http://schorsch.blogsport.de/2007/03/09/heinrich-heine-2/ Heinrich Heine (2) // Schorsch’s online Journal

Heinrich Heine (2)

Heine erkannte die Gefahr, welche die politische Lyrik zu seiner Zeit mit sich bringt, nämlich intellektuelle Rezession und Akzentuierung der reinen Gesinnung und des Gefühls. (siehe hierzu: „Der Glaube ist was für Liberale“)
In diesem Zusammenhang ist auch seine Position bezüglich des Kommunismus interessant. Sein Blick auf den Kommunismus war ambivalent, da er einerseits die Vorteile und die Notwendigkeit von diesem sah, andererseits aber gewisse barbarische Qualitäten fürchtete. Im Vorwort zur französischen Ausgabe von „Lutetia“ bemerkt er:

Wahrhaftig, nur mit Schauder und Schrecken denke ich an die Zeit, da diese finsteren Bilderstürmer zur Herrschaft gelangen werden; mit ihren schwieligen Händen werden sie erbarmungslos alle Marmorstatuen der Schönheit zerbrechen, die meinem Herzen so teuer sind; sie werden all jene Spielereien und phantastischen Nichtigkeiten der Kunst zertreten, die der Dichter so liebte; sie werden meine Lorbeerhaine zerstören und dort Kartoffeln anpflanzen (…) und … – ach! mein Buch der Lieder wird dem Gewürzkrämer dazu dienen, Tüten zu drehen, in die er den armen, alten Frauen der Zukunft Kaffee und Tabak schütten wird.

Einem Kommunismus nach dem Vorbild der Sowjetunion, einem mechanistischen Arbeiterparadies kann Heine keine positiven Erwartungen entgegenbringen.
Hier ist bemerkenswert, dass Heine den Selbstzweck der Kunst betont. Adorno versteht in dem Selbstzweck der Kunst einen utopischen Charakter, welcher, grade weil er nur sich als Zweck setzt und keinem weiterem, etwa dem Zweck, Mehrwert zu erzeugen folgt, ein nicht-kapitalistischen Moment. Ein „Kommunismus“, in welchem die Warenform weiter existiert, setzt die Barbarei der kapitalistischen Rationalität fort.
Das scheinen Heines Befürchtungen anzudeuten: Eine Gesellschaftsform, welche auf den ersten Blick zwar kommunistisch zu sein scheint, dem Wesen nach aber kapitalistisch und dementsprechend nicht emanzipatorisch ist und sich in letzter Konsequenz gegen das Individuum richtet.
Weiterhin bestätigt sich in dieser Kritik und in Verbindung mit seiner Kritik der wütenden Masse mit „leerem Kopf“ (siehe oben) sein ideologiekritisches Anliegen. Viel früher als viele Marxisten erkennt er also, dass die Klasse an sich keine positive Kategorie ist, sondern problematisiert werden muss. Diese Vorahnung sollte eine angemessene Ausformulierung erst durch Theodor W. Adorno erfahren. „Wer Denkt ist nicht wütend“. Diese Feststellung stammt zwar von Adorno, steht aber beispielhaft und zentral für Heines kritische Interventionen. Die arbeiterklassenromantische Verirrung des Traditionsmarxismus liegt Heine völlig fern. Sein Blick ist somit realistischer, pessimistischer und viel differenzierter, als dieser seiner kommunistischen oder sozialistischen Nachfolger und nimmt einiges an Gedanken vorweg.
Weiterhin sah Heine die Gefahren auch in nationalistischen Bestrebungen zu seiner Zeit.

Zwar wird häufig eingewendet, Heine hätte sich nur gegen „Alt-Deutschland“ ausgesprochen und Kritik im Namen des „wirklichen Patriotismus“ geäußert.
Allerdings sollte einerseits nicht vergessen werden, dass es anachronistisch gewesen wäre, wenn Heine schon seinerzeit den modernen Nationalstaat, welcher erst langsam entstand, kritisiert hätte.
Andererseits hat Heine schon sehr früh verstanden, dass die Vaterlandsliebe mit dem „Hass des Fremden“ (zit. n. Wikipedia) einhergeht. Er hat sich nicht euphorisch in nationale Bestrebungen eingegliedert, sondern stand diesen äußerst kritisch gegenüber. (siehe auch: Anmerkungen gegen Burschenschaften)

Weiterhin zeigt Heine künftige Barbarei mit beeindruckender Antizipationsleistung in der Vorrede „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland.“:

Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt, der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich in ihren königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.

In der gleichen Vorrede warnt er vor Fichteanern und Naturphilosophen, hat dementsprechend eindeutig kein Gefallen an Herder, Fichte und ähnlichen Ideologen, also an naturalistisch-romantischen Erklärungen des sich abzeichnenden völkischen Nationalismus in Deutschland. (siehe auch Exkurs zu Fichte in„Deutscher Antikapitalismus - die Sehnsucht nach der Barbarei“)
Es würde der Position Heines also nicht gerecht werden, diese als quasi-patriotische zu verklären. Dies würde auch den kritisch-marxistischen, immerfort provozierenden und zum vernünftigen und autonomen Denken anregenden Gehalt Heines Denkens verwässern.
In diesem Sinne:

Denk’ ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.


0 Antworten auf “Heinrich Heine (2)”

  1. Keine Kommentare

Antwort hinterlassen

XHTML: Du kannst diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>