Last Exit to Communism
Auch in Leipzig kann man Kapitalismus wieder Scheisse finden, ohne
automatisch als deutsche Dumpfbacke dazustehen, die die miefige DDR
wiederhaben will. Das ist einerseits Klasse, andererseits aber auch
Krisensymptom. Es wird viel geredet und gelesen über Arbeit,
Kommunismus, Realabstraktion, das automatische Subjekt, Abschaffung,
Aufhebung, Kritik oder Politik. Doch noch redet kaum jemand von der
Krisenhaftigkeit des warenproduzierenden Systems.
Ich werbe dafür, dass Wertkritik, die was auf sich hält,
gleichzeitig eine konsistente Vorstellung von Krise und Zusammenbruch
entwickelt. Dafür sollte man sich v. a. die Erkenntnisse der
wertkritischen "Gruppe Krisis" aus Nürnberg aneignen.
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Wie kann
man denn da von "Krise" reden?
Helmut Kohl
zu Fritz Pleitgen kurz vor der Abwahl 1998
Auch im fünften Jahrzehnt wird der sozialistische Staat der
Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden durch sein Handeln zum Wohle
des Volkes, durch seinen Beitrag zu Frieden, Sicherheit und internationaler
Zusammenarbeit ständig auf das Neue beweisen, dass seine Gründung
im Oktober 1949 ein Wendepunkt war in der Geschichte des deutschen
Volkes und in der Geschichte Europas. Es lebe der 40. Jahrestag der
Deutschen Demokratischen Republik!
Erich Honecker
zum 40. Jahrestag der DDR
Es gibt keinen
Grund, eine Krise, die es objektiv nicht gibt, herbeizureden.
Gerhard Schröder
in einer Rede am 26. Juni 2001
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Krise
der Arbeit - Zusammenbruch des Wertprinzips
Die Diagnose
der "Krisis": Der Grundwiderspruch des Kapitals, einerseits
-konkurrenzvermittelt- immer mehr lebendige Arbeit einzusparen und
deren Tätigkeit durch Maschinen (tote Arbeit, konstantes Kapital)
verrichten zu lassen, andererseits aber zwingend auf den einzigen
wertschaffenden Faktor (nämlich menschliche Arbeit) angewisen
zu sein, ist derjenige, an dem das Kapitalverhältnis (und damit
der ganze auf ihm beruhende gesellschaftliche Zusammenhang) zerschellen
wird.
Norbert Trenkle bezeichnet diese Konstante im Kapitalismus als "logische(n)
Selbstwiderspruch des Kapitals zwischen Produktivkraftentwicklung
und Verwertungsimperativ" (Trenkle, S. 44).
Karl Marx: "Einerseits ist es die Tendenz des Kapitals, die zur
Produktion der Ware nötige Arbeitszeit auf ein fallendes Minimum
zu reduzieren, also auch die Anzahl der produktiven Bevölkerung
im Verhältnis zur Masse des Produkts. Andrerseits aber
ist ihre [der kapitalistischen Produktionsweise - mausebär] Tendenz
umgekehrt, zu akkumulieren, Profit in Kapital zu verwandeln, möglichstes
Quantum fremder Arbeit anzueignen. Sie sucht die Rate der notwendigen
Arbeit herabzusetzen, aber zu der gegebnen Rate ein möglichst
großes Quantum produktiver Arbeit anzuwenden." (Marx, S.
190).
Das Einzelkapital, das in der Konkurrenz am besten besteht, weil es
am meisten rationalisiert (lebendige Arbeitskraft eingespart) hat,
bekommt den größten Anteil an der noch vorhandenen Mehrwertmasse.
Der Zwang, Mehrwert zu produzieren, hat zur Folge, die Mehrwertmasse
zu senken.
Was ist das Resultat dieser Entwicklung? Die in der Einzelware verkörperte
Menge menschlicher Arbeitskraft reduziert sich auf eine homöopathische
Dosis, sie ist vorhanden, doch nahezu nicht mehr auffindbar. Jede
Produktivkraftentwicklung äußert sich in Produktinnovationen
und/oder Prozessinnovationen. Mit erstem ist bezeichnet, dass die
Produktivkraftentwicklung zu neuen Produkten (= neuem Wert) führt.
Prozessinnovationen heißt, die Produktivkraftentwicklung führt
zur Automatisierung von Abläufen durch Einsparung menschlicher
Arbeitskraft (= Verringerung von Wert). Nun bleiben zum ersten Mal
in der Geschichte des Kapitalismus´ permanent die Produktinnovationen
hinter den Prozessinnovationen zurück. (Zur historischen Entwicklung
ausführlich, spannend und glänzend: Kurz, 1999). Die Perfektionierung
der bestehenden Wertproduktion gewinnt so gegen die Schaffung neuen
Wertes, damit sinkt auch die gesamtkapitalistische Wert- und Profitmasse.
(Auf diesen Zusammenhang hat erstmals -wenn auch formalistisch- Henryk
Grossmann hingewiesen, vgl. Grossmann, 1967). Die Wertlogik brennt
aus. Das Fortschreiten dieses Prozesses entzieht jeder "soliden"
Warenproduktion den Boden; um den Schein des Funktionierens überhaupt
noch aufrechtzuerhalten, ist eine fiktive Wertschöpfung per Spekulation
nötig (s.u.).
Immer wieder
wird klar: Es ist definitiv uncool, zu behaupten, der Kapitalismus
ginge auch und gerade ohne menschliches Zutun in die Knie. Doch gerade
weil die Krise bei Marx eine Krise des Wertprinzips ist und sich eben
nicht aus der materialistischen Geschichtsauffassung ergibt (Henryk
Grossmann) und das Wertprinzip gänzlich ohne bewusste (!) Tätigkeit
der Menschen auskommt, ja auf diese Bewusstlosigkeit angewiesen ist,
folgt, dass auch diese Niedergangsphase sehr wohl ohne menschliches
Eingreifen abrollen kann - die Perspektive der Barbarei.
Bewusstes Eingreifen derjenigen, die unterm Kapitalismus leiden, ist
im Gegenteil die letzte kleine Chance für menschliche Emanzipation
- die Perspektive des Kommunismus´.
Die Einsicht
der "Gruppe Krisis", dass dieser Zeitpunkt jetzt, in dieser
geschichtlichen Periode kommt, mündet also keineswegs in einen
"Geschichtsfatalismus" (wenn auch -gerade bei Robert Kurz-
heftiger Pessimismus zu spüren ist), sondern in die Aufforderung,
Sand im Getriebe zu sein, den kapitalistischen Betrieb zu sabotieren,
wo immer das geht (Kurz).
Die von der "Krisis" offensiv vertretene Zusammenbruchstheorie
findet viel Kritik, die aber selten kohärent ist.
So kommt es vor, dass sich die Argumentation der KritikerInnen in
ihrer Belustigung über die "Apokalypsephantasien" der
"Krisis" elementar widerspricht. Einerseits wird ihr "Geschichtsfatalismus",
andererseits ein geradezu fetischistischer Praxisbezug (v. a. von
der "Initiative Sozialistisches Forum" Freiburg, vgl. ihr
Buch "Der Theoretiker ist der Wert") angedichtet. Dass sich
Aktionismus und Fatalismus gegenseitig ausschließen, kommt ihnen
nicht in den Sinn. Ebensowenig wie sie vermutlich anerkennen wollen,
dass es nichts anderes als Fatalismus ist, immer und immer wieder
nur "nothing new under the sun" zu erkennen (Das Kapital
ist das Kapital ist das Kapital ist das Kapital...) und -uneingestanden-
dem revolutionären Subjekt hinterherzuheulen.
Die unermüdlichen empirischen Verweise auf einen wie geschmiert
laufenden Metropolen-Kapitalismus blenden zudem aus, dass die Krise
z.Z. noch von den Zentren des warenproduzierenden Systems an dessen
Peripherie abgewälzt werden kann (Stichwort: Schuldenbedienung).
Der Arbeiterbewegungsmarxismus - eine Bewegung für die
Befreiung der Arbeit
Mit dem Arbeiterbewegungsmarxismus
der Parteien des untergegangenen "sozialistischen Lagers"
(inkl. der tümelnden Arbeiterfolklore der untoten Sozialdemokratie)
ist immanente Kapitalismuskritik an ihr Ende gelangt. Immanent meint
hier: nicht qualitativ über das Kapitalprinzip (Verwertung des
Werts) hinausführend, es nicht transzendierend, sondern lediglich
seine Auswirkungen (per Verteilung) modifizierend. Diese Arbeiterbewegung
knüpfte an den "exoterischen Marx" an, an den, der
die Arbeiterklasse von den Kapitalisten um den ihr zustehenden Mehrwert
"betrogen" sieht, statt an den "esoterischen Marx",
den radikalen Wertkritiker und Geldverächter, der historisch
jetzt zu seinem Recht kommt und der die Fetischkategorie "Wert"
als solche knacken will (zum "doppelten Marx" genauer b.
Kurz, 1995, S. 101 ff.). Spätestens nach ca. 40jährigem
Herumexperimentieren ist klar geworden, dass eine Gesellschaft, in
der Wert, Ware, Arbeit, Geld, Staat nicht verschwunden sind, nicht
befreit genannt werden kann. (Von der Tatsache mal ganz abgesehen,
dass der -das Wertprinzip "organisierende"- schwerfällige
Ostblock-Staat dem flexiblen, freien Markt hoffnungslos unterlegen
war.) Dies leugnen wohl nur noch ein paar DKP-Finsterlinge. Nach dem
Schock des Zusammenbruchs des Staatskapitalismus´ im Osten (real
existierender Sozialismus) kann man nun endlich die schon stinkende
Leiche der Arbeiterbewegung begraben. Die Trauer kann sich in Grenzen
halten, denn:
-
dieser "Marxismus" sorgte lediglich für die bürgerlichen
Rechte der Arbeiter, war also eine Bewegung für Gleichberechtigung
auf dem Boden des warenproduzierenden Systems; mit der Herstellung
dieser Rechte verschwindet also das historische Recht dieser Bewegung,
-
damit ist klar, dass nicht ein Standpunkt jenseits der
Arbeit eingenommen wurde, sondern der Standpunkt der Arbeit
gegen die angeblich faule, schmarotzende Bourgeoisie verteidigt
wurde - wer innerhalb der Unterscheidung Kapital/Arbeit sich auf
die Seite der Arbeit schlägt, transzendiert eben nicht die
Unterscheidung, tritt nicht für eine menschliche Emanzipation
jenseits dieses Zwangsverhältnisses ein,
-
Ziel der Arbeiterbewegung war ein Staat bzw. ein Gemeinwesen, in
dem alle arbeiten, weil es allen inneres Bedürfnis ist - dabei
interessierte nicht, dass Arbeit immer schon "die unfreie,
unmenschliche, ungesellschaftliche, von Privateigentum bedingte
und das Privateigentum schaffende Tätigkeit" (Marx, "Über
Friedrich List") ist, die erst durch ein Auseinanderreißen
des gesamten Reproduktionszusammenhangs der Menschen (in unterschiedliche
Sphären wie Kultur, Religion, Erotik und eben - Arbeit; vgl.
zum Begriff "Sphärentrennung": Kurz, 1995, S. 113)
entsteht, also durchaus nichts Natürliches ist; ganz davon
abgesehen, dass man nie wahrhaben wollte, dass die "kommunistische
Revolution ... die Arbeit beseitigt" (Marx/Engels,
Deutsche Ideologie),
-
der Arbeiterbewegungsmarxismus wollte und konnte sich nicht aus
der Umklammerung von Warenform/Denkform lösen: "Die Müßiggänger
schiebt beiseite!", "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht
essen." (Das sagt nicht nur die Bibel, das sagt auch August
Bebel in "Die Frau und der Sozialismus") - so reden diejenigen,
deren einziges Problem ist, in der Wertgesellschaft anerkannt zu
werden, den unbedingten Nachweis zu liefern, dass sie etwas leisten,
diejenigen, die nicht darüber nachdenken, was Leistung heißt,
sondern nur darüber, wem deren Früchte zugute kommen.
Immer ist das Grundprinzip unangetastet: das Prinzip der Verwertung
- etwas einzusetzen, um mehr vom Gleichen herauszuholen. Nachdem
wenige Jahrhunderte genügt haben, den Leuten die absolute Notwendigkeit
der Arbeit einzubläuen, reden sie nun tatsächlich nur
mehr vom zu erzielenden Nutzen bei gegebenen Möglichkeiten
- statt vom guten Leben für alle.
Spekulation
Die widerlichste
-weil immer antisemitische- Art Kapitalismuskritik ist diejenige,
die sich auf die Spekulanten einschießt.
Mit unbedeutenden Abwandlungen läuft die "Argumentation"
von NPD über AnhängerInnen der Freiwirtschaft und des Schwundgeldes
von Silvio Gesell bis zu PDS-WirtschaftspolitikerInnen so: Eine von
Haus aus bombig laufende Marktwirtschaft wird immer wieder von geldgeilen
kosmopolitisch ausgerichteten Dunkelmännern attackiert. Abgehoben
von jeder Realwirtschaft spielen sie ihre undurchschaubaren Spielchen,
in denen sie sich gegenseitig Geld transferieren, um nach irgendwelchen
Tricks am Ende reicher dazustehen als je zuvor. Das Credo dieser Pseudokritik
heißt also: Lohnarbeit und Mittelstand gegen Finanzkapital für
eine krisenfreie Marktwirtschaft, in der "die tüchtigen
Produzenten belohnt und nicht die unproduktiven Geldverleiher, Grundeigentümer
und andere Parasiten bereichert" werden (der Neo-Gesellianer
Klaus Schmitt, zit. b. Kurz, 1995a, 191 f.).
(Hierhin passt auch das scheußliche Mittelstands-Ressentiment
über die multinationalen Konzerne, die sich immer mehr aus dem
eigentlich produktiven Sektor zurückzögen und stattdessen
Wertpapiergeschäfte tätigten, denen also jede "gesamtwirtschaftliche
Verantwortung" abginge. -
Konzernen gesamtwirtschaftliche Verantwortung anzutragen, heißt,
einen in freier Wildbahn hoppelnden Hasen aufs Zölibat verpflichten.
Wer sich freudig den Gesetzten des Marktes unterwirft, sollte nicht
rumheulen, wenn auch seine Konkurrenten nach ihnen handeln.)
Kapitalismuskritik,
die sich nicht blöd machen lassen will, sollte folgendes einwenden:
Nicht-krisenhafter Reichtum entsteht immer aus der Vernutzung menschlicher
Arbeitskraft. Wenn diese Verwertung stockt, sucht sich herumliegendes
Geld (potentiell: Kapital) Möglichkeiten, in denen es so tun
kann, als würde es sich verwerten: die Bewegung G-W-G´
(Einsatz von Geld, um Waren zu produzieren, die sich teurer verkaufen,
als ihre Produktion gekostet hat) ist zusammengezogen auf G-G´,
Geld das ohne reale Vermittlung Geld heckt. Dies geschieht in den
Formen des fiktiven Kapitals (bspw. Aktienkapital, andere Finanztitel),
die mit dem Kredit möglich werden. Es wird hier auf zukünftige
reale Wertschöpfung (also G-W-G´-Prozesse) vorgegriffen.
Wenn die prognostizierte Verwertung ausbleibt und immer weniger an
ihr Kommen glauben, platzt die Spekulationsblase - Krise. Aller Reichtum,
der nicht reeller Kapitalverwertung (G-W-G´) entstammt, wird
annuliert (und natürlich auch aus ihm kreditär abgeleiteter
Reichtum: wenn also bspw. Aktienoptionsgewinne eines Beschäftigten
in einem nicht profitabel arbeitenden Unternehmen der new economy
beim Aufbau eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens
behilflich waren) (Dazu v. a.: Kurz, 1995b, besonders S. 71 ff.).
Das ist -fast- das ganze Geheimnis. Ganz und gar nicht undurchschaubar.
Wer also vom
Mehrwertterror in der Fabrik nicht reden will, sollte von den finsteren
Spekulanten schweigen, ja, der Spekulant enthält durchaus in
seinem So-Sein auch ein emanzipatorisches Moment: Er macht nämlich
-wenn auch negativ- deutlich, dass es etwas anderes geben muss, als
die permanente Tretmühle - das gute, genussreiche Leben.
Es existiert keine üble Ausbeutersubjektivität, deren Träger
aus lauter menschlicher Verworfenheit andere Leute bestehlen wollen.
Alle Individuen in dieser Gesellschaft werden geknechtet von einem
und demselben Zwangsverhältnis, dem neuen kategorischen Imperativ:
Handle so, dass am Ende mehr rauskommt! Natürlich: Die einen
haben ein größeres Interesse als die anderen an der Abschaffung
dieses Zwangsverhältnisses - ein Zwangsverhältnis, das niemand
(!) bewußt gewollt und installiert hat, bleibt es. Oder wie
Franz Schandl sagt:
"Was vordergründig als Profitgier der Kapitalisten und Manager
erscheint, ist aber nichts anderes als die Umsetzung der objektiven
Gesetze der Marktwirtschaft. Die Agenten des konstanten Kapitals verhalten
sich bei Strafe des eigenen Untergangs ebenso wie ihre Gegner nur
rational in der großen Irrationalität. Sie können
nicht anders, wollen sie, dass ihr Kapital bestehen bleibt. Dieses
Wollen können sie nicht nicht wollen! Es betreibt sie. Es ist
sie." (Franz Schandl in: Die Krise bei Marx...)
Diesbezüglich
lagern auch massig Leichen in den Kellern des Anarchismus´ (um
nur das Beispiel P.-J. Proudhon zu erwähnen: Nach dessen Meinung
kommt der Sozialismus mit der Einführung einer "Volksbank".
Die wäre ein gigantisches Steuerungsorgan der Wirtschaft, die
zinslose -contra Wucher!- Kredite ausreicht. Zudem sorgt sie dafür,
dass alle produzierten Waren immer -nämlich an sie- abgesetzt
werden können und fast jedes Geschäft gegründet werden
kann. Reichtum ist abgeschafft, d. h., Menschen haben nur noch die
Chance, durch eigene Arbeit sich ihre Subsistenzmittel zu sichern.
Niemand darf aus diesem Arbeitshaus ausbrechen. -- Solange Anarchos
diesen antiemanzipatorischen Dreck nicht endgültig in die Tonne
kloppen, sollen sie sich über sozialdemokratischen Arbeitszwang
nicht aufregen.)
Ich bin! Und das ist auch gut so!
Die subjektlose
Herrschaft des Wertprinzips ist nicht nur schlechthin eine der abstrakten
Arbeit über jegliche sinnlichen Bedürfnisse. Das Vorhandensein
der Arbeit selbst ist -vor jeder Herrschaft des Kapitals als automatisches
Subjekt, also als die gesamte Gesellschaft unter seine Knute
nehmend- Resultat einer prozessierenden Dialektik: der Wert-Abspaltung-Dialektik
(Roswitha Scholz). Der Wert kann nur dann Realität werden, wenn
es eine andere, dunkle Seite seiner selbst (quasi die andere Seite
der Medaille, nicht die, die sie bezeichnet, sondern die, die per
Negation bezeichnet wird), das Abgespaltene gibt. Dies sind bspw.
Tätigkeiten im Haushalt, Pflege, Kindererziehung, Zuwendung,
Schaffung von Gemütlichkeit und Erholungsmöglichkeiten für
die produktiven Arbeiter. Die abstrakte Arbeit als Verwertungsgrundlage
ist so historisch als männlich, die nicht verwertbare Schaffung
der Verwertungsvoraussetzungen (genauer R. Scholz: "was in der
abstrakten Wertform an sinnlichem Inhalt nicht aufgeht, aber trotzdem
Voraussetzung gesellschaftlicher Reproduktion bleibt", s. Scholz,
S. 23) als weiblich codiert. Roswitha Scholz spitzt zu: "Der
Wert ist der Mann", allerdings "nicht der Mann als biologisches
Wesen, sondern der Mann als historischer Träger der wertförmigen
Versachlichung"; hier ist kein "Wesensapriori von Mann und
Frau", sondern" eine "kulturell-historisch gewordene(n)
'Tatsache'" bezeichnet (Scholz, S. 45 u. S. 20 Fußnote
1). Der Blick sollte nach Scholz quasi umgestellt werden von einer
Wertkritik auf die Kritik einer falschen Unterscheidung (dass das
schwer ist, weiß ich aus eigener Erfahrung).
Das Aufzeigen dieser Dialektik durch Scholz (zuletzt in ihrem Buch:
"Das Geschlecht des Kapitalismus: Feministische Theorien ...",
Horlemann, 2000) hat keineswegs das Ziel, den irgendwie unschuldigen
Bereich "ursprünglicher", immer "notwendiger"
Tätigkeiten zu verteidigen, sondern -im Gegenteil- die Erkenntnis
zu etablieren, dass das ganze Verhältnis verworfen werden muss.
Menschliche Reproduktion in abstrakte Arbeit und nicht direkt verwertbare
Tätigkeiten gespalten zu haben, ist eben schon das Falsche und
nicht die "List der Vernunft", an deren Möglichkeiten
GesellschaftskritikerInnen anzuknüpfen hätten (bspw. wie
beim Soziologiedummschwätzer U. Beck, der diese Art Tätigkeiten
"aufgewertet", kapitalistisch anerkannt sehen will). Aufhebung
des Wertes muss also heißen: Aufhebung der Wert-Abspaltung-Dialektik,
Aufhebung der Verwertung und Aufhebung der Privatsphäre,
in der die "soft facts" für die Verwertung des variablen
Kapitals geschaffen werden. Letztlich zielt dies auf die Aufhebung
der realexistierenden Subjektkarikatur im Spätkapitalismus.
Sich von der eigenen Ohnmacht nicht dumm machen lassen (Adorno) ist
keine kleine Aufgabe für Linke. Nein-denken, nein-sagen, nein-handeln,
stur und uneinsichtig sein. Und natürlich: Aufklärung, Vermittlung,
Agitation. Kein Bewegungsfetischismus, aber durchaus ein Aufzeigen
von Widersprüchen (bspw. beim Thema "Arbeit"). Antiökonomie
und Antipolitik (Kurz) haben die Erkenntnis zur Voraussetzung, dass
Marx mit dem "Kapital" nicht ein irgendwie radikaleres,
wahrhaftigeres Volkswirtschaftslehrbuch für arbeitswahnsinnige
Gewerkschaftsnudeln geschrieben hat, die sich jetzt, mit vorwärtsweisenden
Gedanken versehen, selbst an die Organisation der ganzen Scheiße
machen könnten, die früher ohne ihr Zutun genauso krass
und stinkend der befreiten Gesellschaft im Weg rumlag.
Immer: Sich bewußt zu sein, wie sehr man selbst in dieser ganzen
Scheiße steckt und dass Wertkritik kein Ticket zur Befreiung
werden darf.
Der Bruch mit
den Fetischkategorien der "modernen Gesellschaft" Wert,
Ware, Arbeit, Geld, Staat zivilisiert die Verwertungsagenten zu ihrer
selbst bewussten Menschen. An den Anfang dieses Prozesses gehört
die Einsicht -die viele freilich intuitiv hatten-, dass Arbeit Scheiße
ist, dass nichts, aber auch nichts an ihr zu retten ist, dass jede
Art Faulheit der intelligentesten, "kreativsten" Verwertungstätigkeit
vorzuziehen ist.
Kritik und Selbstreflexion
schaffen, dass Krisenbewusstsein nicht umschlägt in die Dummheit,
die aus der eigenen Ohnmacht folgte. Wer das beherzigt, wird es weiter
mit den Idioten auf diesem Planeten aushalten und doch nicht so werden
wie sie.
Am Beispiel: Aus der Einsicht, dass von fun zu reden, lügen heisst
und dass jede Orgie zum Marktgetümmel gerät, darf eben nicht
folgen, auf die Orgie zu verzichten, sondern in ihr vielleicht einen,
wenn auch verzerrten, Vorgeschmack auf die befreite Gesellschaft zu
erhaschen.
Was ich sagen
will: Zurechnungsfähige Partyboys and -girls können nur
ein Ziel haben - Kommunismus.
Eine Veranstaltung
wird vorbereitet.
Für eine Sabotage des kapitalistischen Prinzips!
Für eine Aufhebung des warenproduzierenden Systems!
Für eine Befreiung von der Arbeit! - Arbeit ist Scheiße!
Gegen
konstruktives Mitgestalten!
Genuss und Party für alle!
Proletarier aller Länder, macht Schluß!
Mausebär
LITERATUR:
Grossmann, Henryk: Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz
des kapitalistischen Systems, Verlag neue kritik, Frankfurt, 1967,
Archiv sozialistischer Literatur 8.
ISF:
Der Theoretiker ist der Wert: Eine ideologiekritische Skizze..., ca
ira, Freiburg, 2000.
Kurz,
Robert: Postmarxismus und Arbeitsfetisch: Zum historischen Widerspruch
in der Marxschen Theorie, in: Krisis 15, 1995.
Kurz,
Robert: Politische Ökonomie des Antisemitismus: Die Verkleinbürgerung
der Postmoderne und die Wiederkehr der Geldutopie von Silvio Gesell,
in: Krisis 16/17, 1995a.
Kurz,
Robert: Die Himmelfahrt des Geldes: Strukturelle Schranken der Kapitalverwertung,
Kasinokapitalismus und globale Finanzkrise, in: krisis 16/17, 1995b.
Kurz,
Robert: Schwarzbuch Kapitalismus: Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft,
Eichborn, Frankfurt, 1999.
Marx,
Karl: Theorien über den Mehrwert I, Dietz, Berlin, 1956.
Schandl,
Franz: Die Krise bei Marx: Zu hinterlassende Notate einer exegetischen
Häresie, auch bei: http://contextxxi.mediaweb.at/texte/archiv/wuz000118.html.
Scholz,
Roswitha: Der Wert ist der Mann: Thesen zu Wertvergesellschaftung
und Geschlechterverhältnis, in: Krisis 12, 1992
Trenkle,
Norbert: Kapitulation vorm Kapitalismus, in: konkret 7/2000
Zum
Weiterlesen:
www.krisis.org
www.isf-freiburg.org
http://homepages.compuserve.de/mbaer12/Wert.html
www.opentheory.org/krisentheorie
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