... nein, nein, kein "Halleluja". Schließlich ist der eloquente und belesene Marxkenner Michael Heinrich von der Zeitschrift PROKLA ein Linker. Und der hasst den Kapitalismus, dem er in theoretischen Abhandlungen und in Veranstaltungen (bspw. am 10. April in der naTo) ein endloses Leben voraussagt. - Im folgenden in aller Freundlichkeit keine "Widerlegung", sondern ein paar schüchterne Einwände gegen die Gesundbeterei.
Wie will Heinrich die gigantische Kapitalvernichtung in zyklischen Krisen beschreiben? Was geht da unter? "Wert" sei eben keine empirische Durchschnittsgröße, sondern ein erzwungenes Abstraktionsverhältnis. Soweit OK. Nur: Die Ablehnung des Empirischen lässt sich auch bis zur Esoterik treiben, wie die Freiburger ISF beweist. Wohl ist der Wert als Wert nicht messbar, sondern nur -als Erscheinung- hinnehmbar, im Geld (so verrückt muß man sich nun mal eine nichtempirische Größe denken). Dieses Geld ist aber klar bestimmt als Erscheinung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit und eben nicht -sorry für diesen Dogmatismus- ein "Name für die Selbstvermittlung des an sich Vermittlungslosen" (J. Bruhn, compiling Marx und Hegel?). Das nichtempirische Wesen erscheint, ganz platt, empirisch im Geld, das bei Vorhandensein Reproduktion ermöglicht und bei Fehlen - tötet. Empirischer geht’s nicht. In der Krise verfatzt sich der zweite Teil der Verwertung, die Realisierung des Werts im Geld. Er ist zuviel da und kann sich deswegen nicht zeigen und nicht wirken. Woher käme in Krisen überhaupt ein Problem, wenn der Wert nicht durch die Einsaugung abstrakter Arbeit entstünde? Wenn er weder in der Produktions-, noch in der Zirkulationssphäre, noch in beiden zugleich entsteht, sondern die Frage nach seinem Entstehungsort schon eine falsche sei (Heinrich), was wird dann in den Waren überhaupt vernichtet? Ein Teil eines Verhältnisses? Ein Teil einer Selbstvermittlung?
Henryk Grossmann
hat gezeigt, dass es in der Logik der Kapitalverwertung liegt, den
Ast abzusägen, auf dem sie sitzt - den Profit. Immer höhere
Stufen der organischen Zusammensetzung stehen immer geringeren Mehrwertmassen
gegenüber, aus denen aber doch die gewaltigen Erweiterungsinvestitionen
bezahlt werden müssen. Es kommt, was kommen muß, der point-of-no-return:
"Der Mehrwert reicht nicht aus, um die Akkumulation im erforderlichen
Umfang fortzusetzen." Natürlich ist nicht einzusehen, bei
welcher Profitrate der Kapitalismus zusammenbricht - bei 10.4%, bei
6.3 % oder erst bei 2.9%? Das Sinken der Profitrate (Profit geteilt
durch eingesetztes Gesamtkapital) hat also lediglich als Index für
das Absinken der Profitmasse eine zusammenbruchstheoretische Bedeutung.
Und unmittelbar klar ist auch, dass der Kapitalismus keinen Bestand
haben kann, wenn sein Hauptantrieb, der Profit, permanent sinkt, die
Wertmasse schrumpft. (Übrigens sieht auch Alfred Sohn-Rethel
bei Marx und Engels die Voraussage ausgesprochen, daß "die
steigende 'organische Zusammensetzung des Kapitals' an einem gewissen
Punkt der Entwicklung in unvereinbaren [! - MB] Widerspruch mit der
Warenökonomie der privaten Appropriation geraten würde".) Wir stellen uns vor: Ein Mensch besetzt den Pol "Kapital", da er die Mittel in der Hand hat, eines anderen Menschen Arbeitskraft zu kaufen, der seinerseits keine Mittel außer seiner Arbeitskraft besitzt und also den Pol "Arbeit" besetzen muß. Diese beiden Menschen simulieren nicht Kapitalismus, sie sind Kapitalismus! Die wesentlichen Größen des 3. Bandes des Marxschen "Kapital" sind (sieht man von der fehlenden Konkurrenz ab) vorhanden. Der eine bekommt nur soviel wie zur Reproduktion seiner Arbeitskraft nötig, der Andere streicht den Mehrwert ein. Und selbstverständlich ist auch das Verwertungsmaß, die Profitrate, wieder mit von der Partie. Keine Krise, nirgends. Der Gag: Es gibt keine weiteren Menschen. Die Erde ist längst verwüstet von der blind um sich schlagenden unsichtbaren Hand. Aus irgendwelchen Gründen sind diese beiden übriggeblieben. Trampert/Ebermann hätten also Recht: Nach dem ultimativen Ende des Kapitalismus´ folgt immer wieder nur - Kapitalismus. Der Aberwitz
dieser Vorstellung liegt auf der Hand: Doch leider lachen Heinrich
und der Saal aus falschen Gründen. Heinrich gibt lächelnd
zu, daß bei nur 2 übrigbleibenden Menschen wohl auch er
von finaler Krise sprechen würde. Doch weshalb? Es existiert
eine Verwertung, die von der Profit- (hier wohl eher: Mehrwertrate)
gemessen wird! Wo bleibt hier seine Einsicht, daß das Abschmelzen
der Wertbasis lediglich krisenhafte Folgen für die Menschen,
aber nicht fürs Kapital hat?
Heinrich ist
Mathematiker. Weshalb ist ihm unplausibel, dass der Verwertungsprozess,
von dem er (bei der etwas zurückliegenden Veranstaltung über
die Antiglobalisierungsbewegung im Conne Island) ausdrücklich
zugibt, dass er in der Zukunft immer häufiger von immer heftigeren
Krisen heimgesucht werden wird, an sein natürliches Ende kommt?
Dieser Prozeß braucht u. A. natürliche Ressourcen, die
aber nur begrenzt vorhanden sind. Wie soll ein -nur durch Menschen,
nicht durch sich selbst zu stoppender- Prozess aussehen, der immer
öfter und heftiger crasht, dabei die natürlichen Ressourcen
aufzehrt und dennoch immer weiter geht? Diese Funktion hätte
mitnichten den Grenzwert "plus unendlich", sondern einen
wohl definierten unterhalb. Heinrich kann nicht erklären, woher
der Kapitalprozess im Angesicht exzessiver Umweltzerstörung und
Verwüstung der Seelen sein Material dafür nehmen soll. Mehr
als ein hilfloses "Never say never!" ist hier nämlich
gar nicht möglich. Ich habe den
Verdacht, daß Heinrichs Ablehnung der Zusammenbruchsdiagnose
durch die Missdeutung des Begriffs "Zusammenbruch" hervorgerufen
wird (das gilt nicht von Trampert/Ebermann, die wissen im Gegensatz
zu Heinrich leider nicht, wovon sie überhaupt reden). Es gibt
natürlich kein immanentes werttheoretisches Kriterium, nach dem
"Wirtschaftssubjekte" (also alle, die durch den Wert vergesellschaftet
werden - also alle!) "einsehen" müssten, dass es vorbei
ist. Kein Bruttosozialprodukt, kein Börsenindex, keine Inflationsrate
zeigt irgendwann einmal: finale Krise! Wem es um eine
verständliche Einführung ins werttheoretische Denken der
Politischen Ökonomie geht, findet diese in Heinrichs fetzig geschriebenem
Buch "Die Wissenschaft vom Wert". Mausebär
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