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Hallo, bei einer redaktionellen Überarbeitung des Arbeitsbegriffs im Kulturkritischen Lexikon wurde einiges Neues aufgenommen und in Beziehung gebracht, so dass ich hierauf aufmerksam machen möchte: http://www.kulturkritik.net/begriffe/arb.html#Arbeit Wolfram Pfreundschuh Arbeit (s.a. Tätigkeit, Bedürfnis) "Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur..“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192) Arbeiten sind Tätigkeiten, die zum Vorankommen mit einer Sache, einem Problem, einem Stoff, einem Ereignis, einem Plan, einer Vorstellung oder dem Leben überhaupt nötig sind. Die Notwendigkeit der Arbeit ergibt sich aus dem Zweck der Arbeit, aus dem Bedürfnis, eine bestimmte Veränderung zu erreichen, durch welche dieses zum Frieden kommt, befriedigt ist, um ein erneutes Verlangen zu entwickeln, d.h. Geschichte zu bilden. Die Notwendigkeit der Arbeit entspringt also nicht einfach den menschlichen Bedürfnissen der unmittelbaren oder gesellschaftlichen Natur; sie ist auch Produktion menschlicher Bedürfnisse aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang der Menschen, Entwicklung ihrer Vielfalt und Reichhaltigkeit, Ausbreitung und Verwirklichung menschlicher Sinnlichkeit als Wendung gegen die Vereinseitigung des Menschseins, gegen den sinnlichen und geistigen Mangel, welcher Verödung und Geschichtslosigkeit mit sich bringt. Sie ist die Konstitution des Zusammenwirkens von Menschen, die Grundlage jeder Gesellschaft. Ihr Produkt ist die geäußerte Eigentümlichkeit des Menschen, welche einzeln wie allgemein als menschliches Eigentum, also individuell und gesellschaftlich zugleich existiert. In der Gesellschaft stellt sich das Arbeitsprodukt als Ganzes, als Zusammenführung von Arbeiten in ihrer Ganzheit und Zuführung zu Bedürfnissen als ganzer Lebenszusammenhang her. So wie dieses Eigentum hervorgebracht wird, existiert und in das Leben der Menschen zurückkommt, so ist ihre Lebensform, ihre Gesellschaft auch wirklich, d.h. geistig und sinnlich in der Gegenständlichkeit des Lebens vermittelt. Für Marx ist Arbeit in diesem Sinne der "Schlüssel zum Verständnis der gesamten Geschichte der Gesellschaft" (MEW 21, S.307). Arbeit ist also immer gegenständlich, befasst sich mit einem Gegenstand, den sie verändert und will hierdurch das ihr zugerunde liegende Bedürfnis verwirklichen als ein Verlangen im Lebenszusammenhang der Menschen, als einzelnes wie gesellschaftliches Bedürfnis zugleich. Arbeit ist in all ihren Momenten zusammen vor allem Lebensäußerung, Selbstvergegenständlichung, Gestaltungstätigkeit des Menschen, Leiden und Tätigkeit seiner Sinnlichkeit und Liebe in der Erzeugung seiner Lebenswelt als seine Kultur. Arbeit enthält Sinn und Geist und erfordert Kraft, Wissen und Verstand. Sie erzeugt Gegenstände, welche die gegenständliche Welt des Menschen ausmachen, seine Veräußerung als seine Lebensvielfalt, als menschlichen Reichtum, als das Dasein seiner Wesenskräfte als Gegenstand der Befriedigung seiner Bedürfnisse und als Lebensverhältnis seiner Kultur. “Gesetzt, wir hätten als Menschen produziert: jeder von uns hätte in seiner Produktion sich selbst und den andern doppelt bejaht. Ich hätte erstens in meiner Produktion meine Individualität, ihre Eigentümlichkeit vergegenständlicht und daher sowohl während der Tätigkeit eine individuelle Lebensäußerung genossen, als im Anschauen des Gegenstandes die individuelle Freude, meine Persönlichkeit als gegenständliche, sinnlich anschaubare und darum über allen Zweifel erhabene Macht zu wissen. Zweitens in deinem Genuß oder deinem Gebrauch meines Produkts hätte ich unmittelbar den Genuß, sowohl des Bewußtseins, in meiner Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, also das menschliche Wesen vergegenständlicht, und daher dem Bedürfnis eines andern menschlichen Wesens seinen entsprechenden Gegenstand verschafft zu haben, drittens für dich der Mittler zwischen dir und der Gattung gewesen zu sein, also von dir selbst als eine Ergänzung deines eigenen Wesens und als ein notwendiger Teil deiner selbst gewußt und empfunden zu werden, also sowohl in deinem Denken wie in deiner Liebe mich bestätigt zu wissen, viertens in meiner individuellen Lebensäußerung unmittelbar deine Lebensäußerung geschaffen zu haben, also in meiner individuellen Tätigkeit unmittelbar mein wahres Wesen, mein menschliches, mein Gemeinwesen bestätigt und verwirklicht zu haben. Meine Arbeit wäre freie Lebensäußerung, daher Genuß des Lebens. [...] In der Arbeit wäre [...] die Eigentümlichkeit meiner Individualität, weil mein individuelles Leben bejaht. Die Arbeit wäre wahres tätiges Eigentum.“ (MEW EB I, S. 462) Arbeit für sich und von einer Seite her genommen ist ein Aufwand, der Kraft für eine Bewegung verlangt (physikalisch:Arbeit ist Kraft mal Weg). Der Arbeitsbegriff verbindet einen Aufwand mit der Tätigkeit, durch welche ein Produkt durch Menschen und Maschinen erzeugt wird, das Menschen zur Verfügung stehen soll. Arbeit ist von dieser Seite der Begriff für den Aufwand zur Herstellung menschlicher und natürlicher Erzeugnisse - dies jedoch nicht ohne Sinn. Arbeit ist aber von ihrem Zweck nicht zu trennen. Solange Menschen Bedürfnisse entwickeln und Geschichte bilden, wird es Arbeit in einem mehr oder minder größerem Ausmaß geben - und sei es auch nur die Arbeit ihrer gesellschaftlichen Organisation und Bereitstellung von Technologie. Die Reduktion von Arbeit auf ihren Aufwand (siehe Wertkritik) ist selbst schon eine Formalisierung der Arbeit und entspricht der Erlebensweise von sinnentleerter Lohnarbeit. Dies als Begriff des Aufwands mit dem der Lohnarbeit als Warenform der Arbeit gleichzusetzen enthebt die Arbeit ihres Widerspruchs, Reichtumbildnerin zu sein und unter der Formbestimmung des Werts abstrakten Reichtum zu schaffen. Ist dieser Widerspruch begrifflich aufgelöst, so ist auch keine Veränderung der Form mehr nötig. Die Hervorkehrung einer begriffslosen Arbeit ist also nichts anderes als eine Selbstverstümmelung des Begreifens der Dialektik von Form und Inhalt, Auflösung substanziellen Denkens. Es verbleibt alleine die politische Forderung des Habens, das Haben-Wollen dessen, was es "eigentlich" schon gibt. Es ist dies letztlich ein gottergebenes Denken in Gegebenheiten, das sich dadurch kritisch gibt, dass es Arbeit als negativ besetzte intellektuelle Begriffsidentität hiergegen hält. Arbeit ist aber auch nicht davon zu trennen, was den geschichtlichen Stand in der Entwicklung der Arbeit und der Produktionsmittel ausmacht, ob z.B. die Kraft durch Menschenkraft oder Maschinenkraft oder durch Roboter oder chemische Prozesse (z.B. photochemische Reaktionen in der Chiperzeugung) erbracht wird. Insgesamt macht Arbeit die Verwirklichung menschlicher Bedürfnisse und erzeugt daher durch ihre Produkte die Potenziale menschlicher Sinnbildung, der Entwicklung menschlicher Sinnlichkeit als menschlichen Lebensreichtum. Die Befriedigung der Bedürfnisse für sich selbst ist also nicht der Zweck der Arbeit, sondern ihr Verlauf in der Geschichte der Selbsterzeugung des Menschen, in der Bildungsgeschichte der Menschheit. Produktion und Konsumtion haben ein und denselben Zweck, in welchem die Menschen sich gesellschaftlich verhalten, nicht als einzelne Individuen, von denen das eine produziert, was das andere braucht - oder umgekehrt. Es geht bei der Arbeit immer um einen Bildungsakt, gleich, welcher Aufwand hierfür nötig ist, um Sinnbildung, um menschliche Kultur, die nicht von ihren Momenenten und dem Akt ihrer Entstehung unterschieden ist. Arbeit ohne Wirklichkleit, als bloßer "Entfaltungsprozess des menschlichen Subjekts", das vermittelst der Arbeit zur "klassenlosen Gesellschaft" gelangen würde (siehe auch "Diktatur des Proletariats"), ist reine Spekulation (siehe Arbeiterbewegung), wie es auch umgekehrt rein spekulativ ist, Arbeit unabhängig und also auch unnötig für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse anzusehen (siehe Wertkritik). "Die Gesellschaft als ein einziges Subjekt betrachten, ist, sie überdem falsch betrachten - spekulativ. Bei einem Subjekt erscheinen Produktion und Konsumtion als Momente eines Akts. Das Wichtigste ist hier nur hervorgehoben, daß, betrachte man Produktion und Konsumtion als Tätigkeiten eines Subjekts oder einzelner Individuen, sie jedenfalls als Momente eines Prozesses erscheinen, worin die Produktion der wirkliche Ausgangspunkt und darum auch das übergreifende Moment ist. Die Konsumtion als Notdurft, als Bedürfnis ist selbst ein innres Moment der produktiven Tätigkeit. Aber die letztre ist der Ausgangspunkt der Realisierung und daher auch ihr übergreifendes Moment, der Akt, worin der ganze Prozeß sich wieder verläuft. Das Individuum produziert einen Gegenstand und kehrt durch dessen Konsumtion wieder in sich zurück, aber als produktives Individuum, und sich selbst reproduzierendes. Die Konsumtion erscheint so als Moment der Produktion." (MEW 13, S. 625f) Für die bisherige gesellschaftliche Entwicklung stand der Aufwand, den Arbeit ausmachte, dadurch im Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck, dass in allen bisherigen Gesellschaftsformen beides nach jeweiligen Machtstrukturen gegensätzlich aufgeteilt und der Aufwand weitgehend Lebensbestimmung derjenigen war, welche keine Macht darin hatten. Die gesellschaftliche Funktion der Arbeit in der Notwendigkeit eines Aufwandes verrrät auch noch die Sprache: Im Germanischen bedeutete es "Mühsal", indoeuropäisch: Tätigkeit der Waisen, der Randständigen. Arbeiter waren auch schon im Römischen Reich nicht nur Skaven, sondern auch Proleten., und das waren dort "Freie", die keine Steuer mehr bezahlen konnten, oft abgewirtschaftete Beamten oder Söldner oder Waisen oder andere, die zu einer sozialen Randgruppen geworden waren. Der Arbeitsbegriff hatte sich also schon immer mit der Auffassung zwischen Freiheit und Notwendigkeit in der Stellung zur Arbeit bewegt, welche die Geschichts- und Gesellschaftsepochen von ihrer Produktionsweise hatten: In der Sklavenhaltergesellschaft war es die Arbeit der Sklaven für die Herrscher, in der bürgerlichen Gesellschaft war es der Aufwand für die nackte Existenz zu Gunsten des Warenbesitzes - und für die darin aufkeimende Gesellschaft eines menschlichen Lebenszusammenhangs wird sich Arbeit als freie Einsicht in das Nötige für eine menschliche Gesellschaft ergeben, wie es im Begriff der Arbeit als Kulturbegriff, als Einheit von Lebensäußerung und Lebensbildung schon angelegt ist (siehe z.B. Kommunismus). Zu ihrer Verwirklichung stehen die Voraussetzungen gut. Im Lauf der Geschichte, vor allem durch die Entwicklung der Wissenschaften, der Intelligenz und der Technologie, aber auch durch die wirtschaftlichen Erfordernisse der Mehrwertproduktion, wurde das Potenzial der Kraftaufwendung und auch des Ablaufalgorithmus der Arbeit immer mehr auf Maschinen übertragen und es macht einen gewaltigen Unterschied, ob Arbeitskraft durch Menschen oder durch Sachen aufgewendet wird. Von daher wird der Mensch als bloße Arbeitskraft in dem Maße unnötig, wie die Entwicklung der Produktionsmittel ihn von der Anstrengung der Arbeit befreiten und er um so mehr als planvoller Bildner seines Reichtums im subjektiven Sinn auftreten könnte: Als Erzeuger und Träger seiner Kultur. Als wichtigstes Produkt der Arbeit ist unter der Formbestimmung des Kapitals immerhin die Entwicklung der Produktionsmittel entstanden. In der Produktion der Produktionsmittel steckt der organische Kern der bisherigen Menschheitsgeschichte, die ihre Verwirklichung in einer produktiven Gesellschaft findet, einer Geselschaft von Menschen, die ihr Leben frei bilden und gestalten können, soweit ihre Einsicht in das gesellschaftlich Nötige reicht. Dem widerspricht allerdings immer noch die Form der kapitalistischen Produktion. Da hierin alles als Privatbesitz in der Form von Waren gesellschaftlich vermittelt ist, wird es vom Standpunkt seiner privaten Nützlichkeit besessen, also vor allem auch zur Vorteilnahme gegen andere benutzt. Von da her haben die Besitzer der Produktionsmittel ihren Nutzen aus der Vernutzung der Arbeitskraft der Menschen, die nichts anderes als diese besitzen, gewonnen, indem sie diesen den verblieben Kraftaufwand abverlangten. Weil sie hierdurch nur arbeiten konnten, um ihre Existenz vermittelst ihres Arbeitslohns zu fristen und somit von der gesellschaftlichen Entwicklung weitgehend ausgeschlossen waren, wurde ihnen Arbeit zum Diktat einer gesellschaftlichen Macht, welche den Privatbesitz ausmacht und fortbestimmt: Die Verfügung über die Potenzen der gesellschaftlichen Entwicklung. Produktionsmittel verschaffen unter dieser Bestimmung Kapital und Kapital verschafft die Unterwerfung aller Menschen unter seine Entwicklungsziele. Vom Standpunkt der heutigen Geschichte ist die Form der kapitalistischen Gesellschaft als privates Besitzverhältnis gegenüber den gesellschaftlichen Potenzen der Arbeit vollständig überkommen und treibt den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung zur barbarischen Auspressung von menschlichem Leben durch Verwertung und Unterwerfung aller Lebensmomente der Kultur und Natur, durch Lebensisolation. Die Arbeit selbst wurde zu einem sinnentleerten Träger geldwerter Interessen, die über gesellschaftliche Macht vermittelst abstrakten vermögens verfügen. Durch den hoch entwickelten, den globalisierten Kapitalismus, der sich längst aus seinem historischen Zweck herausentwickelt hat (siehe "Die Globalisierung und das Ende der bürgerlichen Gesellschaft"), wird jede Form einer gesellschaftlichen Verteilung des Reichtums zunehmend unmöglich, weil Arbeit unvermittelbar wird. Und so wird alles, was Reichtum der einen bedeutet, zur unmittelbaren Not der anderen. Die Krisen dieser Entwicklung sind unumkehrbar und Arbeit selbst auf die Ebene menschlicher Prostitution gedrückt: Herausgabe aller sinnlichen Lebensmomente zur Erheischung einer isolierten Existenzmöglichkeit. Andererseits wird Arbeitslosigkeit zu einem grasierenden Pendant hierzu, das sich nur noch im Erlebensalltag von der Lohnarbeit unterscheidet. Weil Arbeit gegenständliches Leben ausmacht, wird jeder Mensch, wenn er von seinem Gegenstand getrennt ist, einen subjektiven wie objektiven Schmerz erleiden, weil ihm in der Trennung von seinem Gegenstand seine Welt, seine Gesellschaft und sein Leben entäußert und in fremder Hand ist (siehe Entfremdung). Die Arbeitsmittel sind Produktionsmittel, Werkzeuge oder Automaten. Das ändert nichts an ihrem Sinn. Werkzeuge und Automation kann Arbeit nicht ersetzen, sie kann nur den Kraftaufwand und die Einförmigkeit mindern oder gar aufheben, kann die Produktion mit neuen Potenzen ausstatten und das Verhältnis von geistigen und körperlichen Anteilen der Produktion verändern. Das "Reich der Notwendigkeit" wird sich mit den wachsenden Potenzen der Arbeitsmittel zugunsten des "Reichs der Freiheit" aber nur wirklich verringern, wenn sich der Fortschritt der Produktivkraft durch die Verkürzung des Arbeitsstags bis zu seinem Minimum umsetzt. Dem allerdings stehen die Interessen des Kapitals entgegen, solange es dies gibt. Es verlangt also die Aufhebung des Kapitalismus, damit Arbeit selbst in Freiheit geschieht (s. Krise, Kommunismus), d.h. in die gesellschaftliche wie einzelne Einsicht in die Notwendigkeiten der Anliegen und Potenzen der Arbeit In der bürgerlichen Gesellschaft existiert Arbeit als Erwerbsarbeit (siehe Lohnarbeit), als reine Kraftaufwendung zur Erbringung eines Besitzes, als Tätigkeit, die für eine bestimmte Zeit zu einem bestimmten Preis unter vorbestimmtem Wert gemietet und vom Besitzer der Produktionsmittel genutzt wird. In solchem Verhältnis stehen die Besitzer der Arbeitskraft als Menschen, die keine Sache besitzen den Besitzern der Produktionmittel gegenüber, also jenen, welche über die produktiven Potenzen der Arbeit verfügen, als gesellschaftliche Klassen gegenüber (siehe Klassengegensatz). Dieser Gegensatz hat sich vertieft in den Besitz an Lebenskräften (Energie, Arbeitskraft, Rohstoffe, Boden) und den Besitz an Geld. Diese Klassenförmigkeit hat auch durch die Globalisierung, durch die weltweite Aufspaltung der Arbeitsteilung in Parzellen jenseits großer Industrieanlagen, durch die vollständige Isolation der Arbeit bis hin zur Ich-AG nicht aufgehoben, weil sie eine Kategorie des Besitzstandes ist, wie er im Gegensatz zum Eigentum formiert ist. So mag es zwar so scheinen, dass Arbeit für sich keine ökonomische Form mehr im Leben der Menschen hat, kein Proletariat. Dies ist aber nicht richtig, wenn Proletariat im eigentlichen Sinne des Wortes verstanden wird: Bildner des Reichtums als Objekt der Verarmung. Die ist mittelbar und unmittelbar in einem: unmittelbar, sofern eigenes Leben in die Bildung der gesellschaftlichen Gegenständlichkeit von Reichtum eingeht, mittelbar, sofern die Gesellschaft die einzelnen Menschen als Potenz der Armut nutzt (z.B. als gesellschaftliche Reserve zur Bedrängung und Drucksetzung der Menschen zu irgendeiner besitzbildenden gesellschaftlichen Aktivität). Gesellschaftlicher Reichtum in der Form des Kapitals erzwingt durch dessen Logik immer die Armut und Verarmung der Menschen, welche alleine durch den Besitz ihrer Arbeitskraft existieren. Auch wenn sie nicht mehr an einer gesellschaftlichen Produktionsstätte (z.B. Industriearbeit) versammelt sind, haben sie keine andere Funktion für das Kapital als die, seinen Reichtum zu schaffen und zu erweitern, um sich selbst zu erhalten. Wer hierbei nach einer "neuen Qualität der Arbeit" sucht oder sie als gänzlich aufgehoben beschreibt oder die bestehenden Lebenszusammenhänge der Menschen als "Multitude" bezeichnet, ist dem Anschein der globalen Verhältnisse erlegen, dass das Kapital nicht mehr auf der Ausbeutung von Arbeitskraft gründet - nur, weil diese global zur Ausbeutung von Lebenskraft überhaupt geworden ist. So erscheint es dem fleißigen Intellekt mit viel politischem Willen zwar geläufig, dass er seine Ernährung, Kleider und Möbel mit Produkten aus Taiwan, Indien, Afrika, China, Korea usw. zusammensetzt, nicht aber, dass damit menschliche Arbeitskraft, Lebenszeit von Menschen zu Billigpreisen verramscht wird, weil nur hierdurch das globale Kapital funktioniert. Nicht nur, wo es hier und da mal besonders auffällig wird, wenn indische Currybauern ihre Nieren für reiche Amerikaner und Westeuropäer verkaufen müssen, um das Saatgut für die Würze ihrer Edelküchen einkaufen zu können, sondern auch im ganz gewöhnlichen Alltag des Devisenhandels wird Ausbeutung evident, wenn nämlich ihre Währungseinheit zu einem Wert getauscht wird, der ihre Lebensaufwendungen auf einen Bruchteil der unsrigen herunterdrückt. Bei uns liest man dann etwas verwundert, dass die Leute dort mit 2 Dollar pro Tagesverdienst auskommen können. Dies ist Armut pur, die nicht aus der Armut entsteht, sondern aus Reichtum. Auch im weitesten Sinne des Wortes wird Armut zum Synonym von Selbstaufhebung durch den abstrakten Reichtum des Geldbesitzes (siehe Dienstleistungsgesellschaft): Verarmung an Kraft, Geist, Vielfalt und Bedürfnis als Existenznotwendigkeit von Selbstverlust, Mythologie, Einfalt und Gier - nicht, weil das Kapital das Böse in sich trüge und uns dahin zwänge, sondern weil es sich nur bildet, wo wir seine Kultur genießen, durch die es eine Welt des Konsums totalisieren kann (s.a. Tittytainment), um seine Macht allseitig als seinen privaten Reichtum, also um die Abhängigkeit der Menschen von sich zu vermehren (siehe auch Kulturkritik). -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt... Dateiname : nicht verfügbar Dateityp : text/enriched Dateigröße : 28366 bytes Beschreibung: nicht verfügbar URL : http://listi.jpberlin.de/pipermail/wertkritik/attachments/20050602/4f232206/attachment-0001.bin