Karl Marx

Ökonomisch-philosophische Manuskripte

 

[DRITTES MANUSKRIPT]

[Privateigentum und Arbeit]

<530>||I| ad pag. XXXVI. [18] Das subjektive Wesen des Privateigentums, das Privateigentum als für sich seiende Tätigkeit, als Subjekt, als Person ist die Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die Arbeit als ihr Prinzip erkannte – Adam Smith –, also nicht mehr das Privateigentum nur mehr als einen Zustand außer dem Menschen wußte –, daß diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie und Bewegung des Privateigentums (sie ist die für sich im Bewußtsein gewordne selbständige Bewegung des Privateigentums, die moderne Industrie als Selbst) zu betrachten ist, als ein Produkt der modernen Industrie, wie sie andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, verherrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetischdiener, als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalökonomie, die das subjektive Wesen des Reichtums – innerhalb des Privateigentums – entdeckt hat, die Anhänger des Geld- und Merkantilsystems, welche das Privateigentum als ein nur gegenständliches Wesen für den Menschen wissen. Engels hat daher mit Recht Adam Smith den nationalökonomischen Luther genannt. [19] Wie Luther als das Wesen der äußerlichen Welt die Religion, den Glauben erkannte und daher dem katholischen Heidentum gegenübertrat, wie er die äußere Religiosität aufhob, indem er die Religiosität zum innern Wesen des Menschen machte, wie er die außer dem Laien vorhandnen Pfaffen negierte, weil er den Pfaffen in das Herz der Laien versetzte, so wird der außer dem Menschen befindliche und von ihm unabhängige — also nur auf eine äußerliche Weise zu erhaltende und zu behauptende – Reichtum aufgehoben, d.h., diese seine äußerliche gedankenlose Gegenständlichkeit wird aufgehoben, indem sich das Privateigentum inkorporiert im Menschen selbst und der Mensch selbst als sein Wesen erkannt – aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung des Privateigentums wie bei Luther der Religion gesetzt wird. Unter dem Schein einer Anerkennung des Menschen <531>ist also die Nationalökonomie, deren Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die konsequente Durchführung der Verleugnung des Menschen, indem er selbst nicht mehr in einer äußerlichen Spannung zu dem äußerlichen Wesen des Privateigentums steht, sondern er selbst dies gespannte Wesen des Privateigentums geworden ist. Was früher Sichäußerlichsein, reale Entäußerung des Menschen, ist nur zur Tat der Entäußerung, zur Veräußerung geworden. Wenn also jene Nationalökonomie unter dem Schein der Anerkennung des Menschen, seiner Selbständigkeit, Selbsttätigkeit etc. beginnt und, wie sie in das Wesen des Menschen selbst das Privateigentum versetzt, nicht mehr durch die lokalen, nationalen etc. Bestimmungen des Privateigentums als eines außer ihr existierenden Wesens bedingt sein kann, also eine kosmopolitische, allgemeine, jede Schranke, jedes Band umwerfende Energie entwickelt, um sich als die einzige Politik, Allgemeinheit, Schranke und Band an die Stelle zu setzen – so muß sie bei weitrer Entwicklung diese Scheinheiligkeit abwerfen, in ihrem ganzen Zynismus hervortreten, und sie tut dies, indem sie – unbekümmert um alle scheinbaren Widersprüche, worin diese Lehre sie verwickelt – viel einseitiger, darum schärfer und konsequenter die Arbeit als das einzige Wesen des Reichtums entwickelt, die Konsequenzen dieser Lehre im Gegensatz zu jener ursprünglichen Auffassung vielmehr als menschenfeindliche nachweist und endlich dem letzten, individuellen, natürlichen, unabhängig von der Bewegung der Arbeit existierenden Dasein des Privateigentums und Quelle des Reichtums — der Grundrente, diesem schon ganz nationalökonomisch gewordnen und daher gegen die Nationalökonomie widerstandsunfähigen Ausdruck des Feudaleigentums – den Todesstoß gibt. (Schule des Ricardo.) Nicht nur wächst der Zynismus der Nationalökonomie relativ von Smith über Say bis zu Ricardo, Mill etc., insofern die Konsequenzen der Industrie den letztern entwickelter und widerspruchsvoller vor die Augen treten, sondern auch positiv gehn sie immer und mit Bewußtsein weiter in der Entfremdung gegen den Menschen als ihr Vorgänger, aber nur, weil ihre Wissenschaft sich konsequenter und wahrer entwickelt. Indem sie das Privateigentum in seiner tätigen Gestalt zum Subjekt machen, also zugleich den Menschen zum Wesen und zugleich den Menschen als ein Unwesen zum Wesen machen, so entspricht der Widerspruch der Wirklichkeit vollständig dem widerspruchsvollen Wesen, das sie als Prinzip erkannt haben. Die zerrißne ||II| Wirklichkeit der Industrie bestätigt ihr in sich zerrißnes Prinzip, weit entfernt, es zu widerlegen. Ihr Prinzip ist ja das Prinzip dieser Zerrissenheit. –

Die physiokratische Lehre von Dr. Quesnay bildet den Übergang aus dem Merkantilsystem zu Adam Smith. Die Physiokratie ist unmittelbar die <532>nationalökonomische Auflösung des Feudaleigentums, aber darum ebenso unmittelbar die nationalökonomische Umwandlung, Wiederherstellung desselben, nur daß seine Sprache nun nicht mehr feudal, sondern ökonomisch wird. Aller Reichtum wird aufgelöst in die Erde und den Landbau (Agrikultur). Die Erde ist noch nicht Kapital, sie ist noch eine besondre Daseinsweise desselben, die in ihrer und um ihrer natürlichen Besonderheit willen gelten soll; aber die Erde ist doch ein allgemeines, natürliches Element, während das Merkantilsystern nur das edle Metall als Existenz des Reichtums kennt. Der Gegenstand des Reichtums, seine Materie, hat also sogleich die höchste Allgemeinheit innerhalb der Naturgrenze – insofern er noch als Natur unmittelbar gegenständlicher Reichtum ist – erhalten. Und die Erde ist nur durch die Arbeit, die Agrikultur für den Menschen. Also wird schon das subjektive Wesen des Reichtums in die Arbeit versetzt. Aber zugleich ist die Agrikultur die einzig produktive Arbeit. Also ist die Arbeit noch nicht in ihrer Allgemeinheit und Abstraktion gefaßt, sie ist noch an ein besondres Naturelement als ihre Materie gebunden, sie ist daher auch nur noch in einer besonderen naturbestimmten Daseinsweise erkannt. Sie ist daher erst eine bestimmte, besondre Entäußerung des Menschen, wie ihr Produkt noch als ein bestimmter – mehr noch der Natur als ihr selbst anheimfallender – Reichtum gefaßt ist. Die Erde wird hier noch als von Menschen unabhängiges Naturdasein anerkannt, noch nicht als Kapital, d.h. als ein Moment der Arbeit selbst. Vielmehr erscheint die Arbeit als ihr Moment. Indem aber der Fetischismus des alten äußerlichen, nur als Gegenstand existierenden Reichtums auf ein sehr einfaches Naturelement reduziert und sein Wesen schon, wenn auch erst teilweise, auf eine besondre Weise in seiner subjektiven Existenz anerkannt ist, ist der notwendige Fortschritt, daß das allgemeine Wesen des Reichtums erkannt und daher die Arbeit in ihrer vollständigen Absolutheit, d. h. Abstraktion, zum Prinzip erhoben wird. Es wird der Physiokratie bewiesen, daß die Agrikultur in ökonomischer Hinsicht, also der einzig berechtigten, von keiner andren Industrie verschieden sei, also nicht eine bestimmte Arbeit, eine an ein besondres Element gebundne, eine besondre Arbeitsäußerung, sondern die Arbeit überhaupt das Wesen des Reichtums sei.

Die Physiokratie leugnet den besondren äußerlichen, nur gegenständlichen Reichtum, indem sie die Arbeit für sein Wesen erklärt. Aber zunächst ist die Arbeit für sie nur das subjektive Wesen des Grundeigentums (sie geht von der Art des Eigentums aus, welche historisch als die herrschende und anerkannte erscheint); sie läßt nur das Grundeigentum zum entäußerten Menschen werden. Sie hebt seinen Feudalcharakter auf, indem sie die <533>Industrie (Agrikultur) für sein Wesen erklärt; aber sie verhält sich leugnend zur Welt der Industrie, sie erkennt das Feudalwesen an, indem sie die Agrikultur für die einzige Industrie erklärt.

Es versteht sich, daß, sobald nun das subjektive Wesen der im Gegensatz zum Grundeigentum, d.h. als Industrie, sich konstituierenden Industrie, gefaßt wird, dieses Wesen jenen seinen Gegensatz in sich einschließt. Denn wie die Industrie das aufgehobne Grundeigentum, so umfaßt ihr subjektives Wesen zugleich sein subjektives Wesen.

Wie das Grundeigentum die erste Form des Privateigentums ist, wie die Industrie ihr bloß als eine besondre Art des Eigentums zunächst historisch entgegentritt – oder vielmehr der freigelaßne Sklave des Grundeigentums ist –, so wiederholt sich bei der wissenschaftlichen Erfassung des subjektiven Wesens des Privateigentums, der Arbeit, dieser Prozeß, und die Arbeit erscheint zuerst nur als Landbauarbeit, macht sich dann aber als Arbeit überhaupt geltend.

||III| Aller Reichtum ist zum industriellen Reichtum, zum Reichtum der Arbeit geworden, und die Industrie ist die vollendete Arbeit, wie das Fabrikwesen das ausgebildete Wesen der Industrie, d.h. der Arbeit ist und das industrielle Kapital die vollendete objektive Gestalt des Privateigentums ist. –

Wir sehn, wie auch nun erst das Privateigentum seine Herrschaft über den Menschen vollenden und in allgemeinster Form zur weltgeschichtlichen Macht werden kann. –

 

Anmerkungen

18. Es folgt hier ein Nachtrag zu dem verlorengegangenen Text des zweiten Manuskriptes.

19. Siehe Friedrich Engels, "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" (Marx/Engels, Werke, Band 1, S.503).

 


Zuletzt aktualisiert am 5.12.2000

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