale Karakter der "allgemeinen Krise des Kapitalismus". Klarsichtig schrieb damals der Historische Materialist WALTER BENJAMIN: "Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Dass es >so weiter< geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene. ( ... ) - : die Hölle ist nichts, was uns bevorstünde - sondern dieses Leben hier." (aus dem PASSAGENWERK: "-THEORIE DES FORTSCHRITTS", ENDE 1930er) Diese kapitalistische Grundbefindlichkeit ist mit der Durchsetzung, Vollbringung der nationalsozialistischen (= staatsmonopolkapitalistischen) Modernisierungsmaßnahmen in keiner Weise beseitigt, sondern mit der Nachkriegs- und dann "postfordistischen" Kapitalismusgestalt nur unvorstellbar aufgequollen, indem sie die Blüten der ungeheuersten Warensammlung zugleich mit ihren immer verschärfter antagonistischen Widersprüchen hervortreibt. Schon 1963 formulierten die Situationisten klassischbezeichnend für den Ausgang des kapitalistischen Jahrhunderts: "Wo sind die Verantwortlichen, diejenigen, die niederzuwerfen sind [les hommes à abattre]? Ein System, eine abstrakte Form ist es, die uns beherrscht. Der Grad der Menschlichkeit und Unmenschlichkeit wird nach rein quantitativen Variationen der Passivität gemessen. Die Qualität ist überall dieselbe: wir sind alle proletarisiert oder sind dabei, es zu werden. ( ... ) Welche Partei hat das Ende des Proletariats in ihrem Programm? Die Perspektive eines [bloßen] Überlebens ist unerträglich geworden. Was wir ertragen, ist das Gewicht der Dinge in der Leere. Die Verdinglichung ist nichts anderes - ( ... ) Die Welt der Verdinglichung ist eine Welt ohne Zentrum, wie die neuen Städte, die deren Szenerie bilden. Die Gegenwart tritt vor dem Versprechen einer ewigen Zukunft zurück, die nur die mechanische Fortsetzung der Vergangenheit ist. Die Zeitlichkeit selbst ist des Zentrums beraubt. In diesem KZ-Universum [univers concentrationnaire], in dem Opfer und Folterknechte dieselbe Maske tragen, ist allein die Wirklichkeit der Torturen authentisch. ( ... ) Der Antagonismus, den die S[ituationistische] I[nternationale] jetzt erneuern will, ist der älteste, den es gibt - es ist der radikale Antagonismus, und aus diesem Grund nimmt er all das wieder auf, was die Aufstandsbewegungen oder die bedeutenden Individualitäten im Laufe der Geschichte aufgegeben haben." (S.I. Nr.8, dt.II, 56f bzw. 147) Bekanntlich ging von der situationistischen Erneuerungsaktivität, vor allem in der theoretischen Praxis, ein Impuls auf die proletarische Halbrevolution des französischen Mai 1968 aus, von der ideellen, theoriepraktischen Fortwirkung erst einmal nicht zu sprechen.- Wie stellt sich in unserem Stadium des globalen "Konzentrationsuniversums", der kapitalistischen Fortschrittsdialektik der Katastrofe gegenwärtig das Element des Negativen, Destruktiven zu diesem Dauerzustand dar, das weitergehende Proletariat also, und wie das bewusstere Element, das sich als "radikal links" versteht oder sogar als 'kommunistisch" begreift - macht es sich die Katastrofe klar, um sie bewusst wahrzunehmen als Möglichkeit des (in der alten griechischen Wortbedeutung:) Umwendens' Umwälzens, Umgrabens' um ihre eigene Kontinuität durch ihre eigene Dynamik/Dýnamis zu durchbrechen? DANIEL DOCKERILL's 12 THESEN sprechen übers Proletariat und die Linke in eigentümlichem Dualismus. (Wird in diesen Überlegungen noch nicht behandelt.) Anstatt auf die Selbsttätigkeit und aneignende Aktivität des weiter und weiter prozessierenden Proletariats, dessen Teil sie ja objektiv an-sich ist, zu setzen und in ihm an der bewussten Dialektik von Theorie/Praxis zu arbeiten, richtet sich die Linke nach wie vor in der passiven Kontemplation ihrer verschiedenen "Scenes' ein und setzt auf irgendeinen Staat, auf den "gerechten" Staat, eine "gerechtere" Welt, auf ihr "Recht auf Utopie" und auf die Utopie des Rechts; statt aktiv sich in den revolutionären Proletariats-Parteibildungsprozess aufzulösen, ist sie immer mehr zur Salzsäule erstarrt im "Abschied vom Proletariat", dem Bild, dem sie von ihm im Guten wie im Bösen nachhängt in der mythologisierten Vergangenheit. Als 1936, mitten in der Kette jener Katastrofen, VICTOR SERGE aus einem der inneren Kreise der konterrevolutionären Hölle in der SU knapp entronnen nach Frankreich kam, fand er dort in der gesamten Linken diese kennzeichnende Fixierung auf das im Osten konzentrierte Spektakel vor: damals "entstand eine Bezeichnung für das Gefühl von Kraft und Vertrauen in die Zukunft, das die Volksfront hatte entstehen lassen: eine 'Euphorie', sagte man." (ERINNERUNGEN ... S.370) Als einziger von seinen revolutionären Freunden riet ihm damals BORIS SOUVARINE, über die SU nicht euphorisch sondern ikonoklastisch zu berichten, "die nackte Wahrheit, so stark wie möglich, so brutal wie möglich! Wir erleben einen Ausbruch gefährlicher Dummheit!" Doch alle anderen, die pro"sovjetisch", pro-"KP" gestimmten Linken unisono: "Schreiben Sie nichts über die SU, es wäre zu bitter ... Es ist die Geburtsstunde einer Hoffnung ohne Grenzen! ( ... ) Für sie [nämlich den populären mainstream um die Volksfront-Bewegung, kurz: die ganze Linke] bleibt die SU ein reiner Stern. Ausserdem würde man Ihnen nicht glauben ..." (V.SERGE S.367) Wenige revolutionäre Communist/inn/en arbeiteten mit ihm beharrlich gegen die Vielzahl von Fälschungen an, die das Bild der SU als Vaterland der Werktätigen etc., als "unser Verbündeter" bis zur Vollendung der Katastrofe reproduzierten: "Die entsetzliche Maschine funktionierte weiter, die Intellektuellen und die Politiker wandten sich von uns ab, die Meinung der Linken war stumm und blind. ( ... ) Manchmal rief ich ihnen selbst erbittert zu: 'Erklären Sie mir doch das Gewissen der großen Intellektuellen und der westlichen Parteiführer, die das alles schlucken, Blut, Absurdität, Führerkult, ein demokratisches Grundgesetz, dessenn Verfasser man sofort erschiesst!'" (V.SERGE, S.376) Stumm und blind ist insbesondere die BRD-Linke in ihrem nachhaltigen apologetischen Affekt auch heute noch, verbiesterte deutsche Meister im Verdrängen. Mit irgendeiner Variante des "Abschieds vom Proletariat" wurde die eigene Proletarisierung verdrängt; die keineswegs revolutionäre Vergangenheit und Zukunft des Irrealsozialismus pflegt man mit der Beschwörung von "Antikommunismus" abzuwehren. Die genuin deutsche Fertigkeit im Verdrängen jedoch hat uns als BRD-Linke zu speziellen Abwehrkünstler/inne/n gemacht: als "Neue Linke" in den Sixties entstanden, gehörte die doppelte Entlastung von der mental-historischen Schuldverstrickung in die Deutsche Misere zur entscheidenden Funktion des Links-"Radikalseins" der ersten Generationenfolgen nach den NS-Elterngenerationen. Wer sich mit dem historischen Hauptfeind der Alten apologetisch identifizierte: "den Kommunisten", der SU (oder "Rotchina"), der/die stellte sich automatisch auf die Seite der Opfer des NS, evtl. sogar am eigenen "Leibe" bis hin zum "Berufsverbot"... So konnte relativ einfach die wirkliche, schmerzhafte, langwierige und echt radikale Auseinandersetzung mit der individuellen und "kollektiven" Schuldhaftigkeit in der weitergehenden Deutschen Misere vermieden werden: man/frau stand ja per Entscheidung fortan stets auf der richtigen Seite. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, oder so ähnlich. Kein Wunder, dass der stereotype Anti-"Antikommunismus"-Reflex die typischen BRD-Linken alle und jegliche Wirklichkeit des Irrealsozialismus von vornherein nur vermittelt über den Vergleich mit dem NS-Syndrom wahrnehmen lässt, und zwar gerade so, als wäre die Anerkennung der Existenz eines GULag-Systems etc. per se tendenzielle Auschwitzleugnung. Auf diesen Pawlowschen Reflex, der in Deutschland nur ganz besonders "hysterisch" ausgeprägt ist, spekuliert genau auch ein STÉPHANE COURTOIS mit seiner tendenziell antisemitischen und kriminalisierend antikommunistischen Funktionalisierung des Materials für das SCHWARZBUCH ... - Die zweite Entlastungsfunktion für BRD-Linke lag und liegt in der Möglichkeit weiterer Verdrängung besonders barbarischer und grausamer Massenbehandlung durch besondere historische Herrschaftsformen der bürgerlichen Gesellschaft. Das Entsetzliche am Gestus (z.B. auch in den 12 THESEN ZUR KP) anti-"antikommunistischer" linker Schreibe (typisch für Publikationsorgane wie konkret z.B.) ist die Fühllosigkeit, das Desinteressement gegenüber dem Leiden, das den Menschen (- "dem Menschen", wie mit KARL MARX oder den Situationisten, darf man ja sowieso nicht mal denken in einer Linken, für die der "Antihumanismus" des Strukturleninisten ALTHUSSER zum verbindlichen akademischen Befähigungsnachweis autonomer Korrektheit gehört) von solchen bürgerlichen Durchsetzungsregimes angetan worden ist. Da wird noch um jedes gefälschte oder gegenseitig hin- und hergeschobene Foto, um jede Ziffer mit einer Inbrunst gefeilscht und gepokert, die mit ihrer triumfierenden Pose immer wieder verrät, dass es ihr kein bisschen um die historische Wahrheit (für die solche Massengräberarbeit selbstverständlich nötig und ehrenwert, ja revolutionär ist) sondern ums Hinüberschieben, Loswerden der gewissermaßen "eigenen" Hekatomben geht. Als wäre mit dem Nachweis einer Fotofälschung, einiger Nullen zuviel usw.usf. die ganze Wirklichkeit der GULag-Gesellschaft rehabilitiert, ihr wahres Bild schon "wieder" hergestellt. Das Feindbild stimmt nach jedem dieser vermeintlichen Siege über den "Antikommunismus" = NS schon tendenziell wieder für dieses linke deutsche ideologische Bewusstsein. Tatsächlich ist der Feind lediglich halbiert worden: und sei es, dass "der Realsozialismus", weil er sich so nannte, als das immerhin kleinere Übel dasteht. Diese ur- sozialdemokratische Bewusstseinslage der falschen Alternative, die ur-bürgerliche Situation der demokratischen Scheinwahl zwischen zwei Übeln, ermöglicht diesen pseudoradikalen Linken mindestens dreierlei: das deutschgewohnte weitere "problemlose" Verdrängen der menschlichen und proletarischen Opfer "auf der richtigen Seite" (weil nicht sein kann, was nicht sein darf; weil zur Regel eben auch Ausnahmen gehören; weil Späne fallen wo gehobelt wird; kurz: weil sowas erstens gefälscht, erstunken und erlogen sein muss und zweitens eben historisch notwendig war - und sein wird!); zugleich das Ausleben - vorerst in der Rhetorik - der sadistischen Impulse, die nur bei den "Antikommunisten" schuldbesetzt sind: bei den Prokommunisten aber sind sie ja nicht nur gestattet sondern historisch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft "leider" notwendig, ja sogar mehr als "gerecht". (Die Weltgeschichte ist das Weltgericht - so HEGEL, SCHILLER, BUKHARIN und manch andere terroristisch-teleologischen Geschichtsfilosofen des Bürgertums jakobinistischer Provenienz..- Bei DANIEL DOCKERILL verwundert die einsinnige Zuspitzung seiner THESEN ausgerechnet auf die Notwendigkeit (!!) der Ausdehnung des Arbeitszwangs auf "die Kapitalisten" und überhaupt auf jeden letzten Winkel der modernen Gesellschaft - damit diese nicht noch schneller zusammenbricht als die russische Wirtschaft unter dem Regime der BOLSHEVIKI - ebenso, wie die einstweilige Milde und "Gerechtigkeit" dieser seiner Arbeitslagerutopie fürs 21.Jahrhundert uns fürs erste erleichtert ... - TROTSKI gibt gewiss für alle terroristischen "Notwendigkeits"-Szenarios das klassische Bild und wohl auch die aktuelle lkone her, in der eine ausglühende neobolshevikische Durchmarschfantasie ihr LENINistisches Sichhinwegsetzen, ihren jakobinistischen Drang, übers konkrete, reale Proletariat und sonstwelche unwilligen Massen als einer Vendée hinwegzuschreiten, unbewusst als Ranküne am deutschen, westlichen "total verspiesserten" Proletariat, "das die bolshevikische Revolution im Stich gelassen hat" und "antikommunistisch" immer wieder verrät, auf dem Papier exekutieren kann. Aber das linke Unbewusste, das aus dieser Wunschprojektionsfigur eine allzu deutliche Sprache spricht, lässt sich am besten in den Worten des Ur-Jakobiners SAINT-JUST - mit dem man TROTSKI zu seiner Genugtuung auch verglichen hat -, dem Zeitgenossen des MARQUIS DE SADE als radikalster Citoyen, ausdrücken: "Je marcherais volontiers au milieu des bourreaux les pieds dans le sang et dans les larmes".) Drittens aber dient dieser linke Abwehrmechanismus der Perpetuierung der linken Ohnmacht, richtiger: der Ohnmacht des communistisch-revolutionären Elements in- und ausserhalb der Linken. Denn die Negativfixierung auf die "antikommunistische" Rhetorik lähmt und absorbiert das revolutionäre Element, hält es in der Passivität, in der Bornierung des permanenten bloßen Reagierens aufs Spektakel der Anti-Utopie fest (- d.h. die Reaktion sagt z.B.: "Der Kommunismus = die Utopie; also nie wieder Utopie!" - unsere Linken daraufhin: "Es lebe die Utopie! Wir lassen uns nicht auch noch unser bisschen Utopie wegnehmen!!" Revolutionäre Aufgabe der Communist/inne/n ist es selbstverständlich, wissenschaftlich und ad hominem zu zeigen, dass und wie die proletarische Revolution und communistische Realbewegung alles andere als utopisch sind. Die Reaktion fabriziert verstärkt Bilder einer Notgemeinschaft der "sozialen Gerechtigkeit". Daraufhin bereichern unsere Linken emsig dieses Gerechtigkeitsspektakel mit mehr oder minder reformistisch-utopistischen Gerechtigkeitstüfteleien möglichst in Mark und Pfennig (siehe z.B. aktuell die "Existenzgeld"-Forderung, vor allem aber ihre Begründungen) und führen sie gegen die revolutionäre Aufgabe ins Feld, "schon" hier und heute die realen Möglichkeiten communistischer Produktion und Verteilung zur Debatte zu stellen (was das Ansetzen an strategischen Minimalforderungen und -maßnahmen ja keineswegs aus- sondern vielmehr einschliesst ... ).- Oder: Seit die Bourgeoisie zur immer offeneren Propagierung von direkter Zwangsarbeit neben der Lohnarbeit übergeht, weil nur Arbeit frei macht von der Arbeitslosigkeit, floriert spiegelverkehrt dazu in der Linken die Vision von der "Abschaffung der Arbeit!", den unglücklichen Arbeitslosen werden die glücklichen zugesellt ... Dieses arbeitsteilige Spektakel der Konfusion ist direkt gegen die Ansätze proletarisch-communistischer Wahrnehmung der Möglichkeit zur Emanzipation der menschlichen Arbeit gerichtet - Befreiung von der Waren-/Lohn-Form, die sie als letzte historische Erscheinung der Zwangsarbeit das Kapitalverhältnis reproduzieren lässt ... - An diesem letzten aktuellen Beispiel ist besonders deutlich, wie das Kleben an der dualistischen Pseudonegation der spektakulären Immanenz die vielbeschworene "linke Politik" zur Ohnmacht der unmittelbaristischen Reaktion-auf-die-Reaktion, d.h. zur Verdoppelung der herrschenden Reaktion durch ihr linkes Spiegelbild verdammt). Der Anti-"Antikommunismus" entspringt und dient nichts anderem als der warenspektakulären, kontemplativen Grundfigur linker Passivität. Im Bescheidwissertum und Besserwissen linker Spezialisten auf der Tribüne und dem Forum des Anti-"Antikommunismus" erschöpft man sich selbstgefällig und fertigmacherisch im Denunzieren von Details des Terrors der bürgerlichen Geschichts-Welt, deren Einspeisen ins umso abschreckendere, konterrevolutionärere Spektakel der Bagatellisierung (ob NS- "oder" SU-System für den Gattungswerdungsprozess verheerender, "singulärer" waren ... ) nur die Wahrnehmung, das Begreifen des Ganzen blockiert und die bewusste communistische Aktivität durch "antiantikommunistische" passive Wahl zwischen zwei kapitalistischen Durchsetzungsregimes ersetzt. "Das zuschauende Bewusstsein, als Gefangener eines verflachten Universums, das durch den Bildschirm des Spektakels beschränkt ist, hinter den sein eigenes Leben verschleppt worden ist, kennt nur noch die Scheingesprächspartner, die es einseitig mit ihrer Ware und der Politik ihrer Ware unterhalten. Das Spektakel in seiner ganzen Ausdehnung ist sein eigenes 'Spiegelzeichen'".(GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. THESE 218). Das Spektakel der Anti-Utopie, des Anti-"Kommunismus", d.h. die spiegelsymmetrisch reproduzierten Bilder von der wirklichen Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt, als utopisch, d.h. "nirgendwo" real und nur um den Preis vernichtenden Terrors gegen die Realität realisierbar, hat in der Repräsentation des Irrealsozialismus, der sich als die einzig mögliche Wahrheit des "real existierenden Sozialismus", als einzig realistischer Weg zum Kommunismus ausgab und von der Reaktion ausgegeben wird ("Das war der Kommunismus."), sein mit rechten und linken Vorzeichen zusammenwirkendes Nullsummenspiel gegen den wirklichen, den möglichen Communismus etabliert, der erst als bewusster, wissenschaftlicher Communismus dieses spektakuläre Spiel des rechten und des linken Flügels der bürgerlichen Gesellschaft auffliegen lassen kann. Die Linke wird nicht imstande sein, die spektakulären Spielregeln zu durchbrechen, aus ihrer Zwickmühle der Ohnmacht heraus zur revolutionären Dialektik und ihrer praktischen Anwendung, der Strategie, zu finden, oder sie müsste aufhören Linke zu sein. Als Linke ist sie dem Unmittelbarismus in der Praxis verfallen, wie sie dem jakobinistischen, unwissenschaftlichen Utopismus in der Theorie frönen muss, da sie nur bürgerlich-demokratistischen ldealismus, den ewig-bürgerlichen Radikalismus der Freiheit-Gleichheit-Geschwisterlichkeit kennt, die sie "bis ans Ende" durchsetzen will. Die materialistische historische Analyse wird von ihr dabei ebenso dem bloßen Willen geopfert wie das Proletariat selbst, wenn es dem linken Trieb zur unmittelbaren Durchsetzung der bürgerlichen politischen Ideale entgegensteht; der bolshevikische politische Triebdurchbruch war und bleibt Nachbild und Vorbild des jakobinistischen Archetypus der Linken. Das links-"radikale" idealistische Triebziel fällt aber im Triebhaushalt deutscher Linker mit dem Drang zur Entlastung, Freisprechung vom Schuldzusammenhang der Deutschen Misere, der NS-Hypothek zusammen. Die "unbedingte" Apologie des "realsozialistischen" Gegenbildes zur Realität der deutschen Geschichte ist von daher dem BRD-linken Bewusstsein als sein unbewusster Subtext eingeschrieben, es duldet kein anderes Bild, keinen anderen Text als den Imperativ unmittelbaren Reagierens auf den "antikommunistischen" Text der Bourgeoisie, der Rechten, obwohl sie, die Linke, immer nur deren Echo bleiben kann, deren bürgerliche "radikale'' Ergänzung. Der Taktizismus und Pragmatismus der LENINistischen Jakobiner-"mit-dem-Volk", seine voluntaristisch-theokratische Verkörperung in "der Partei LENINS" und der Reihe weiterer mythologischer Figuren, seine Projektion ins Bild "der" Organisation als "Kampfpartei", als institutionalisierte Repräsentation der zumindest theoretisch-revolutionär angeblich Ohnmächtigen, des durch sein vorgebliches Sprachrohr permanent entmündigten Proletariats ("Die Wahrheit" usw.!) alle diese Wesenszeichen der "realsozialistischen" Staatspartei sind auch Wesenszeichen der deutschen Linken, deren Triebwunsch sich das Proletariat nie gefügt hat. So schlug der rechte idealistische deutsche Furor in den "linksradikalen" antideutschen ("Bomber HARRlS do it again") und antiproletarischen um (FRANZ SCHANDL: DAS PROLETARIAT ALS FEIND DES KOMMUNISMUS usw.). Entsprechend tragend ist die unmittelbaristische Nervosität, die spektakuläre Langeweile (siehe z.B. den revolutionären communistischen Psychoanalytiker OTTO FENICHEL: ZUR PSYCHOLOGIE DER LANGEWEILE in: AUFSÄTZE Bd.I, FRANKFURT/M-BERLIN-WIEN 1985): von daher ihr ebenso penetrantes wie unfruchtbares "Was tun, was tun, was tun!!" Der Anti-"Antikommunismus" ebenso wie "Antifa" (als spektakulärer Lifestyle, der die echte kollektive Assoziation natürlich nur einfärbt und deformiert) dient diesem Typus des/der Linken lediglich zur Rationalisierung seiner/ihrer beständigen Scheinaktivität und neurotischen Rituale, womit er/sie ihren spektakulären Reizhunger, seine/ihre spezifische Triebspannung zu lösen versucht. Diese Lösung, der Triebwunsch, findet sich im Bilde "der" Organisation als Fetisch bzw. in der Projektion "der Partei", der mythischen "KP", die es endlich, sobald wir sie einmal hätten, bringen soll: den Furor "der Gerechtigkeit", "Gleichheit" usw. und "unserer Utopie", die apokalyptische Reinigung von aller eigenen (deutschen) Schuldhaftigkeit ... Mit dem wirklichen erforderlichen Parteibildungsprozess des Proletariats hat diese Entlastungsfantasie des unmittelbaristischen Organisationsfetischismus und Praktizismus so wenig zu tun wie der stereotype anti-"antikommunistische" Reflex mit dem Kampf für die Bewusstheit über den Communismus als wirkliche Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt. Die Apologetik des "realen Sozialismus" interessiert sich garnicht für die wirkliche Bewegung und den jetzigen Zustand, sie beteiligt sich vielmehr an der Last der toten Vergangenheit in Gestalt ihrer spektakulären Bilderreproduktion als Alb, als mythische Wiederkehr, die wir zu wiederholen hätten. Die Proletarisierten, die zur wirklichen Aktivität, zur Praxis der Theorie (Waffe der Kritik) und dadurch auch zu einer angemessenen praktischen Theorie sich hinaufarbeiten, zum wissenschaftlichen Communismus also, müssen wohl oder übel die Toten ihre Toten begraben lassen, wollen wir nicht unter den Leichenbergen der Rechten und der Linken begraben werden. Die Kritik der Waffen, die praktische Theorie, "dort, wo sich der Dialog bewaffnet hat, um seinen eignen Bedingungen zum Siege zu verhelfen" (so das letzte Wort des situationistischen SPEKTAKEL-Buchs), kann allein die Emanzipation von den materiellen Grundlagen des Anti-"Kommunismus"-Spektakels sein. "Wenn die Logik des falschen Bewusstseins sich nicht selbst wahrheitsgemäß erkennen kann, so muss die Suche nach der kritischen Wahrheit über das Spektakel auch eine wahre Kritik sein. Sie muss praktisch unter den unversöhnlichen Feinden des Spektakels kämpfen und zugeben, dort abwesend zu sein, wo sie abwesend ist. Der abstrakte Wille zur unmittelbaren Wirksamkeit erkennt die Gesetze des herrschenden Denkens, den ausschliesslichen Gesichtspunkt der Aktualität an, wenn er sich den Kompromittierungen des Reformismus oder der gemeinsamen Aktion pseudorevolutionärer Trümmerhaufen ergibt. Dadurch hat sich der Wahn [le délire] in derselben Position wiederhergestellt, die ihn zu bekämpfen vorgibt. Die über das Spektakel hinausgehende Kritik muss vielmehr zu warten wissen." (GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. THESE 220)
Communistischer
Parteibildungs-Prozess:
Das antikommunistische
Delirium, bekanntlich "die Grundtorheit des Jahrhunderts", hat das pro-bolshevikische
Spektakel "der KP" zum nicht viel weniger törichten spiegelbildlichen
Gegenentwurf - so geistert seit über 150 Jahren für die gesamte
Reaktion der bürgerlichen und vorbürgerlichen Welt, auch für
unsere eigenen Bewusstseinstrübungen als Proletarisierte, "das Gespenst
des Kommunismus". Dieses Gespenst figuriert in dem Märchen von einer
Repräsentation des Proletariats, die es weiter zum Objekt entmündigt,
und verdeckt die historische Wahrheit vom Proletariat-das-sich-selbst-aufhebt,
setzt also das Subjekt der communistischen Revolution zum Nichts herab.
In der Tat: das Proletariat ist revolutionär oder es ist nichts.
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