Die Produktion von relativem Mehrwert beruht darauf, daß das Kapital die Form des Arbeitsprozesses bestimmt. Damit fungiert die Arbeit als Mittel für die Vergrößerung der Mehrwertrate dadurch, daß ihre Formen Methoden sind, die dem Kapitel zur Erreichung seines Zwecks dienen. Die Bedingung eines jeden kapitalistischen Produktionsprozesses unabhängig von seiner jeweiligen konkreten Gestalt - daß "dasselbe Kapital eine größere Anzahl Arbeiter gleichzeitig beschäftigt" (vgl. 9. Kapitel) - erscheint daher nun als Mittel der Verwertung, d.h. als Mittel der Emanzipation von den Schranken der individuellen Arbeitskraft:[1]
"Das Wirken einer größern Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum (oder, wenn man will, auf demselben Arbeitsfeld), zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion." (MEW 23/341)[2]
Die erste Methode der relativen Mehrwertproduktion besteht also im Zusammenwirken vieler in demselben Arbeitsprozeß: Kooperation.
Von den vorangegangenen Produktionsweisen unterscheidet sie sich lediglich durch die Anzahl der beschäftigten Arbeiter, nicht aber durch die Veränderung des Arbeitsprozesses selbst und seiner technischen Bedingungen:
"Der Unterschied ist also zunächst bloß quantitativ." (MEW 23/341)
Deshalb scheint die Kooperation noch keine besondere Form des kapitalistischen Produktionsprozesses darzustellen. Dennoch - für die Verwertung ist sie eine wesentliche Qualität des Arbeitsprozesses. Erst im Zusammenwirken mehrerer Arbeiter ist die gesellschaftliche Bestimmung der Arbeit als Wertbildnerin realisiert, die mit dem Charakter der Produkte als Waren unterstellt ist. Sie gilt nicht nur, sondern ist hier die "Äußerung einer durchschnittlichen Arbeitskraft" innerhalb des Arbeitsprozesses durch den Ausgleich individueller Unterschiede, die "sich kompensieren und verschwinden, sobald man eine größere Anzahl Arbeiter zusammennimmt." (MEW 23/342) Allein durch die Anzahl der Arbeiter ist das Kapital emanzipiert von den jeweiligen Unterschieden individueller Arbeitsvermögen:
"Der Arbeitstag jedes einzelnen existiert als aliquoter Teil des Gesamtarbeitstags, ganz unabhängig davon, ob die zwölf einander in die Hand arbeiten oder ob der ganze Zusammenhang ihrer Arbeiten nur darin besteht, daß sie für denselben Kapitalisten arbeiten." (MEW 23/342)
Der kooperative Arbeitsprozeß ist also eine dem Wertgesetz adäquate Form der konkreten Arbeit:
"Das Gesetz der Verwertung überhaupt realisiert sich also für den einzelnen Produzenten erst vollständig, sobald er als Kapitalist produziert, viele Arbeiter gleichzeitig anwendet, also von vornherein gesellschaftliche Durchschnittsarbeit in Bewegung setzt." (MEW 23/343)
Darüberhinaus bewirkt die gleichzeitige Anwendung einer größeren Arbeiteranzahl durch einen Kapitalisten eine Revolution in den gegenständlichen Bedingungen des Arbeitsprozesses und befördert so die Verwertung des Kapitals.
"Gemeinsam vernutzte Produktionsmittel geben geringren Wertbestandteil an das einzelne Produkt ab, teils weil der Gesamtwert, den sie abgeben, sich gleichzeitig auf eine größre Produktenmasse verteilt, teils weil sie, im Vergleich zu vereinzelten Produktionsmitteln, zwar mit absolut größrem, aber, ihren Wirkungskreis betrachtet, mit relativ kleinrem Wert in den Produktionsprozeß eintreten." (MEW 23/344)
Die Kooperation bewirkt so mit der Senkung des konstanten Wertbestandteils eine Senkung des Werts der produzierten Waren und - soweit diese in den Kreis der Lebensmittel der Arbeiter eingehen - auch eine Verminderung des Werts der Arbeitskraft:
"Die Wirkung ist dieselbe, als ob die Produktionsmittel der Ware wohlfeiler produziert würden. Diese Ökonomie in der Anwendung der Produktionsmittel entspringt aus ihrem gemeinsamen Konsum im Arbeitsprozeß vieler." (MEW 23/344)
Diese Wirkung der Anwendung einer größeren Arbeiteranzahl auf den Wert der Waren, die sich aus der Veränderung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit pro Produkt durch Einsparung von konstantem Kapital ergibt und für die Profitrate (K III) und in der Konkurrenz von Bedeutung ist, zählt zwar als Veränderung der Produktivkraft der Arbeit, gleichwohl ist sie nicht zu verwechseln mit einer Steigerung der Mehrwertrate durch die verwandelte Form der Arbeit, Denn diese Ökonomie des konstanten Kapitals ist zwar eine mit der Kooperation einhergehende Erscheinung, fällt aber nicht mit dieser als bestimmter Weise des Arbeitens zusammen:
"Da hier nämlich (in der kapitalistischen Produktion) die Arbeitsbedingungen dem Arbeiter selbständig gegenübertreten, erscheint auch ihre Ökonomie als eine besondre Operation, die ihn nichts angeht und daher getrennt ist von den Methoden, weiche seine persönliche Produktivität erhöhen." (MEW 23/344)
Die Kooperation nämlich ist
"die Form der Arbeit vieler, die in demselben Produktionsprozeß oder in verschiednen, aber zusammenhängenden Produktionsprozessen planmäßig neben‑ und miteinander arbeiten…" (MEW 23/344)
und schließt als solche spezifische Wirkungen ein, die sie als Mittel zur Überwindung der Beschränkungen ausweisen, die dem Kapital mit der Produktivkraft der Arbeiter als einzelne auferlegt sind.
Alle aufgeführten Phänomene lassen sich zusammenfassen als Konsequenzen aus dem planmäßigen Zusammenwirken der Arbeiter. Die erhöhten Produktionsleistungen des kombinierten Arbeitsprozesses, deren Effekt identisch ist mit dem Resultat einer Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft, der dem Produktionsprozeß vorausgesetzt ist, beruhen auf der Ausnutzung der gesellschaftlichen Potenzen der Arbeit, die die Kooperation darstellt:
"Verglichen mit einer gleich großen Summe vereinzelter individueller Arbeitstage, produziert der kombinierte Arbeitstag größre Massen von Gebrauchswert und vermindert daher die zur Produktion eines bestimmten Nutzeffekts nötige Arbeitszeit. Ob er im gegebenen Fall diese gesteigerte Produktivkraft erhält, weil es die mechanische Kraftpotenz der Arbeit erhöht oder ihre räumlich Wirkungssphäre ausdehnt oder das räumliche Produktionsfeld im Verhältnis zur Stufenleiter der Produktion verengt oder im kritischen Moment viel Arbeit in weniger Zeit flüssig macht oder den Wetteifer der einzelnen erregt und ihre Lebensgeister spannt oder den gleichartigen Verrichtungen vieler den Stempel der Kontinuität und Vielseitigkeit aufdrückt, oder verschiedne Operationen gleichzeitig verrichtet oder die Produktionsmittel durch ihren gemeinschaftlichen Gebrauch ökonomisiert oder der individuellen Arbeit den Charakter gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit verleiht, unter allen Umständen ist die spezifische Produktivkraft des kombinierten Arbeitstags gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit oder Produktivkraft gesellschaftlicher Arbeit. Sie entspringt aus der Kooperation selbst. Im planmäßigen Zusammenwirken mit andern streift der Arbeiter seine individuellen Schranken ab und entwickelt sein Gattungsvermögen." (MEW 23/348 ff)
Durch die Anwendung dieser Methode der relativen Mehrwertproduktion werden dem Kapital neue Bedingungen seiner Verwertung auferlegt. Um diese Produktivkraft für sich wirken zu lassen, muß das Kapital viele Lohnarbeiter gleichzeitig kaufen:
"Wenn Arbeiter Überhaupt nicht unmittelbar zusammenwirken können, ohne zusammen zu sein, ihre Konglomeration auf bestimmtem Raum daher Bedingung ihrer Kooperation ist, können Lohnarbeiter nicht kooperieren, ohne daß dasselbe Kapital, derselbe Kapitalist sie gleichzeitig anwendet, also ihre Arbeitskräfte gleichzeitig kauft." (MEW 23/349),
wodurch dem Kapital in seiner eigenen Größe eine "materielle Bedingung" für sein Fungieren erwächst. Für die Minimalgröße des Kapitals genügt nicht mehr, daß der "Arbeitsanwender von der Handarbeit entbunden" und damit "das Kapitalverhältnis formell hergestellt' (MEW 23/350) ist. Eine vermehrte Auslage von variablem wie konstantem Kapital ist erforderlich, um einen "kombinierten gesellschaftlichen Arbeitsprozeß" (MEW 23/350) herzustellen.
Andererseits ist durch den massenhaften Kauf von Arbeitskräften noch nicht die gesellschaftliche Potenz realisiert, auf die es dem Kapital ankommt. Das Zusammenwirken der Arbeiter erfordert eine spezifische Funktion des personalisierten Kapitals innerhalb des Arbeitsprozesses selbst.[3] War das Kommando des Kapitalisten bloß formelle Folge der Eigentumstitel des Kapitalisten auf alle Produktionsfaktoren, so entwickelt es sich "mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter… zum Erheischnis für die Ausführung des Produktionsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung." (MEW 23/350)
Die Leitung des Produktionsprozesses ist eine für die Vergrößerung der Mehrwertrate unerläßliche und zugleich als technische Notwendigkeit auftretende Funktion des Kapitals. Sie entspringt nicht einfach daraus, daß technische Leitung eines kooperativen Prozesses unentbehrlich ist, sondern dem Verwertungsdrang des Kapitals, der sich in der Kooperation verwirklicht, und enthält, da es dem Kapital auf die mehrwerthackende Kraft des Zusammenwirkens ankommt, "spezifische Charaktermerkmale". Diese resultieren daraus, daß das Kapital den Verwertungszweck im Arbeitsprozeß dem Willen der Arbeiter gegen ihren wachsenden Widerstand erst aufzwingen muß.
Durch diesen spezifischen Charakter der Leitung erscheint also im Arbeitsprozeß selbst, daß seine kooperative Qualität nicht der Beschaffenheit der Arbeit entspringt, sondern sich einem außerhalb ihrer liegenden und sich in ihr verwirklichenden Zweck verdankt:
"Der Zusammenhang ihrer Funktionen und ihre Einheit als produktiver Gesamtkörper liegen außer ihnen, im Kapital, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Der Zusammenhang ihrer Arbeiten tritt ihnen daher ideell als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft." (MEW 23/351)
Um die im Kapital liegende Einheit des produktiven Gesamtkörpers gegen die Arbeiter durchzusetzen, muß die Leitung des Produktionsprozesses als "unmittelbare und fortwährende Beaufsichtigung der einzelnen Arbeiter und Arbeitergruppen" (MEW 23/351) stattfinden. Der dem zwieschlächtigen Charakter der kapitalistischen Leitung entspringende Despotismus, der mit der Beaufsichtigung durch eine besondre Sorte Lohnarbeiter seine spezifische Form erhält, enthüllt die Kooperation der Lohnarbeiter als Mittel des Kapitals, dem sie gewaltsam unterworfen werden.
Daß die Gemeinschaftlichkeit der Produktion ganz in der gemeinsamen Abhängigkeit der Arbeitenden vom Kapital liegt, das sie anwendet[4], erfährt der Arbeiter dementsprechend am Gebrauch seiner Arbeitskraft. Wo er über sie verfügen kann - als Verkäufer auf dem Markt - da existiert sie nur als individuelle, vereinzelte Arbeitskraft, Wo sie aber ihre gesellschaftlichen Potenzen durch das Zusammenwirken mit anderen entwickelt und ihre individuelle Beschränkung abstreift, ist sie nicht mehr ihm gehörig, sondern wird vom Kapital seinem Zweck gemäß vernutzt. Daher sind im kooperativen Produktionsprozeß die einzelnen
wechselseitig abhängig vom Zusammenwirken mit andern, ohne daß sie den Zweck ihres Zusammenwirkens selbst verfolgen. In dieser Abhängigkeit ist jeder bloßes Moment eines Zusammenhangs, der getrennt von ihm im Kapital existiert:
"Als unabhängige Personen sind die Arbeiter Vereinzelte, die in ein Verhältnis zu demselben Kapital, aber nicht zueinander treten. Ihre Kooperation beginnt erst im Arbeitsprozeß, aber im Arbeitsprozeß haben sie bereits aufgehört, sich selbst zu gehören. Mit dem Eintritt in denselben sind sie dem Kapital einverleibt. Als Kooperierende, als Glieder eines werktätigen Organismus, sind sie selbst nur eine besondre Existenzweise des Kapitals. Die Produktivkraft, die der Arbeiter als gesellschaftlicher Arbeiter entwickelt, ist daher Produktivkraft des Kapitals. Die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit entwickelt sich unentgeltlich, sobald die Arbeiter unter bestimmte Bedingungen gestellt sind, und das Kapital stellt sie unter diese Bedingungen. Weil die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit dem Kapital nichts kostet, weil sie andrerseits nicht von dem Arbeiter entwickelt wird, bevor seine Arbeit selbst dem Kapital gehört, erscheint sie als Produktivkraft, die das Kapital von Natur besitzt, als seine immanente Produktivkraft." (MEW 23/352 ff)
Diese Eigentümlichkeit kapitalistischer Produktion wird deutlich im Vergleich mit vorkapitalistischen Produktionsweisen. Kooperation ist den vorkapitalistischen Gesellschaften ein Erfordernis, das sich aus dem Charakter bestimmter Arbeiten ergibt, die von einzelnen nicht ausgeführt werden können. Zur gesellschaftlichen Notwendigkeit wird die Zusammenarbeit vieler erst im Kapitalismus, wo der Verwertungsdrang des Kapitals die Kooperation als gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit erfordert. War es vorher der Willkür einzelner überlassen, persönlich Abhängige Arbeiten im großen Maßstab ausführen zu lassen, so gerät es dem Kapitalisten zur permanenten Notwendigkeit, viele Arbeitskräfte kooperieren zu lassen, die freiwillig dem stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse folgen:
"Die sporadische Anwendung der Kooperation auf großem Maßstab in der antiken Welt, dem Mittelalter und den modernen Kolonien beruht auf unmittelbaren Herrschafts‑ und Knechtschaftsverhältnissen, zumeist auf Sklaverei. Die kapitalistische Form setzt dagegen von vornherein den freien Lohnarbeiter voraus, der seine Arbeitskraft dem Kapital verkauft. Historisch jedoch entwickelt sie sich im Gegensatz zur Bauernwirtschaft und zum unabhängigen Handwerksbetrieb, ob dieser zünftige Form besitze oder nicht. Ihnen gegenüber erscheint die Kooperation selbst als eine dem kapitalistischen Produktionsprozeß eigentümliche und ihn spezifisch unterscheidende historische Form." (MEW 23/354)
Zugleich ist sie die notwendige Form des Arbeitsprozesses,
"vom Kapital angewandte Methode, um ihn durch Steigerung seiner Produktivkraft profitlicher auszubeuten." (MEW 23/354),
und gehört daher nicht bloß einer besonderen "Entwicklungsepoche der kapitalistischen Produktionsweise" an:
"Die Kooperation bleibt die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise, obgleich ihre einfache Gestalt selbst als besondre Form neben ihren weiterentwickelten Formen erscheint." (MEW 23/355)
[1] Vgl. GR/479 ff!
[2] Die begriffliche Voraussetzung der kapitalistischen Produktion, daß ein Kapitalist mehrere Arbeiter anwenden muß, um als Kapitalist zu fungieren, unterstellt, daß die kapitalistische Produktion aus einer Produktionsweise entsteht, die einerseits Kooperation dadurch ermöglicht, daß sie die gesellschaftliche Arbeitsteilung schon weit entwickelt und Konzentration von gesellschaftlichern Reichtum auf der einen, von Arbeitskräften auf der anderen ausgebildet hat, die aber andererseits das Zusammenwirken vieler Arbeiter noch beschränkt und nicht zur systematischen Grundlage der Produktion macht.
Vgl. GR/483: "Also immer auf der Stufe, wo eine gewisse Masse gesellschaftlichen Reichtum in einer Hand schon konzentriert ist, objektiv, die also als Kapital, sofort als Austausch mit vielen Arbeiter, später als Produktion durch viele Arbeiter erscheint, Kombination von Arbeitern, fähig ist ein gewisses Quantum lebendiger Arbeitsvermögen simultaneously at work zu setzen, beginnt die Produktion durch das Kapital, das so von vornherein als Kollektivkraft, gesellschaftliche Kraft und Aufhebung der Vereinzelung, zuerst des Austauschs mit den Arbeitern, dann der Arbeiter selbst erscheint. Die Vereinzelung der Arbeiter unterstellt noch relative Unabhängigkeit derselben."
[3] Vgl. GR/481; "Es (das Kapital) setzt die Vereinigung der Arbeiter in der Produktion, eine Vereinigung, die zunächst nur im gemeinschaftlichen Ort unter Aufsehern, Einregimentierung, größere Disziplin, Stetigkeit und gesetzte Abhängigkeit in der Produktion selbst vom Kapital sein wird."
[4] Vgl. GR/484: "Wohl aber steht das Kapital von vornherein als Eins oder Einheit den Arbeitern als Vielen gegenüber. Und so erscheint es als die Konzentration der Arbeiter, gegenüber die Arbeit, als außer ihnen fallende Einheit. Nach dieser Seite ist die Konzentration im Begriff des Kapitals enthalten ‑ die Konzentration vieler lebendiger Arbeitsvermögen zu einem Zweck […]"