http://www.unet.univie.ac.at/~a9709070/grundrisse14/14franz_naetar.htm Franz Naetar „Commodification


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Franz Naetar
Commodification“, Wertgesetz und immaterielle Arbeit


Einleitung

In angelsächsischen Debatten wird sowohl von ÖkonomInnen und BeurteilerInnen der Möglichkeiten für „Wertschöpfung“ von Firmen und Konzernen als auch in den Debatten über „Free Software“ und ihre gesellschaftlich-politischen und ökonomischen Auswirkungen der Begriff der „Commodification“ verwendet.

Gewohnt, die Begrifflichkeiten zu verwenden, wie wir sie aus der Lektüre des „Kapitals“ kennen, scheint da etwas doppelt benannt zu werden. Etwas, das für den Markt produziert wird - eine Ware (oder commodity) unterliegt einer Commodification. In der deutschen Sprache kann sich dieser Doppelsinn nicht wirklich ausdrücken: Commodification wird dabei umschrieben „als etwas, das zu einem Gebrauchsgut wird.“

Was wird unter dieser Warenwerdung einer Ware in den angelsächsischen Debatten verstanden? In seinem Essay Some Implication of Software Commodification“[1] meint David Stutz Commodities seien “Dinge oder Substanzen, die für viele verschiedene Zwecke als Bausteine eingesetzt werden können. Wegen ihres allgemeinen Wertes werden sie typischer Weise in großen Mengen und in verschiedensten Weisen verwendet. Commodities werden immer von mehreren Produzenten hergestellt und die Konsumenten können das Produkt eines Produzenten gegen das Produkt eines anderen Produzenten problemlos austauschen. Da Commodities in dieser Weise ersetzbar sind, müssen sie einheitlichen Standards genügen.”[2]

Nach dieser Beschreibung gäbe es also Dinge am Markt, die Waren sind und solche, die es (noch) nicht sind – wobei diejenigen Dinge, die es nicht sind, in anderem Zusammenhang natürlich ebenfalls als Waren bezeichnet werden. Die Waren werden zu „wirklichen Waren.“

Wesentlich ist also die Ersetzbarkeit, die wiederum einer Standardisierung von Schnittstellen sowohl zu anderen Dingen, wie auch zu den letztendlichen Benutzern, den Menschen in Form einer standardisierten BenutzerInnenschnittstelle unterliegt. Nach dieser Diktion wird ein Reifen eines Autos erst eine „Commodity“ wenn er durch eine Reihe von standardisierten Produkten ersetzt werden kann und das Auto selber bedurfte einer relativ einheitlichen BenutzerInnenschnittstelle um die Eigenschaft Commodity zu bekommen.

Warum haben MarktbeobachterInnen und ÖkonomInnen so ein großes Interesse an der Frage, ob etwas „zur Commodity“ geworden ist oder nicht?
Hauptgrund dafür ist, dass die Herausbildung von „Commodity-Eigenschaften“ in der Regel einen Umbruch in der Branche, im Bereich der Profitmacherei ankündigt. Commodities hätten – meinen die MarktbeobachterInnen - äußerst geringe Profitmargen, die nur unter besonderen Bedingungen – z.B. Arbeitskräfte, deren Lohn auf niedriges Niveau gedrückt werden konnte und /oder speziellen Vertriebswegen (Versandhäuser etc.) - profitabel auf den Markt gebracht werden könnten. Daher kämen diejenigen Firmen, die vorher mit hohen Profiten rechnen konnten, nach der „Commodification “ ihrer Produkte meist in Schwierigkeiten.

Umgekehrt versuchen Firmen die Commodification ihrer Produkte möglichst lang oder – wenn möglich für immer – zu verhindern. Ein beliebtes Beispiel dafür ist Microsoft, das durch ständige Änderungen des Dokumentenformats, in dem Word Dokumente speichert und durch die Geheimhaltung dieses Formats verhindern konnte, dass sich erfolgreiche Word-Clones bilden konnten[3].

Commodification steht mit einer anderen Entwicklung in engem Zusammenhang, nämlich der Entwicklung innovativer Produkte oder sogar ganzer Produktionsfelder und den daraus folgenden Änderungen in der Form der Kooperation in und außerhalb der Lohnarbeit.

Warum sollte uns diese Debatte interessieren? Ich sehe mehrere Gründe, warum die Beschäftigung mit der Commodification und damit zusammenhängenden Phänomenen für die Diskussion über die Wirkkräfte im Kapitalismus – seien es konkurrierende Kapitale im Feld der Klassenauseinandersetzungen oder die Inwertsetzung neuer Bedürfnisse und Produkte – von Bedeutung sind:

Sie stellen einen Zusammenhang zwischen neuen Formen der Kooperation, wie sie z.B. die Free Software darstellt, ursprünglicher Akkumulation und Extraprofiten her.

Sie konkretisieren Einschätzungen im „Kapital“ über Extraprofite und den Ausgleich der Profitrate.

Sie zeigen inwiefern die Arbeitszeit als Maß für den Wert der Waren noch Bedeutung oder keine Bedeutung hat und werfen Licht auf die Behauptung der Postoperaisten wie Virno und Negri über die Veränderung der produktiven Arbeit in Richtung immaterielle Arbeit.

Free Software und Wertproduktion

In verschiedenen Diskussionszusammenhängen wird Free Software - siehe dazu auch den Artikel über die Oekonux Konferenz in der Nummer 11 der grundrisse – als Keimform einer zukünftigen Form der gesellschaftlichen Produktion abseits von Markt und Staat gesehen, als „General Intellect“ (siehe die Anmerkungen zu diesem Begriff weiter unten) in Aktion.

Wie sehen nun Konzerne wie IBM, die sich in Open Source Projekten massiv einbringen und sie sogar initiieren, GegnerInnen dieser Tendenz wie Microsoft, die Free und Open Source Software als „Wertevernichtung“ bezeichnen und Firmen, die von Free und Open Source Software leben, wie z.B. die Linuxdistributoren diese Entwicklungen? Wissen sie, was sie tun?

Es lohnt sich zur Beantwortung dieser Fragen im oben genannten Zusammenhang einen intelligenteren „Theoretiker“ der neuen Tendenzen in  der Softwareindustrie anzusehen. Wie stellt jemand die Bedeutung und Relevanz der Entwicklungen dieser neuen Formen der Kooperation für die „AgentInnen am Markt“ dar; welche Ratschläge meint er für die Kapitalverwertung unter diesen neuen Umständen geben zu können.

Ich beziehe mich hier auf ein Referat, das O’Reilley unter dem Titel „Open Source Paradigm Shift“[4] http://tim.oreilly.com/articles/paradigmshift_0504.html vor wichtigen Computer- und Softwarefirmen (Microsoft, IBM, British Telecom) aber auch wichtigen Free Software Distributoren (z.B. Red Hat) gehalten hat.

In diesem Referat meint O’Reilley, dass die ganze Softwareindustrie, ob nun Free und Open Source oder proprietär vor einem „Paradigmenwechsel“ stehen, dessen sich allerdings weder die Free und Open Source Entwickler noch die Firmen, die proprietäre Software entwickeln, bewusst sind.

Hinter der Free und Open Source Software stünden tieferreichende langfristige Entwicklungen:

Die sogenannte Commodification der Software, die Kooperationen in großen Netzwerken und die Entwicklung zu Software als ein Service.

Commodification wird dabei die Entwicklung zu modularen, austauschbaren – da standardisierten – Teilen genannt, wie schon oben beschrieben. Ganz wichtig sind bei der Software als Commodity die Schnittstellen zwischen den Komponenten. So konnten sich z.B. Linux (und der Webserver Apache) als System zur Bereitstellung von Webseiten deshalb so gut durchsetzen, weil das vorher als Free Protokoll und Konzept definierte http-Protokoll die freie Ersetzbarkeit der dahinter stehenden Server erlaubte. Generell gesehen, meint O’Reilley, dass sowohl proprietäre als auch Free und Open Source Software eine Commodity werden, wenn die Kommunikation zwischen den Softwareprodukten standardisiert ist. Das Scheitern von Microsoft in der Kommunikation seine eigenen Standards durchzusetzen, wurde durch Free und Open Source Software im Kommunikationsbereich erzwungen und ermöglichte seinerseits die Ersetzbarkeit von Software an den Enden des Kommunikationsprotokolls. Ein wichtige Rolle von Free und Open Source Software ist daher nach O’Reilley „to keep the standard honest“[5] und deshalb weigern sich Standardorganisationen immer öfter, Standards zu akzeptieren, für die es keine Free und Open Source Realisierung gibt.

Wie setzen sich aber nun Standards durch, wenn Software vorerst proprietär ist? Hier bereitet die „Verknöcherung“ der Schnittstellen in und zwischen den Programmen, die die weite Verbreitung eines Produktes erzwingt, früher oder später den Versuchen durch ständige Änderungen eben diese Standardisierung zu verhindern, ein Ende.[6] Deshalb sind die größten Anstrengungen der Free und Open Source Bewegung darauf gerichtet Klone für Microsoft Word und die anderen Office Produkte zu entwickeln, ein Bereich, in dem es Microsoft bisher erfolgreich gelungen ist, jede Standardisierung zu verhindern und sein Monopol zu behalten.

Um was es letztlich geht, wird von den Protagonisten offen ausgesprochen. Einer der Gründer einer Linux Distribution – die davon lebt, die Free Software Linux in Form einfach installierbarer Distributionen zu verkaufen - meinte, dass sein Ziel sei, „to shrink the size of the operating system market“[7] und ein Manager von Microsoft meinte, dass Free und Open Source Software ein Vernichter geistigen Eigentums sei und dass durch die Free und Open Source Software eine große Industrie zerstört und durch nichts ersetzt werde. (Die Umsätze von Red Hat – der größte Linux Distributor -  sind 126 Millionen $, die von Microsoft 32 Milliarden $.)

O’Reilley meint, das diese „kreative Vernichtung“ (Schumpeter), die hier stattfindet und eine „Industrie zerstört“ als höhere Produktivität und neue Möglichkeiten Profit zu machen an anderer Stelle wieder auftaucht. Als Beispiel dafür in früheren Zeiten, sieht er, dass mit dem Verschwinden ganzer Bereiche wie der Hardware, vermittels der IBM und andere riesige Profite machten, ein neues Feld auftauchte, das der Software, das die unerhörten Profite von Microsoft ermöglichte. Weiters meint er, dass die Entwicklung damals von den AkteurInnen genauso wenig verstanden wurden, wie auch die AkteurInnen heute nicht verstehen, was sie machen.

Seiner Meinung nach ist der Erfolg von  Free und Open Source Software nämlich Ausdruck einer tieferliegenden Entwicklung, nämlich der Kooperation, die durch Netze ermöglicht wird. „Given enough developers and a network to connect them, open-source-style development behavior emerges”.[8] Open Source sei also die natürliche Sprache einer vernetzten Gemeinschaft. Diese neue Form, zu produzieren, setze sich auch innerhalb monopolistischer Konzerne oft gegen den erklärten Willen des Managements durch.

Diese neue Form der Kooperation setze sich aber nicht nur bei der Free und Open Source Software durch und bei Projekten wie Wikipedia, der Enzyklopädie, die in neuer Form von Kooperation erstellt wird, sondern werde auch zur Quelle eines neuen hoch profitablen Geschäftsbereichs – mit den entsprechenden Extraprofiten, wie mensch hinzufügen muss.

Als Beispiele dafür nennt O’Reilley eBay, das einen virtuellen Markt und Versteigerungsplatz annähernd zu einem Monopol ausbaute, aber vor allem auch Amazon. Letzterer verkaufe nämlich eigentlich Produkte, die von vielen anderen VerkäuferInnen auch angeboten werden. Neben gutem Marketing und guter Organisation unterscheidet sich Amazon aber vor allem durch seine BenutzerInnengemeinschaft. Diese resultiert in Buchbesprechungen, impliziten (statistisch ermittelten)Verweisen auf ähnliche Produkte und Interessen. Amazon nutzt also die bewusste und nicht bewusste Kooperation der KäuferInnen, die auf diese Weise gewissermaßen zu „ProduzentInnen“ werden, aus. O’Reilley schreibt: „Eines der Geheimnisse von Open Source ist die Behandlung der Benutzer als Mitentwickler, Amazon hat dies Geheimnis gelernt. Beachte aber, dass diese Lektion völlig unabhängig von Open Source Lizenz Praktiken ist![9]

Als weiteres Beispiel nennt O’Reilley das World Wide Web selber. Das WWW baut nicht nur auf einer vernetzten Infrastruktur auf. Die dem WWW zugrundeliegende Architektur des Hyperlinks sichert, dass der „Wert des Webs“ durch seine BenutzerInnen erzeugt und ständig verbessert wird. Und das gilt für fast alle erfolgreichen Initiativen im Internet.[10]

O’Reilley meint, dass Free und Open Source Software Teil einer größeren Revolution, eines neuen Paradigma ist, die das Netz selber zu einem Betriebssystem machen wird, das aus kleinen Teilstücken zusammengesetzt ist und das es jedem leicht macht, sich daran zu beteiligen.
Free und Open Source Software sei Teil der Kommunikationsrevolution, dazu ausgelegt, den freien Austausch von Ideen ausgedrückt in (Programm)codes zu gestatten.

Gleichzeitig meint er aber auch, dass diejenige Firma, die das neue Paradigma versteht, eine ähnliche Position erobern kann, wie das Microsoft beim neuen Paradigma „Personal Computer“ gemacht hat. O’Reilley meint, es ginge nicht um den Gegensatz zwischen einer „Geschenk- und Geldkultur“, sondern die Bedingungen der Wertproduktion selbst würden sich verändern. Wir wären ZeugInnen einer dynamischen Veränderung der Produktion von Wert, bei der Dinge, die einst nur dem privaten Vorteil dienten, frei geteilt werden und andere Dinge, die einst für die Wertproduktion als unbedeutend betrachtet wurden, die Quelle von enormem Wert werden.

O’Reilley sieht also das Neue, versucht aber Möglichkeiten auszuloten, wie dennoch die Produktion von Wert gerettet werden kann.

Commodification aus einer Marxschen Perspektive

Bevor ich mich der Frage der neuen Formen der Kooperation zuwende und den Zusammenhang zwischen der Darstellung von O’Reilley mit den Debatten der PostoperaistInnen herzustellen versuche, möchte ich noch den Begriff der Commodification näher betrachten.

Ein erster Ansatz ist eine Reflexion über diese Debatten auf Grundlage der Lektüre des Marxschen „Kapital“ (vor allem Band 3). In diesem wird die Konkurrenz der Kapitale genauer untersucht. Der Schlüsselsatz dabei ist das Streben des Kapitals nach Extraprofit – Marx nennt das den Surplusprofit.

Im Gegensatz zu vielen Diskussionen, welche die kapitalistische Produktion ausschließlich aus den ersten fünf Kapiteln des ersten Band des Kapitals begreifen wollen, beschäftigt sich Marx im dritten Band sehr wohl mit der Frage, wie die Konkurrenz der Kapitale die abstrakten Wertbestimmungen modifiziert und nähert sich damit Erscheinungen des „real existierenden“ Kapitalismus an.[11]

Im dritten Band des Kapitals führt Marx die Begriffe individueller Marktwert, Marktwert, und Marktpreis ein, um die Verhältnisse innerhalb einer Produktionssphäre zu beschreiben. Im Weiteren wird dann die Tendenz zu einer Durchschnittsprofitrate zwischen den Produktionssphären und die Verwandlung des Marktpreises zum Produktionspreis behandelt. Für unsere Zwecke reicht es, sich die Anmerkungen von Marx zu ersteren zu betrachten. Marx schreibt:

Damit Waren derselben Produktionssphäre, derselben Art und annähernd derselben Qualität zu ihren Werten verkauft werden, ist zweierlei nötig:

Erstens müssen die verschiednen individuellen Werte zu einem gesellschaftlichem Wert, dem oben dargestellten Marktwert, ausgeglichen sein, und dazu ist eine Konkurrenz unter den Produzenten derselben Art Waren erfordert, ebenso wie das Vorhandensein eines Markts, auf dem sie gemeinsam ihre Waren ausbieten. Damit der Marktpreis identischer Waren, die aber jede unter Umständen von verschiedner individueller Färbung produziert sind, dem Marktwert entspreche, nicht von ihm abweiche, weder durch Erhöhung über, noch durch Senkung unter ihn, ist erfordert, daß der Druck, den die verschiednen Verkäufer aufeinander ausüben, groß genug ist, um die Masse Waren auf den Markt zu werfen, die das gesellschaftliche Bedürfnis erheischt, d.h. die Quantität, wofür die Gesellschaft fähig ist, den Marktwert zu zahlen. Überträfe die Produktenmasse dies Bedürfnis, so müßten die Waren unter ihrem Marktwert verkauft werden: umgekehrt über ihrem Marktwert, wenn die Produktenmasse nicht groß genug wäre oder, was dasselbe, wenn der Druck der Konkurrenz unter den Verkäufern nicht stark genug wäre, sie zu zwingen, diese Warenmasse auf den Markt zu bringen. Änderte sich der Marktwert, so würden sich auch die Bedingungen ändern, wozu die Gesamtwarenmasse verkauft werden könnte. Fällt der Marktwert, so erweitert sich im Durchschnitt das gesellschaftliche Bedürfnis (welches hier immer zahlungsfähiges Bedürfnis ist) und kann innerhalb gewisser Grenzen größre Massen Ware absorbieren. Steigt der Marktwert, so kontrahiert sich das gesellschaftliche Bedürfnis für die Ware und geringre Massen davon werden absorbiert. Wenn daher Nachfrage und Zufuhr den Marktpreis regulieren oder vielmehr die Abweichungen der Marktpreise vom Marktwert, so reguliert andrerseits der Marktwert das Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr oder das Zentrum, um das die Schwankungen der Nachfrage und Zufuhr die Marktpreise oszillieren machen.“ (MEW 25, S.190)

Letztlich bestimmend für die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf verschiedene Produktionsbereiche ist nach diesen Überlegungen der sich aus dem Durchschnitt der individuellen Werte  ergebende Marktwert. In der zeitlichen Dynamik könnte mensch sich das so vorstellen:

Durch höhere Produktivität z.B. sinkt vermittels der individuellen Werte der Marktwert.

Die Marktpreise, vorerst höher als der Marktwert, verringern sich durch die Konkurrenz der Kapitale, von denen ja der Großteil die Möglichkeit hat, die Preise zu senken, um den Marktanteil zu halten oder auszuweiten. (Die keinesfalls selbstverständliche Annahme dabei ist, dass die (zahlungsfähige) Nachfrage steigt, wenn der Preis sinkt.)

Schließlich ergibt sich ein neuer Gleichgewichtszustand: Die Preise stimmen im Schnitt wieder mit den Marktwerten überein.

Ergänzend muss angemerkt werden, dass dabei nur die halbe Wahrheit ausgesprochen wird, denn insgesamt muss sich in der Gesellschaft ein neues Gleichgewicht sowohl aus vom Marktwert abhängigen Bedürfnissen als auch von den zahlungsfähigen Bedürfnissen abhängigen Marktpreisen bilden. Da die Bedürfnisse sowohl der produktiven als auch der individuellen Konsumtion auch eine Gebrauchswertseite haben – sie müssen gebrauchswertseitig zusammenpassen – hängt nämlich auch umgekehrt der Marktwert von den Bedürfnissen ab. Wird nämlich nicht konsumierbarer Gebrauchswert produziert, dann zählt der in diesen Produkten steckende individuelle Wert nicht und der Marktpreis muss vom Durchschnitt der individuellen Werte abweichen, bis durch Verringerung der Produktion und Verringerung des Marktwertes – es scheiden die unproduktivsten Produzenten aus - dieses Ungleichgewicht wieder aufgehoben ist.

In der Einleitung zur Theorie der Grundrente behandelt Marx diese andere Seite:

„Es ist in der Tat das Gesetz des Werts, wie es sich geltend macht, nicht in bezug auf die einzelnen Waren oder Artikel, sondern auf die jedesmaligen Gesamtprodukte der besondren, durch die Teilung der Arbeit verselbständigten gesellschaftlichen Produktionssphären; so daß nicht nur auf jede einzelne Ware nur die notwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern daß von der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit nur das nötige proportionelle Quantum in den verschiednen Gruppen verwandt ist. Denn Bedingung bleibt der Gebrauchswert. Wenn aber der Gebrauchswert bei der einzelnen Ware davon abhängt, daß sie an und für sich ein Bedürfnis befriedigt, so bei der gesellschaftlichen Produktenmasse davon, daß sie dem quantitativ bestimmten gesellschaftlichen Bedürfnis für jede besondere Art von Produkt adäquat, und die Arbeit daher im Verhältnis dieser gesellschaftlichen Bedürfnisse, die quantitativ umschrieben sind, in die verschiednen Produktionssphären proportionell verteilt ist... Das gesellschaftliche Bedürfnis, d.h. der Gebrauchswert auf gesellschaftlicher Potenz, erscheint hier bestimmend für die Quota der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit, die den verschiednen besondren Produktionssphären anheimfallen. Es ist aber nur dasselbe Gesetz, das sich schon bei der einzelnen Ware zeigt, nämlich: daß ihr Gebrauchswert Voraussetzung ihres Tauschwerts und damit ihres Werts ist. Dieser Punkt hat mit dem Verhältnis zwischen notwendiger und Mehrarbeit nur so viel zu tun, daß mit Verletzung dieser Proportion der Wert der Ware, also auch der in ihm steckende Mehrwert, nicht realisiert werden kann. Z.B. es sei proportionell zuviel Baumwollgewebe produziert, obgleich in diesem Gesamtprodukt von Gewebe nur die unter den gegebnen Bedingungen dafür notwendige Arbeitszeit realisiert. Aber es ist überhaupt zuviel gesellschaftliche Arbeit in diesem besondren Zweig verausgabt; d.h. ein Teil des Produkts ist nutzlos. Das Ganze verkauft sich daher nur, als ob es in der notwendigen Proportion produziert wäre. Diese quantitative Schranke der auf die verschiednen besondren Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen Arbeitszeit ist nur weiterentwickelter Ausdruck des Wertgesetzes überhaupt; obgleich die notwendige Arbeitszeit hier einen andern Sinn enthält. Es ist nur soundso viel davon notwendig zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses.“ (MEW 25, S.648)

Diese eindrucksvolle Stelle zeigt mit aller Deutlichkeit auf, dass es zum Verständnis des Wertgesetzes keinesfalls genügt, nur die Tauschwertseite der Waren zu betrachten.[12]

Im Großen und Ganzen wird im Kapital das Abweichen der Marktpreise von den Marktwerten als vorübergehender Ungleichgewichtszustand behandelt, der durch die Verbreitung der produktiveren Produktion wieder in einem neuen Gleichgewicht endet und die vorübergehend vorhandenen Extraprofite zum Verschwinden bringt.[13]

An den Stellen allerdings, wo sich Marx den sehr realen Verhältnissen in der Produktion nähert, bei der Behandlung der Grundrente in den verschiedensten Formen, sieht sich Marx gezwungen, dieses allgemeine Ausgleichsdenken zu verlassen. Ohne hier in die Details der Marxschen Argumentation einzugehen nur folgendes:

Die Grundrente ist nach Marx dadurch bedingt, dass jemand ein Monopol an einer Naturkraft hat, – z.B. die Fruchtbarkeit des Bodens - die Basis für die höhere Produktivität des eingesetzten Kapitals ist, wobei diese höhere Produktivität nicht Resultat der Veränderung des Produktionsprozesses durch das Kapital selber ist. Ist die höhere Produktivität nämlich durch das Kapital selber produziert, so steht, wie Marx schreibt, dem Kapital „an und für sich nichts im Wege, dass alles Kapital in derselben Produktionssphäre in derselben Weise angelegt wird.“ (MEW 25, S. 657)

Marx entwickelt nun weiter, dass die Produktionspreise[14]des Kapitals, das den am wenigsten fruchtbaren Boden bewirtschaftet, den Preis bestimmt, zu dem alle Kapitale in diesem Bereich der Landwirtschaft, ihre Produkte verkaufen können. Dadurch ist der Marktwert der Produkte immer wesentlich höher als die Summe aller Produktionspreise, die sich aus dem Kostpreis plus Durchschnittsprofitrate des Kapitals überhaupt ergeben, da die Kapitale auf den fruchtbareren Böden geringere Produktionskosten haben. Diesen Überschuss können die Grundbesitzer in Form der Rente an sich ziehen. In dem Beispiel, das Marx gibt, ist der Gesamtmarktwert 2½ Mal so groß wie der Gesamtproduktionspreis. Marx schreibt:

„Es ist bei der Differentialrente überhaupt zu bemerken, daß der Marktwert immer über dem Gesamtproduktionspreis der Produktenmasse steht. Nehmen wir z.B. Tabelle I. Die 10 Tonnen[15] Gesamtprodukt werden verkauft zu 600 Euro, weil der Marktpreis durch den Produktionspreis von A bestimmt ist, der 60 Euro per Tonne. beträgt. Der wirkliche Produktionspreis aber ist:

Kapital

Produktionspreise gesamt

Produktionspreise/ Tonne

A

1 t = 60 €

1 t = 60 €

B

2 t = 60 €

1 t = 30 €

C

3 t = 60 €

1 t = 20 €

D

4 t = 60 €

1 t = 15 €

Summe

10 t = 240 €

1 t = 24 €

Der wirkliche Produktionspreis der 10 Tonnen ist 240 Euro; sie werden verkauft zu 600, 250% zu teuer. Der wirkliche Durchschnittspreis für 1 Tonne ist 24 Euro.; der Marktpreis 60 Euro, ebenfalls 250% zu teuer.“ (MEW 25, S.673)

Für eine kommunistische Gesellschaft würde das ganz anders aussehen:

„Denkt man sich die kapitalistische Form der Gesellschaft aufgehoben und die Gesellschaft als bewußte und planmäßige Assoziation organisiert, so stellten die 10 Tonnen ein Quantum selbständiger Arbeitszeit vor, gleich dem, das in 240 Euro. enthalten ist. Die Gesellschaft würde also dies Bodenprodukt nicht erkaufen zu dem 2½-fachen der wirklichen Arbeitszeit, die darin steckt; die Basis einer Klasse von Grundeigentümern fiele damit weg.“ (MEW 25, S.674)

Marx zieht eine strenge Grenzlinie zwischen den Surplusprofiten, die aus vorübergehender produktiverer Organisation der Produktion entsteht, die dem kapitalistischen Produktionsprozess selbst entstammt, und Surplusprofiten, die aus Naturverhältnissen stammen, die das Kapital nicht erzeugt hat und die daher vom Kapital nicht überwunden werden können. Bei letzteren entwickelt er in allen Details, wie es zu einem dauerhaften Abweichen der Gesamtmarktpreise von den Produktionspreisen kommen muss.

Das Beispiel zeigt aber auch, dass ein langfristiges Hindernis in der freien Bewegung des Kapitals ganz ähnliche Effekte bewirken muss. Erst die Beseitigung der Hindernisse führt wieder zu einem Ausgleich der Profitrate.

Free und Open Source Software zur Durchsetzung des Wertgesetzes?

Liest mensch den Artikel von O’Reilley aus der Sicht der eben gemachten Darlegungen, kann mensch erkennen, dass die Commodification von Produkten, wie z.B. die des Personal Computers, nichts anderes ist, als der Ausdruck des Verschwindens der Möglichkeiten Surplusprofite – wie es Marx nennen würde - zu machen. Letztlich wurde der Personal Computer ein austauschbares Gut. Bei der Produktion kam es nur mehr darauf an, sie unter möglichst effektiver Ausbeutung der ProduzentInnen und Benutzung der neuen Möglichkeiten der Vernetzung der Konsumenten über das Internet, zu verkaufen. Während ersteres durch die Verlagerung der Produktion nach China geschah, ermöglichte es das Erkennen der zweiten Seite „Kooperation mit den Konsumenten“ einer Firma wie Dell, der größten Herstellerin von Personalcomputern zu werden.

Allerdings benötigte die PC Industrie 30 Jahre um in dieses Stadium vollständiger Commodification zu kommen. Die Geschichte bis dahin war geprägt von einer Kapitalbewegung, die zu einem Umbruch der gesamten materiellen Produktion und dem Entstehen einer Infrastruktur für neue Felder der Kooperation sorgte: das Internet.

Noch seltsamer wird die Sache, wenn mensch die Free und Open Source Software Revolution unter dem Aspekt der Commodification als „Durchsetzung des Wertgesetzes“ betrachtet. Aus der Sicht von O’Reilley dient die Free und Open Source Software Bewegung zu nichts anderem als durch das Erzwingen einer Commodification, die Extraprofite von Firmen wie Microsoft zu beseitigen und dem Wertgesetz Geltung zu verschaffen. Der individuelle Wert der Software im Massenmarkt hat ja die Tendenz durch die beinahe kostenlose Möglichkeit der Vervielfältigung gegen Null zu gehen. Auch wenn Produktion von Software wie die z.B. von Microsoft Office extrem teuer ist, dividiert durch die weltweite Zahl der (zahlungsfähigen) Benutzer, wird dieser Betrag verschwindend gering. Die unerhörten Extraprofite, die Microsoft deshalb machen konnte und die diese Firma innerhalb von nur 25 Jahren von einer kleinen Quetsche mit 15 Mitarbeitern zum finanzkräftigsten Konzern überhaupt gemacht haben, verdankt Microsoft sozusagen einer „Grundrente“, die sie aus der Verhinderung der Ersetzbarkeit ihrer Produkte gewann.

Für O’Reilley stellt also die Free und Open Source Software so etwas wie den kapitalistischen Weltgeist dar, der zeigt, dass der Monopolkaiser nackt ist. Die Software lässt sich von den kooperierenden KonsumentInnen und den ProduzentInnen in ihrer Freizeit herstellen. Die Wahrheit ist, sie hat so gut wie keinen Wert.

Aus einer Sicht der Durchsetzung des Wertgesetzes verschwinden dann allerdings alle Auseinandersetzungen und Kämpfe in der Gesellschaft, die diesen „Ausgleich der Profitrate“ begleiteten und noch begleiten.

Reicht es also, die „Gefahr der Commodification“ für die jeweiligen KapitalistInnen als Ausdruck des Verschwindens des Extraprofits zu behandeln, den er durch eine technologische oder sonstige Monopolstellung für eine gewisse Zeit einnehmen konnte. Die ihm aber nach Durchsetzung der neuen Technologie abhanden kommt, wodurch sich dann das Wertgesetz Geltung verschafft?

Aus einer abstrakten Sicht kann dieser Vorgang als gerade eben das beschrieben werden. Die an die Verausgabung abstrakter Arbeit gebundene Wertförmigkeit der Produkte setzt sich nach dem Einpendeln ins Gleichgewicht – um eine Symbolik aus der Physik zu nehmen – schließlich durch.

Um die konkreten Klassenkämpfe und ihre Dynamik zu verstehen und in sie einzugreifen, ist neben einem Verständnis der begrifflichen Elemente kapitalistischer Produktionsweise die konkrete Analyse der Dynamik der reellen Subsumption, der ursprünglichen Akkumulation in den neu besetzten Feldern gesellschaftlicher Kooperation und Produktion notwendig. Dazu reicht es allerdings keinesfalls bei dieser abstrakten Sicht zu bleiben und zwar reicht es weder dafür, die Eigenbewegung des Kapitals zu begreifen als auch um das Feld der Klassenauseinandersetzungen zu begreifen, die in Wechselwirkung mit dieser Eigenbewegung stehen.

Um einen provokativen Vergleich zu ziehen: Sowie es in der Physik nicht ausreichte, die Gesetze der Erhaltung der Energie und der Zunahme der Entropie zu betrachten, um konkrete physikalische Systeme wie die Erde zu betrachten, reicht es erst recht nicht aus, die allgemeinen Gesetze des Kapitalismus nach der Durchsetzung des Wertgesetzes zu betrachten.

Kasten:

Physikalische Systeme im Gleichgewicht und Ungleichgewicht

Wie die statistische Physik großer Teilchenmengen zeigen konnte, stellt sich in einem von der Umwelt abgeschlossenen System von sich bewegenden Teilchen nach einer Zeit ein Gleichgewichtszustand her. Dieser Gleichgewichtszustand muss nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik eine größere Entropie haben als der Zustand, aus dem er sich entwickelt. Die Entropie ist dabei ein Maß für die Ungeordnetheit des Systems. Z.B geht getrennt heißes und kaltes Wasser (geordneter, da heiß und kalt getrennt) in einen ungeordneteren Zustand (lauwarmes Wasser) über, wenn mensch, die Trennung zwischen beiden Teilsystemen entfernt.

Erst die Behandlung von Systemen im Ungleichgewicht konnte verständlich machen, wieso höhere Ordnungen entstehen konnten, ohne den zweiten Hauptsatz zu verletzen.

Aus physikalischer Sicht (das heißt ohne Gesetze der Physik zu verletzen) konnte auf der Erde nur deshalb Systeme höherer Ordnung – wie es jede Form von Leben ist - entstehen, weil die Erde in einem ständigen Ungleichgewicht ist: es durchfließt nämlich ununterbrochen Energie von der Sonne die Erde. Dadurch können sich in dem durch Energie durchflossenen System Zustände höherer Ordnung (das heißt niedrigerer Entropie) bilden.

Der Umgang mit den „Gesetzen“ des „Kapitals“

Ein Teil der Problematik der Interpretation des „Kapitals“ besteht darin, dass es unklar ist, wie mensch mit den notwendigen Abstraktionen, die in den Überlegungen zum Wertgesetz ihren Ausdruck finden, umgehen soll.

Eine Richtung in der Debatte über das Wertgesetz behandelt dieses wie ein „ehernes Naturgesetz“, das qualitativ und quantitativ die „Bewegungsgesetze des Kapitalismus“ ausdrückt. Mensch muss nur mehr, um wiederum ein Physikanalogon zu nehmen, die Anfangs- und Randbedingungen feststellen, um zu wissen, wie sich das „System“ entwickelt. Ein neueres Beispiel dafür ist das Dahinschwinden der Mehrwertmasse, das tendenziell zum Zusammenbruch des Kapitalismus führt, wie in Überlegungen der Krisis-Gruppe. Die Gesetze, die im „Kapital“ formuliert werden, können so wie sie sind, auf den Kapitalismus angewendet werden und zur Vorhersage der Zukunft bedarf es nur einiger grober Abschätzungen und Überlegungen. Z.B. die Überlegung, wie sie bei der Krisis angestellt wird, dass die Verringerung des Werts der Einzelware durch die Computergesteuerte Produktion durch eine Ausdehnung der Produktion und Erhöhung der Ausbeutungsrate nicht mehr wettgemacht werden kann.

Eine andere Richtung – die der PostoperaistInnen - kritisiert an den Vorstellungen des bis zur Revolution immerwährenden Wertgesetzes die Vorstellung der Unveränderbarkeit, die sich auch noch bei Marx selber findet. Antonio Negri schreibt in der ersten seiner „Zwanzig Thesen zu Marx“[16]: „Die Wertform ist immer das Ergebnis einer Beziehung, die sich aufgrund der historischen Bewegung einer Gesellschaft verändert. Da aber historische Veränderungen von der Entwicklung und vom Niveau der Lösungen des Antagonismus (der Produktionsweise) bestimmt werden, kann man sagen, dass die Wertform eine Funktion des Antagonismus und seiner Lösung ist.“ Und weiter unten „Selbst in prophetischen Texten wie den Grundrissen besteht für den historische Materialismus das Risiko, eine Naturgeschichte der fortschreitenden Subsumption der Arbeit unter das Kapital zu konstituieren und die Wertform durch den progressiven, obgleich utopischen, deterministischen Prozess der Perfektion ihrer Mechanismen zu erläutern.“ Und dann zusammenfassend zu Beginn der 2. These: „Wenn wir von der Krise des Wertgesetzes sprechen, meinen wir, dass der Wert heute auf kein objektives Maß reduziert werden kann. Aber diese Unvergleichbarkeit eliminiert keineswegs Arbeit als Grundlage des Wertes.

Hier wird argumentiert, dass das Wertgesetz und die Wertform sich auch innerhalb des Kapitalismus verändern müssen, wobei für die Veränderung die Klassenantagonismen das bestimmende Moment sind. Unklar bleibt aber was es heißt, dass das „Wertgesetz in die Krise“ kommt. Offensichtlich handelt es sich dabei um ganz andere Begriffe des „Gesetzes“ und der „Krise“ als bei der Krisis-Gruppe.

Bevor ich auf einige Probleme der Darstellung der PostoperaistInnen eingehen will, möchte ich den Satz von der „Krise des Wertgesetztes“ etwas mehr Gehalt geben, indem ich auf die Debatte der OperaistInnen und PostoperaistInnen über das sogenannte Maschinenfragment aus den Grundrissen hinweise.

Das „Grundrisse“ Maschinenfragment und seine Interpretation

Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr als in den Produktionsprozeß eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozeß selbst verhält. (Was von der Maschinerie, gilt ebenso von der Kombination der menschlichen Tätigkeiten und der Entwicklung des menschlichen Verkehrs.) Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt; sondern den Naturprozeß, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.“ Und weiter:

Die Entwicklung des capital fixe zeigt an, bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist, und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des general intellect gekommen, und ihm gemäß umgeschaffen sind. Bis zu welchem Grade die gesellschaftlichen Produktivkräfte produziert sind, nicht nur in der Form des Wissens, sondern als unmittelbare Organe der gesellschaftlichen Praxis; des realen Lebensprozesses. „(MEW 42, S.705)

In einer Aufarbeitung von Interpretationen durch die PostoperaistInnen wie Antonio Negri und Paolo Virno schreibt Jason Read in „The Micro-Politics of Capital“, dass Marx in diesem Fragment zwei Tendenzen – wie auch schon im „Kapital“ – beschreibt. Einerseits die Tendenz zur Proletarisierung, das heißt des Überflüssigmachens jeglicher Qualifizierung der Arbeiter und die Ermöglichung der völligen Ersetzbarkeit als Anhängsel der Maschine. Andererseits die Tendenz zu Vergesellschaftung, in der sich das gesammelte kooperative Wissen der Menschen als Eigenschaft der Maschine darstellt.

Einerseits also die Reduktion des Arbeitsprozesses zu „abstrakter Arbeit“[17] anderseits die Einbeziehung von Wissenschaft und Forschung in die kapitalistische Verwertung, eine Tätigkeit die der Form von Lohnarbeit widerspricht und nicht auf diese reduziert werden kann.

Während aber im Kommunistischen Manifest, in anderen Werken von Marx und auch im Kapital die Tendenz zur Proletarisierung – die Herausbildung einer Klasse, die nichts zu verlieren hat als ihre Ketten – im Vordergrund der Möglichkeit und Notwendigkeit der Beseitigung des Kapitalismus steht, wird im Maschinenfragment die Entwicklung der Vergesellschaftung der Produktion, die zum Wertmaß in Form von geleisteter Arbeit in Widerspruch steht, für die notwendige und mögliche Überwindung des Kapitalismus als Hauptseite betrachtet.

Paolo Virno schreibt in seinem Buch „A Grammar of the Multitude“ (Paolo Virno, S.100), die Interpretation dieser Marxstelle betrachtend, “Was heute dabei Aufmerksamkeit erregt, ist die Tatsache, dass sich die in den Grundrissen beschriebenen Tendenzen faktisch voll durchgesetzt haben, allerdings ohne emanzipatorische oder auch nur widerständige Gegenbewegung[18] Und trotz dieser immer miserableren  Basis des Werts als Kriterium für Lohn, für die Verteilung der Bedürfnisse und Wünsche, überlebt die Wertform. Das Maß des Wertes überlebt seinen Tod: „Arbeitszeit ist die Maßeinheit, die in Kraft ist, aber sie ist nicht mehr die wahre Einheit.“(ebenda, S.101) Das Wertgesetz wird zum Zombie, zum lebenden Toten. Tot, aber dennoch noch am Leben.

Gleichzeitig betrachtet Paolo Virno eine  Einschränkung des Maschinefragment: „Marx identifiziert den general intellect (oder das Wissen als hauptsächliche Produktivkraft) ausschließlich mit dem fixen Kapital und vernachlässigt dadurch den Fall, wenn derselbe general intellect sich im Gegensatz dazu als lebendige Arbeit zeigt.“(ebenda, S.106) Wie Jason Read meint, sollte deshalb das Maschinenfragment nicht als mehr oder weniger adäquate Beschreibung der Gegenwart genommen werden, sondern als Beschreibung für die Widersprüche der realen Subsumption von Wissen und Kooperation unter das Kapital: Es ist “die gleichzeitige Inkorporierung aller sozialen Beziehung ins Kapital und die Entwicklung neuer Produktivkräfte, die auf abstrakte Arbeitskraft nicht reduzierbar sind. Es behandelt dasjenige, das durch das Kapital weder gemessen noch kontrolliert werden kann, das aber dennoch essentiell notwendig für sein Funktionieren ist.“ (Jason Read, S.121)

Die Überlegungen zum Maschinenfragment von Paolo Virno und Antonio Negri zeigen wesentlich deutlicher, was unter dem Satz der „Krise des Wertgesetzes“ zu verstehen ist, wie er von den PostoperaistInnen verwendet wird. Einerseits drückt bei ihnen der Begriff der Krise den zunehmenden Widerspruch zwischen dem Reichtum, der von den kooperierenden ProduzentInnen geschaffen wird, und den Maßstab des Wertes in Form der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, die ein Produkt erfordert, aus. Andererseits meint ein Teil der PostoperaistInnen, dass die Wertform, insofern sie Ausdruck der zeitweiligen Lösung des gesellschaftlichen Antagonismus ist, in Form der Veränderung dieses Antagonismus in die Krise gerät; dass sie also als Theorie in die Krise gerät bzw. es schon lange ist. Antonio Negri, der diese Sicht vertritt, schreibt in der These 5 der oben genannten 20 Thesen, dass „bereits während der zweiten industriellen Revolution und besonders beim Übergang vom professionellen zum Massenarbeiter wichtige Merkmale der Werttheorie verblassen. Die Unterscheidung zwischen „einfacher Arbeit“ und „gesellschaftlich notwendiger Arbeit“ verliert jede Bedeutung (auch wenn sie weiterhin absurde Streitereien anregt), was die Unmöglichkeit zeigt, die Genealogie sozial notwendiger Arbeit zu bestimmen; und was am wichtigsten ist, die Unterscheidungen zwischen „produktiver Arbeit“ und „unproduktiver Arbeit“, zwischen „Produktion“ und „Zirkulation“, zwischen „einfacher Arbeit“ und „höherer Arbeit“ werden umgeworfen. Bei den Begriffen der produktiven und unproduktiven Arbeit beobachten wir schon während der zweiten Phase der zweiten industriellen Revolution und erst recht während des Beginns der dritten industriellen Revolution, wie die Begriffe vollständig durcheinander geraten: produktive Arbeit produziert nicht mehr „direkt das Kapital“, sondern reproduziert die Gesellschaft - so gesehen ist die Abtrennung von unproduktiver Arbeit vollständig sinnlos.

Hier wird eine Krise der Theorie beschrieben, die durch eine Veränderung des Antagonismus im Feld der Produktionsweise hervorgerufen wurde. Diese zwei Bestimmungen von Krise stehen in einer ersten Sicht in Widerspruch zueinander. Bei der ersten Bestimmung hat das Gesetz noch Relevanz, wenn auch als „Zombie“ und der Skandal ist, dass es noch wirkt. Bei der zweiten Bestimmung hat es keine Relevanz mehr.

Die Ersetzbarkeit der Waren und die Dynamik des Kapitalismus

Vielleicht hilft eine Aufnahme der oben getroffenen Überlegungen zur Ersetzbarkeit von Waren, diesen Widerspruch zu erhellen.

Marx verwendet im „Kapital“ die Abstraktion der gebrauchswertseitigen Ersetzbarkeit der einen Warenart durch jedes Exemplar der gleichen Warenart. Ein Rock ist ein Rock und Leinwand ist Leinwand. Sie sind Waren, wenn sie einen Nutzen, Gebrauchswert haben, der besteht im Rock sein, und sich gegen einen anderen Gebrauchswert, der besteht im Leinwand sein, austauschen.

Die erste Einschätzung, die getroffen werden muss, besteht darin inwiefern diese Abstraktion zum Verständnis der konkreten Verhältnisse des Kapitalismus geeignet ist und welche Konsequenzen die Differenz zwischen Abstraktion und konkreten Verhältnissen hat. Nun war es gerade zu Marxschen Zeiten, insbesondere für die vorindustrielle kapitalistische Produktion klar, dass dabei jeder Rock in seinem Gebrauchswert, sei es der Stil, der Schutz vor Kälte oder der Qualität der Ausführung und Haltbarkeit unterschiedlich ist und dasselbe gilt natürlich für die Leinwand.

Die Vorstellung, dass alle Röcke gleich sind, oder dass mensch die Röcke in Klassen teilen muss, die sich wie unterschiedliche Gebrauchswerte verhalten und daher auch gegeneinander austauschbar sind, hilft hier nicht viele weiter. Mensch könnte leicht zur Meinung kommen, dass jeder Rock ein Unikat ist und es daher überhaupt keine „gesellschaftlich notwendige“ Arbeitszeit für Röcke gibt. Aus diesem Dilemma helfen uns zwei Betrachtungen.

Es standardisieren sich durch den Einsatz von Maschinen die Gebrauchswerte der Produkte. Eine Maschine produziert unter sonst gleichbleibenden Bedingungen wie schon oben ausgeführt ersetzbare Produkte. Zwar nicht 100% ersetzbar, wie bei einer Garantiereklamation leicht zu bemerken ist, aber im Regelfall ersetzbar. Die unterschiedlichen Röcke scheinen daher leicht auf den durchschnittlichen Rock mit der dafür gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit reduzierbar und die verschiedenen Varianten haben dann die jeweiligen Vielfachen und Teilmengen an Arbeitszeit. Wenn nicht das, was sonst soll der oben diskutierte Ausdruck Commodification bedeuten.

Kann mensch das „Rockbedürfnis“ der Gesellschaft insgesamt in eine bestimmte Menge der Gesamtarbeitszeit der Gesellschaft ausgedrückt sehen und in diesem Rockbedürfnis alle Arten und Varianten von Röcken subsumiert sehen. Die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit eines Durchschnittsrock würde sich dann errechnen aus der insgesamt geleisteten Arbeit für alle Röcke, für die ein Bedarf besteht. Wie oben von Marx beschrieben, haben die zu viel produzierten Röcke, für die kein Bedarf besteht, keinen gesellschaftlichen Gebrauchswert und daher auch keinen Wert. Unter fehlenden Bedarf ist hier allerdings nicht einfach nicht vorhandene zahlungskräftige Nachfrage zu verstehen, sondern z.B. die Tatsache, dass das Wetter meist warm ist und mensch daher meist keinen Rock anziehen muss oder noch einfacher, dass Röcke nicht mehr modern sind.

In Teilen der Texte scheint Marx eine sehr einfache Vorstellung über die Vielfalt und den Reichtum der Gesellschaft an Gebrauchswerten zu haben. Wo er Reichtum und Vielfalt sieht handelt es sich meist um die Konsumtion der Kapitalistenklasse. Wo er Vielfalt in der produktiven Konsumtion sieht, handelt es sich im Regelfall um Mittel, um in der Konkurrenz der Kapitale erfolgreich zu sein, um so letztlich den tieferen Sinn dieser Anstrengungen zu verwirklichen, nämlich den Wert der Arbeitskraft durch Verbilligung der Konsumtionsmittel zu senken und die Ausbeutung zu erhöhen. Die Erweiterung und Entwicklung der Bedürfnisse des Proletariats und die damit in Zusammenhang stehenden neuen Produkte, die neuen Felder der Inwertsetzung der Natur kommen zwar als allgemeine gesellschaftliche Tendenzen vor, spielen aber in der Kritik der politischen Ökonomie so gut wie keine Rolle.

Die wesentliche Entwicklungsdynamik, die im „Kapital“ behandelt wird, ist die Dynamik der Verbilligung der eigenen Produktion, die durch die Errungenschaft des Achtstundentags bedingt, nur mehr durch eine höhere Produktivität in gleicher Zeiteinheit erfolgen kann. Die Variabilität der produzierten Gebrauchswerte spielt keine Rolle mehr. Die erweiterte Reproduktion erfolgt auf Basis gebrauchwertmäßig gleichbleibender Konsumgüter der Proletarier, deren Wert durch die höhere Produktivität ebenderselben ständig sinkt.

Neue Produktionsweisen bekannter Produkte oder überhaupt neue Produkte für die produktive und sonstige Konsumtion und die damit eingehenden produktiven oder sonstigen Bedürfnisse spielen in den Analysen des „Kapitals“ nur eine untergeordnete Rolle. Wenn mensch sich allerdings die Entwicklung des Kapitalismus zumindest in den letzten hundert Jahren ansieht, dann waren es gerade diese neuen Felder der Produktion, die neuen Bedürfnisse und die damit einhergehenden Klassenkämpfe, die ganze Entwicklungsphasen kennzeichneten. Von den 20er und 30 er Jahre des letzten Jahrhunderts beginnend waren es die Automobilproduktion und die Massenproduktion von Konsumgütern, die Massenproduktion von Tourismus und die Errichtung einer sozialen Infrastruktur, die weite Bereiche der kapitalistischen Produktion kennzeichneten und im Zusammenhang mit den ebenfalls produzierten Massenbedürfnissen standen, daneben aber natürlich auch Flugzeuge, Waffen und andere Bereiche der Produktion im Dienste des (imperialistischen) Nationalstaats. Diese Dynamik stellt Schumpeter richtiger Weise ins Zentrum seiner Betrachtungen des Kapitalismus: „Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- und Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Organisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft.“ (Joseph A. Schumpeter, „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1993). [19]

Extraprofite und die Tendenz zur Durchsetzung des Wertgesetzes

Das Feld, in dem sich diese Dynamik entfaltet, ist gekennzeichnet durch den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit, durch die Kämpfe um und Verteidigung erkämpfter Positionen im Klassenkampf. Für die Konkurrenz der Kapitale sind aber die verschiedenen Möglichkeiten Extraprofite zu machen, kennzeichnend. Diese Extraprofite beruhen auf unterschiedlichsten Mechanismen. Hier eine kursorische Aufzählung dieser Möglichkeiten, die nicht einfach nur auf einer Verringerung des individuellen Wertes basieren:

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Natürliches oder staatliches Monopol

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Neue Produktideen und Konzepte, die einen zeitlichen Produktivitätsvorsprung erlauben.

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Placierung neuer Märkte und Produkte in bisher nicht vorhandenen oder nicht kapitalistisch betriebenen Bereichen

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Schon bekannte Produktkonzepte, die mittels Patentrecht relativ lange geschützt sind und / oder in Form von Lizenzen Extraprofite abwerfen

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Erlangen des Status eines de facto Industriestandards, auf den eine Vielzahl von Entwicklungen aufsetzen. (Beispiel der PC von IBM vor 25 oder Windows von Microsoft vor 15 Jahren.)

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Verbindung mit und Vereinnahmung von Subkulturen zur Installierung eines „Labels“ (Nike, Musikindustrie)

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Schutz von technisch beliebig duplizierbaren Wissen in allen Formen mittels Copyright und auch Patentrecht.

Meiner Meinung nach haben diese und andere Mechanismen schon während des ganzen vergangenen Jahrhundert, erst recht aber in den letzten 30- 40 Jahren, zu einem konstanten Ungleichgewicht zwischen den Bereichen, die diese Extraprofite erringen und schützen konnten und den Bereichen geführt, in denen sich die Commodification mit voller Macht durchsetzt oder schon voll durchgesetzt hat. Wenn es auch weiterhin richtig ist, dass es eine Tendenz zur Durchsetzung der  „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit“ als Maß des Werts der  Commodity gibt: Ob sich diese Tendenz und wo sie sich durchsetzt, ist offen und bis es zu einem Ausgleich kommt, besteht dieses Ungleichgewicht und entsteht in neuen Bereichen immer wieder neu.

Diese Bereiche mit ihren Extraprofiten sind es aber, die einen übergroßen Teil des Mehrwertes an sich ziehen. Die gesetzlichen, technischen, kulturellen und emotionalen Mittel, die dazu dienen sich dieser Extraprofite zu versichern, können zur praktisch grenzenlosen Vervielfachung der Profitanhäufung führen. Je mehr es das Wissen, die Kultur, die Kooperation ist, die unmittelbar produktiv (im Sinne von Gebrauchswert) ist, je mehr das Produkt selber immateriell ist, „knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist“, desto krasser wird nicht nur der Widerspruch zwischen dem miserablen Maß Arbeitszeit als Maß des Werts und dem Reichtum, der produziert wird, sondern es besteht auch in immer größerem Umfang die Möglichkeit Extraprofite zu machen, die mit der „gesellschaftlich notwendigen“ Arbeitszeit nicht mehr das geringste zu tun haben. Das Paradebeispiel dafür ist – wie kann es anders sein – wiederum Microsoft. Die Produktion der Software, die Microsoft verkauft, ist nicht nur ein Bruchteil des Umsatzes, den der Konzern durch den Verkauf macht, er ist auch ein relativ kleiner Teil der Kosten, die Microsoft hat, der andere dient dazu, durch Marketing, Gesetze, Politik, durch Finanzierung von EntwicklerInnen und Fanclubs die Bedingungen aufrechtzuerhalten, die ihm diese Extraprofite ermöglichen.

Wie ist das nun mit dem Wertgesetz:

Einerseits ist es weiterhin richtig zu sagen, dass es eine Tendenz zur Durchsetzung des Wertgesetzes gibt:

Dort wo sich die Commodification weitgehend durchgesetzt hat, ist sie die Treiberin, der die Extraprofite reduziert und gewaltige Umstrukturierungen des Kapitals bewirkt. Das gilt für den großen Teil von Industrie und Landwirtschaft, welche die materiellen Grundlagen des Kapitalismus erzeugen. Ob es die Schuhfabriken und Elektronikkonzerne in China sind, die einen Großteil der Weltschuhproduktion herstellen[20], oder ob es die Fleisch- und Schlachtbetriebe in Europa sind, in denen am Fließband, eingezwängt in einen technischen Apparat aber weiterhin mit ihren Händen, die ArbeiterInnen die Produkte unserer Supermärkte herstellen – kurz in den Industrien in denen fordistische Produktionsformen vorherrschen: Die Analysen, die Marx im Kapital macht, gelten praktisch unverändert.[21]
Was sich geändert hat, das ist die ungeheure Entwicklung der Kommunikations- und Verkehrsmittel, die
relativ einfache Verlagerung eines großen Teils dieser Art von Produktion in ein anderes Land oder Erdteil gestattet und damit weitere Formen, Extraprofite zu realisieren ermöglichen – siehe dazu die Fußnote 20.

Aber nicht nur die Erzeugung von Produkten, auch die commodifizierbaren Dienstleistungen wie z.B. Call Center oder Ticketing Services für Fluggesellschaften usw. werde getrieben durch die Tendenz der Durchsetzung des Wertgesetzes als Maß des Wertes. Auch hier besteht die Veränderung in der Möglichkeit der Verlagerung der Dienstleistung in ein anderes Land oder einen anderen Kontinent. Um die Ausgabe von Tickets zu verbilligen, lässt z.B. die AUA diese in der Slowakei ausstellen. Eine Vielzahl amerikanischer und englischer Konzerne betreibt sogenanntes Business Process Outsourcing in Indien. Dort stehen dann z.B. Call Center, deren Angestellte erst mal in einen mehrwöchigen Sprach- und Trainingskurs im jeweiligen Englisch plus einen passenden Namen und eine Lebensgeschichte verpasst bekommen, um dann den AnruferInnen aus USA oder UK Auskunft zu geben, ohne ihnen den Eindruck der „Fremde“ zu vermitteln.

Andererseits sind es gerade die Bereiche in denen sich die Tendenz zur Durchsetzung des Wertgesetzes nicht oder noch nicht zeigt, in denen sich die Dynamik der Kapitalakkumulation entfaltet, in denen sich die Gesellschaften am schnellsten verändern. In diesen Bereichen entstehen einerseits die größten Illusionen über den Kapitalismus, andererseits sind sie die Bereiche in denen neue Kämpfe und neue Formen von Kämpfen gegen die kapitalistische Ausbeutung entstehen können. Es sind die großen Bereiche der immateriellen Arbeit, der Produktion von Wissen und Kommunikation, Kulturindustrie und Softwareproduktion usw. kurz das, was die postfordistische Produktionsweise kennzeichnet.

In diesen Bereichen  besteht nicht nur der größte Widerspruch zwischen der Arbeitszeit als Maß der Wertes und dem Reichtum der Produktion, in diesen Bereichen verliert sich überhaupt die Möglichkeit, auch der Produktion von Wert bestimmte Arbeiten zuzuordnen. Wo ist die Grenze zwischen Produktion und Konsumtion in der Erzeugung des immateriellen Wertes von Kultprodukten, seien es Kleidungsstücke oder Bücher. Sind es nicht die Subkulturen des Ghettos, die es ermöglichen Schuhe zu produzieren, deren eigentliche (fordistische) Produktion nur einen Bruchteil des realisierten Wertes ausmachen? Sind es nicht die Fanclubs, die den Harry Potter Büchern Preise ermöglichen, die mit der verkörperten Arbeitszeit nicht das geringste zu tun haben?
Bei der Produktion von Wissen in Form von Software, Lexika, Datenbanken usw. wird es offensichtlich: Zwar setzen auch diese auf eine materielle Infrastruktur auf, die meist fordistisch produziert wird, den Status einer Profitmaschine kann diese Produktion nur erhalten, indem durch die Gesetze des geistigen Eigentums überhaupt erst eine Warenförmigkeit durchgesetzt wird. Das aber läuft den in der Kooperation entstehenden Formen von Produktion vollständig zuwider.

Kasten

Empfehlungen für die Absicherung von Softwareentwicklungen in China.
Auszüge aus den Ergebnissen einer Tagung über Softwarepatente und Softwareschutz in China

...Viele chinesische Software EntwicklerInnen sehen den (Programm)code als ihr intellektuelles Eigentum anstatt ihn als Eigentum der Firma zu betrachten. Eine Veränderung der Kultur beginnt sich erst jetzt durchzusetzen, nachdem mehrere Fälle publiziert wurden, die den betroffenen Firmen beträchtlichen Schaden zufügten.....

Viele Studien geben deshalb China eine sehr schlechte Wertung bezüglich „Sichere Softwareentwicklung“...

Auch dort wo die „Intellectual Property Policy“ schon im Anstellungsvertrag festgelegt ist, sollten allen EntwicklerInnen diese Anordnungen regelmäßig (z.B. alle sechs bis zwölf Monate) vorgelegt werden, um die EntwicklerInnen regelmäßig an den Schutz von Software zu erinnern....

Mögliche Sicherheitsmaßnahmen, die von verschiedenen Firmen eingesetzt werden, inkludieren Maßnahmen wie die, den Entwicklungsteams eigene Computer zu geben, die nicht mit dem Firmennetzwerk verbunden sind und die keine externen Schnittstellen haben, um Daten auf Disketten, CDs oder USB Geräte zu übertragen. Diese Computer sind oft in separaten, abgetrennten Räumen aufgestellt, die durch Zutrittskontrolle und Videokameras überwacht werden.

Diese eher drastischen Maßnahmen beginnen langsam von den Angestellten akzeptiert zu werden...

Die Analysen der PostoperaistInnen und ihre Darstellung der Krise des Wertgesetzes (in beiden Formen) treffen also den Kern dessen, was sich gegenwärtig ändert. Sie richten die Aufmerksamkeit auf neue Formen produktiver Arbeit und Klassenkämpfe. Sie zeigen, welche Kooperationsmöglichkeiten in diesen neuen Formen des Lebens bestehen. Sie zeigen, die Schwächen der Debatten über produktive und unproduktive Arbeit, Produktion und Konsum und die daraus folgenden Vorhersagen auf. Sie zeigen vor allem auch auf, wie diese neuen Formen immaterieller Arbeit und Inwertsetzung des „General Intellect“ auf Forderungen und Wünsche der aus den fordistischen Fabriken desertierenden ProduzentInnen und auf die Einbeziehung der ProduzentInnen mit allen seinen kommunikativen, kognitiven und emotionalen Äußerungen in die Profitproduktion. Sie scheinen aber die Tatsache zu ignorieren, dass auch quantitativ immer noch die Tendenz zur Durchsetzung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit als Maß für die Wertgröße besteht, es vor allem in der materiellen Produktion, aber auch im Dienstleistungsbereich zu den ganz klassischen Formen der Herauspressung des Mehrwerts kommt.

Es fehlen die konkreten Untersuchungen der Entwicklung des Kapitalismus in den letzten hundert Jahren, die einen Zusammenhang mit den Abstraktionen im „Kapital“ herstellen, aber in einer Tiefe, wie sie Marx anhand der Entwicklung der Grundrente macht. Diese Untersuchungen müssten verschiedene Bereiche der kapitalistischen Produktion, so wie sie zur Zeit stattfindet qualitativ und quantitativ betrachten und den Zusammenhang zwischen der ständigen Dynamik des Systems und der tendenziellen Gesetze herstellen und diese Erkenntnisse zu einem Mittel in den zukünftigen Klassenauseinandersetzungen machen.

Einstweilen bleibt uns nur übrig, an Einschätzungen wie denen von O’Reilley anzusetzen und sie zu ergänzen. Wie oben geschrieben, meint O’Reilley:

„Gegeben seien eine ausreichende Zahl an EntwicklerInnen und ein Netz, das sie verbindet und eine Entwicklung in der Art von Open Source entsteht.“ Mensch könnte ergänzend sagen: Gegeben seien eine ausreichende Zahl an EntwicklerInnen und ein Netz, das sie verbindet und es entsteht spontaner Kommunismus.

Im Text zitierte Literatur:

Marx, Karl, “Das Kapital Band 3”, in MEW 25

Marx, Karl, „Grundrisse“, in MEW 42

Negri, Antonio, “Twenty Theses on Marx”, in: S. Makdisi, C. Cesarino, R.E. Karl (Hg.): Marxism beyond Marxism. New York 1996

Read, Jason, „The Micro-Politics of Capital”, Suny Press N.Y. 2004

Schumpeter, Joseph A., “Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“, UTB, Stuttgart 2000

Virno Paolo, “A Grammar of the Multitude”, The MIT Press, Cambridge, Mass and London, England 2004

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[2] In dem genannten Artikel wird als erste Referenz Marx mit einem Absatz aus dem Kapital über den Fetischcharakter der Ware zitiert. Wie der Fortgang des Artikels zeigt, kann mensch das allerdings machen, ohne auch nur die leiseste Ahnung über den Sinn dieses Zitates zu haben.

[3] Die Zukunft ist dabei aber unsicher, weil Microsoft  2003 auf HTML als Dokumentformat wechseln musste, und dieses Format standardisiert ist, was die Chance für andere Produkte, vor allem Free Software und Open Source Produkte, verbessert, Word bzw. Microsoft Office abzulösen.

[5] Ehrliche Standards durchzusetzen.

[6] Die „Verknöcherung“ tritt deshalb ein, weil bei einer großen Verbreitung eines Softwareproduktes der Hersteller gezwungen ist, gegenüber alten Versionen kompatibel zu bleiben. Wenn er das nämlich nicht ist, eröffnet er einem anderen Produkt die Möglichkeit in den Markt einzudringen. (Wenn ich schon auf eine neue Version wechseln muss, wechsle ich gleich zu jemand, der billiger, besser etc. ist.)

[7] Den Betriebsystemmarkt zu verkleinern

[8] „Gegeben seien eine ausreichende Zahl an Entwicklern und ein Netz, das sie verbindet und eine Entwicklung in der Art von Open Source entsteht.“

[9] Er bezieht sich dabei auf den Artikel von Eric Raymond in “The Cathedral & the Bazaar”. (http://www.phone-soft.com/RaymondCathedralBazaar/catb_g.0.html zuletzt abgefragt am 29.3.2005 ) Eric Raymond ist ein Propagandist von Free Software, der gleichzeitig mit den Anpassungen des Copyrights für Open Source Software, die Entwicklungsweise der Free Software den kommerziell operierenden Softwarekonzernen schmackhaft zu machen versucht. Siehe dazu den Artikel in grundrisse 11.

[10] Ein Beispiel ist die CD-Datenbank (CDDB). Diese Datenbank speichert die Titel, KünstlerInnen und Namen der Einzelstücke möglichst aller jemals erzeugten Musik CDs. Legt mensch eine Musik CD in das CD Laufwerk, so wird die CDDB über das Web nach den CD Informationen abgefragt. Kennt die CDDB die Musik CD noch nicht, wird die BenutzerIn aufgefordert, die Daten der CD einzugeben. Die CDDB ordnet diese Informationen einem Schlüssel zu, der aus der Struktur, der Länge und Folge der einzelnen Musikstücke ermittelt wird. Beim nächsten Aufruf kann die CDDB diese Informationen dann aus dem errechneten Schlüssel ermitteln und dem nächsten Benutzer mitteilen.

[11] Aus heutiger Sicht fällt bei der Lektüre dieser Abschnitte des dritten Bandes des Kapitals auf, dass der Kampf und Widerstand der Arbeiterklasse so gut wie nicht vorkommt, während in den Abschnitten über den Arbeitstag des ersten Bandes gerade auf diese Seite des Kapitalverhältnisses besonderer Wert gelegt wird.

[12] Diese Stelle aus dem Band 3 des Kapital zeigt sehr genau, was ein Überwinden des Wertgesetzes bedeuten muss. Der Entschluss von nun an die Vergesellschaftung der Produktion durch den Wert abzuschaffen und an seine Stelle die freie Kooperation der ProduzentInnen zu setzten, reicht dafür offensichtlich nicht aus. Die bürokratische Planung zentraler Behörden erst recht nicht. Der Entschluss der sowjetischen Planungsbürokratien in der Sowjetunion der 60er Jahre Schuhe für die „sowjetischen Bürger“ in ausreichender Anzahl zu produzieren, führte einerseits dazu, dass ganze Wagonladungen an Schuhen unverkäuflich als Ladenhüter in den Kaufhäusern herumstanden, während anderseits die Männer und Frauen in dem Labor, in dem ich arbeitete, vergeblich versuchten, für den damals extrem kalten Winter Filzpantoffeln oder Winterstiefeln zu ergattern. Eine junge Frau im Labor hatte für den Fall, dass es eventuell irgendwo Winterstiefeln gibt, immer 100 Rubel bei sich – damals ein Monatsgehalt, um sich sofort in die Schlange einreihen zu können und die begehrte Ware zu erstehen. An diesem Verhältnis änderte auch nichts, dass die Winterstiefeln extrem teuer waren – eben ein Monatslohn. Die Nachfrage war dennoch höher als das Angebot. Das Wertgesetz machte sich hier geltend durch die Tatsache, dass die produzierten Schuhe im produzierten Umfang nicht den Gebrauchswert hatten, den das gesellschaftliche Bedürfnis erforderte und umgekehrt Schuhe, die den gewünschten Gebrauchswert hatten, nicht in dem  erforderlichen Umfang produziert wurden. Diese Tatsache vernichtete einerseits den Wert eines Teils der Produktion, während sie in einem anderen Teil trotz krassem Abweichens des Preises vom Wert zum Verschwinden des Produktes aus dem Markt führte. Nun sollte es nicht erstaunen, dass bei einer bürokratischen Planung die Gebrauchwertseite der Produkte unzureichend berücksichtigt werde. Wie aber eine entsprechende proportionale Zeitaufteilung der Produktion in verschiedene Bereiche von der kooperierenden Multitude erreicht werden kann, damit die produktive und sonstige Konsumtion Gebrauchswerte in der erforderlichen Qualität und Quantität zur Verfügung gestellt bekommt, darüber wissen wir noch reichlich wenig und die bisherigen Debatten, die darüber geführt wurden, helfen dabei nur wenig weiter, wie der Artikel von Karl Reitter über  das „Grundeinkommen als Recht in einer nachkapitalistischen Gesellschaft“ in der Nummer 13 der grundrisse zeigt.

[13] Extra- oder Surplusprofit mache laut Marx auch innerhalb einer Produktionssphäre diejenigen ProduzentInnen, deren individueller Wert unter dem Marktwert liegt, der also mit höherer Produktivität produziert.

[14] Die Produktionspreise ergeben sich durch den Ausgleich der Profitrate in den verschiedenen Produktionssphären mit unterschiedlicher „organischer Zusammensetzung“ des Kapitals und stellen eine generelle Abweichung der Preise in den einzelnen Sphären von den Marktwerten dar. Sie ergeben sich aus dem Kostpreis der Produkte und der Durchschnittsprofitrate. Über diese Teile des dritten Bandes des Kapitals gibt es eine Reihe von Debatten, die uns hier nicht kümmern müssen.

[15] Ich ändere zur besseren Verständlichkeit die Einheiten, die Marx benutzt.

[16] Negri, Antonio.1996. Twenty Theses on Marx. In: S. Makdisi, C. Cesarino, R.E. Karl (Hg.): Marxism beyond Marxism. New York. Unautorisierte Übersetzung von Jürgen Ehbrecht auf http://www.ca-ira.net/beitraege/Negri20.htm zuletzt abgefragt am 29.3.2005

[17] Die Postoperaisten verwenden den Begriff der abstrakten Arbeit in einem Doppelsinn, einerseits als Begrifflichkeit zur Bestimmung der Wertform und Größe wie bei Marx; andererseits als dazu parallelen Ausdruck der inhaltlichen Beliebigkeit der konkreten Arbeit, der sich in der weitgehenden Austauschbarkeit des Arbeiters im industriellen Kapitalismus ausdrückt.

[18] Alle Zitate von Jason Read und Paolo Virno sind Eigenübersetzungen

[19] Schumpeter ist auch der Meinung, dass der Kapitalismus, wenn er diese Dynamik verliert, nicht überlebensfähig ist. Die Dynamik wiederum dankt er dem „Unternehmer“ und da seiner Meinung nach die bürokratisierten Riesenkonzerne nicht nur die kleinen und mittelgroßen Firmen, sondern letztlich auch den „Unternehmer“ expropriieren, werde der Kapitalismus letztlich nicht überleben.

[20] Neben den oben beschriebenen Möglichkeiten, Extraprofite zu machen, sind in den letzten Jahrzehnten auch noch andere Wege verstärkt  beschritten worden, um Extraprofite auch in Bereichen zu realisieren, in denen sich die Commodification schon voll durchgesetzt hat und die weiterhin Fordistische Produktionsverhältnisse erfordern, da sie einen relativ hohen Anteil an menschlicher Arbeit haben: Die Verlagerung von Produktion und Dienstleistungen in Länder, in denen bedingt durch den geringen Wert der Arbeitskraft bei gleichzeitiger hoher Produktivität in den neuen Fabriken ebenfalls gewaltige Extraprofite entstehen können. Letztlich ist dieser Extraprofit, der zurzeit vor allem in China, aber auch in Indien realisiert werden kann, der es in diesen Ländern relativ leicht macht, als „UnternehmerInnen“ in kurzer Zeit große Kapitalmengen zu akkumulieren. Zwar reduziert das schnelle Ansteigen der Konkurrenz die extremen Profite – es gibt z.B. zur Zeit 1300 Unternehmen in China, die Konsumelektronik und Haushaltsgeräte produzieren. Der schnelle Ausgleich der Profitraten wird aber zurzeit durch die Ausdehnung der Mehrwertproduktion und damit der Mehrwertmasse wettgemacht. Der Kauf von US und Europäischen Markennamen, wie z.B. der Kauf der Notebookproduktion von IBM durch den chinesischen Konzern Lenovo, zeigt dass sich auch diese fordistisch produzierenden Konzerne in Richtung Markenpolitik und „immaterielle“ Arbeit bewegen.

[21] Vor kurzem war ein Beitrag des Spiegel über die Fleischproduktion in Deutschland im Fernsehen. Beim Aufschneiden der Rinder und Schweine konnten im Kreis gehende Arbeiter beobachtet werden, die sich ein neues Messer nahmen, einen bestimmten Schnitt am Tier durchführten, den herausgelösten Teil aufs Fließband legten, weiter im Kreis gingen, das Messer in den Waschapparat steckten – damit sich die Tiere nicht gegenseitig anstecken, wird das Messer nach jeden Schnitt desinfiziert – sich ein neues Messer nahmen und den gleichen Schnitt wiederholten. Dieses „Ballett mit scharfen Messern“ machten sie in Kettenhemden und Handschuhen, damit sie sich bei der Arbeit nicht selber abstechen.


ISSN 1814-3164
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