http://www.jungewelt.de/2005/07-11/022.php junge welt vom 11.07.2005 - Sumpfiges Imperium
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11.07.2005
 
Inland
Peter Wolter
 
Sumpfiges Imperium
 
Caritas und Diakonie besitzen zusammen ein Immobilienvermögen im Wert von 230 Milliarden Euro. Carsten Frerk legt exakte Zahlen über die kirchlichen Wohlfahrtskonzerne vor
 
Aber die Kirche tut doch so viel Gutes«, wird einem oft entgegengehalten, wenn man jemanden zum Kirchenaustritt bewegen will. Gegenüber diesem Argument verblassen alle Hinweise auf die Abermillionen Toten, die allein die katholische Kirche bis auf dem Gewissen hat. Ohne Wirkung bleibt auch der Verweis darauf, daß gerade der Vatikan sich mit fast jedem faschistischen oder faschistoiden Regime bestens versteh.. Man kann ebenso die Unterdrückung der Frauen anführen, den himmelschreienden Blödsinn bei der Begründung der Jungfrauengeburt oder der heiligen Dreifaltigkeit – es nützt nichts: Die Kirchen tun Gutes, sie haben ja die Caritas und die Diakonie. Und dafür zahlt man gerne Kirchensteuer.

Finanzstrukturen

Wieviel Gutes tun die Kirchen tatsächlich? In seinem Buch »Caritas und Diakonie in Deutschland« ist es Carsten Frerk wohl erstmals gelungen, die finanziellen Strukturen dieser beiden Mammutorganisationen der »christlichen Nächstenliebe« zu durchleuchten. Das Ergebnis vorweg: Beide zusammen setzten 2002 rund 45 Milliarden Euro um (Caritas 25 Milliarden Euro, Diakonie 20 Milliarden Euro). Die Amtskirchen steuerten dazu 828 Millionen Euro bei – eine gigantische Summe zwar, aber nur 1,8 Prozent der gesamten Finanzierung. 98,2 Prozent des Gesamtumsatzes berappt der Steuerzahler.

Es ist schon vermessen, die 1,8 Prozent Kirchenmittel als Beweis dafür zu nehmen, daß die Kirche Gutes tut. »Diese kirchlichen Gelder gehen dann übrigens (so gut wie ausschließlich) in drei Bereiche: für die Kindertagesstätteneinrichtungen (376 Millionen Euro) – dort wird der Nachwuchs der Kirchensteuerzahler erzogen –, in die Verbandsarbeit (300 Millionen Euro) – dort wird konfessionelle Gesundheitspolitik betrieben – und in die Beratungsdienste (146 Millionen Euro) – in denen dafür gesorgt wird, daß die Beratenen auch den Weg in die stationären Einrichtungen der beiden Werke finden.« Werbungskosten in Höhe von 828 Millionen Euro also – man darf schließlich nicht vergessen, daß ein Kirchenschäfchen am Ende seines Berufslebens so viel Geld an die Schwarzröcke gezahlt hat, daß man als sogenannter Durchschnittsverdiener davon locker ein Einfamilienhaus finanzieren kann.

Wohlfahrtskonzerne

Frerk ist nicht der erste, der versucht, Licht in das verschachtelte Imperium der beiden Wohlfahrtskonzerne zu bringen. Der bisher wohl bekannteste Ansatz ist das 1996 zuletzt aufgelegte Buch des Münsteraner Soziologieprofessors Horst Herrmann »Die Caritas-Legende. Wie die Kirchen die Nächstenliebe vermarkten«. Während Herrmann allerdings dabei stehenbleibt, die Rolle der Caritas in der Propaganda und der Praxis der katholischen Kirche zu durchleuchten, liefert Frerk exakte Zahlen. Er skizziert die zahllosen Verflechtungen beider Konzerne mit Stiftungen, Unterfirmen und Vereinen – alles beim Finanzamt als »gemeinnützig« registriert. Was mit den gut 44 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern genau geschieht, bleibt im dunkeln – denn beide Wohlfahrtskonzerne stehen außerhalb der Kontrolle der Rechnungshöfe. Bis auf Bayern übrigens, der dortige Oberste Rechnungshof untersuchte in seinem Jahresbericht 1997 die »ambulanten sozialpflegerischen Dienste« und kam zu dem Schluß, in mehr als der Hälfte der Fälle sei eine staatliche Förderung im gewährten Umfang nicht notwendig gewesen. »Fazit: Bei 118 Prüfungen gab es 91 Fälle mit Rückforderungen. Von den bewilligten Zuwendungen (7,45 Millionen DM) wurden 3,89 Millionen DM zurückgefordert – eine Rückforderungsquote von 52,2 Prozent«.

Geldschwemme

Das Grundgesetz sieht die Bundesrepublik Deutschland zwar als säkularen Staat – bei näherem Hinschauen allerdings stellt man fest, daß die Amtskirchen wie Kraken die Gesellschaft umklammern. Beide Kirchen schwimmen im Geld, als Kirchenbetriebe zahlen beide Wohlfahrtskonzerne keine Steuern. Ihr gesamtes Immobilienvermögen schätzt Frerk auf rund 230 Milliarden Euro.

Die größten deutschen Autoproduzenten – VW, DaimlerChrysler und BMW – kommen hierzulande zusammen auf etwa 434 000 Mitarbeiter – nach den Kriterien der Berufsgenossenschaften beschäftigt die Caritas
715 000, die Diakonie sogar 732 000 Menschen. Mitbestimmungsrechte gibt es so gut wie nicht, die kirchlichen Mitarbeiter müssen sich nach wie vor diskriminierenden Vorschriften wie obligatorischer Kirchenmitgliedschaft, Scheidungsverbot etc. unterwerfen.

Wieviel Gutes tun die Kirchen also? Nicht viel – das, was sie tun, geschieht mit öffentlichen Geldern, über die sie unkontrolliert verfügen. Für alle diejenigen, die das ändern möchten, bietet Frerks Buch Argumente. Wünschenswert wäre z. B. eine Anleitung, wie kommunale Haushalte nach versteckten Zuwendungen an die Schwarzröcke beider Fraktionen durchkämmt werden können. Aber das wäre Thema einer neuen Publikation, die hiermit angeregt wird.

* Carsten Frerk: Caritas und Diakonie in Deutschland. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2005, 366 Seiten, 22,50 Euro, ISBN 3-86569-000-9
(siehe auch jW vom 22. Juni)
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