Atheismus

von Karl Marx am 08. September 2004 07:27:51:


1. Religion ist die Verhimmelung der Menschenwelt
„In der Religion machen die Menschen ihre empirische Welt zu einem nur gedachten, vorgestellten Wesen, das ihnen fremd gegenübertritt.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 143.

1.1. In den Anfängen wurden die Naturmächte vergöttlicht
(Naturreligion, Pantheismus)
„Nun ist alle Religion nichts anderes als die phantastische Widerspiegelung, in den Köpfen der Menschen, derjenigen äußeren Mächte, die ihr alltägliches Dasein beherrschen, eine Wiederspiegelung, in der die irdischen Mächte die Form von überirdischen annehmen.
In den Anfängen der Geschichte sind es zunächst die Mächte der Natur, die diese Rückspiegelung erfahren und in der weiteren Entwicklung bei den verschiedenen Völkern die mannigfachsten und buntesten Personifikationen durchmachen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 294.

1.2. Mit zunehmender Macht der Stämme und ihrer patriarchalen Repräsentanten treten neben die Naturgötter Götter in Menschengestalt
(Polytheismus)
„Bald treten neben den Naturmächten auch gesellschaftliche Mächte in Wirksamkeit...
Die Phantasiegestalten, in denen sich anfangs nur die geheimnisvollen Kräfte der Natur widerspiegelten, erhalten damit gesellschaftliche Attribute, werden Repräsentanten gesellschaftlicher Mächte.“ (In dieser Gestalt - teils als patriarchale Großfamilie, teils als Dorfgemeinschaft mit gemeinsamen Mahlzeiten, d.h. mit Gemeineigentum - treten uns die griechischen Götter bei Homer entgegen. wb) F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 294.

1.3. Mit dem Übergang zur Warenproduktion wurde die Intelligenz und die Schöpferkraft aller Menschen konzentriert und personifiziert in einem Handwerkergott.
(Monotheismus)
„Auf einer noch weiteren Entwicklungsstufe werden sämtliche natürlichen und gesellschaftlichen Attribute der vielen Götter auf Einen allmächtigen Gott übertragen, der selbst wieder nur der Reflex des abstrakten Menschen ist.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 294.

1.3.1. Platon wurde zum philosophischen Vater des Christentums
„Wie zum Beispiel ... gibt es doch viele Bettgestelle und Tische? ... Aber Begriffe gibt es doch nur zwei für diese Geräte, einen des Bettes und einen des Tisches. - Ja. -
Und pflegen wir nicht zu sagen, dass die Verfertiger jedes dieser Geräte, auf den Begriff sehend, so der eine die Bettgestelle macht, der andere die Tische, deren wir uns bedienen, und ebenso alles andere?
Denn den Begriff selbst verfertigt doch keiner von diesen Meistern; wie sollte er auch? - Auf keine Weise. -
Aber sieh einmal zu, nennst du auch diesen einen Meister? - Welchen doch? - Der alles macht, was jeder einzelne von diesen Handwerkern verfertigt. - Das ist ja ein außerordentlicher und wundervoller Mann! - ...
Denn dieser selbe Handwerker ist imstande, nicht nur alle Geräte zu machen, sondern auch alles insgesamt, was aus der Erde wächst, macht er, und alle Tiere verfertigt er, die anderen wie auch sich selbst, und außerdem noch den Himmel und die Erde und die Götter, und alles im Himmel und unter der Erde im Hades insgesamt verfertigt er.“ Platon, Politeia 596 b - d.
„Also diese Betten machen zusammen drei Bettgestelle: Erstens das (begrifflich Allgemeine, den Allgemeinbegriff „Bett“) von Natur seiende, von dem wir, denke ich, sagen würden, Gott habe es gemacht. - Wer denn sonst? -
Eines aber habe der Tischler gemacht (das konkret-einzelne Bett)...
Und eines macht der Maler (das bildlich dargestellte Bett, das Bild eines Bettes). ...
Der Maler also, der Tischer und Gott, diese drei sind also Schöpfer dreierlei Betten. ...
Gott aber, ob er nun nicht wollte oder ob eine Notwendigkeit für ihn da war, nicht mehr als ein einziges Bettgestell (als Allgemeinbegriff) zu machen, so machte er auch nur eines allein, jenes selbst, das das Bettgestell (seinem Begriff nach) ist. Zwei solche aber oder mehrere sind von Gott nicht erzeugt worden und werden es auch nicht werden.“ Platon, Politeia 597 b.
„Sollen wir diesen Gott also den Wesensbildner hiervon nennen oder ungefähr so? ... Und den Tischler nicht den Werkbildner des Bettgestells? ... Und den Maler .... nennen wir Nachbildner dessen, was die Werkbildner verfertigen. - So sei es!“ Platon, Politeia 597 d.
1.3.2. Der allmächtige Planer und Handwerker wird auch zum Herrscher
Das griechische „kyrios“ wie das lateinische „dominus“ („Herr“) bezeichneten den Herrn von Sklaven. Der Planer- und Schöpfer-Gott war der Gott der herrschenden Klasse, der „Herrgott“ ist der Gott fürs einfache Volk.
„Wie denn auch dieses ... mir ganz richtig gesprochen scheint, dass die Götter unsere Hüter und wir Menschen eine von den Herden der Götter sind.“ Platon, Phaidon 62 b.
Neben diesem Allherrscher werden dem einfachen Volk auch Wunder- und Heiligenglaube als Reste des alten Polytheismus erlaubt:
„Es versteht sich, dass der ganze himmlische Hofstaat von Ältesten, Cherubim, Engeln und Heiligen nicht fehlt. Der Monotheismus, um eine Religion zu werden, hat von jeher dem Polytheismus Konzessionen machen müssen ...“ F. Engels, Urchristentum, MEW 22, 471.

2. Atheismus war teils traditionelles Festhalten an der Naturreligion teils Spott über die menschenähnlichen Götter
Xenophanes (geboren ca. 570 v. Chr.): „Wenn die Rinder, Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie wir Menschen, so würden die Pferde Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden und die Rinder mit dem Aussehen von Rindern. Sie würden gerade solche Götterstatuen meißeln, die ihrer eigenen Körpergestalt entsprechen.“ DK 21 B 15.
Platon über den Atheismus seiner Zeit:
„Falls dergleichen (gottlose) Reden nicht fast unter allen Menschen verbreitet wären, bedürfte die Behauptung, dass Götter sind, keiner Verteidigungsgründe; nun aber sind diese notwendig.“ Platon, Nomoi 891 b.
„Jetzt dagegen, wo, unserer Behauptung nach, ein Teil der Menschen durchaus nicht an Götter glaubt, andere meinen, diese bekümmern sich nicht um uns, die Meinung der meisten und Schlechtesten aber darin besteht, dass die Götter, gegen den Empfang geringfügiger Opfer und Huldigungen, sie beim Raube großer Güter unterstützen und von großen Strafen ... befreien...“ Platon, Nomoi 948 c.

3. Atheismus ist die Kritik des Himmels. Nötig ist aber die Kritik der Erde.
Kritik der Religion heißt nicht Atheismus, sondern Wissenschaft
Der Atheismus ist „kritische Religion, ... letzte Stufe des Theismus, ... negative Anerkennung Gottes.“ K. Marx, Die heilige Familie, MEW 2, 116.
„...Der Atheismus, als bloße Negation der Religion und stets sich auf Religion beziehend, (ist) ohne sie selbst nichts, und (ist) daher selbst noch eine Religion...“ F. Engels an Bernstein, 1884, MEW 36, 186.
„Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik. ... Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde...“ K. Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, 378f.
„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei...“ K. Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, 385.
„Atheist zu sein, ist heutzutage glücklicherweise keine Kunst mehr. Der Atheismus ist so ziemlich selbstverständlich bei den europäischen Arbeiterparteien, obwohl er in gewissen Ländern oft genug beschaffen sein mag wie der jenes spanischen Anarchisten, der sich dahin erklärte: an Gott zu glauben, das sei gegen allen Sozialismus, aber an die Jungfrau Maria, das sei ganz was anderes, an die müsse ein ordentlicher Sozialist natürlich glauben.
Von den deutschen sozialdemokratischen Arbeitern kann man sogar sagen, dass der Atheismus bei ihnen sich schon überlebt hat; dies rein negative Wort hat auf sie keine Anwendung mehr, indem sie nicht mehr in einem theoretischen, sondern nur noch in einem praktischen Gegensatz zum Gottesglauben stehen: Sie sind mit Gott einfach fertig, sie leben und denken in der wirklichen Welt und sind daher Materialisten. ...
Aber das kann unseren Anarchisten nicht passen. Um zu beweisen, dass sie die Allerradikalsten sind, wird Gott, wie 1793, durch Dekret abgeschafft:
’- In der Kommune ist kein Platz für den Pfaffen; jede religiöse Kundgebung, jede religiöse Organisation muss verboten werden.’
Und diese Forderung, die Leute per Befehl von oben in Atheisten zu verwandeln, ist unterzeichnet von zwei Mitgliedern der Kommune, die doch wahrlich Gelegenheit genug hatten, zu erfahren, dass erstens man ungeheuer viel auf dem Papier befehlen kann, ohne dass es darum ausgeführt zu werden braucht, und zweitens, dass Verfolgungen das beste Mittel sind, missliebige Überzeugungen zu befördern!
Soviel ist sicher: Der einzige Dienst, den man Gott heutzutage noch tun kann, ist der, den Atheismus zum zwangsmäßigen Glaubensartikel zu erklären....“ F. Engels, 1874, MEW 18, 531f.
„Erst die wirkliche Erkenntnis der Naturkräfte vertreibt die Götter oder den Gott aus einer Position nach der anderen ... Dieser Prozess ist jetzt so weit, dass er theoretisch als abgeschlossen angesehen werden kann.“ F. Engels, Materialien zum Anti-Dühring, MEW 20, 582f.
„Die Technologie enthüllt das aktive Verhalten der Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozess seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 393, Anm. 89.
„Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werktagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen.
Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d.h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewusster planmäßiger Kontrolle steht.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 94.
„Die tatsächliche Grundlage der religiösen Wiederspiegelung dauert also fort und mit ihr der religiöse Reflex selbst.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 295.
Siehe auch:
Christentum






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