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Esoterische Betrachtungen / Mystik der Börse
Einleitung
Das Verhältnis des Menschen zur Welt war und ist stets durch Mystifizierung und Obskurantismus gekennzeichnet gewesen. Auch wenn wir uns heute für aufgeklärt halten: Für aufgeklärt haben sich stets alle Menschen aller Zeitalter gehalten. Und zu allen Zeiten wie auch heute ist dieses schlicht falsch.
Daher möchte ich meinen Exkurs über die Börse mit einem Thema beginnen, welches scheinbar weit weg liegt und nichts, aber auch gar nichts mit dem Thema Börse zu tun hat. Beginnen wir 1927, mit einem Ausflug in die Parapsychologie, der ungeliebten Stiefschwester der Psychologie. Beschäftigen wir uns also einen Moment mit Telepathie, Präkognition, Hellsehen etc., kurz, mit außersinnlicher Wahrnehmung (ASW).
Wäre doch möglich, dass dies uns beim Verständnis der Börse nützlich sein könnte...
Die Experimente des Dr. Rhine
Um endlich das Vorhandensein von Telepathie (Gedankenlesen) wissenschaftlich zu beweisen, initiierte Dr. Rhine 1927 eine Reihe von Tests. Er schuf dazu fünf Karten, die mit je einem Zeichen versehen waren: einem Kreis, einem Viereck, einem Dreieck, drei Wellenlinien und einem fünfzackigen Stern. Ein Satz Karten bestand aus je fünf Symbolen, also 25 Karten.
Die Versuchsanordnung sah so aus: der Versuchsleiter (VL) saß abgeschirmt von der Versuchsperson (VP) vor einem Satz Karten, die maschinell gemischt worden waren. Der VL deckte nun nacheinander in gleichmäßigem Tempo die Karten auf, so dass nur er selbst diese sehen konnte, konzentrierte sich auf das Symbol und versuchte, dies gedanklich an die VP zu übermitteln. Diese wiederum versuchte nun, das Symbol zu "erraten" oder "gedanklich zu ermitteln" und kreuzte auf einem Blatt das vermutete Symbol an.
Statistisch gesehen musste eine VP im Schnitt fünf Treffer pro Durchgang haben. Wenn die Anzahl der Treffer für längere Zeit höher war, so konnte man mit Methoden der statistischen Signifikanzrechnung bestimmen, ob dies auf etwas anderes als Raten hinwies.
Die Ergebnisse
Viele VP hatten in der Tat nur durchschnittliche Ergebnisse. Aber es waren einige Personen dabei, die über einen längeren Zeitraum sensationell hohe Trefferquoten hatten! Diese Ergebnisse sorgten für einige Aufregung: wie es schien, hatte man das Phänomen Gedankenlesen mit wissenschaftlichen Methoden bestätigt. Nun konnte man der Telepathie zu Leibe rücken.
Aber dann lief etwas schief...
Die Resultate ließen sich nicht mehr reproduzieren! VP mit sehr hohen Trefferquoten hatten plötzlich nur noch eine durchschnittliche Anzahl von Treffern. Es schien, als ob das Phänomen Gedankenlesen sich dem Zugriff im Labor entzog. Dafür fand man neue VP mit überdurchschnittlicher Trefferquote. Aber auch bei diesen wiederholte sich alles: nach einiger Zeit im Labor sank die Trefferquote auf den Durchschnitt ab.
Drei Theorien
Dr. Rhine und seine Mitarbeiter vermuteten, dass das Gedankenlesen ein unbewusster Vorgang sei: sobald man versuchte, diesen bewusst hervorzurufen, interferierte dies mit dem unbewusst ablaufenden Vorgang und störte den Prozess. Außerdem seien die Laborbedingungen der Telepathie nicht gerade förderlich.
Zauberkünstler hingegen bewiesen, dass es in der Versuchsanordnung von Dr. Rhine möglich sei, zu betrügen. Sobald aber einem Betrüger genauer auf die Finger geschaut werde, sei dieser nicht mehr in der Lage, seinen Betrug zu wiederholen: dann seien seine Ergebnisse nur noch durchschnittlich, da er jetzt auf Raten angewiesen sei. Aber es dauerte bis in die siebziger Jahre, bis ein Mathematiker eine einfache und verblüffende Erklärung für das Phänomen fand...
Die Erklärung
Diese dritte Theorie hat einige Vorzüge:
- sie steht völlig im Einklang mit den Modellen und Theorien der Physik -
- nichts außer - oder übernatürliches mehr
- sie kann das Auftreten von Gedankenlesen und das Verschwinden ohne die
- Einführung einer neuen Theorie erklären, ohne neue Annahmen
- sie ist vollkommen nachprüfbar
Wie funktionierte es nun wirklich? Ganz einfach: wenn man genügend Versuchsreihen ansetzt, dann muss es zwangsläufig VP mit höheren Trefferquoten geben, auch über einen längeren Zeitraum. Nach einer gewissen Zeit aber "normalisiert" sich die Quote wieder. Dieses Ergebnis lässt sich zuverlässig reproduzieren, wenn man statt eines Menschen Computer mit Zufallszahlengeneratoren einsetzt. Man bekommt dann genau dieselben Ergebnisse wie Dr. Rhine. Aus der Traum vom Gedankenlesen...? Nein. Unter gläubigen Anhängern esoterischer Zirkel werden die Versuche des Dr. Rhine auch heute noch als Beweis für die Existenz von ASW angesehen. Beweise alleine nützen nichts, wenn sie nicht mit dem Weltbild des Menschen übereinstimmen. Ob eine Theorie richtig oder falsch ist, spielt keine Rolle: Konsistenz mit der eigenen Weltsicht ist ein viel wichtigeres Kriterium.
Dies gilt (manchmal) auch für die Wissenschaft. Es lässt sich zeigen, dass ein konsistent-ganzheitliches Weltbild mehr Vorteile in der Evolution des Menschen bietet, als ein korrektes, aber lückenhaftes Weltbild. Aber dies ist ein anderes Thema... auf das ich dennoch werde zurückkommen müssen.
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