Karl Reitter
Eine Kritik an Claude Lefort
In einem Inserat im Kurier vom 3.12.2000 nahm die Fraktion der
Sozialdemokraten im EU Parlament zur laufenden Debatte um die Grundrechtscharta
Stellung. „Europas Bürger müssen ihre Grundrechte und Menschenwürde auch
gegenüber den EU-Institutionen einklagen können. Der EU-Grundrechte-Konvent hat
deshalb eine neue Charta der Rechte erarbeitet.“ liest man darin. Im
beschlossenen Dokument fehle freilich unter anderem „die Übernahme der
Sozialcharta mit dem Recht auf einen fairen Lohn“. Auch wenn am
beschlossenen Grundrechtekatalog Mängel und Versäumnisse zu kritisieren seien,
prinzipiell hält man deren Verabschiedung für einen positiven Schritt und
schließt mit den Worten: „Darum unser Appell an die Regierungschefs aller
Länder beim EU-Gipfel in Nizza: Feiert nicht nur die neue Grundrechte-Charta,
sondern macht sie rechtsverbindlich und laßt Verbesserungen zu.“
Exemplarisch findet man in diesen wenigen Zeilen jene Debatte, die die
Menschenrechte wie ein Schatten begleitet. An sich, so wird argumentiert, sei
ihre Verkündung eine positive Sache, um im selben Atemzug auf fehlende
Grundrechte hinzuweisen und vor allem ihre mangelnde Relevanz in der Praxis zu
bedauern. Und mit dieser abschließenden Klage ist die theoretische
Auseinandersetzung mit den Menschenrechten oftmals auch wieder beendet. Bei
näherer Betrachtung erweist sich die Thematik der Menschenrechte als höchst
komplex und vielschichtig. Ich möchte die Auseinandersetzung anhand eines
Artikels[1]
von Claude Lefort führen, der eine interessante und systematische Verteidigung
der Menschenrechte vorgelegt hat. Daß seine Arbeit bereits vor 20 Jahren geschrieben
wurde ist angesichts des vorliegenden Themas kein Mangel, zumal sich Lefort auf
eine Arbeit bezieht, die bereits vor 157 Jahren verfaßt wurde, nämlich auf den
Artikel „Zur Judenfrage“ von Karl Marx. Seit der Verkündung der Bills of Rights
im amerikanischen Unabhängigkeitskampf, den verschiedenen Versionen der
Französischen Revolutionsverfassung (1789, 1790, 1791, 1793) der
Menschenrechtscharta der UNO (1948) und der jüngsten Deklaration der EU findet
man immer wieder ähnliche Argumentationsmuster pro und conta. Dieser Umstand
ist nicht weiter verwunderlich. Der Anspruch der Menschenrechte besteht unter
andrem darin, zeitlos gültige, ewige Wahrheiten zu proklamieren. Der Mensch,
für den diese Rechte gelten sollen, ist ein aus der Gesellschaft und Geschichte
heraus gehobenes, abstraktes Wesen. Die konkrete
gesellschaftlich-geschichtliche Entwicklung kommt bei der Begründung und
Formulierung der Menschenrechte nicht in den Blick. Aus dieser
Begründungsmethode resultieren immer wieder ähnliche Argumente, spiegelbildlich
dazu eine vergleichbare Kritik. Oftmals dreht sich die Debatte im Kreis.
Ich habe den Artikel von Lefort deshalb gewählt, weil er versuchte, die
Menschenrechte nicht nur oder gar ausschließlich als individuelle, sondern als
kollektive Rechte zu interpretieren. Bei seiner Verteidigung stieß Lefort
unweigerlich auf die Untersuchung von Marx. Bevor wir auf die Kritik von Lefort
an Marx eingehen, ist es notwendig, uns einige seiner wesentlichen Aussagen
wieder in Erinnerung zu rufen.
Marx verbindet seine Kritik an den Menschenrechten mit der Analyse jener
Institutionen, die die kapitalistische Gesellschaft auszeichnen, konkret der
„bürgerlichen Gesellschaft“ einerseits und dem Staat andererseits. Die
Trennung, ja Entgegensetzung dieser
Sphären ist das Resultat der historischen Entwicklung. In der
vorkapitalistischen Gesellschaft, Marx verwendet dafür den Ausdruck
„Feudalität“[2], habe die
Gesellschaft einen unmittelbaren politischen Charakter besessen. Der Ausdruck
„unmittelbar politisch“ ist für moderne Ohren in der Tat befremdlich. Fehlten
doch alle Momente, die wir landläufig mit dem Begriff Politik verbinden. Es gab weder eine diskutierende
Öffentlichkeit, noch Wahlen, noch eine Debatte um gesellschaftspolitische
Fragen. Marx zielt mit diesem Ausdruck jedoch auf die Tatsache ab, daß keine
Trennung zwischen der politischen Organisation des Staatswesens und den
sozialen Formen der Herrschaft, also keine Entgegensetzung von „bürgerlicher
Gesellschaft“ und Staat, existierte. Knecht blieb Knecht, Herr blieb Herr,
unabhängig davon, in welcher gesellschaftlichen Sphäre sie sich auch bewegten.
Die politische, rechtliche, soziale und ökonomische Stellung des Individuums
verschmolz zu einer unteilbaren sozialen Identität. Hingen die einzelnen
Glieder der Gesellschaft dem christlichen Glauben an, so war auch das
Staatsganze dem Christentum verpflichtet. Mit dem Übergang zur modernen
kapitalistischen Sozialordnung geriet der Staat in Gegensatz zur Gesellschaft.
Diese Entgegensetzung mußte freilich auch das Individuum erfassen, die Spaltung
zwischen dem konkreten Menschen, wie er leibt und lebt und dem abstrakten
Staats- und Rechtsbürger war geschaffen. Die revolutionäre und emphatische
Verkündung der Menschenrechte, so Marx, waren zugleich Ausdruck als auch
Bekräftigung dieser Entgegensetzung. Marx war nun keineswegs blind für ihre
kritische Potenz. Deren Verlautbarung den Menschen von den Besonderheiten der
Geburt, des Geschlechts, des sozialen Standes und nicht zuletzt vom religiösen
Bekenntnis. Diese Emanzipation findet freilich nicht auf dem realen Boden der
Wirklichkeit statt, sondern findet ihren Ausdruck allein im abstrakten
Staatsbürger, im Staat. Marx analysiert den Zerfall einer Einheit, den Zerfall
der politischen, sozialen, rechtlichen und ökonomischen Identität der feudalen
Gesellschaft. Indiz für diese halbierte Emanzipation waren nicht zuletzt die
Staaten der Neuen Welt; während der Staat als Atheist proklamiert wurde,
wucherten puritanische und religiöse Sekten im Alltag wie die Pilze nach dem
Regen.
Wie immer Menschenrechte formuliert wurden, sie proklamierten den Menschen
als gleichgestelltes und gleichberechtigtes vernunftbegabtes Wesen,
ausgestattet mit Rechten, die keine Staatsmacht legitim verwehren kann. Marx
legt jedoch zugleich den Finger auf die Wunde. „Keines der sogenannten
Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den
Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf
sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom
Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist.“[3]
Die Menschenrechte sprechen durchaus die Wahrheit der bürgerlichen Gesellschaft
aus. Sie reflektieren die Tatsache, daß zwischen den Individuen Abgrenzung,
Konkurrenz, und Entgegensetzung vorherrscht. Sie anerkennen indirekt und
unfreiwillig die gescheiterte Vergesellschaftung der kapitalistischen
Gesellschaft. Marx verdeutlicht dies an der wohl wichtigsten Forderung, an dem
Postulat der Freiheit. Freiheit wird in den Menschenrechten als begrenzte
Ausübung der eigenen Willkür konzipiert. Wir alle kennen den Spruch, der gerne
als tiefe Einsicht in ihr Wesen verkauft wird: Die Freiheit des einen endet
dort, wo die Freiheit des anderen beginnt.
Lefort macht sich nun gar nicht die Mühe, der monadischen Konzeption
Positives abzugewinnen. Es wäre ja möglich, die Vorzüge des privaten, intimen
Raums hervorzuheben, der durch Menschenrechte geschützt wird. Anderes gesagt,
er argumentiert außerhalb des liberalen Bannkreises. Für das klassische
liberale politische Denken ist nicht die Gesellschaft, sondern das Individuum
der Ausgangspunkt. In diesem Kontext werden die Rechte des isolierten
Individuums unmittelbar positiv bewertet. Die Frage, ob die Vergesellschaftung
geglückt sei, ist in dieser Tradition stets sekundär. Lefort hingegen hält die
Interpretation der Menschenrechte als Individualrechte für ein tiefgreifendes
Mißverständnis. Er bestreitet kategorisch, daß die Menschenrechte den Menschen
vom Menschen trennen würden; im Gegenteil, der Mensch würde durch sie zu einem
diskussions- und handlungsfähigen Kollektiv verbunden
Seine Begründung ist etwas umständlich und erfolgt in mehreren Schritten.
Der erste besteht in einer eigentümlichen Interpretation des sogenannten Realen
Sozialismus. Die politische und intellektuelle Konjunktur, in der sein Artikel
geschrieben wurde, kommt hier deutlich zum Ausdruck. Die französische Linke war
durch die Nachricht vom Gulag weit mehr betroffen, als die deutsche und
österreichische. Bereits in den 70ern wurde es in Frankreich Mode, Stalinismus
und Faschismus qua Totalitarismusbegriff gleichzusetzen, ja den Stalinismus als
das historisch schlimmere Verbrechen zu interpretieren. Ich vermute, daß darin
die Sehnsucht nach der Reinheit der Grand Nation zum Ausdruck kam. Der
Faschismus sei Sache der Deutschen und der Italiener, der Vietnamkrieg ein
illegitimer Gewaltakt der USA, vom Algerienkrieg und den begangenen Verbrechen
schwieg man, doch die Verteidigung der UdSSR fand auch auf französischem Boden
statt. Uns interessiert jedoch nicht seine Anfälligkeit für zeitgeistige
Gemeinplätze, sondern die Argumente pro Menschenrechte: „Denn obgleich der
Totalitarismus sich gleichsam auf den Trümmern der Menschenrechte aufbaut, ist
der Mensch in dieser Herrschaftsform in einem Maße vom Menschen getrennt und
vom Gemeinwesen geschieden, wie niemals zuvor in der Geschichte. (...) Das
Individuum ist also nicht isoliert, weil es in die Schranken eines
Privatlebens, in den Status einer Monade verwiesen ist oder weil es das Recht
auf Meinungen, Freiheiten, Eigentum oder Sicherheit genießt, sondern weil ihm
der Genuß solcher Rechte untersagt ist. Es ist schließlich nicht isoliert, weil
die bürgerliche Gesellschaft geschieden vorgestellt wird, sondern weil der
Staat angeblich über das Prinzip aller Vergesellschaftungs- und Handlungsformen
verfügt.“[4] Der Verlust
der Menschenrechte raube also nicht dem Einzelnen nicht nur individuelle
Freiheiten, sondern – und das ist die Pointe seiner Argumentation – zerstöre
die Verbindung der Menschen, die erst durch die Grundrechte konstituiert würde.
Lefort räumt zwar ein, daß die liberale Interpretation der Menschenrechte
einiges für sich hat, die von Marx konstatierte Isolierung der Individuen
voneinander also nicht ganz abwegig sei, aber letztlich nur einen unwesentlichen
Aspekt darstelle. Im Kern gehe es bei den Menschenrechten um die Konstitution
des öffentlichen Raums. Marxens Kritik sei also einseitig. Er übersehe, „daß
jede menschliche Handlung in der öffentlichen Sphäre das Subjekt
notwendigerweise an andere Subjekte bindet – wie immer die Verfassung der
Gesellschaft aussehen mag.“[5]
Daß dem Individuum im sogenannten Realen Sozialismus bestimmte Rechte
vorenthalten wurden – ein unbestreitbares Faktum – ist für Lefort nicht der
entscheidende Punkt. Er insistiert auf Verknüpfung zwischen den fehlenden
Menschenrechten und der sozialen Isolation des Individuums. Doch die
historische Erfahrung mit dem Stalinismus, die er für sich reklamiert, stellt
sich meines Erachtens völlig anders dar. Der Befund, das Individuum sei im
sogenannten Realen völlig „isoliert“ gewesen, widerspricht den damaligen
faktischen sozialen Zusammenhängen. Sowohl auf der Ebene der Arbeit, aber auch
der Ausbildung, Kinderbetreuung usw. war der Einzelne Bestandteil eines
Kollektivs. Anstatt von Isolation zu sprechen, ist es angebracht, die Realen
Sozialismus als repressive Form einer Gemeinschaft zu betrachten. Inwieweit das
allgegenwärtige Kollektiv Ausdruck tatsächlicher Solidargemeinschaft war, oder
nur eine von oben autoritär hergestellte Einheit, läßt sich generell nicht
bestimmen. Ich vermute, daß die kommunistischen Parteien Asiens an bestimmte
Formen historisch gewachsener Kollektivität anknüpfen konnten, die in dieser
Form in Osteuropa nicht existierten. Lefort ist freilich für die historische
Dynamik und regionale Unterschiede völlig blind. Jede Analyse ist ihm durch
seinen Begriff des Totalitarismus versperrt. Totalitarismus ist kein
analytischer Begriff, sondern ein Ausdruck, der auf Bilder abzielt: Die
allmächtige Partei, eine Geheimpolizei, die früh morgens Türen eintritt und
willkürliche Verhaftungen vornimmt. Solche Elemente a la 1984 sind leicht zu
beschwören (zumal sie in der Realität ja auch stattfanden), leicht zu
übernehmen, leicht zu Papier zu bringen. Erklären können sie nichts. Sie geben
weder Auskunft darüber, warum der reale Sozialismus immerhin Jahrzehnte
existieren und sich entwickeln konnte, noch, warum Kuba und die asiatischen
Staaten nicht zusammengebrochen sind. Er kann auch keine Auskunft über die
Dynamik geben, die schließlich das Ende der bürokratischen Herrschaft bewirkte.
Lefort denkt in starren, unhistorischen Entitäten, Totalitarismus auf der einen
Seite, die Menschenrechtsbewegung auf der anderen. Daher kommt er auch zur
falschen Schlußfolgerung, der Zusammenbruch im Osten sei das Werk der
Opposition. Die historische Bilanz zeigt etwas anderes. Die kommunistische
Herrschaft wurde nicht gestürzt, sondern zerbröselte von innen. In Summe
gesehen spielten Menschenrechtsgruppen weder vor, während, noch nach der Wende
eine bedeutende Rolle. Hätte eine relevante Bewegung im Sinne Leforts
existiert, der Prozeß der Kolonisation durch westliche Mächte und Methoden
hätte niemals mit diesem atemberaubenden Tempo von statten gehen können.
Lefort kann
freilich auf den Begriff des Totalitarismus nicht verzichten. Nur wenn der
Reale Sozialismus als das ganz andere der Westlichen Gesellschaft dargestellt,
jede Affinität und Gemeinsamkeit zwischen Ost und West geleugnet wird, dann alleine
ist folgender Umkehrschluß plausibel: Wenn das Fehlen bestimmter Menschenrechte
die Individuen trennt, dann sind sie durch Geltung dieser Rechte verbunden. Was
für den Totalitarismus gelte, gelte nicht für den Kapitalismus und umgekehrt.
Hier zeigt sich erneut, in welchen starren Gegensatzpaaren Lefort denkt. Der
Autor zieht diese Schlußfolgerung nur implizit, sie stellt aber jene Folie dar,
vor der seine Behauptung der verbindenden Kraft der Menschenrechte plausibel
erscheinen soll. In welcher Sphäre soll nun das verbindende Moment der
Menschenrechte wirksam werden? Es ist
- wenig überraschend - die
Öffentlichkeit.
Menschenrechte
und Öffentlichkeit
Lefort hätte
sich den Umweg über die befremdliche These, im Ostblock wäre der Mensch vom
Menschen getrennt gewesen, ersparen, und gleich klipp und klar erklären können:
es gehe im jeden Fall um die Bedeutung der Öffentlichkeit, um „eine neue
Zugangsweise zum öffentlichen Raum...“[6]
Langsam nähern wir uns dem Kern der Argumentation des Autors. Lefort
interessiert sich nun keineswegs für die historischen Strukturen der
Öffentlichkeit, die eine Analyse der Medien ja mit einschließen müßte, er
stellt nicht die Frage nach ihrem imaginären und manipulativen Potential,
sondern ersetzt sie durch die Beschwörung „des Politischen“, als dessen
Protagonist Lefort zu recht gilt. Darunter versteht Lefort jenen Raum, der
durch die Menschenrechte konstituiert und sich dem Zugriff der Macht
strukturell entzogen sei. „In der Bestätigung der Menschenrechte geht es um
die Unabhängigkeit des Denkens und der Meinung gegenüber der Macht, d.h. um die
Kluft zwischen Macht und Wissen, nicht aber lediglich oder wesentlich um die
Spaltung zwischen bourgeois und citoyen, zwischen Privateigentum und Politik.“[7]
Die von Lefort
immer wieder behauptete Unfähigkeit Marxens, die politische Bedeutung der
Menschenrechte hinsichtlich der Konstitution der Öffentlichkeit zu verstehen,
beruht freilich auf einer bloßen Behauptung des Autors. Er unterschlägt
einfach, daß Marx sehr wohl zwischen den Menschenrechten (droits de l´homme)
und den Staatsbürgerrechten (droits du citoyen) unterscheidet und schreibt: „Zum
Teil sind diese Menschenrechte politische Rechte, die nur in der Gemeinschaft
mit andern ausgeübt werden. Die Teilnahme am Gemeinwesen, und zwar am
politischen Gemeinwesen, am Staatswesen bildet ihren Inhalt.“[8]
Marx bestreitet also gar nicht, daß es Rechte gibt, die „nur in der
Gemeinschaft mit anderen ausgeübt werden.“ Es mag ein Versäumnis gewesen sein,
daß er diese nicht weiter analysierte, sondern sich den eigentlichen
Menschenrechten zuwendete. Leforts Kunstgriff besteht nun darin, die
Menschenrechte ausschließlich im Sinne der Staatsbürgerrechte
umzuinterpretieren. Mit dem selben Recht könnte man die sozialen Grundrechte,
die historisch später als die eigentlichen Menschenrechte proklamiert wurden,
zum Ausgangspunkt nehmen, um die Menschenrechte „im eigentlichen Sinne“ als
Plädoyer für eine egalitäre Distribution des gesellschaftlichen Reichtums zu
interpretieren.
Lefort verknüpft
nun Menschenrechte mit Öffentlichkeit und gibt diesem Konstrukt den etwas
hochtrabenden Ausdruck „das Politische“. Wir sind also mit einer Kette von
Behauptungen konfrontiert, die sich gegenseitig stützen. Die Menschenrechte
würden das Individuum ermächtigen, sich mit anderen in der Sphäre der
Öffentlichkeit zu verbinden. Es sei also „das Recht des Menschen, d.h. sogar
eines seiner kostbarsten Rechte, aus sich selbst hinauszugehen und sich durch
Wort, Schrift und Gedanken mit den anderen zu verbinden.“[9]
Zugleich sei dieser Raum der Öffentlichkeit der Macht wesentlich entzogen. Die
Wurzel fände man in den Menschenrechten selbst, die als Rechtsdimension
außerhalb der Macht stünde.
Wir wollen nur
anmerken, daß Lefort die Trennung zwischen den Sphären des „Privaten“, in die
die gesamte Ökonomie fällt, und jener der Öffentlichkeit stillschweigend
akzeptieren muß, somit die Kritik von Marx indirekt bestätigt. Diese Spur soll
allerdings nicht weiter verfolgt werden, konzentrieren wir uns auf sein Hauptthema,
der Beziehung zwischen der macht und den Menschenrechten.
Menschenrechte,
Gesetze und die Macht
Lefort kann das Verhältnis zwischen Menschenrechten, geltenden Gesetzen und
der Macht nicht wirklich lösen und ändert mehrmals die Stoßrichtung seiner Argumentation.
Sollen Menschenrechte den Raum des Politischen tatsächlich konstituieren, so
muß ihnen eine reale Wirksamkeit zugeschrieben werden. Diese Wirksamkeit muß
aber auch eine Rechtswirksamkeit sein. Die Menschenrechte, als Grundlage und
Voraussetzung der Gesetze, müßte also in den geltenden Verfassungen ihren
Niederschlag finden. Und tatsächlich spricht Lefort von der „Entflechtung
von Macht und Recht“ und schlußfolgert: : „Das Recht stellt nun
gegenüber der Macht eine unauslöschbare Exterritorialität dar“[10]
Exemplarisch versucht Lefort die Machtunabhängigkeit der im Geiste der
Menschenrechte verfaßten Gesetze an den Französischen Revolutionsverfassungen
zu demonstrieren und zitiert mit Genugtuung den Artikel 11: „Die freie
Mitteilung seiner Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Rechte des
Menschen. Jeder Bürger darf sich also durch Wort, Schrift und Druck frei
äußern; für den Mißbrauch dieser Freiheit hat er sich allein in allen durch das
Gesetz bestimmten Fällen zu verantworten.“[11]
Proklamiert dieser Artikel tatsächlich die unbeschränkte Meinungsfreiheit?
Keineswegs. Auf die Proklamation der Redefreiheit folgt der Hinweis auf den
Mißbrauch. Wer bestimmt jedoch, was Mißbrauch ist? Wer erläßt die Gesetze, die
die Einschränkung dieser Freiheit regeln? Die Antwort liegt auf der Hand. Diese
Proklamation konstituiert mitnichten einen machtfreien Raum, sondern eröffnet
das Spiel der Definitionen und Interpretationen. Es ist wohl nicht notwendig, Artikel
für Artikel zu zitieren um zu belegen, daß jedes Menschenrecht nur im Kontext
von Macht- und Kräfteverhältnissen gesellschaftlich wirksam sein kann.
Ich möchte ein zweites Beispiel Leforts aufgreifen, der Artikel 8 aus der
Erklärung von 1791, da darin ein weiterer Aspekt angesprochen wird. „Das
Gesetz darf nur unbedingt und offensichtlich notwendige Strafen festsetzen, und
niemand darf bestraft werden, es sei denn kraft eines bereits vor dem Delikt
erlassenen, veröffentlichten und legal angewandten Gesetzes.“[12]
Lefort interpretiert diesen Abschnitt dahingehend, daß das Recht der „Sphäre
der Macht“ entzogen sei. Doch was können wir dem Paragraphen tatsächlich
entnehmen? Nicht viel mehr oder weniger als die bloße Rechtsstaatlichkeit als
solche. An die Stelle der Willkür muß das Recht treten, das ist die Botschaft.
Doch welches Recht? Es existiert kein Staat der Welt, der nicht von sich
behauptet, gesetzestreu zu handeln. Und an entsprechend reaktionären Gesetzen
herrscht wahrlich kein Mangel. Wenn auf Desertation die Todesstrafe steht, so
ist der Deserteur hinzurichten, und die Exekution würde getreu der Buchstaben
und des Sinnes des Artikels 8 erfolgen.
Wenn Lefort also behauptet: „Das Recht stellt nun gegenüber der Macht
eine unauslöschbare Exterritorialität dar“[13]
so widerspricht diese Aussage der Verfassungswirklichkeit unserer Gesellschaft.
Lefort läßt etwas die Gewaltentrennung
als Errungenschaft der Moderne anklingen, sieht jedoch sehr rasch, daß
die von ihm postulierte „Exterritorialität“ auf der Ebene der geltenden Gesetze
nicht zu haben ist. Er ist schließlich gezwungen, die Kluft zwischen
Menschenrechte und geltendem Gesetz anzuerkennen. Nach wenigen Seiten ändert er
die Richtung seiner Argumentation, und bringt einen neue Interpretation der
Menschenrechte ins Spiel. Daß Menschenrechte nicht durch das Rechtssystem
vollständig zu verwirklichen seien, sei kein Mangel, sondern umgekehrt ein
Vorteil. „Folglich gehen die Menschenrechte stets über jede einmal gegebene
Formulierung hinaus, was überdies bedeutet, daß jeder Formulierung die
Forderung nach Reformulierung innewohnt bzw. daß die einmal erworbenen Rechte
notwendigerweise aufgerufen sind, die Forderung nach neuen Rechten zu unterstützen.
Aus demselben Grunde sind sie schließlich weder einer bestimmten Epoche
zuzuordnen, so als ob sich ihre Bedeutung an ihrer historischen Rolle im
Dienste des Aufsteigs der Bourgeoisie erschöpfte, noch können sie innerhalb der
Gesellschaft umschrieben werden, als ob ihre Auswirkungen lokalisierbar und
kontrollierbar wäre.“[14]
Zu allererst fällt auf, daß Lefort das geltende Recht, also den realen
Rechtsstaat, wieder der Macht zuschlägt. Den emanzipatorischen Gehalt der
Menschenrechte ortet er exakt in dem Umstand, daß sie niemals als vollständig
verwirklicht behauptet werden können. Die Menschenrechte würden es also
erlauben, sich trotz und gegen das geltende Gesetz auf sie zu berufen. Die
Menschenrechte würden einen transzendentalen Ort darstellen, ein Metaprinzip
für geltende Gesetze, deshalb, und nur deshalb, seien sie der Macht entzogen.
Dieser Gedanke hat sicher etwas für sich. Bei näherer Überlegung entdeckt man
allerdings, daß diese transzendentale Eigenschaft nicht nur den Menschenrechten,
sondern de facto jedem Begriff zukommt. Lefort reklamiert einfach den Effekt,
daß Sprache und empirische Realität niemals zur Deckung kommen können, für die
Menschenrechte. Kein jemals erbautes Haus kann den Begriff Haus vollständig
verkörpern. Die kapitalistische Gesellschaft wird niemals dem reinen Begriff
des Kapitals, wie Marx ihn in seinem Hauptwerk entwickelt, vollständig
entsprechen. Aber bleiben wir beim Thema der Menschenrechte. „Sobald die
Menschenrechte als letzter Bezugsrahmen gesetzt sind, sieht sich das positive
Recht der Infragestellung ausgesetzt.“[15]
Um den von Lefort angesprochenen emanzipatorischen Effekt zu postulieren, ist
es nicht notwendig, sich auf die Deklamation der Menschenrechte zu berufen, es
hätte genügt, den Begriff der „Freiheit“ oder der „Gerechtigkeit“ zu
untersuchen. Vorstellungen von Gerechtigkeit, um derentwillen sich Menschen
handelnd verbinden, sind nun nichts spezifisches für die kapitalistische
Epoche. Es zählt zum Charakter normativer Begriffe, daß sie niemals als
vollständig verwirklicht behauptet werden können. Wir nehmen also gerne zur
Kenntnis, daß Menschenrechte nur einen kontrafaktischen Bezugspunkt zum
geltenden Recht und zu den herrschenden sozialen Verhältnissen darstellen
können. Doch mit dieser Schlußfolgerung will Lefort nicht schließen. Wir sind
mit einer erneuten Wendung der Argumentation konfrontiert.
In den letzten Abschnitten seiner Arbeit spielt Lefort seine vermeintlich
stärkste Karte aus. Er behauptet, soziale und politisch Kämpfe würden sich
immer auf die symbolische Ebene der Menschenrechte beziehen und führt als
Beispiel die Revolte von 1968 und ihrer „neuartigen Protestformen“[16]
an. Man muß Lefort für diesen Hinweis dankbar sein. Gerade an 1968 läßt sich
zeigen, wie gekünstelt und willkürlich seine Thesen tatsächlich sind. Er
vertritt auf seine Weise die selbe advokatorische und autoritäre Methode, die
er zu Recht der KPF vorwirft: er dichtet die reale Bewegung nach seiner
vorgefertigten Ideologie um. Ich möchte hier nur vier Momente der Bewegung
herausheben, die das Ausmaß der Willkür des Autors belegen.
Einsicht. Besonders 1968 stand das Verstehen der gesellschaftlichen
Zusammenhänge, das Durchschauen der Manipulationsmechanismen, das Begreifen und
Kritisieren autoritärer Strukturen im Zentrum der Politisierung. Das Entwickeln
des eigenen kritischen Bewußtseins, besser der Anspruch und die Notwendigkeit,
dies zu tun, erhob die Bewegung nicht zu unrecht zum trennenden Moment zwischen
sich und dem Establishment.
Selbstreflexion. Die Hinterfragung der eigenen sozialen, persönlichen und
gesellschaftliche Existenz, des eigenen Verhaltens und der eigenen Ansprüche im
Alltag zählte zu den herausragenden Merkmalen der Bewegung. Die Selbstdeutung
der eigenen gesellschaftlichen und historischen Rolle war eine der zentralen Aufgaben, an den sich die 68er
Bewegung abarbeitete.
Erfahrungshunger. Das Erleben der eigenen Existenz als verarmt, reduziert,
und limitiert zählte insbesondere 1968 zu den wesentlichsten Springquellen der
Revolte. Die Aufbruchsstimmung von 1968 erklärt sich nicht zuletzt aus der
Suche nach neuen Erfahrungen, sie es in den Formen des Zusammenlebens, auf der
Ebene der Theorie, in Musik, Reisen oder Drogen.
Gesellschaftliche Praxis. Die 68er Bewegung erhob den Anspruch, neue
soziale Formen zu schaffen. Der Bogen spannte sich dabei von der Neudefinition
von Universität und Schule, von neuen Formen des öffentlichen Auftretens, über
die Schaffung einer alternativen Pädagogik (Antiautoritäre Erziehung) bis hin
zu Wohngemeinschafts- und Kommuneexperimenten.
Es liegt auf der Hand, daß die hier genannten Elemente, die in den
verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Gewichtung auftraten, sich niemals
restlos auf die Menschenrechte beziehen lassen. Ja in der Mehrzahl haben sie
überhaupt keinen Berührungspunkt. Ich möchte hier nur einen Satz von Rudi
Dutschke zitieren, der in anschaulicher Weise den Geist der 68er Bewegung
wiedergibt: „Weil uns diese Aktionen (der
APO K.R.) innerlich verändern, sind sie politisch. Politik ohne innere
Veränderung der an ihr Beteiligten ist Manipulation von Eliten.“[17]
„Innere Veränderung“ meint hier Bewußtwerdung, der eigenen Bedürfnisse ebenso
wie der Manipulation, der man ausgesetzt ist, der ökonomischen Zusammenhänge
ebenso wie der politischen Verhältnisse. Einsicht, Bewußtsein, Erkenntnis -
diese Prozesse liegen außerhalb der Sphäre der Menschenrechte. Ich will hier
nicht dem positivistischen Kalauer Vorschub leisten, der da lautet: „Aus
Sein-Sätzen können keine Sollens-Sätze abgeleitet werden.“ Diese Aussage ist
schlicht Unsinn. Aber es ist ebenso klar, daß das Begreifen dessen was ist und
dessen, wer man selbst ist, mit der Entwicklung von abstrakten Rechten nur sehr
indirekt zusammenhängt. Kurz gesagt: In der Sphäre der Menschenrechte ist der
Prozeß des Bewußtwerdens und Begreifens ausgeblendet. Deshalb kann eine
kritische oder gar revolutionäre Bewegung zwar auch (Menschen)Rechten
proklamieren - und dies wäre dann eine der ärmsten und reduziertesten Formen,
in der sie sich ausdrückt - nie jedoch ihren Ausgangspunkt nehmen. Reale
Bewegungen in das Prokrustesbett der Menschenrechte zu zwängen, bedeutet, ihren
Charakter von Grund auf zu verkennen.
Menschenrechte
und die Macht
Wie wir gesehen haben, muß Lefort das widerständige Moment der
Menschenrechte Schritt für Schritt eingrenzen. Während er zuerst euphorisch
einige Paragraphen aus den diversen Erklärungen der Menschenrechte zitiert,
verschiebt er letztlich den Schwerpunkt auf das Ungesagte. Nicht was in den
diversen Texten formuliert ist sei entscheidend, sondern die Idee der
Menschenrechte selbst. Ja er warnt sogar davor, „ihnen eine Realität
in unserer Gesellschaft zuzusprechen.“[18]
Können wir Lefort zumindest in diesem Punkt zustimmen? Können wir sagen: Da die
Menschenrechte sich einer abschließenden Formulierung und Verwirklichung
entziehen, kann sich die Macht ihrer nicht vollständig bedienen. Stellen die
Menschenrechte also ein unkontrollierbares, für die Macht gefährliches Moment
dar? Letztlich laufen alle Argumente Lefort auf diesen Punkt hinaus. Der
Totalitarismus mußte sie beseitigen, die Bewegung von 1968 sich um ihre Achse
entfalten, die durch sie konstituierte Öffentlichkeit entzieht sich zumindest
teilweise der Macht – das waren die Stationen seiner Argumentation. Wir müssen
die Einwände nicht wiederholen. Gehen wir statt dessen einen Schritt weiter.
Überlegen wir uns einige Konsequenzen, die aus dem von Lefort so stark
hervorgehobenen transzendentalen Charakter abzuleiten sind.
Die Menschenrechte können niemals in einem fixen Katalog von Forderungen
aufgehen. Um als Metaprinzip für Gesetze und Prinzipien fungieren zu können,
kann das Menschenrecht niemals einen bestimmten Inhalt annehmen, es bleibt
leer. Menschenrechte könnten, ja müßten immer wieder neu proklamiert werden.
Damit sind sie jedoch den verschiedensten politischen Kräften und
Interessensgruppen zugänglich. Anstatt der Macht strukturell entzogen zu sein, stellen
sie ein Feld der gesellschaftliche Auseinandersetzung dar. Die
gesellschaftliche Widersprüche und Konflikte machen vor den Menschenrechten
nicht halt, sondern umfassen auch der Ebene abstrakter Prinzipien. Lefort
selbst liefert uns ein wunderbares Beispiel, indem er auf das „gesellschaftliche
Recht auf Arbeit“[19]
verweist. Diese Forderung entspricht exakt jenem politischen Denken, das
Jahrzehnte die Arbeiterbewegung geprägt hat. Das „Recht auf Arbeit“ reflektiert
die repressive Durchsetzung der Lohnarbeit in der kapitalistischen
Gesellschaft. Es bekräftigt die moderne Arbeitsmoral, bejaht die Lohnarbeit als
historisch unüberwindbare Grundinstitution und anerkennt sie als den einzig
gültigen Modus der gesellschaftlichen Integration des Individuums. Fordismus,
Taylorismus und Keyesianismus bildeten den Hintergrund dieser Forderung. Die
gesellschaftliche Entwicklung selbst hat die Elemente zersetzt und die
Illusionen zerstört, die mit dieser Parole verknüpft waren. An ihre Stelle
tritt die Forderung nach der garantierten Grundsicherung. Das „Recht auf
Arbeit“ und das „Recht auf Grundsicherung“ widersprechen einander auf allen
Ebenen. Sie sind Ausdruck zweier völlig unterschiedlicher gedanklicher,
analytischer und ethischer Systeme. An diesem Beispiel zeigt sich, daß es einen
einheitlichen Kern von Menschenrechten, den Lefort unausgesprochen immer
unterstellt, gar nicht gibt. Sie lassen sich nicht auf einen synthetisierenden
Inhalt hin vereinheitlichen, sie zerfallen in eine inkommensurable Vielfalt von
Grundsätzen.
Stellen wir uns abschließend die Frage, in welchen Kontexten die
Menschenrechten tatsächlich Bedeutung zukommt. Entgegen der Behauptung Leforts
sind es nicht die realen Bewegungen mit gesellschaftlicher Bedeutung. In der
politischen Auseinandersetzung geht es immer um Konkretes, nie um abstrakte
Prinzipien. Wir finden die Menschenrechte an den extremen Polen der Macht und
der Machtlosigkeit. Zum einen sind es die Hoffnungslosen, die in die Mühlen von
Justiz und Gefängnis geraten sind, sich nicht mehr auf das geltende Recht
berufen können und in den Berichten von Amnesty genannt werden. Ihr Berufen auf
die Menschenrechte trägt immer den Index der Perspektivlosigkeit und Isolation.
Zum anderen ist es die Macht, sagen wir es konkret, die westlichen Mächte, die
ihre militärischen Aktionen gegen alles herrschende Völkerrecht im Namen eines
höheren Rechts legitimieren. Lefort weigert sich hartnäckig zu erkennen, daß
die Unbestimmtheit, der transzendentale Charakter der Menschenrechte nicht nur
gegen die Macht, sondern ebenso von der Macht für ihre Zwecke einsetzbar ist.
Er preist zwar den Widerstand im ehemaligen Ostblock, erwähnt jedoch mit keinem
Wort den strategischen Nutzen, welche die NATO aus den Menschenrechten zog. Mit
geradezu unglaublicher Naivität unterschätzt Lefort die Mittel und Methoden der
Macht. Er ist blind für die Tatsache, daß die unbestimmte und abstrakte Ebene
der Menschenrechte eine äußerst perfide Logik eröffnet: nämlich die
Konstruktion von sogenannten Schurkenstaaten. Lassen wir plumpe Demagogie
beiseite. In den raffinierteren Varianten wird nicht geleugnet, daß überall,
auch im eigenen Land, „Mißstände“ existieren. Wodurch zeichnen sich also
Schurkenstaaten wie Libyen, der Irak oder Jugoslawien aus? Dadurch, daß die
„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, die tendenziell überall zu finden sind,
angeblich in diesen Staaten eine bestimmte Qualität angenommen habe – eine
selbstverständlich willkürliche Behauptung. Es ist das Pathos der
Menschenrechte, das es ermöglicht, aus einzelnen Elementen den absoluten Feind
zu erschaffen, gegen den letztlich jedes Mittel gerechtfertigt ist. Die
Vorstellung, die Menschenrechte seinen der Macht entzogen, ist also bestenfalls
naiv.
[1] Lefort, Claude, „Menschenrechte und Politik“, in: Ulrich Rödel (Hg.) „Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie“, Frankfurt am Main 1990, Seite 239 - 280
[2] Marx, Karl, „Zur Judenfrage“, MEW 1, 367
[3] a.a.O. Seite 366
[4] Lefort, Claude, „Menschenrechte und Politik“, in: Ulrich Rödel (Hg.) „Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie“, Frankfurt am Main 1990, Seite 247
[5] a.a.O. Seite 251
[6] a.a.O. Seite 251
[7] a.a.O. Seite 253
[8] Marx, Karl, „Zur Judenfrage“ MEW 1, Seite 362
[9] Lefort, Claude, „Menschenrechte und Politik“, in: Ulrich Rödel (Hg.) „Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie“, Frankfurt am Main 1990,
[10] a.a.O. Seite 259
[11] zitiert nach a.a.O. Seite 252
[12] zitiert nach a.a.O. Seite 255
[13] a.a.O. Seite 259
[14] a.a.O. Seite 262
[15] a.a.O. Seite 262
[16] a.a.O. Seite 265
[17] Bergmann, Dutschke, Lefèvre, Rabehl, „Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition“, Reinbeck 1968, Seite 76
[18] Lefort, Claude, „Menschenrechte und Politik“, in: Ulrich Rödel (Hg.) „Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie“, Frankfurt am Main 1990 Seite 264, Hervorhebung im Original
[19] a.a.O. Seite 267