Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 2, S. 521 - 535
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972

Friedrich Engels

Beschreibung der in neuerer Zeit entstandenen und noch bestehenden kommunistischen Ansiedlungen

Aus: "Deutsches Bürgerbuch für 1845", Darmstadt 1845. S. 326-340

<521> Wenn man sich mit den Leuten über Sozialismus oder Kommunismus unterhält, so findet man sehr häufig, daß sie einem in der Sache selbst ganz recht geben und den Kommunismus für etwas sehr Schönes erklären; "aber", sagen sie dann, "es ist eine Unmöglichkeit, dergleichen jemals in der Wirklichkeit auszuführen". Dieser Einwurf wird einem so häufig gemacht, daß es dem Schreiber dieses für nützlich und notwendig erscheint, ihn durch einige Tatsachen zu beantworten, welche in Deutschland noch sehr wenig bekannt sind und wodurch dieser Einwand ganz und gar beseitigt wird. Der Kommunismus, das soziale Leben und Wirken in Gemeinschaft der Güter, ist nämlich nicht nur möglich, sondern in vielen Gemeinden Amerikas und in einem Orte in England bereits wirklich ausgeführt, und das mit dem besten Erfolge, wie wir sehen werden.

Übrigens, wenn man jenem Einwande etwas näher auf den Grund geht, so findet man, daß er sich in zwei weitere auflöst; nämlich erstens: es würden sich keine Arbeiter zu den niedrigen und unangenehmen Handarbeiten hergeben; und zweitens: es würden, bei einem gleichen Anrecht auf den gemeinschaftlichen Besitz, die Leute sich um diesen Besitz streiten, und so würde die Gemeinschaft wieder zerfallen. - Der erste Einwurf löst sich einfach so: diese Arbeiten sind, einmal in der Gemeinschaft, nicht mehr niedrig; und dann, sie lassen sich durch verbesserte Einrichtungen, Maschinen u. dergl. fast ganz beseitigen. So werden in New York in einem großen Gasthofe die Stiefel mit Dampf geputzt, und in der kommunistischen Ansiedelung zu Harmony in England (wovon unten) fegen die nach englischer bequemer Art eingerichteten Abtritte (water closets) sich nicht nur selbst, sondern sind auch mit Röhren versehen, die den Unrat direkt in den großen Düngerbehälter abführen. - Was aber den zweiten Einwurf. betrifft, so sind bis jetzt alle kommunistischen Kolonien nach zehn bis fünfzehn Jahren so enorm <522> reich geworden, daß sie von allem Wünschenswerten mehr haben, als sie verzehren können, also gar keine Veranlassung zum Streit da ist.

Der Leser wird finden, daß die meisten der in Nachfolgendem geschilderten Ansiedelungen von allerhand religiösen Sekten ausgegangen sind, welche meistens über verschiedene Gegenstände sehr abgeschmackte und unvernünftige Ansichten hegen, und will der Schreiber dieses nur kurz bemerken, daß diese Ansichten durchaus mit dem Kommunismus nichts zu schaffen haben. Es ist auch offenbar einerlei, ob diejenigen, welche die Ausführbarkeit der Gemeinschaft durch die Tat beweisen, an einen Gott, an zwanzig oder an gar keinen glauben; wenn sie eine unvernünftige Religion haben, so ist das ein Hindernis, das der Gemeinschaft im Wege steht, und wenn sich trotzdem die Gemeinschaft hier im Leben bewährt, wieviel eher muß sie bei andern möglich sein, die von solchen Verrücktheiten frei sind. Von den neueren Ansiedelungen sind auch fast alle ganz frei von religiösen Flausen, und die englischen Sozialisten, obwohl sie sehr tolerant sind, haben fast alle gar keine Religion, deshalb sie auch in dem bigotten England sehr verrufen und verleumdet werden. Daß aber an all diesen üblen Nachreden nichts ist, müssen selbst ihre Gegner gestehen, wenn's ans Beweisen geht.

Die ersten Leute, welche in Amerika und überhaupt in der Welt eine Gesellschaft auf dem Grund der Gütergemeinschaft zustande brachten, waren die sogenannten Shakers. Diese Leute sind eine eigne Sekte, welche sehr sonderbare religiöse Meinungen haben, nicht heiraten und überhaupt keinen Verkehr der Geschlechter dulden, und was dergleichen mehr ist. Dies aber geht uns hier nichts an. Die Sekte der Shakers entstand vor ungefähr siebenzig Jahren. Ihre Stifter waren arme Leute, die sich vereinigten, in brüderlicher Liebe und Gemeinschaft der Güter zusammenzuleben und ihren Gott auf ihre Weise zu verehren. Sie fanden, obwohl ihre religiösen Ansichten und besonders das Verbot der Ehe viele abschreckte, dennoch Anhang und haben jetzt zehn große Gemeinden, deren jede drei- bis achthundert Mitglieder stark ist. Jede dieser Gemeinden ist eine schöne, regelmäßig gebaute Stadt, mit Wohnhäusern, Fabriken, Werkstätten, Versammlungshäusern und Scheunen; sie haben Blumen- und Gemüsegärten, Obstbäume, Wälder, Weinberge, Wiesen und Ackerland im Überfluß; dazu Vieh aller Art, Pferde und Rinder, Schafe, Schweine und Federvieh mehr als sie brauchen können und von der allerbesten Zucht. Ihre Scheunen sind immer voll Korn, ihre Vorratskammern voll Kleiderstoffe, so daß ein englischer Reisender, der sie besuchte, gesagt hat: er könne nicht begreifen, warum diese Leute, die doch alles im Überfluß besäßen, noch arbeiteten; es sei denn, daß sie aus purem <523> Zeitvertreib arbeiteten, da sie sonst nichts zu tun hätten. Unter diesen Leuten gibt es keinen, der gegen seinen Willen zu arbeiten hätte, und keinen, der sich um Arbeit vergebens bemüht. Sie haben keine Armenhäuser und Spitäler, weil keinen einzigen Armen und Notleidenden, keine verlassenen Witwen und Waisen; sie kennen keinen Mangel und brauchen ihn nicht zu fürchten. In ihren zehn Städten ist kein einziger Gensd'arme oder Polizeidiener, kein Richter, Advokat oder Soldat, kein Gefängnis oder Zuchthaus; und doch geht alles ordentlich zu. Die Gesetze des Landes sind nicht für sie da und könnten ihretwegen ebensogut abgeschafft werden, ohne daß ein Hahn darnach krähte; denn sie sind die ruhigsten Bürger und haben nie einen Verbrecher für die Gefängnisse geliefert. Sie leben, wie gesagt, in der vollständigsten Gemeinschaft der Güter und haben keinen Handel und kein Geld unter sich. Eine dieser Städte, Pleasant Hill bei Lexington im Staate Kentucky, wurde voriges Jahr von einem englischen Reisenden namens Finch besucht, der die folgende Schilderung davon entwirft.

"Pleasant Hill besteht aus vielen großen und hübschen Häusern von Ziegeln und Haustein, Fabriken, Werkstätten, Ställen und Scheunen, alle in der schönsten Ordnung und mit die besten in ganz Kentucky; das Ackerland der Shakers war leicht zu erkennen an der schönen steinernen Mauer, mit der es eingefaßt war, und an seiner ausgezeichneten Bebauung; eine große Anzahl wohlgenährter Kühe und Schafe weideten in den Feldern, und viele fette Schweine lasen in den Obstgärten die abgefallenen Früchte auf. Die Shakers besitzen hier beinahe viertausend amerikanische Morgen Landes, von denen etwa zwei Drittel angebaut sind. Diese Kolonie wurde um das Jahr 1806 von einer einzigen Familie angefangen; später kamen andere hinzu, und so vermehrten sie sich allmählich; einige brachten etwas Geld mit, andere gar nichts. Sie hatten mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, und da sie meist sehr arm waren, mußten sie anfangs viel entbehren; aber durch Fleiß, Sparsamkeit und Mäßigkeit haben sie das alles überwunden und haben jetzt Überfluß an allem und sind niemandem einen Pfennig schuldig. Diese Gesellschaft besteht in diesem Augenblick aus ungefähr dreihundert Mitgliedern, worunter fünfzig oder sechzig Kinder unter sechzehn Jahren. Sie haben keine Herren und keine Diener, noch viel weniger Sklaven; sie sind frei, reich und glücklich. Sie haben zwei Schulen, eine für Knaben, die andere für Mädchen, in denen Lesen, Schreiben, Rechnen, englische Sprache und die Grundsätze ihrer Religion gelehrt werden; sie lehren den Kindern keine Wissenschaften, weil sie glauben, diese seien nicht nötig zum Seligwerden. Da sie keine Ehen dulden, so müßten sie aussterben, wenn nicht immer neue Mitglieder zu ihnen kämen; aber obwohl das Verbot der Ehe viele Tausende abschreckt und manche ihrer besten Mitglieder deswegen wieder fortgehen, so kommen doch immer soviel neue Mitglieder, daß ihre Zahl sich stets vermehrt. Sie treiben Viehzucht, Ackerbau und Feldbau und ziehen selbst den Flachs, die Wolle und die Seide, die sie in ihren eignen Fabriken verspinnen und verweben. Was sie mehr machen, als sie brauchen können, verkaufen oder vertauschen sie <524> bei ihren Nachbarn. Sie arbeiten gewöhnlich, solange es hell ist. Der Verwaltungsrat hat ein öffentliches Büro, in dem die Bücher und Rechnungen geführt werden, und jedes Mitglied hat des Recht, diese Rechnungen durchzusehen, sooft es ihm beliebt. Sie wissen selbst nicht, wie reich sie sind, da sie nie ein Register ihrer Güter aufnehmen; sie sind zufrieden zu wissen, daß alles was sie haben, ihnen gehört, da sie keinem etwas schulden. Bloß einmal im Jahre machen sie ein Register der Summen, die ihre Nachbarn ihnen schuldig sind.

Die Gemeinde ist in fünf Familien (Abteilungen) von vierzig bis achtzig Mitgliedern geteilt; jede Familie hat ihre aparte Wirtschaft und wohnt in einem großen, hübschen Hause zusammen; jeder bekommt, was er braucht, aus dem allgemeinen Vorratshaus der Gemeinde ohne alle Bezahlung und soviel er nötig hat. Jede Familie hat einen Diakon, der dafür sorgt, daß alle bekommen, was sie bedürfen, und der den Wünschen eines jeden soviel wie möglich zuvorkommt. Ihre Kleidung ist nach Art der Quäker, einfach, nett und reinlich; ihre Nahrung ist sehr mannigfaltig und durchaus von der besten Beschaffenheit. Wenn sich ein neues Mitglied zur Aufnahme meldet, so muß es nach den Gesetzen der Gemeinde alles, was es hat, in die Gemeinschaft geben und kann es nie zurückverlangen, selbst wenn es austritt; aber trotzdem geben sie doch jedem, der sie verläßt, ebensoviel zurück als er mitgebracht hat. Wenn ein Mitglied weggeht, des nichts mitgebracht hat, so darf es nach den Gesetzen auch keine Entschädigung für seine Arbeit verlangen, da es auf allgemeine Kosten ernährt und gekleidet wurde, so lange es arbeitete; doch auch in diesem Falle ist es üblich, jedem ein Geschenk mit auf den Weg zu geben, wenn er im Frieden von ihnen geht.

Ihre Regierung ist nach der Art der ersten Christen eingerichtet. Jede Gemeinde hat zwei Geistliche, einen Mann und eine Frau, welche wieder zwei Stellvertreter haben. Diese vier Geistlichen stehen an der Spitze des Ganzen und entscheiden alle Streitigkeiten. Jede Familie der Gemeinde hat wieder zwei Älteste mit zwei Stellvertretern und einen Diakon oder Verwalter. Das Besitztum der Gemeinde wird vom Verwaltungsrat geordnet, der aus drei Mitgliedern besteht, die ganze Anlage beaufsichtigt, die Arbeiten leitet und mit den Nachbarn Handel treibt. Er darf ohne Einwilligung der Gemeinde kein Grundstück kaufen oder verkaufen. Dazu gibt es natürlich Aufseher und Geschäftsführer in den verschiedenen Arbeitszweigen; sie haben es aber zur Regel gemacht, daß nie von irgend jemand Befehle gegeben werden, sondern Alle durch Güte überzeugt werden sollen." 

Eine andre Ansiedlung von Shakers, Neu-Libanon im Staate Neu-York, wurde von einem zweiten englischen Reisenden namens Pitkeithley im Jahre l842 besucht. Herr Pitkeithley besah die ganze Stadt, die gegen achthundert Einwohner zählt und wozu sieben- bis achttausend Morgen Land gehören, aufs genaueste, untersuchte ihre Werkstätten und Fabriken, ihre Gerbereien, Sägemühlen und so weiter und erklärt die ganze Anlage für vollkommen. Auch er wundert sich über den Reichtum dieser Leute, die mit nichts anfingen und jetzt mit jedem Jahre reicher werden, und sagt:

<525> "Sie sind glücklich und heiter unter sich, da ist kein Zank, sondern im Gegenteil: Freundschaft und Liebe herrschen in ihrem ganzen Wohnsitz, und in allen Teilen derselben besteht eine Ordnung und Regelmäßigkeit, die ihresgleichen nicht hat."

Soviel von den Shakers. Sie leben, wie gesagt, in vollständiger Gemeinschaft der Güter und haben zehn solcher Gemeinden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Außer den Shakers gibt es aber noch andre auf Gemeinschaft der Güter begründete Ansiedlungen in Amerika. Vor allen sind hier die Rappiten zu erwähnen. Rapp ist ein Prediger aus Württemberg, der sich um 1790 mit seiner Gemeinde von der lutherischen Kirche lossagte und, da er von der Regierung verfolgt wurde, 1802 nach Amerika ging. Seine Anhänger folgten im Jahre 1804, und so siedelte er sich mit etwa hundert Familien in Pennsylvanien an. Sie hatten etwa 25 000 Taler zusammen im Vermögen, wofür sie Grundstücke und Werkzeuge kauften. Ihr Land war ein unbebauter Urwald und kostete sie soviel, als ihr ganzes Vermögen betrug; doch bezahlten sie es erst nach und nach. Sie vereinigten sich nun zur Gütergemeinschaft, und zwar machten sie folgenden Vertrag:

1. Jeder gibt alles, was er hat, in die Gemeinschaft, ohne dadurch irgendeinen Vorteil zu erlangen. In der Gemeinschaft sind alle gleich.

2. Die Gesetze und Vorschriften der Gesellschaft sind gleich bindend für alle.

3. Alle arbeiten nur für das Wohlergehen der ganzen Gesellschaft und nicht jeder für sich allein.

4. Wer die Gesellschaft verläßt, hat keinen Anspruch auf Vergütung für seine Arbeit, bekommt aber alles zurück, was er eingelegt hat; und wer nichts eingelegt hat und in Frieden und Freundschaft scheidet, bekommt ein freiwilliges Geschenk auf den Weg.

5. Dafür verpflichtet sich die Gemeinde, jedes Mitglied und seine Familie mit den nötigen Lebensbedürfnissen und der nötigen Pflege in Krankheit und Alter zu versehen, und wenn die Eltern sterben oder austreten und ihre Kinder zurücklassen, so wird die Gemeinde diese Kinder erziehen.

In den ersten Jahren ihrer Gemeinschaft, wo sie eine Wildnis urbar zu machen und jährlich noch an 7 000 Taler von dem Kaufgelde des Grundstücks abzutragen hatten, ging es ihnen natürlich schlecht. Dadurch wurden mehrere der Reicheren abgeschreckt, traten aus und nahmen ihr Geld zurück, was die Schwierigkeiten der Ansiedler noch sehr vermehrte. Aber die <526> meisten hielten treulich aus, und so hatten sie schon nach fünf Jahren, im Jahre 1810, ihre sämtlichen Schulden bezahlt. Im Jahre 1815 verkauften sie aus verschiedenen Gründen ihre ganze Ansiedlung und kauften wiederum zwanzigtausend Morgen Urwald im Staate Indiana. Nach ein paar Jahren hatten sie hier die hübsche Stadt New-Harmony errichtet und das meiste Land urbar gemacht, Weinberge und Kornfelder, eine Wollen- und Baumwollenfabrik angelegt und wurden täglich reicher. 1825 verkauften sie ihre ganze Kolonie für zweimal hunderttausend Taler an Herrn Robert Owen und zogen zum drittenmal in den Urwald. Diesmal siedelten sie sich an dem großen Strom Ohio an und bauten die Stadt Economy, welche größer und schöner ist als irgendeine, in der sie früher wohnten. Im Jahre 1831 kam der Graf Leon mit einer Gesellschaft von ungefähr dreißig Deutschen nach Amerika, um sich ihnen anzuschließen. Sie nahmen diese neuen Ankömmlinge gern auf; aber der Graf hetzte einen Teil der Mitglieder gegen Rapp auf, weshalb in einer Versammlung der ganzen Gemeinde beschlossen wurde, daß Leon und die Seinigen weg müßten. Die Übrigbleibenden bezahlten den Unzufriedenen über hundertzwanzigtausend Taler aus, und von diesem Gelde stiftete Leon eine zweite Kolonie, die aber wegen schlechter Verwaltung mißglückte; die Teilnehmer daran zerstreuten sich, und Graf Leon starb bald darauf als ein Landstreicher in Texas. Die Ansiedlung Rapps dagegen blüht bis auf den heutigen Tag. Über ihre jetzige Lage berichtet der erwähnte Reisende Finch:

"Die Stadt Economy besteht aus drei langen und breiten Straßen, welche von fünf ebenso breiten Querstraßen durchschnitten werden, sie hat eine Kirche, einen Gasthof, eine Wollen-, Baumwollen- und Seidenfabrik, eine Anstalt zur Zucht von Seidenwürmern, öffentliche Warenlager zur Benutzung der Mitglieder und zum Verkauf an Fremde, ein Naturalienkabinett, Werkstätten für die verschiedenen Handwerke, Wirtschaftsgebäude und große schöne Wohnhäuser für die verschiedenen Familien mit einem großen Garten bei jedem Hause. Das dazugehörige Ackerland ist an zwei Stunden lang und eine Viertelstunde breit, enthält große Weinberge, einen Obstgarten von siebenunddreißig Morgen nebst Ackerland und Wiesen. Die Zahl der Mitglieder ist gegen vierhundertundfünfzig, die alle wohlgekleidet und gut genährt sind und prächtig wohnen, heitere, zufriedene, glückliche und tugendhafte Leute, die seit vielen Jahren keinen Mangel kennen.

Auch sie waren eine Zeitlang sehr gegen die Ehe eingenommen, doch heiraten sie jetzt und haben Familien und wünschen sehr die Zahl der Mitglieder zu vermehren, wenn geeignete Leute sich ihnen anbieten sollten. Ihre Religion ist das Neue Testament, aber sie haben kein besonderes Glaubensbekenntnis und lassen jedem seine eigne Meinung, solange er die andern gewähren läßt und nicht wegen Glaubenssachen Streit anhebt. Sie nennen sich Harmonisten. Sie haben keine bezahlten Geistlichen, Herr Rapp, <527> der über achtzig Jahre alt ist, ist sowohl Geistlicher als Verwalter und Schiedsrichter. Sie musizieren gern, haben zuweilen Konzerte und musikalische Abendunterhaltungen. Die Ernte wurde den Tag vor meiner Ankunft mit einem großen Konzert in den Feldern angefangen. In ihren Schulen wird Lesen, Schreiben, Rechnen und Sprachunterricht gegeben; aber keine Wissenschaften, gerade wie bei den Shakers. Sie arbeiten viel länger als sie nötig haben, nämlich Winter und Sommer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; alle arbeiten, und die im Winter nicht in den Fabriken unterkommen, finden Arbeit beim Dreschen, der Viehzucht usw. Sie haben 75 Milchkühe, große Schafherden, viele Pferde, Schweine und Geflügel, und von dem, was sie erspart haben, haben sie große Summen bei Kaufleuten und Wechslern ausstehen; und obwohl sie durch Bankerotte einen bedeutenden Teil dieser Ausstände verloren haben, so haben sie doch noch eine Menge nutzlosen Geldes, die mit jedem Jahre größer wird.

Ihr Bestreben war von Anbeginn, alles selbst zu machen, was sie brauchten, damit sie so wenig wie möglich von andern zu kaufen hätten und am Ende mehr machten, als sie brauchten; später bezogen sie eine Herde von hundert spanischen Schafen zur Verbesserung der Schafzucht, wofür sie fünfzehntausend Taler bezahlten. Sie waren mit die ersten, welche in Amerika anfingen, wollene Waren zu verfertigen. Dann fingen sie an, Weinberge anzulegen, Flachs zu bauen, eine Baumwollenfabrik zu errichten und die Zucht und Verarbeitung der Seide zu betreiben. In allen Dingen aber sorgen sie zuerst dafür, sich selbst reichlich zu versehen, ehe sie irgend etwas verkaufen.

Sie leben in Familien von zwanzig bis vierzig Leuten, deren jede ein eignes Haus und eine eigne Wirtschaft hat. Alles was sie bedarf, erhält die Familie aus den gemeinschaftlichen Vorratshäusern. Sie haben Überfluß für alle, und sie bekommen alle unentgeltlich soviel sie wünschen. Wenn sie Kleider brauchen, so gehen sie zum Schneidermeister, zur Nähterin oder zum Schuhmacher und bekommen sie gemacht nach ihrem Geschmack. Das Fleisch und die übrigen Nahrungsmittel werden jeder Familie nach der Anzahl ihrer Mitglieder zugeteilt, und sie haben alles reichlich und im Übermaß."

Eine andere in Gütergemeinschaft lebende Gemeinde hat sich zu Zoar im Staate Ohio angesiedelt, Auch diese Leute sind württembergische Separatisten, die sich zu gleicher Zeit wie Rapp von der lutherischen Kirche lossagten und, nachdem sie zehn Jahre lang von dieser und der Regierung verfolgt worden waren, ebenfalls auswanderten. Sie waren sehr arm und konnten nur durch die Unterstützung menschenfreundlicher Quäker in London und Amerika zu ihrem Ziele kommen. Sie kamen im Herbst 1817 in Philadelphia unter der Leitung ihres Pfarrers Bäumler an, kauften von einem Quäker das Stück Land, das sie jetzt noch besitzen und das siebentausend Morgen groß ist. Der Kaufpreis, der gegen sechstausend Taler betrug, sollte allmählich abgetragen werden, Als sie an Ort und Stelle ankamen und ihr Geld zählten, fanden sie, daß auf jeden Kopf gerade sechs Taler kamen. Das war alles, von dem Kaufpreise des Grundstücks war noch kein Heller bezahlt, und von diesen paar Talern sollten sie Saatkorn, Ackergerät und <528> Lebensmittel bis zur nächsten Ernte kaufen. Sie fanden einen Wald mit ein paar Blockhäusern vor, den sie urbar zu machen hatten; aber sie begaben sich frisch an die Arbeit, brachten ihre Felder bald in einen ackerbaren Zustand und bauten schon im nächsten Jahre eine Kornmühle. Anfangs teilten sie ihr Land in kleinere Stücke, deren jedes von einer Familie für ihre eigne Rechnung und als ihr Privateigentum bebaut wurde. Aber sie sahen bald, daß dies nicht anging, denn weil jeder nur für sich arbeitete, konnten sie die Wälder nicht schnell genug ausrotten und urbar machen, konnten sich überhaupt gegenseitig nicht recht unterstützen, und so gerieten viele in Schulden und waren in Gefahr, ganz arm zu werden. Nach anderthalb Jahren also, im es April 1819, vereinigten sie sich zu einer Gütergemeinschaft, entwarfen eine Verfassung und erwählten einstimmig ihren Pfarrer Bäumler zum Direktor. Sie bezahlten jetzt alle Schulden der Mitglieder, erhielten zwei Jahre Ausstand für den Kaufpreis des Grundstücks und arbeiteten mit doppeltem Eifer und vereinten Kräften. Bei dieser neuen Einrichtung standen sie sich so gut, daß sie schon vier Jahre vor der ausgemachten Zeit den ganzen Kaufpreis ihrer Ländereien mit Zinsen abgetragen hatten, und wie es ihnen im übrigen geht, wird die folgende Beschreibung zweier Augenzeugen dartun:

Ein amerikanischer Kaufmann, der sehr häufig nach Zoar kommt, schildert diesen Ort als ein vollkommnes Muster von Reinlichkeit, Ordnung und Schönheit, mit einem prächtigen Gasthof, einem Palast zur Wohnung für den alten Bäumler, einem schönen öffentlichen Garten von zwei Morgen mit einem großen Treibhause und schönen, wohlgebauten Häusern und Gärten. Er schildert die Leute als sehr glücklich und zufrieden, arbeitsam und ordentlich. Seine Beschreibung wurde in der Zeitung von Pittsburg (Ohio) veröffentlicht ("Pittsburg Daily Advocate and Advertiser", July 17., 1843).

Der mehrerwähnte Finch erklärt diese Gemeinde für die am vollkommensten eingerichtete von allen, die in Amerika in Gütergemeinschaft leben. Er gibt ein langes Verzeichnis ihrer Reichtümer, erzählt, daß sie eine Flachsspinnerei und eine Wollenfabrik haben, eine Gerberei, Eisengießereien, zwei Kornmühlen, zwei Sägemühlen, zwei Dreschmaschinen und eine Masse Werkstätten für alle möglichen Handwerke. Dazu sagt er, daß ihr Ackerland besser bebaut sei als alles andre, was er in Amerika gesehen habe. - Das "Pfennig-Magazin" schätzt den Besitz der Separatisten auf hundertsiebenzig- bis hundertachtzigtausend Taler, die alle in fünfundzwanzig Jahren verdient wurden, da sie mit gar nichts anfingen als sechs Taler für den Kopf. Es sind ihrer etwa zweihundert. Auch sie hatten eine Zeitlang die Ehen untersagt, sind aber, wie die Rappisten, davon zurückgekommen und heiraten jetzt.

<529> Finch gibt eine Abschrift der Verfassung dieser Separatisten, die der Hauptsache nach in folgendem besteht:

Alle Beamten der Gesellschaft werden gewählt, und zwar von sämtlichen Mitgliedern derselben, die über einundzwanzig Jahre alt sind, aus ihrer eignen Mitte. Diese Beamten bestehen aus:

1. Drei Verwaltern, von denen jährlich einer neu gewählt wird und die jederzeit von der Gesellschaft abgesetzt werden können. Diese verwalten das sämtliche Eigentum der Gesellschaft und versehen die Mitglieder mit den nötigen Lebensbedürfnissen, Wohnung, Kleidung und Nahrung so gut, wie es die Umstände erlauben und ohne Ansehen der Person. Sie ernennen Unterverwalter für die verschiedenen Arbeitszweige, schlichten kleine Streitigkeiten und können, in Vereinigung mit dem Gesellschaftsrat, neue Vorschriften erlassen, die aber nie der Verfassung widersprechen dürfen.

2. Aus dem Direktor, der solange in seinem Amte bleibt, als er das Vertrauen der Gesellschaft besitzt und sämtliche Geschäfte als oberster Beamter leitet. Er hat das Recht zu kaufen und zu verkaufen, Kontrakte zu schließen, kann aber in allen wichtigen Angelegenheiten nur mit Einwilligung der drei Verwalter handeln.

3. Aus dem Gesellschaftsrat, der aus fünf Mitgliedern besteht, von denen jährlich eines austritt, und der die höchste Macht in der Gesellschaft besitzt, mit den Verwaltern und dem Direktor Gesetze erläßt, die übrigen Beamten beaufsichtigt und Streitigkeiten schlichtet, wenn die Parteien mit der Entscheidung der Verwalter nicht zufrieden sind; und

4. aus dem Zahlmeister, der auf vier Jahre gewählt wird, und der allein von allen Mitgliedern und Beamten das Recht hat, Geld in Verwahrung zu haben.

Im übrigen verordnet die Verfassung, daß eine Erziehungsanstalt errichtet werden soll, daß sämtliche Mitglieder all ihr Eigentum für immer in die Gemeinschaft geben und es nie zurückverlangen können, daß neue Mitglieder nur, nachdem sie ein Jahr mit der Gesellschaft gelebt und wenn sie die Stimmen aller Mitglieder für sich haben, aufgenommen und die Verfassung nur dann geändert werden kann, wenn zwei Drittel der Mitglieder dafür sind.--

Diese Schilderungen könnten leicht noch sehr ausgeführt werden, denn fast alle Reisende, die ins Innere von Amerika gehen, besuchen eine oder die andere der erwähnten Ansiedlungen, und fast alle Reisebeschreibungen schildern sie. Aber auch kein einziger ist imstande gewesen, diesen Leuten <530> etwas Übles nachzusagen, im Gegenteil, alle haben nur zu loben gefunden und können höchstens die religiösen Vorurteile, besonders der Shakers, tadeln, welche aber mit der Lehre der Gütergemeinschaft augenscheinlich nichts zu tun haben. So könnte ich noch die Werke der Miß Martineau, der Herren Melish und Buckingham und vieler andern anführen; da aber in obigem genug gesagt ist, und die Leute doch alle dasselbe erzählen, so ist es dies nicht nötig.

Der Erfolg, dessen die Shakers, Harmonisten und Separatisten sich erfreuen, sowie das allgemeine Bedürfnis einer neuen Ordnung der menschlichen Gesellschaft und die daraus entsprungenen Bemühungen der Sozialisten und Kommunisten, haben viele andre Leute in Amerika veranlaßt, in den letzten Jahren ähnliche Versuche anzustellen. So hat Herr Ginal, ein deutscher Prediger in Philadelphia, eine Gesellschaft gebildet, welche 37 000 Morgen Wald in dem Staat Philadelphia angekauft, dort über achtzig Häuser errichtet und schon an fünfhundert Personen, meistens Deutsche, dort angesiedelt hat. Sie haben eine große Gerberei und Töpferei, viele Werkstätten und Vorratshäuser, und es geht ihnen recht gut. Daß sie in Gütergemeinschaft leben, versteht sich, wie bei allen nachfolgenden Beispielen von selbst. Ein Herr Hizby, Eisenfabrikant zu Pittsburg (Ohio), hat in seiner Vaterstadt eine ähnliche Gesellschaft errichtet, die im vorigen Jahre etwa 4 000 Morgen Landes in der Nähe jener Stadt gekauft und die Absicht hat, eine Ansiedlung mit Gemeinschaft der Güter darauf anzulegen. - Ferner besteht eine solche Ansiedlung im Staate Neu-York zu Skaneateles, welche von A. Collins, einem englischen Sozialisten, im Frühjahr 1843 <im Original: 1813 (wahrscheinlich Druckfehler)> mit dreißig Mitgliedern angefangen wurde; dann zu Minden im Staate Massachusetts, wo seit 1842 etwa hundert Personen angesiedelt sind; dann zwei in Pike County im Staate Pennsylvanien, die ebenfalls neuerdings errichtet wurden; dann eine zu Brook Farm, Massachusetts, wo fünfzig Mitglieder und dreißig Schüler auf etwa zweihundert Morgen leben und eine ausgezeichnete Schule unter der Leitung des unitarischen Predigers G. Ripley errichtet haben; sodann eine zu Northampton in demselben Staate, die seit 1842 besteht und hundertzwanzig Mitglieder auf fünfhundert Morgen Landes, mit Ackerbau, Viehzucht und in Sägemühlen, Seidenfabriken und Färberei beschäftigt, und schließlich eine Ansiedlung ausgewanderter englischer Sozialisten zu Equality bei Milwaukee im Staate Wisconsin, welche im vorigen Jahre von Thomas Hunt angefangen wurde und rasch fortschreitet. Außer diesen sollen noch mehrere Gemeinschaften neuerdings gegründet sein, worüber aber <531> noch Nachrichten fehlen. - Soviel ist indessen gewiß, daß die Amerikaner und namentlich die armen Arbeiter in den großen Städten Neu-York, Philadelhia, Boston usw. sich die Sache zu Herzen genommen und viele Gesellschaften zur Stiftung derartiger Ansiedlungen gegründet haben und daß alle Augenblicke neue Gemeinschaften angelegt werden. Die Amerikaner sind es müde, noch länger die Knechte der wenigen Reichen zu sein, die sich von der Arbeit des Volks nähren; und bei der großen Tätigkeit und Ausdauer dieser Nation ist es augenscheinlich, daß die Gemeinschaft der Güter bald in einem bedeutenden Teile ihres Landes eingeführt sein wird.

Aber nicht nur in Amerika, auch in England ist es versucht worden, die Gütergemeinschaft durchzuführen. Hier hat der menschenfreundliche Robert Owen seit dreißig Jahren diese Lehre gepredigt, sein ganzes großes Vermögen zugesetzt und sein Letztes hingegeben, um die jetzt bestehende Kolonie zu Harmony in Hampshire zu gründen. Nachdem er eine Gesellschaft zu diesem Zwecke gestiftet, hat diese ein Grundstück von 1 200 Morgen angekauft und dort eine Gemeinschaft nach den Vorschlägen Owens errichtet. Sie zählt jetzt über hundert Mitglieder, die in einem großen Gebäude zusammenwohnen und bis jetzt hauptsächlich im Feldbau beschäftigt worden sind. Da sie gleich von vornherein als ein vollkommenes Muster der neuen Gesellschaftsordnung eingerichtet werden sollte, so war ein bedeutendes Kapital dazu nötig, und bis jetzt sind schon an zweimal hunderttausend Taler hineingesteckt worden. Ein Teil dieser Gelder wurde angeliehen und mußte von Zeit zu Zeit zurückgezahlt werden, so daß hieraus viele Schwierigkeiten entstanden und viele Anlagen wegen Mangel an Geld nicht vollendet und einträglich gemacht werden konnten. Und da die Mitglieder der Gemeinde nicht die alleinigen Eigentümer der Anlage waren, sondern von der Direktion der Gesellschaft der Sozialisten, welcher die Anlage gehört, regiert wurden, so entstanden auch hieraus hin und wieder Mißverständnisse und Unzufriedenheit. Aber trotz alledem geht die Sache ihren Gang voran, die Mitglieder vertragen sich untereinander, nach dem Zeugnisse aller Besucher, aufs beste, helfen sich gegenseitig voran, und bei allen Schwierigkeiten ist das Bestehen der Anlage jetzt doch gesichert. Die Hauptsache ist, daß alle Schwierigkeiten nicht aus der Gemeinschaft entstehen, sondern daraus, daß die Gemeinschaft noch nicht vollständig durchgeführt ist. Denn wäre sie dies, so würden die Mitglieder nicht all ihren Verdienst zur Abbezahlung von Zinsen und geborgten Geldern verwenden müssen, sondern sie könnten davon die Anlage vervollständigen und besser bewirtschaften; und dann würden sie auch ihre Verwaltung selbst wählen und nicht immer von der Direktion der Gesellschaft abhängig sein.

<532> Von der Anlage selbst gibt ein praktischer Ökonom, der ganz England durchreiste, um sich von dem Zustande des Ackerbaus zu unterrichten und mit der Unterschrift: "Einer, der hinter dem Pfluge gepfiffen hat", der Londoner Zeitung "Morning Chronicle" darüber zu berichten, folgende Beschreibung ("M[orning] Chr[onicle]", Dec. 13., 1842).

Nachdem er durch eine sehr schlecht bebaute, mehr mit Unkraut als mit Getreide bewachsene Gegend gekommen war, hörte er zum ersten Male in seinem Leben in einem nahen Dorfe etwas über die Sozialisten in Harmony. Ein wohlhabender Mann dort erzählte ihm, daß sie ein großes Grundstück bebauten, und zwar sehr gut bebauten, daß alle die lügenhaften Gerüchte, die über sie verbreitet seien, nicht wahr seien, daß es der Pfarre zur großen Ehre gereichen würde, wenn nur die Hälfte ihrer Einwohner sich so anständig aufführen wollten wie diese Sozialisten und daß ebensosehr zu wünschen wäre, daß die Gutsbesitzer der Umgegend den Armen so viel und so vorteilhafte Beschäftigung gäben wie jene Laute. Sie hätten ihre eignen Ansichten vom Eigentum, aber bei alledem führten sie sich sehr gut auf und gäben der ganzen Umgegend ein gutes Beispiel. Er fügte hinzu: Ihre religiösen Meinungen sind verschieden: einige gehen in diese, andere in jene Kirche, und sie sprechen nie über Religion oder Politik mit den Leuten aus dem Dorfe. Mir antworteten zwei auf mein Befragen, es gäbe keine bestimmte religiöse Meinung unter ihnen und jeder könne glauben, was er wolle. Wir alle waren sehr bestürzt, als wir hörten, daß sie hierher kämen; aber jetzt finden wir, daß sie sehr gute Nachbarn sind, unsern Leuten ein gutes Beispiel von Sittlichkeit geben, viele unsrer Armen beschäftigen, und da sie nie versuchen, uns ihre Meinungen beizubringen, so haben wir gar keine Ursache, mit ihnen unzufrieden zu sein. Sie zeichnen sich alle durch anständiges und wohlerzogenes Betragen aus, und keiner hier in der Gegend wagt etwas gegen ihre sittliche Aufführung zu sagen.

Unser Berichterstatter hörte noch von andern dasselbe und ging dann nach Harmony. Nachdem er wieder durch schlecht bebaute Felder gekommen war, stieß er auf ein sehr gut bewirtschaftetes Rübenfeld mit einer reichlichen, schönen Ernte und sagte zu seinem Freunde, einem Pächter aus der Gegend: Wenn das sozialistische Rüben sind, so lassen sie sich gut an. Bald darauf begegneten ihm siebenhundert sozialistische Schafe, die ebenfalls prächtig waren, und kamen dann an das große, geschmackvolle und solide Wohngebäude. Alles war indes noch unvollendet, Ziegel und Bauholz, halbfertige Mauern und ungegrabener Boden. Sie traten ein, wurden höflich und freundlich aufgenommen und im Gebäude umhergeführt. Im Erdgeschoß war ein großer Eßsaal und die Küche, von der aus die vollen Schüs- <533> seln mit einer Maschine in den Eßsaal und die leeren zurück in die Küche gebracht wurden. Einige Kinder zeigten den Fremden diese Maschine und zeichneten sich durch reine nette Kleidung, gesundes Aussehen und anständiges Betragen aus. Die Frauen in der Küche sahen ebenfalls sehr reinlich und anständig aus, und der Besucher wunderte sich sehr, daß sie unter all den ungewaschenen Schüsseln - das Mittagessen war eben vorüber - noch so nett und rein aussehen konnten. Die Küche selbst war über alle Beschreibung schön eingerichtet, und der Londoner Baumeister, der sie gemacht, erklärte, daß in London selbst sehr wenige Küchen so vollständig und kostspielig eingerichtet seien, eine Bemerkung, in die unser Besucher einstimmt. Bei der Küche waren bequeme Waschhäuser, Bäder, Kellerräume und aparte Räume, wo jedes Mitglied bei seiner Rückkehr von der Arbeit sich waschen konnte.

Im nächsten Stockwerk war ein großes Ballzimmer und darüber die Schlafzimmer, alle sehr bequem eingerichtet.

Der Garten, siebenundzwanzig Morgen groß, war in der besten Ordnung, und überhaupt war eine große Tätigkeit nach allen Seiten hin zu bemerken. Da wurden Ziegel gemacht, Kalk gebrannt, gebaut und Straßen angelegt; hundert Morgen Weizen waren schon gesäet, und es sollte noch mehr Weizenfeld angelegt werden; ein Teich zur Aufnahme flüssigen Düngers wurde angelegt, und aus dem Wäldchen, das sich auf der Besitzung befand, wurde die Pflanzenerde zum Düngen gesammelt; kurz, alles wurde getan, um die Ertragsfähigkeit des Bodens zu heben.

Unser Besucher schließt:

"Ich glaube. daß ihr Grundstück durchschnittlich eine jährliche Miete von drei Pfund (einundzwanzig Taler) für den Morgen wert ist, und sie bezahlen nur fünfzehn Shilling (fünf Taler). - Sie haben einen vortrefflichen Handel gemacht, wenn sie nur vernünftig wirtschaften, und was man auch von ihren sozialen Häusern sagen möge, so muß man gestehen, daß sie ihre Besitzung auf eine ausgezeichnete Weise bebauen."

Setzen wir dieser Beschreibung noch einiges über die innere Einrichtung dieser Gemeinschaft hinzu. Die Mitglieder wohnen in einem großen Hause zusammen, und zwar hat jeder sein apartes Schlafzimmer, das aufs bequemste eingerichtet ist; die Hauswirtschaft wird für alle zusammen von einem Teile der Frauen betrieben, wodurch natürlich sehr viel Unkosten, Zeit und Mühe erspart wird, die bei vielen kleinen Haushaltungen verloren gehen würden, und wodurch viele Bequemlichkeiten erreicht werden, die in kleinen Wirtschaften gar nicht möglich sind. So heizt das Feuer der Küche zugleich alle Zimmer des Hauses mit warmer Luft und durch Röhren ist <534> warmes und kaltes Wasser in jedes Zimmer geleitet, und was dergleichen Annehmlichkeiten und Vorteile mehr sind, die nur bei einer gemeinschaftlichen Einrichtung stattfinden können. Die Kinder werden in die Schule gegeben, die mit der Anlage verbunden ist, und dort auf allgemeine Kosten erzogen. Die Eltern können sie sehen, wenn sie wollen, und die Erziehung ist sowohl für die körperliche wie für die geistige Ausbildung und für das gemeinschaftliche Leben berechnet. Mit religiösen und theologischen Zänkereien, mit Griechisch und Lateinisch werden die Kinder nicht geplagt; dafür lernen sie desto besser die Natur, ihren eignen Körper und ihre geistigen Fähigkeiten kennen und erholen sich auf den Feldern von dem wenigen Sitzen, das ihnen zugemutet wird; denn die Schule wird ebensooft unter freiem Himmel als in geschlossenen Räumen gehalten, und die Arbeit ist ein Teil der Erziehung. Die sittliche Erziehung beschränkt sich auf die Anwendung des einen Satzes: Was du nicht willst, das andere dir tun sollen, das tue du ihnen nicht, also auf die Durchführung vollkommner Gleichheit und brüderlicher Liebe.

Die Ansiedlung steht, wie gesagt, unter der Leitung des Präsidenten und der Direktion der Gesellschaft der Sozialisten; diese Direktion wird alljährlich vom Kongreß, zu dem jede Zweiggesellschaft ein Mitglied schickt, erwählt und hat unumschränkte Vollmachten innerhalb der Statuten der Gesellschaft und mit Verantwortlichkeit gegen den Kongreß. Die Gemeinschaft wird also regiert von Leuten, die außer der Gemeinschaft leben, und da kann es nicht fehlen, daß es Mißverständnisse und Häkeleien absetzt; indessen, wenn selbst der Versuch zu Harmony hieran und an Geldverlegenheiten scheitern sollte, wozu aber durchaus keine Aussicht vorhanden ist, so würde dies nur ein Grund mehr für die Gemeinschaft der Güter sein, da diese beiden Schwierigkeiten nur darin ihren Grund haben, daß die Gemeinschaft noch nicht vollständig durchgeführt ist. Aber trotz alledem ist das Bestehen der Ansiedlung gesichert, und wenn sie auch nicht so rasch fortschreiten und vollendet werden kann, so werden doch die Gegner der Gemeinschaft den Triumph nicht erleben, daß sie zugrunde geht.

Wir sehen also, daß die Gemeinschaft der Güter gar nichts Unmögliches ist, sondern daß im Gegenteil alle diese Versuche vollkommen geglückt sind. Wir sehen auch, daß die Leute, welche in Gemeinschaft leben, bei weniger Arbeit besser leben, mehr Muße zur Ausbildung ihres Geistes haben, und daß sie bessere und sittlichere Menschen sind als ihre Nachbarn, die das Eigentum beibehalten haben. Alles das haben auch die Amerikaner, Engländer, Franzosen und Belgier sowie eine Menge Deutscher bereits eingesehen. In allen Ländern gibt es eine Anzahl Leute, welche sich mit der <535> Verbreitung dieser Lehre beschäftigen und für die Gemeinschaft Partei er griffen haben.

Wenn diese Sache für alle wichtig ist, so ist sie es ganz besonders für die armen Arbeiter, die nichts besitzen, die ihren Lohn, den sie heute verdienen, morgen wieder verzehren und jeden Augenblick durch unvorhergesehene und unvermeidliche Zufälle brotlos werden können. Diesen wird hierin eine Aussicht auf eine unabhängige, sichere und sorgenfreie Existenz, auf eine vollkommene Gleichberechtigung mit denen gegeben, die jetzt durch ihren Reichtum den Arbeiter zu ihrem Sklaven machen können. Diese Arbeiter geht die Sache am meisten an. In andern Ländern bilden die Arbeiter den Kern der Partei, die Gütergemeinschaft verlangt, und es ist die Pflicht auch der deutschen Arbeiter, sich die Sache ernstlich zu Herzen zu nehmen.

Wenn die Arbeiter untereinander einig sind, zusammenhalten und einen Zweck verfolgen, so sind sie unendlich viel stärker als die Reichen. Und wenn sie vollends einen so vernünftigen und das Beste aller Menschen wollenden Zweck im Auge haben, wie die Gemeinschaft der Güter, so versteht es sich ja von selbst, daß die besseren und verständigeren unter den Reichen sich mit den Arbeitern einverstanden erklären und ihnen beistehen. Es gibt auch schon eine große Menge wohlhabender und gebildeter Leute in allen Teilen Deutschlands, welche sich für die Gütergemeinschaft offen erklärt haben und die Ansprüche des Volks auf die von der reichen Klasse mit Beschlag belegten Güter dieser Erde verteidigen.