Heise Online, Hannover, 7. März 2004 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 5. März 2004 Telepolis, Hannover, 5. März 2004 Monochrom, Wien, 4. März 2004 Die Tageszeitung, Berlin, 4. März 2004 Titanic, Frankfurt, 3. März 2004 ORF, Wien, 2. März 2004 De:Bug, Berlin, März 2004 Reflex, Prag, 27. Februar 2004 Neural, Rom, 27. Februar 2004 Bayerischer Rundfunk, München, 27. Februar 2004 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 25. Februar 2004 Die Tageszeitung, Berlin, 24. Februar 2004 Tages-Anzeiger, Zürich, 24. Februar 2004 De:Bug, Berlin, 20. Februar 2004 Heise Online, Hannover, 20. Februar 2004 -------------------------------------------------------------------------------- Heise Online, Hannover, 7. März 2004 Was war. Was wird. [...] In Deutschland aber, dem Land der Besiegten, gab es um 1964 eine Zeit, in der viele kritische Schriften nicht zu haben waren. Sie wurden zwar nicht verboten, wie die Weltbühne Ossietzkys, die heute vor 71 Jahren zum letzten Mal erschien, sie waren einfach nicht vorhanden. Sie waren verbrannt oder im Ausland erschienen. Die Konsequenz waren Raubdrucke von Autoren wie Adorno. Aus Raubdrucken lernten die so genannten 68er, die es heute außerordentlich verwerflich finden, wenn ein Kunstprojekt Textpassagen online stellt. Doch wie sagte schon ein Adorno, der von seiner Stadt Frankfurt an einen Herrn Reemstma verkauft wurde, jedenfalls in der Interpretation des ersten linken KI-Programmes namens Trotzki 2000: "Es gibt kein richtiges Millionär-Werden im Falschen". [...] (Hal Faber) / (jk/c't) http://www.heise.de/newsticker/meldung/45300 -------------------------------------------------------------------------------- Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 5. März 2004 Aktivismus Digitale Dissidenten bei "Neuro - Networking Europe" Von Wolfgang Frömberg 05. März 2004 Die junge Frau, die hinten im Café der Muffathalle sitzt, gibt ein merkwürdiges Bild ab. Sonntag, der 29. Februar, ist der dritte und letzte Tag von "Neuro - Networking Europe", die Teilnehmerin wirkt bereits ein wenig erschöpft. Es herrscht dicke Luft. Sie hat sich dennoch in Mantel und Schal geworfen und eine Mütze aufgesetzt. Schwer zu sagen, ob sie der laufenden Debatte über widersprüchliche Verhältnisse von Virtualität und Realität folgt, aber man sieht, daß sie aufschreibt, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und es fällt auf, daß kein Powerbook auf ihrem Schoß liegt. "Geeks" und "Nerds", Theoretiker und Aktivisten um sie herum haben die Blicke entweder auf ihre Gegenüber, den Inhalt ihrer Gläser oder das gerichtet, was sie durch Kameraobjektive sehen; vor allem aber auf die Bildschirme ihrer tragbaren Rechner. Sie benutzt einen Stift, schreibt altmodisch auf Papier. Eine Geste romantischer Verweigerung? Oder gar, inmitten digitaler Überreizung, ein stilles Plädoyer für die Rückkehr zum Analogen? Es wäre fast schon rührend. Was von Europa übrigbleibt Die Dame gehört zu den zweihundertfünfzig größtenteils jungen Leuten aus fünfunddreißig Ländern, europäischen und anderen, die am letzten Februarwochenende zu "Neuro - Networking Europe" nach München gekommen sind. Auslöser für die Zusammenkunft der Netzwerker war der Start der Internet-Plattform D-A-S-H, die unter dem Slogan "Vernetzung gegen Ausgrenzung" Zusammenarbeit und Austausch von Initiativen gegen Rassismus und Ressentiment auf europäischer Ebene erleichtern soll. Mit Kritik am Scheitern des europäischen Verfassungsprozesses wird vor Ort nicht gespart. Franco Bifo Berardi, Philosoph und Medienaktivist aus Bologna, bringt sie in seinem Abschlußbeitrag auf den Punkt: "Was von Europa übrigbleibt, ist das, was wir hier sehen." Zuvor hat man Berardi bereits im "Kiosk für nützliches Wissen" sehen können, als er im Gespräch mit der kalifornischen Aktivistin Valery Rey Alzaga die Dialektik von Hoffnung und Resignation bei der täglichen politischen Arbeit reflektierte. Die Agentin des Analogen im Café begrüßt jetzt eine Bekannte mit herzlicher Umarmung, die Vorstellung von der skurrilen Außenseiterin verschwindet: Das Verweilen bei Tagungen, Kongressen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen kann einen sauer und einsam machen, die Lesung eines verehrten Schriftstellers in paranoische Laune versetzen - die Anwesenden hier mögen es sicher nicht, wenn Veranstaltungen, die sie besuchen, großspurig und warenförmig "Events" genannt werden. Deshalb betonen die Veranstalter hier die Ablehnung systemisch geschlossener Angebote dieser Art, wollen kein ästhetisches Schaulaufen, kein Markt der Möglichkeiten, aber auch keine wissenschaftliche Tagung und kein konspirativer Kindergeburtstag sein. "Es geht vielmehr darum, Orte zu erfinden, an denen gemeinsam und in aller Öffentlichkeit produziert und dieses gemeinsam Geschaffene distribuiert werden kann", erklärt Initiator Florian Schneider. Ströme von Menschen und Daten Man kann sich ein Bild davon machen, indem man die theoretischen Beiträge der hier ausschnittweise beobachtbaren Bewegung ins Auge faßt. Von Michael Hardt und Antonio Negri bis Giorgio Agamben, von Saskia Sassen bis Gilles Deleuze dominieren in den Quellenangaben der Bewegung die philosophische Zeitkritik und die Analyse von Machtverhältnissen, mit starkem Hang zur Utopie. Besonders der Hardt/Negrische Begriff der "Multitude" soll gegen seinen vermeintlichen Mißbrauch als Modewort geschützt werden, was einerseits Kritik an Hardt und Negri abfedert, andererseits das utopische Potential des Begriffs retten und ernst nehmen will. Für die Veranstalter und Besucher von "Neuro" stehen die Probleme rechtloser Flüchtlinge gleichberechtigt neben der sich zuspitzenden Debatte über "geistiges Eigentum": Ströme von Menschen und Daten, für die es noch keine angemessene, keine gerechte juristische Form gibt. In diesem Sinn diskutiert man hier auch die Arbeit an einem digitalen Video-Standard vor, der nicht einem Konzern, sondern der Allgemeinheit gehören soll, und das wiederum schafft die Verbindung zum Ringen um einen zeitgenössischen Bildungsbegriff. Offene Strategien der Verknüpfung Dem zeitgemäßen Wissen sollen hier also Beine, dem Stand der Dinge der Prozeß gemacht werden. Weil die Arbeit durch die neuen Technologien und Wissensformen nicht weniger wird, soll Vernetzung sie wenigstens erleichtern. Nun ist die Idee des Netzwerks keine neue Erfindung. Um das zu wissen, muß man weder Manuel Castells' "Informationszeitalter" noch jemals ein Lifestylemagazin in Händen gehalten haben, das dem jugendlichen Zielpublikum die Notwendigkeit eines Netzwerks von Freunden für ein besseres, neues Leben unter den alten Bedingungen aufschwatzen will, und vor terroristischen Netzwerken warnen die Nachrichtenmedien. Während solche Schurken aber tatsächlich konspirativ handeln müssen, wollen "Neuro" zwar maximale Wirkung erzielen, aber dabei absolut "dekonspirativ" (Rainald Goetz) sein. Ihre Selbstdefinition umfaßt daher zahlreiche offene Strategien der Verknüpfung technologischer Entwicklungen rund um das Thema Mobilität sowie die ebenfalls öffentliche Vernetzung sozialer Bewegungen. Während der drei Tage in der Muffathalle sollte es somit keine Messe-, Kongreß- oder Festivalbesucher im üblichen Sinne geben, sondern Teilnehmer an einem mehrdimensionalen Protokoll, das sich auch nach dem Ende der Veranstaltung permanent fortschreibt: Die Zahl der Links, Verknüpfungen und Verkettungen erscheint tatsächlich ermutigend im Sinne der Beteiligten, überprüfbar auch, aber nicht nur auf der Website http://neuro.kein.org. "Open Source" politischer Handlungen An den Web- und Realorten dieser Bewegung treffen sich also nicht "Avatare im Metaversum", wie sich das der Science-fiction-Autor Neal Stephenson noch in den neunziger Jahren in seinem Roman "Snow Crash" ausgemalt hat. Es sind durchaus Menschen aus Fleisch und Blut, die das zu Kooperation und Kollaboration einladende Prinzip von "Open Source", also eines offenen Quellcodes, der aus Software-Nutzern nicht gleich Lizenz-Kundschaft macht, in politische Handlungen überführen möchten. Der Eintritt zum Kongreß ist frei, und das ist nicht der einzige Unterschied zum "Make-world-Festival" vor knapp drei Jahren an gleicher Stelle. Abgesehen davon, daß die damalige Veranstaltung unter dem frischen Eindruck der Anschläge vom 11. September stattfand und mit entsprechenden Schock- und Niedergeschlagenheitsphänomenen zu ringen hatte, kamen die Anreisenden diesmal mit dem Vorsatz nach München, die Organisationsform dazu zu nutzen, das individuelle Expertentum - in der Kunst hieße es Talent - anzulocken und zu reflektieren. Programmierer und Piraten Der in die Jahre gekommene Hallenkomplex auf der Isarinsel ist ganz gut gerüstet für ein langes Wochenende, an dem er Bürgerrechtsgruppen, Medienpiraten, Schriftstellern, Musikern und Softwareprogrammierern als Treffpunkt dienen soll. Aufgeschlagene Notebooks, schiefe Projektionen und verknotete Kabel bestimmen die Szenerie. Dagegen wirken die Stände und Broschürentische, die die Hauptschauplätze säumen, beinahe archaisch. Mitten im aufgeräumten Chaos knattert das Programm des Berliner Senders Reboot.FM, der hundert Tage lang in der Hauptstadt Open-source-Radio machen will, aus ein paar Kofferradios. Nicht alles aber wird gesendet oder läßt sich danach in Kürze im Netz nachlesen oder nachschauen, manche Diskussion sollte man möglichst persönlich mitbekommen haben, eine Begegnung wird ja in dem Augenblick am spannendsten, in dem sie ein vorgefertigtes Bild verändert. "Eine Raubkopie der Wirklichkeit" Als der 73jährige Filmhistoriker Enno Patalas, der sich unentwegt mit den Problemen bei der Definition von "Originalversionen" von Filmklassikern beschäftigt, am Samstag nachmittag noch einmal das Mikro ergreift, ist so ein Moment gekommen: Der Netzkünstler Sebastian Lütgert, von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur wegen der Verbreitung zweier Adorno-Texte über seine Website aus Copyrightgründen juristisch belangt, hat eben noch Filmbilder auf ihre Verbreitungsformen hin befragt, jetzt applaudiert er ostentativ, als Patalas erklärt: "Film ist schon an sich nichts anderes als eine Kopie, eine Raubkopie der Wirklichkeit." Überraschende Momente bei öffentlichen Begegnungen können allerdings nicht nur zu Beifall hinreißen, sie können auch schmerzhaft sein: Später am Abend führen israelische Audio- und Videokünstler einen Film über den "antiterroristischen Schutzwall" zwischen Israel und dem Westjordanland vor. Wer sie zur politischen Wirkung ihrer bewegenden Bilder befragt und zur Antwort erhält, sie seien Künstler, aber keine Politiker, muß doch staunen, wie merkwürdig sich mitunter der Blick verengt - auch im offensten Netzwerk kann man aus dem Rahmen fallen. Was an solch aktueller Kunst wäre denn nicht politisch? http://www.faz.net -------------------------------------------------------------------------------- Telepolis, Hannover, 5. März 2004 Katzen würden Adorno lesen Brigitte Zarzer Die Reemtsma Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur mahnt den Netzkünstler Sebastian Lütgert ab und verstrickt sich in einen seltsamen Urheberrechtsstreit Manchmal finden Urheberrechtsstreitigkeiten in Kreisen statt, wo man sie am wenigsten vermuten würde. So mahnten die Anwälte der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur vor geraumer Zeit Sebastian Lütgert ab, weil dieser für sein Medienprojekt Textz.com auch Adorno-Texte verwendete. Da Lütgert nach eigenen Angaben aufgrund eines Auslandsaufenthalts nicht auf die Abmahnung reagierte, wurde er sogar per Haftbefehl gesucht. Indes erhält der deutsche Künstler Unterstützung von der österreichischen Gruppe Monochrom, die eine Online-Petition initiierte und Jan Philipp Reemtsma zur Rücknahme der Klage auffordert. "In der Tat bin ich die administrative und technische Kontaktperson der Internet-Domain textz.com - einer Website, auf der einige hundert Aufsätze, Romane und theoretische Texte gesammelt sind, und auf der Sie - in einem durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Domain geregelten Rahmen - auch unter dem Stichwort Adorno fündig werden können", schreibt Sebastian Lütgert in einem mit 15. Januar 2004 datierten Brief an Jan Philipp Reemtsma, dem Vorstand der Hamburger Stiftung und klärt diesen auch über Sinn und Zweck des bereits vor etlichen Jahren initiierten Projekts (vgl. Nützliche Tools für den Netzintellektuellen) auf: "Dass es sich bei textz.com nicht um einen gewerblichen Vertrieb für raubkopierte Literatur handelt, sondern um ein kollektiv betriebenes Forschungsprojekt und - insbesondere - um eine künstlerische Arbeit, dürfte sich bereits bei einer oberflächlichen Betrachtung ergeben." In Bedrängnis kam Lütgert aufgrund der Verwendung von Textpassagen aus Theodor W. Adornos "Jargon der Eigentlichkeit" und "Anti-Semitism and Fascist Propaganda". An diesen Werken hält die Stiftung Urheberrechte. Der Künstler wurde von den Stiftungs-Anwälten abgemahnt. Das Hamburger Landgericht fällte in Abwesenheit des Künstlers ein Urteil. Nach eigenen Angaben war Lütgert damals im Ausland und erlangte von den Vorgängen in der Hansestadt auch erst später Kenntnis. Die Folgen: Gerichtsvollzieher, aufgebrochene Wohnung, ein Haftbefehl... Dabei nahm Lütgert die Texte umgehend vom Netz und nun geht es lediglich um 3.021 Euro. In dem Brief an Reemtsma vom 15. Januar schlägt Lütgert - offensichtlich wie so viele Künstler knapp bei Kasse - vor, dass man ihm den offenen Betrag doch als Stipendium überweisen solle. Dann könne er seine "Schuld" begleichen und einer Verhaftung entgehen. Die Verärgerung über das Vorgehen der Hamburger ist unverhohlen. Aus dieser Ecke hätte Lütgert wohl keinen Angriff erwartet. So stellt der Netzpublizist fest: "Gleichwohl liegt es mir fern, verklagt von einer Stiftung, die ausgerechnet Wissenschaft und Kultur zu befördern meint, wegen der angeblichen Verbreitung zweier Texte, die ausgerechnet Theodor W. Adorno geschrieben hat, bei der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee vorstellig zu werden." Grundsätzlich argumentiert Lütgert, dass er die Texte für ein nicht kommerzielles Projekt verwendet hat und auch niemandem Schaden entstanden sei. Dem schließt sich auch die österreichische Künstlergruppe Monochrom an, die nun eine Online-Petition zugunsten des deutschen Kollegen initiierte. Bis 12. März kann sie noch unterzeichnet werden. In den ersten 24 Stunden trugen sich bereits weit über hundert Unterstützer ein. Gerade in "linken" oder "liberalen" Kreisen stößt das Vorgehen der Hamburger auf Unverständnis. Die Debatten um geistiges Eigentum und Copyright-Fragen im allgemeinen sind hinlänglich bekannt. Manche vermuten zu Gunsten Reemtsmas, der ja zweifelsohne eine Reihe spannender gesellschaftskritischer Projekte initiiert und gefördert hat, dass sich die Causa Lütgert irgendwann verselbständigt hat. Immerhin erklärte sich dieser gegenüber Reemtsma erst nach gut einem Jahr, als die Sache wirklich brenzlig wurde. Die von den Rechtsanwälten Senfft & Partner vertretene Stiftung reagierte Ende Januar d.J. auf Lütgerts Vorschlag. Danach wurde der Haftbefehl vorerst ausgesetzt. Von der Forderung will man aber nicht Abstand nehmen. Lütgert hätte sich vor dem 15. Januar 2004 nie zu seinem Projekt erklärt, so das Anwalts-Schreiben sinngemäß. Zur Frage der Urheberrechtsverletzungen heißt es wörtlich: "Unsere Mandantin kann auch Ihre Ausführungen zur Frage der Benutzung von urheberechtlich geschützten Werken Adornos nicht teilen. Es ist die Aufgabe unserer Mandantin, das Werk Adornos zu erhalten und zu pflegen und dessen nicht legale Verbreitung, insbesondere in Form von unberechtigten Raubkopien und durch das Internet zu unterbinden. Es bleibt wissenschaftlichen Interessierten unbenommen, die Werke kostenfrei in den Staatsbibliotheken auszuleihen." In einem gestern publizierten Interview mit der TAZ verteidigt Jan Philipp Reemtsma sein Vorgehen unter anderem damit, dass er auch die Interessen des Verlages, welcher die Adorno-Texte verwerten darf, wahren müsse. Außerdem verwies er auf Rechtsnormen. Im Wortlaut: "Jemand kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, er wolle gewissermaßen als Freibeuter - nicht der Meere, sondern des ungesetzlichen Nachdrucks - dagegen verstoßen. Dann legt er sich mit den Rechtsnormen und mit dem Rechteinhaber an. Und dann muss er sich nicht wundern, wenn er Scherereien bekommt, und dann muss er einen Streit mit Anwälten und Kosten hinnehmen." Für Johannes Grenzfurthner von Monochrom gehen die Ausführungen Reemtsmas am konkreten Fall vorbei. Schließlich habe sich Lütgert inzwischen auch bereit erklärt, den Betrag zu bezahlen, nur der gesteckte Zeitrahmen sei zu kurz. "An unserer Online-Petition ändert sich nichts. Wir werden Lütgert weiter unterstützen", so Grenzfurthner gegenüber Telepolis. Die Monochrom-Petition an Jan Philipp Reemtsma ersucht um gänzliche Rücknahme der Klage, wohl auch aus ideologischen Überlegungen: "Wir glauben, dass die Freiheit der Information einen größeren Wert und ein schützenswerteres Gut gegenüber dem privaten Besitz an Informationen darstellt." Monochrom, auf deren Website sich der sinnige Spruch findet "Katzen würden Adorno lesen", hinterfragen mit verschiedenen hintersinnigen Aktionen, Texten, Veranstaltungen und Medienprojekten die gesellschaftliche Befindlichkeit im Allgemeinen und Besonderen ebenso wie Kulturbetrieb und Medien. Im Jahr 2000 ließen Monochrom beispielsweise mit einer Straßenaktion in Wien aufhorchen (vgl. Seelenverkäufer). Mit "Seelenverkäufen" in Form von Ersteigerungen kauften sie Passanten die Seele ab (und waren erstaunt, wie viele bereit waren, für eine Handvoll Schilling ihrer Seele ledig zu werden). Im jüngst erschienen Monochrom-Band 15-23 "zweite ordnung muss sein" findet sich unter anderem ein Text von James T. Rogers über Thomas Jefferson, der im 18. Jahrhundert "eines der ersten Geräte zum Vervielfältigen von Schriftstücken" unermüdlich "bewarb und verbesserte". Rogers kommt bei seinen Überlegungen schließlich im Computerzeitalter an: "Der Personal Computer hat sie natürlich alle übertrumpft. Seine Fähigkeit, Schriftstücke zu speichern und zu drucken hat ein einfaches Gerät zur Vervielfältigung in unsere Wohnzimmer, Schulen und Büros gebracht, überall dorthin, wo man sich keine großen Fotokopierer leisten kann." Internetzugang schließlich liegt vielen Menschen näher als die Staatsbibliothek, wie es die Hamburger Anwälte vorschlagen. Und warum sollte man für ein nicht kommerzielles Medienprojekt nicht auch intelligente Texte von Adorno nutzen dürfen? Würden die Verlage dadurch tatsächlich verhungern? Wäre es nicht viel eher Werbung, die eventuell auch zum Kauf von Adorno-Schriften animiert? Und last but not least: Ist es nicht schlicht und einfach erfreulich, im Web auch mal etwas Gescheites zu lesen? PS: Das Büro Reemtsma legt Wert auf die Feststellung, dass die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur eigenständig agiert und nicht mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung verwechselt werden soll. http://www.heise.de/tp/deutsch/special/copy/16890/1.html -------------------------------------------------------------------------------- Monochrom, Wien, 4. März 2004 Unser Kommentar zum TAZ Interview mit J. P. R. vom 4. März 2004: Anliegen wird selbstverständlich aufrecht erhalten ... Stopp Reemtsma kann vielleicht ZeitungsleserInnen mit seinen halbreflektierten und halbverdauten Äußerungen zum UrheberInnenrecht beeindrucken, als linke Gruppe möchte monochrom aber darauf bestehen, sich nicht durch mit Sentimentalismen bestrassten liberalem Geplauder blenden zu lassen, anstelle der kritischen Analyse desjenigen, um was es EIGENTLICH geht: "Denen ihr Spiel" (Diedrich Diederichsen 1982). So nicht, Reemtsma bzw. bist wohl eingewickelt worden, Feddersen, wir raten dringend: Hausaufgaben machen - kein Fußbreit dem Liberalismus und seinen irgendwie pfeifenrauchenden Netter-Onkel-Argumenten! Die Frage, um die hier souverän herumgemenschelt und -geschlaubergert und -geweltkennert und -genähkästchenplaudert wurde, ist nach wie vor eine eminent kulturpolitische, die auf den Tisch muss: Wem gehören Texte! Und: Wem gehört überhaupt irgendwas und WARUM! Und wieviel Anwälte hat Reemtsma eigentlich (by the way). Und: Warum hat er die, weil er so eine dufte Adorno-Witwe-(sie hat übrigens auch einen Namen, Herr Reemtsma...!)-Unterstützer-Type ist? Das So-tun-als-verstünde-das-sich-ja-alles-IRGENDWIE-super-von-Selbst, was Reemtsma da gönnerhaft und ach so selbstkritisch und durchblickizistisch diktiert, sollte v.a. auch aus Gründen literaturwissenschaftlicher Korrektheit hinterfragt werden: Das ist nämlich alles nicht so klar, um was es hier geht, wie es hier scheinen gemacht wird. Bzw. wie es vor 50 Jahren eben klar war. Was auch immer an konkurrierenden Wahrheitsschollen von den Parteien über den Fall geschoben wird (Lütgert hatte mehrere MONATE ZEIT vs. KNAPPE FRIST, während der der Beklagte in New York war), wir werden auf unserer Forderung bestehen, diesen medientheoretischen Präzedenzfall nicht schaffen zu lassen, trotz allem Witwe-von-Adorno-Finanzieren oder Sozialem-Engagement-im-Verborgenen, mit dem Reemtsma sich menschlichst-integer zurüstet gegen die berechtigte Kritik an den Besitzverhältnissen literarischer Texte. Wir bedauern den armen Arno Schmidt, aber wir bedauern noch viel mehr die 100.000en Krebskranken, über die Reemtsmas Vermögen (usw., usf.). Ehrlich gesagt haben wir keine Ahnung, wie der zu seinem Geld gekommen ist und ob das jetzt mit Zigaretten zu tun hat oder mit Heftpflastern. Da es aber kein richtiges Millionärwerden im falschen gibt, darf uns das durchaus wurscht sein. Soviel Stalinimus muss sein. Wir unterstützen lieber die Witwe linker Positionen. Kein Fußbreit dem Salon-Gemenschel! Was ist schon der unerlaubte Nachdruck eines Textes gegen den Besitz eines solchen - sagt Brecht, zwar über Banken, aber es passt auch hier. Und zuletzt: Wenn schon der gesamte Diskursraum zugemenschelt wird: Was ist eigentlich mit sowas wie "Großzügigkeit". Wir sollten Reemtsma da abholen, wo er ist - gibt es eigentlich noch die Sendung "Verzeih mir", wenn ja, wissen wir ja, was wir zu tun haben. Mediales Gegen-Einseifen. Lassen wir ihn da nicht raus. Wenn Reemtsma auf seinen Forderungen besteht, sollte er wenigstens einen ordentlichen Sympathie-Knacks davontragen und zum Ex-Sympathicus verfinstern. Das ist doch das mindeste, mit dem wir uns bewaffnen können. monochrom http://www.monochrom.at/adorno-textz/kommentar.htm -------------------------------------------------------------------------------- Die Tageszeitung, Berlin, 4. März 2004 "Auch Arno Schmidt empfand das als Piraterie" Jan Philipp Reemtsma über das Problem von Raubdrucken, den Fall Schmidt, den Fall Adorno - und über Geld und Neid Interview Jan Feddersen taz: Sie haben gegen einen Internetpublizisten auf Unterlassung geklagt, der Adorno-Texte publizierte, an denen Sie die Rechte haben. Weshalb haben Sie die Schriften von Theodor W. Adorno gekauft? Jan Philipp Reemtsma: Ich habe keine Schriften von Adorno gekauft. Die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, deren Vorstand ich bin, besitzt den Nachlass Adornos und die damit zusammenhängenden Rechte. Wie kam sie an die Texte? Es ist so gewesen, dass in den Achtzigerjahren das Geld aus dem Nachlass Adornos, das für die Pflege der kranken Frau Adorno zur Verfügung stand, zu Ende ging. Und die Stadt Frankfurt sah sich nicht in der Lage, die Pflege von Frau Adorno, die nach dem Tod ihres Mannes einen Selbstmordversuch unternommen hatte, zu übernehmen. Der Testamentsvollstrecker Adornos kam auf mich zu, weil ich die Edition der Briefe Walter Benjamins finanziell unterstützt hatte, und regte einen Vertrag zwischen Frau Adorno und der Stiftung an. Die übernahm die Pflegekosten für Frau Adorno, im Gegenzug sollte der Nachlass von Adorno und Benjamin, der hinzugehörte, an die Stiftung gehen. Was wurde aus dem Nachlass? Ich habe in Frankfurt das Adorno Archiv eingerichtet. Das hat seitdem mit einem Aufwand von sechs Millionen Euro sechzig Publikationen vorgelegt. Weshalb besteht einer wie Sie auf dem Urheberrecht an den Texten Adornos? Was heißt 'einer wie Sie'? Ich bin der Vorsitzende der Stiftung, sie ist nicht mein Privateigentum und unterliegt der staatlichen Kontrolle. Ich habe dafür zu sorgen, dass die Rechte dieser Stiftung gewahrt bleiben. Und dies tue ich, wie es jeder Rechteinhaber macht - wie ja auch die taz, die auf ihrer Website ihre Texte mit einem Copyright-Hinweis als geschützt kennzeichnet, nicht zuletzt den Artikel, über den wir reden. Nun spräche ja nichts dagegen, Adorno auch per Internet weiter zu popularisieren. Popularisierung ist ein ehrenwertes Anliegen, aber nicht um den Preis des Rechtsbruchs. Die Stiftung ist übrigens auch dem Verlag gegenüber verpflichtet, dem sie die Publikationsrechte ja übertragen hat. Das ist das Einmaleins des Urheberrechts. Jetzt kann man darüber streiten, ob es gut ist, dass es ein solches Recht gibt. Ich würde mich weiterhin dafür stark machen. Es gibt in linksliberalen Kreisen eine gut erinnerliche Tradition des Raubdrucks... ... die ja im 18. Jahrhundert begründet wurde. Daraus ist das Urheberrecht entstanden - nicht zuletzt, um die Rechte der Autoren zu schützen. Jemand kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, er wolle gewissermaßen als Freibeuter - nicht der Meere, sondern des ungesetzlichen Nachdrucks - dagegen verstoßen. Dann legt er sich mit den Rechtsnormen und mit dem Rechteinhaber an. Und dann muss er sich nicht wundern, wenn er Scherereien bekommt, und dann muss er einen Streit mit Anwälten und Kosten hinnehmen. Ist das nicht hart? In den Siebzigern kursierten Adorno-Raubdrucke en masse. Das war übrigens eine andere Situation. Die "Dialektik der Aufklärung" von Horkheimer/Adorno gab es lange Zeit nicht im Handel und kaum in Bibliotheken. Da konnte einer argumentieren, dass man anders den Text nicht würde lesen können. In dem Fall des Internetpiraten ging es aber um Schriften, die überall zu haben sind. Der "Jargon der Eigentlichkeit" und die "Dialektik der Aufklärung", die zu den illegalen Internetkopien gehörten, gibt es seit Jahrzehnten als Taschenbücher und Paperbacks. Auch alles andere ist zu haben. "Eigentum ist Diebstahl", hieß es früher - in diesem Sinne möge Adorno auch allen Netznutzern zugänglich sein. Ähnlich argumentieren auch viele Internetuser, die sich gratis Musik aus dem Netz ziehen. Aus weltanschaulichen Gründen? Kaum. Man möchte es billig haben. Dieses Bedürfnis ist verständlich, nur nicht immer legal zu befriedigen. Also klaut der eine oder andere. Das kann man natürlich mit schönen Worten adeln, es ändert aber nichts. In der Frage der Musik kenne ich mich nicht gut aus, aber ich würde sagen, dass Jugendliche verschiedene Stadien durchleben. Wenn sie ihre erste Band gegründet und die erste Platte publiziert haben, sind sie die Ersten, die sich über Internetpiraten empören. Das Rechtsempfinden wächst mit der Erfahrung. Der wichtigste Aspekt dabei: Ohne copyright würde kein Verlag publizieren, kein Autor von seiner Arbeit leben können. Das Sein bestimmt das Bewusstsein... ... um wieder über Bücher zu sprechen: Den spektakulärsten Fall eines Raubdrucks gab es Ende der Siebzigerjahre. Das war Arno Schmidts "Zettels Traum". Der Verlag hatte ja nicht geahnt, dass das Buch mal zum Kultobjekt werden würde. Und druckte lediglich 1.000 Exemplare. Es war wahnsinnig teuer. Die Raubdrucker sagten sich: Die Auflage ist limitiert, nur wenigen zugänglich, die viel Geld haben - das Buch sollte sozialisiert werden. Und außerdem kann man daran verdienen. Dieser Raubdruck, der dann gemacht wurde, hat Arno Schmidt die zweite Auflage gekostet, denn die war ja dann per Raubkopie verkauft worden. Man hört, dass die zweite Auflage ihm ein neues Buch zu schreiben ermöglicht hätte. Ja. Er war nun darauf angewiesen, wieder Geld mit Übersetzungen zu verdienen. Die Raubdrucker, die immerhin den Autor nicht schädigen wollten, wie sie sagten, boten ihm Geld an. Aber das konnte er nicht annehmen, er hätte ja dann sein Buch zweimal verkauft, d. h., er wäre seinem Verlag gegenüber vertragsbrüchig geworden. Die Leute haben nicht nachgedacht: Was tue ich mit meiner Aktion eigentlich dem von mir verehrten... ... die haben ihn verehrt? Die dachten, sie täten ihm einen Gefallen und er müsste ihnen dankbar sein, dass sie seine Werke - wie hieß es doch: "popularisierten". Das hat Schmidt sehr getroffen und bis zu seinem Tode beschäftigt, er empfand das als einen Akt der Piraterie. Warum löst in Ihrem Fall die Urheberrechtsverletzung geringen Unmut aus, großen aber, dass Sie, Jan Philipp Reemtsma, auf die Einhaltung der Rechtsnorm bestehen? Weil viele nicht über den Sinn der Einhaltung von Rechtsnormen nachdenken, die jeden schützen, der schreibt, sondern, wenn mein Name fällt, an Geld denken. Und da hört das klare Denken meist auf. Das hat übrigens nichts mit links oder rechts zu tun, das funktioniert querbeet. Neid auf einen, für den Geld nur eine dienende Rolle spielt? Wenn ich die Frage sehr abstrakt angehe, dann ist Geld pure Möglichkeit, viel fantasieanregender als irgendein konkretes Luxusgut. Um Schmidt zu zitieren: "gepresste und getrocknete Freiheit". Es ist ein Medium, das maximales Assoziieren und ausschweifendstes Fantasieren ermöglicht. Lottogewinnfantasien? Auch das. Wenn ein Journalist mich fragt, warum ich Geld für ein Institut oder für Editionsprojekte ausgebe und nicht für ein Segelboot, dann redet er nur über sich, darüber, was er mit viel Geld machen würde. Aber das ist ja sein Problem. Oder es wirft mir jemand vor, dass ich kein Geld für karitative Zwecke, für Kranke, Überschuldete usw., ausgebe. Und wie antworten Sie? Gar nicht. Wer so einen Vorwurf macht, geht davon aus, dass es etwas, wovon er nichts weiß, auch nicht gibt. Oder so: Er denkt sich, dass er, wenn er das Geld hätte, es entweder dafür nicht ausgeben oder, wenn doch, es an die große Glocke hängen würde. Er könnte auch davon ausgehen, dass es selbstverständlich ist, dass jemand, der wohlhabend ist, auch anderen hilft. Sie sind Autor. Spüren Sie Missgunst gegenüber einen, der nie Lohnschreiber sein musste? Mag sein, auch das wäre ganz verständlich. Die Frage ist, ob das dazu führen muss, dass man das abwertet, was der andere tut. In dem Fall geht der verständliche Neid in ein Ressentiment über. Auch als Sie entführt wurden, ging es um Geld. Haben Sie in der Berichterstattung solche Ressentiments verspürt? Zuweilen. Die taz hat etwa die Worte des Anführers der Bande, die mich entführte, es habe sich um "eine De-luxe-Entführung" gehandelt, so referiert, als wolle sie sich dieser Einschätzung anschließen. Kränkte Sie das? Es hat mich damals angeekelt, diesen Zynismus noch einmal zu hören. Aber darauf kommt es in erster Linie nicht an, es ist ja nicht Ihre Aufgabe, Artikel zu schreiben, die diejenigen mögen, über die geschrieben wird. Aber Ihrer Pflicht, korrekt zu informieren, sollten Sie nachkommen. Der Verfasser des Artikels über den Internettextpiraten schreibt etwa, ich wolle demnächst ein Museum eröffnen, damit Leute sehen können, was ich so an Benjamin-Schriften besitze. Das ist pure Fantasie. Tatsache ist, dass der Benjamin-Nachlass von Frankfurt nach Berlin in die Akademie der Künste transferiert wird, weil es in Frankfurt keine vergleichbar guten Archivbedingungen gibt und weil Benjamin eben auch nach Berlin gehört. Der Leser der taz erfährt nur etwas über die Fantasien irgendeines Journalisten und hält es für die Wahrheit. Mein Ärger ist dabei nicht der Maßstab. Was ärgert Sie dann? Der Grad der Desinformation. Das Delirium, das die Zeilen füllt. Dass jeder Blödsinn geglaubt wird. Ich habe einige Briefe bekommen - und keiner hat gemeint, das könne doch nicht sein. Natürlich, mich ärgern auch andere Bewertungen von Dingen, aber das ist meine Privatsache. Darüber sich zu beschweren wäre wirklich larmoyant. Dennoch bleiben die Leute wunderlich. Aber was solls, man kann ja nicht aus der Menschheit aussteigen. http://www.taz.de/pt/2004/03/04/a0172.nf/text -------------------------------------------------------------------------------- Die Tageszeitung, Berlin, 4. März 2004 Der Fall Adorno Unter dem Titel "In den Knast für Adorno?" erschien am 24. Februar in der taz ein Text, der von der juristischen Auseinandersetzung um die Internetpublikation von zwei Texten Theodor W. Adornos berichtete. Wörtlich hieß es: "Reemtsma besitzt sie im Sinne des Urheberrechts. Niemand darf sie veröffentlichen, wenn er es nicht erlaubt." Der Artikel war mehrfach korrekturbedürftig. So waren es nicht zwei, sondern neun Texte von Adorno. Deren Eigentümer ist außerdem nicht Reemtsma, sondern die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Jan Philipp Reemtsma weist darauf hin, dass der Internetpublizist monatelang die Möglichkeit gehabt habe, eine Unterlassungserklärung abzugeben und sich so Anwalts- und Gerichtskosten zu sparen. http://www.taz.de/pt/2004/03/04/a0173.nf/text -------------------------------------------------------------------------------- Titanic, Frankfurt, 3. März 2004 In den Knast für Adorno? fragte schon zu Beginn letzter Woche die taz (und noch zuvor heise) und berichtete über Sebastian Lütgert, der auf seiner Seite textz.org zwei Adorno-Texte veröffentlichte, an denen Jan Philipp Reemtsma die Rechte besitzt. Woraufhin ein haarsträubender Vorgang abläuft: Reemtsmas Anwälte mahnen Lütgert per Brief ab, der Lütgert aber nicht erreicht, weil er gerade im Ausland weilt, woraufhin ein Gerichtsverfahren in Gang gesetzt wird, das wiederum Lütgert nun Tausende Euro kosten wird - dabei hätte eine anwaltliche Mail genügt, und Lütgert hätte die Texte von seiner Seite genommen. Nun sind sie zwar auch offline, aber zu spät, jedenfalls für die Kanzlei Senfft, Kersten, Voss-Andrea & Schwenn. Wem sich der Sinn dieses Gerichtsstreits zwischen einem millionenschweren Altlinken und einem jugendlichen Habenichts nicht so ganz erschließt, kann nun immerhin eine Online-Petition unterschreiben: auf www.monochrom.at/adorno-textz/ http://www.titanic-magazin.de -------------------------------------------------------------------------------- ORF, Wien, 2. März 2004 Petition für den "Adorno-Piraten" Betreiber der Site Textz.com wegen unerlaubtem Publizieren von Adorno-Texten von der Reemtsma-Stiftung mit Haftbefehl bedroht Die Wiener Gruppe "Monochrom" hat jetzt eine eigene Petition für den Betreiber der Site Textz.com, Sebastian Lütgert, lanciert, in der die Rechteinhaber zweier Texte von Theodor W. Adorno aufgefordert werden, eine Klage gegen Lütgert fallen zu lassen. Die vom Tabakerben Jan Philipp Reemtsma gegründete Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur hatte juristische Schritte gegen Lütgert eingeleitet, nachdem dieser zwei Adorno-Texte, deren Verwertungsrechte bei der Stiftung liegen, auf Textz.com publiziert hatte. Weil Lütgert sich zum Zeitpunkt der ersten Abmahnung im Ausland befand und zunächst nicht reagierte, soll er jetzt nicht nur 2.300 Euro zahlen, sondern wird sogar per Haftbefehl gesucht. Nicht kommerzielle Veröffentlichung Sowohl Lütgert als auch seine Unterstützer argumentieren, dass die Veröffentlichung der Adorno-Texte eindeutig nicht aus kommerziellen Motiven erfolgte und den Rechteinhabern auch keinerlei Schaden entstanden sei. "Wir glauben, dass die Freiheit der Information einen größeren Wert und ein schützenswerteres Gut gegenüber dem privaten Besitz an Informationen darstellt," heißt es in der Monochrom-Petion. Die Monochrom-Petition kann noch bis zum 12. März unterzeichnet werden, danach soll sie der Reemtma-Stiftung übergeben werden. http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=218457 -------------------------------------------------------------------------------- De:Bug, Berlin, März 2004 Texte vor Gericht / Streit um Adorno Mercedes Bunz Bekannterweise konnte Theodor Wiesengrund Adorno die Kulturindustrie nicht leiden. Kultur als Ware war ihm ein Greuel. Was er wohl jetzt dazu sagen würde, wenn er feststellt, dass um seine eigenen Texte im Namen des von ihm gegründeten Instituts für Sozialforschung warenartig gestritten wird? Ganz klar: Damit der Kapitalismus freundlicher rüberkommt, als er in Wirklichkeit ist, braucht es die Kultur. Die macht ihn bunt, sorgt für Abwechslung, lenkt ab durch Events und beschäftigt die Menschen. Das ist heute so und ist früher nicht anders gewesen. Und Adorno, im Grunde seines Herzens aufrechter Anti-Kapitalist, fand das gar nicht lustig. Auf sämtliche Momente, in denen Kultur aus seiner Sicht zum warenförmigen Ereignis wurde, zeigte er mit den Fingern. Kino, Jazz und das Ganze. Wenn er heute wüsste, dass mittlerweile auch die Museen zu Eventtempeln umfrisiert worden sind und dass man keine Spezial-Interessen mehr haben soll, weil sie zuwenig potentielle Käufer erreichen, würde er an seinem Gruftdeckel kratzen. Wir schwören. Klar ist: Der Allgegenwart der Ware entkommen wir heute alle mehr schlecht als recht. Auch in der Kultur. Dabei steht die Form der Kultur, die heute nur noch als "geistiges Eigentum" abgehandelt wird, eigentlich prinzipiell der Ware entgegen: Während bei materiellem Eigentum der Produzent ein Produkt schafft, das es nur einmal gibt und das in Benutzung ist, wenn es von jemandem anderen verwendet wird, wird bei "geistigem Eigentum" das Original nicht in materielle Mitleidenschaft gezogen. Genau weil man "geistiges Eigentum" wiederholen kann, ohne dass der ursprüngliche Text dabei flöten geht (wenn man einen Text abschreibt eben, oder ihn ins Netz stellt), genau deshalb hält "geistiges Eigentum" gegenüber dem Kapitalismus ein subversives Moment inne. Seine Form wehrt sich gegen den Warenstatus, indem es einfach nicht folgsam mitmacht. Zumindest solange, bis die Anwälte kommen. Zu Sebastian Lütgert. Der betreibt eine Website namens textz.org, ein Kunst- oder Forschungsprojekt, auf dem eine Reihe guter Texte ihrer Leser harren, darunter (früher) zwei Texte von Adorno. 2002 war er wegen dieser Texte abgemahnt worden, hatte das mehr oder weniger ignoriert und sah sich Anfang dieses Jahres, also eine ganze unbekümmerte Zeit später, dann einem Haftbefehl gegenüber. Vom Institut für Sozialforschung, jenem Verein, den ausgerechnet Adorno, Gegner jeder Kultur als Ware, gegründet hat. Von: Sebastian Lütgert An: Jan Philipp Reemtsma, Hamburger Stiftung für Sozialforschung Berlin, den 15. Januar 2004 Sehr geehrter Jan Philipp Reemtsma, der Anlass meines Schreibens ist leider nicht allzu erfreulich: ein Haftbefehl nämlich, ausgestellt auf meinen Namen und erwirkt auf Initiative der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, deren Leiter Sie sind. Die Gefängnisstrafe, die mir droht, geht zurück auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg, das wegen angeblicher Dringlichkeit in meiner Abwesenheit ergangen ist, und wegen eines Auslandsaufenthalts auch ohne meine sofortige Kenntnis. Zur Last gelegt wird mir die elektronische Verbreitung zweier Texte von Theodor W. Adorno, an denen Ihre Stiftung die Rechte hält: "Jargon der Eigentlichkeit" und "Anti-Semitism and Fascist Propaganda". Ich nehme an, dass Sie über diesen Vorgang, dessen Anfänge bereits mehr als ein Jahr zurückliegen, zumindest informiert waren, oder ihn nach Rücksprache mit Ihren Anwälten - Senfft u.a., Hamburg - leicht werden rekonstruieren können. In der Tat bin ich die administrative und technische Kontaktperson der Internet-Domain textz.com - einer Website, auf der einige hundert Aufsätze, Romane und theoretische Texte gesammelt sind, und auf der Sie - in einem durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Domain geregelten Rahmen - auch unter dem Stichwort Adorno fündig werden können. Dass es sich bei textz.com nicht um einen gewerblichen Vertrieb für raubkopierte Literatur handelt, sondern um ein kollektiv betriebenes Forschungsprojekt und - insbesondere - um eine künstlerische Arbeit, dürfte sich bereits bei einer oberflächlichen Betrachtung ergeben. Vielleicht hilft bei der Einordnung auch das Presse-Archiv der Website weiter - von einer ganzen Reihe rennomierter internationaler Publikationen ist textz.com in den vergangenen Jahren freundlich besprochen, empfohlen oder gar ausgezeichnet worden. Ich kann Ihnen versichern, dass, wer auch immer die von Ihnen beanstandeten Textdateien dort gespeichert hat, ausser der Freiheit der Kunst nichts in Anspruch nimmt. Er oder sie trübt nicht einmal hinter dem Komma die Bilanz eines Verlegers, verursacht weder materiell noch immateriell einem Eigentümer Schaden und gefährdet in keiner Weise die Integrität anderer, privater oder öffentlicher Archive. Ohnehin ist Adorno, dessen Gesammelte Werke vollständig im Internet verfügbar sind, auch wenn es ein wenig Mühe kostet, sie zu finden, in digitaler Form weit weniger populär als Sie befürchten - vielleicht sogar weniger, als Sie eigentlich hoffen sollten. In den bislang zwei Fällen, in denen Copyright-Inhaber sich dennoch durch textz.com in ihren Eigentumsrechten verletzt sahen, reichte der Austausch zweier formloser E-Mails aus, um den jeweiligen Sachverhalt zu klären, den Zugriff auf die inkriminierten Texte zu sperren und damit zu einer für beide Seiten befriedigenden Lösung zu gelangen. Nun sind Sie für meine Verteidigung gewiss nicht der richtige Adressat, und ohnehin dürfte sich eine solche Verteidigung zu einem Zeitpunkt, an dem bereits per Haftbefehl nach mir gesucht wird, ebenso erübrigen wie ein Ersuchen um Akteneinsicht beim Hamburger Landgericht. Gleichwohl liegt es mir fern, verklagt von einer Stiftung, die ausgerechnet Wissenschaft und Kultur zu befördern meint, wegen der angeblichen Verbreitung zweier Texte, die ausgerechnet Theodor W. Adorno geschrieben hat, bei der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee vorstellig zu werden. Mir ist bewusst, dass ein solcher Haftantritt sich günstig in Aufmerksamkeit für meine Arbeit verzinsen liesse, doch fehlt es mir an Talent zum Märtyrertum und auch an Ambition, persönlich kulturelles Kapital aus einer Situation zu schlagen, die ich für absurd, ungerecht und, als "Fall", auch nicht für meine Privatsache halte. Vielmehr möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen: Sie nämlich bitten, mir als ein Stipendium jene 3.021 Euro zu überweisen, die ich zu zahlen hätte, um meiner Verhaftung zu entgehen und einen Gefängnisaufenthalt zu vermeiden. Was der Zweck und die Konditionen eines solchen Stipendiums sein könnten, und welche Gegenleistungen ich zu erbringen hätte, würde ich gerne mit Ihnen besprechen. Da jedoch Polizeibesuch bei meinen Nachbarn, das Aufbrechen meiner Wohnung und die - mangels pfändbaren Eigentums - Sperrung meiner Gasversorgung auf eine gewisse Dringlichkeit hindeuten, wäre ich zunächst vor allem an einer raschen Antwort auf mein Schreiben interessiert, wenn möglich noch in der kommenden Woche. Sollte Ihnen an einem telefonischen Kontakt oder einem Treffen in Hamburg gelegen sein, so geben Sie mir doch bitte ein entsprechendes Zeichen. Für den Fall, dass Sie noch zögern, auf meinen Vorschlag einzugehen, erlauben Sie mir bitte eine abschliessende Überlegung. Selbst wenn ich das juristische Konzept des "Geistigen Eigentums" - auf dem ja nicht nur Ihre vergleichsweise landläufige Klage in Sachen Adorno beruht, sondern in dessen Namen Tag für Tag Enteignungen vollzogen, Grundrechte ausser Kraft gesetzt und handfeste Verbrechen begangen werden - für einen Moment als einen naturgesetzlich gegebenen Sachverhalt betrachte, dann müsste ein solches Recht doch auch mit der Pflicht verbunden sein, dieses schwer greifbare Eigentum zumindest pfleglich zu behandeln und nicht zum Schaden Dritter durchzusetzen. Mir scheint, als liessen sich gerade in den Schriften, über die wir streiten, Hinweise darauf finden, dass ihr Verfasser nicht im Sinn hatte, mit seinem Werk geistigen Besitz zu schaffen, der von seinen späteren Eigentümern vor Deutschen Landgerichten gegen ein Weiterleben in den Künsten einklagbar sein sollte. Wäre es nicht denkbar, dass ein Verfahren wie das von Ihrer Stiftung angestrengte, mit dem von mir geschilderten Ergebnis, vielmehr ein Umgang wäre, durch den Sie Ihre flüchtigen Rechte an den genannten Texten statt zu sichern eher verwirken? Beziehungsweise, umgekehrt, Ihre Kulanz in dieser Sache ein Anzeichen dafür, dass Sie der Verantwortung, die aus dem Eigentum am Werk Adornos erwächst, gerecht werden, indem Sie es nicht nur schützen und bewahren, sondern zugleich offen halten - auch und gerade für einen Umgang, der in Gegenrichtung zu jenen Umverteilungen und Raubzügen verläuft, die derzeit im Digitalen stattfinden, und den zu praktizieren und zu verteidigen längst zu einer der dringendsten Aufgaben der Forschung und der Künste geworden ist. In der Hoffnung auf Ihre baldige Antwort verbleibe ich mit freundlichem Gruss, Sebastian Lütgert Nachdem Sebastian Lütgert sich mit diesem Brief gemeldet hatte, wurde der Haftbefehl unter Mokieren seines "hartnäckigen Schweigens" zunächst von den Anwälten des Instituts für Sozialforschung bis zum 23. Februar ausgesetzt. Man signalisiert zurückhaltendes Entgegenkommen und wartet auf Vorschläge. Immerhin. Gleichzeitig muss man sich jedoch fragen, ob eine Stiftung wie das Institut für Sozialforschung hier recht gehandelt hat. Denn klar ist: Nur weil man recht hat, ist man noch lange nicht im Recht. Als größere und nicht zuletzt finanzstärkerer Partner ist es nicht nur die Aufgabe des Angeklagten, sich zu erklären; es ist auch die Aufgabe des Klägers, vor allem eines Klägers der das "sozial" im Namen trägt, nachzuschauen, zu forschen, we das da ist, den man verklagt. Beispielsweise, indem man einfach auf dessen Website guckt und ihm - ohne Anwälte - eine Email schickt, dass einem das nicht passe. Denn die Auffassung von textz.com teile man nicht, ließen die Anwälte von Jan Philipp Reemtsma wissen und schickten die Adornoleser ab in die Buchhandlung oder in die Bibliothek: "Es ist die Aufgabe unserer Mandantin, das Werk Adornos zu erhalten und zu pflegen und dessen nicht legale Verbreitung, insbesondere in Form von unberechtigten Raubkopien und durch das Internet zu unterbinden. Es bleibt wissenschaftlichen Interessierten unbenommen, die Werke kostenfrei in den Staatsbibliotheken auszuleihen. Im übrigen hat der Gesetzgeber den Interessen der Wissenschaft durch das im Urhebergesetz vorgesehene Zitatrecht hinreichend Rechnung getragen." Textz.com aka Sebastian Lütgert versucht im Moment, das Institut für Sozialforschung davon zu überzeugen, das Geld in kleinen Raten bis 2039 abzahlen zu können, bis zu dem Jahr, in dem das Urheberrecht der Texte erlöscht. http://www.de-bug.de -------------------------------------------------------------------------------- Reflex, Prag, 27. Februar 2004 Napster pro intelektuály Jednou z nejinspirativnejsích událostí internetu posledních let byl vznik (a koneckoncu i jeho zánik, ci premena) serveru Napster, poskytujícího hudební nahrávky v digitálním formátu. Nejde o to, ze se díky nemu dostaly tisíce uzivatelu internetu k hudbe svého srdce, ale predevsím o filosofii sdílení datovych souboru, která se dostala do ostrého konfliktu s korporacemi, k jejichz hlavním ziskum patrí obchod s autorskymi právy. Ta filosofie znela ­ máme právo na sdílení dat (at je jejich obsah jakykoli) a máme právo na nekomercní porízení jedné kopie. Napster na sebe prilákal pozornost mocnych hudebních korporací a svuj boj prohrál. V soucasné dobe vsak probíhá podobná rozepre, která ukazuje, jak sporné jsou v dobe digitálních dat pojmy jako "intelektuální vlastnictví" ci "autorská práva". Server Textz vznikal s podobnou filosofií, ovsem na jeho stránkách nenajdete mp3 populárních ci alternativních hudebníku nebo nejnovejsí filmy v pirátském formátu Divx, ale texty filosofu, sociologu, umelcu ci revolucionáru minulého století. V italstine, francouzstine, nemcine, spanelstine i anglictine tu najdete texty Franze Kafky, Luise Aragona, Antonina Artauda, ale také napríklad texty ontologického anarchisty Hakima Beye, postmoderního francouzského sociologa Jeana Baudrillarda nebo dopisy levicové teroristky z RAF Ulrike Meinhof. Na Textz zkrátka najdete celou radu textu (jde o cca 3000 knih v datovém formátu), které jsou velmi inspirativní a do nichz muzete pri práci nahlízet aniz byste je meli v knihovne ci v hromade starych odlozenych casopisu. Tato doslova misionárská cinnost zakladatele serveru Sebastiana Luetgerta si vyslouzila radu ocenení. BBC oznacila server za "skvely nápad", on-line magazín o net artu Rhizome uz hovoril "ne o serveru, ale o intelektuální revoluci" a italsky deník Corriere della Sera proste zvolal: "Napster je mrtvy, at zije Napster!". Textz vsak vzbudil i záporné reakce. V dubnu 2002, poté co se na serveru objevily dva texty filosofa a sociologa Theodora Adorna, podala na provozovatele serveru zalobu Hamburská nadace pro rozvoj vedy a umení. Za porusení jejich "intelektuálního vlastnictví" tak hrozí Sebastianovi Luegertovi pokuta cca 2300 euro nebo trest vezení. Luegert zareagoval jako správny internetovy aktivista a ve velmi slusném dopisu adresovaném prezidentu nadace Janu Philippovi Reemtsma osvetlil koncept sírení filosofickych textu na svém serveru a pozádal o stipendium ve vysi cástky pozadované soudem. Jeho server je totiz pochopitelne neziskovy a cástku, kterou by mel zaplatit za "pirátské uverejnení" textu si nemuze dovolit zaplatit. Prezident neodpovedel, ozvali se vsak jeho právníci, kterí podobnou dohodu zamítli. Luegert proto na svych stránkách vyhlásil sbírku a ceká, co bude dál. Na jeho obranu vystupují kritici i teoretici z celého sveta, hamburská nadace vsak trvá na svém pojetí autorského práva, podle kterého by nemely byt Adornovi texty volne prístupné. Luegert tedy nadále zije v obavách, ze se za sírení filosofickych textu dostane do vezení. A Adorno se obrací v hrobe. Pokud Luegertovi prispejete na pokutu nebo alespon podepísete petici vyjadrující se k tomuto sporu, mozná se v rakvi tolik neotlací. http://www.reflex.cz/Clanek27378.htm -------------------------------------------------------------------------------- Neural, Rom, 27. Februar 2004 Combattere il copyright: Grey Tuesday + Adorno. Due episodi emblematici stanno riportando la lotta per il diritto al libero scambio di contenuti in rete. Martedì 24 febbraio è stato il 'Grey Tuesday' in cui quasi 170 siti hanno ospitato per un giorno i file incriminati del Grey Album di DJ Danger Mouse, nonostante le pronte lettere degli uffici legali della EMI. La banda è andata presto in saturazione per l'altissimo numero di richieste, e molti altri siti senza grosse capacità hanno scelto di dare uno sfondo grigio di protesta alla propria home page. Con l'Electronic Frontier Foundation che ha messo in dubbio la leggittimità della stessa EMI di possedere il copyright del White Album, i tantissimi contestatari e chi ne ha usufruito hanno riprodotto brillantemente quelle 'zone temporaneamente autonome' teorizzate a fine anni novanta da Hakim Bey, costituendo uno storico precedente. Su un altro fronte Sebastian Luetgert, animatore di textz.com, sito che da anni rende scaricabili in formato testo celebri libri politici e letterari, sta rischiando l'arresto. La Hamburg Foundation for the Advancement of Science and Culture gli ha chiesto di pagare 2.300 euro per la pubblicazione non autorizzata di due testi di Theodor W. Adorno ('Jargon der Eigentlichkeit' e 'Fascism and Anti-Semitic Propaganda'), di cui la fondazione avrebbe i diritti. La denuncia fu fatta nel 2002, senza alcuna comunicazione a textz.com, che, una volta notificato della stessa provvide a rimuovere immediatamente i file. La fondazione, il cui nome ha assunto risvolti quantomeno ironici, ha persino impugnato una richiesta di dottorato gratuito per ripagare il danno causato, spingendo ancora di più la richiesta di pagamento o di arresto. A questo punto Luetgert ha deciso di rendere pubblico il tutto, contando nel sostegno della quantità di gente che avvezza alle regole autodeterminate che vigono in rete, vede l'assurdità della richiesta. La persecuzione sui due testi di Adorno sembra ancora più paradossale, tenendo presente i contenuti dei testi stessi. Varie le possibilità di supportare Luetgert, fra cui una petizione, un banner, e l'acquisto di una copia di The Conceptual Crisis of Private Property as a Crisis in Practice, per sostenere le spese legali. http://www.neural.it/nnews/greytuesdayadorno.htm -------------------------------------------------------------------------------- Bayerischer Rundfunk, München, 27. Februar 2004 Auf seiner Seite textz.com stellt Luetgert wichtige Theorietexte von Gilles Deleuze über Geert Lovink bis Franz Kafka zur Verfügung - kostenlos zum Runterladen. Dass auf dieser Seite auch zwei Texte von Theodor W. Adorno aufgetaucht sind, hat Luetgert jetzt großen Ärger eingebracht. Jan Philipp Reemtsma hält die Urheberrechte an diesen Texten und hat Luetgert verklagt. Ein Grundsatzstreit zwischen Copyright und Copyleft, zwischen alter und neuer Linke, zwischen der analogen und der digatlen Linken. http://www.br-online.de/jugend/zuendfunk/onair/radioalice/radioalice.shtml -------------------------------------------------------------------------------- Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 25. Februar 2004 Kommentar Der Rebell plärrt Das Rebellentum macht einen Gestaltwandel durch. Einst brachen, so die Sage, Sozialräuber wie Robin Hood die Gesetze, um den Armen von dem zu geben, was die Reichen hatten. Andere wandten sich gegen die Autoritäten, um irgend etwas - russische Bauern, Tirol, die Dritte Welt - freizukämpfen. Daß die Autoritäten dabei keinen Spaß verstehen würden, war allen klar. Erst spät kam der pfiffige Gedanke auf, man könne doch auch auf Staatskosten gegen den Staat, die Macht und das Kapital sein. Zum Beispiel auf städtischen Bühnen, in der freien, aber nicht zuschußfreien Szene oder mit Mitteln der Filmförderung. Das gefestigte Gemeinwesen erkannte seinerseits, daß es nicht jedes ungezogene Geräusch gleich als gefährlichen Angriff interpretieren muß, und füttert seitdem zum Selbstlob seiner Liberalität auch Leute, die ihm dafür ein bißchen in die Hand beißen. Der staatlich alimentierte Protest gegen den Staat ist zur Normalform der Protestexistenz geworden; so sehr, daß es bei den Rebellen nicht einmal mehr Theorien für das mulmige Gefühl gibt, das man bei derlei Hofnarrentum haben könnte. Im Gegenteil wird sofort gemotzt, wenn irgendwo nicht genug Steuergeld für den Demonstrativkonsum an Gesten gegen das ganze, den Rebellen verletzende und ihn zum Ausstellen seiner Wunden zwingende Unwahre ausgegeben wird. Nur Privatpersonen waren bislang von diesem Gemotze verschont. Niemand kam auf die Idee, daß es auch ihre Pflicht sei, Proteste gegen sich und das Privateigentum zu finanzieren. Niemand außer Herrn Hablützel. Kollege Hablützel von der "tageszeitung" meldet, daß ein Student Texte von Adorno im Internet veröffentlicht hat, Texte, deren Kopierrecht bei Jan Philipp Reemtsma liegt. Weil Reemtsma dieses Recht gern behalten möchte, hat er seine Anwälte einen Brief an den Studenten schreiben lassen. Der Student war gerade in New York, drum verstrich die gesetzte Frist, um die Texte wieder aus dem Netz zu nehmen. Also entstanden Gerichts- und Anwaltskosten, und eine Ordnungsstrafe ward erhoben. Der Rebell muß, wenn er sie nicht bezahlen kann, in Ersatzhaft. Hablützel findet das adornomäßig absolut unsachgemäß. Weil der Student ja kein autoritärer Charakter sei, vielmehr seine Raubkopie ein "erfreulicher Fall von Systemresistenz". Außerdem hätten die adornoresistenten Anwälte den Studenten ja bloß per E-Mail mahnen müssen, die wären bis New York durchgestellt worden. Hablützel ist, was das Mahnrecht angeht, offenbar kenntnisresistent. Die Website des Studenten aber kennt er. Da stehen noch ein paar hundert Texte, von Douglas Adams über Eco und Bret Easton Ellis bis Rainald Goetz und Neal Stephenson. Denn das System, gegen das der Student rebelliert, ist das des Urheberrechts überhaupt. Ein militärisch-unterhaltungsindustrieller Komplex, steht da - es muß sich um eine Koalition von Suhrkamp mit dem Pentagon handeln -, drohe die Kontrolle über alle Information zu gewinnen. Dagegen sei Widerstand zu leisten, denn glücklich sei die Menschheit erst - wir übersetzen aus dem noch Geschmackvolleren -, wenn der letzte Eigentümer von Urheberrechten zusammen mit dem letzten Patentanwalt am Strang hänge. Und jetzt bitten der Rebell und sein Hüter die Anwälte und den Rechteinhaber um adornoadäquate Milde. Je großmäuliger und lächerlicher die Rebellen werden, desto empfindlicher werden sie offenbar auch. kau (Jürgen Kaube) http://www.faz.net -------------------------------------------------------------------------------- Die Tageszeitung, Berlin, 24. Februar 2004 In den Knast für Adorno? Jan Philipp Reemtsma besitzt die Urheberrechte an zwei Adorno-Schriften. Ein Student hat sie im Internet veröffentlicht - und Post von Reemtsmas Anwälten bekommen. Souverän ist das nicht Von Niklaus Hablützel Sebastian Lütgert meint schon, dass es sich immer noch lohnt, Adorno zu lesen. Aber in den Knast gehen möchte er dafür denn doch nicht. Immerhin ist Teddy schon ziemlich lange tot, und, nun ja, reden wir nicht über den Jazz. Lütgert jedenfalls hat keine Lust, den Helden irgendeiner Idee zu spielen, er wohnt in Berlin und manchmal in New York, wo er Freunde hat. So könnte sein Leben gar nicht nur schlecht sein in all dem Falschen, das natürlich trotzdem niemals zu übersehen und ständig zu kritisieren ist, weswegen ein wenig Adorno nie schaden kann. Meint Lütgert. Aber er irrt sich. Er muss vielleicht doch in den Knast. Nach Plötzensee, weil er kein Geld hat, die teuersten Anwälte von Hamburg zu bezahlen. Denn auch Jan Philipp Reemtsma, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, meint, dass sich Adorno lohnt. Nicht sicher ist, ob er meint, es lohne sich, ihn zu lesen, ganz sicher aber meint er, dass es sich lohnt, ihn zu besitzen. Reemtsma besitzt zwei Texte des Philosophen, nämlich die Aufsätze "Jargon der Eigentlichkeit" (lesenswerte Polemik gegen Heideggerianer) und "Anti-Semitism and Fascist Propaganda" (Pflichtlektüre für CDU-Mitglieder, bevor sie Holocaust-Gedenkreden halten). Reemtsma besitzt sie im Sinne des Urheberrechts. Niemand darf sie veröffentlichen, wenn er es nicht erlaubt. Nun betreibt Sebastian Lütgert einen Webserver, auf dem hunderte von Texten gespeichert sind, damit man sie im Internet lesen kann. Man kann sie auch kopieren. Besitzen kann man sie nicht. Es sind Texte von Denkern und Literaten aller Art, auch eher von unbekannten Autoren. Durchweg von hohem intellektuellen Anspruch, all das eben, was der Mensch so braucht zum Denken. Lütgert ist für diese Website schon oft gelobt worden. Sie ist eine der wenigen, die tatsächlich das leistet, was vom Internet immer nur behauptet wird: Sie erschließt Wissen, macht es zugänglich, nützlich. Jan Philipp Reemtsma braucht keine solche Website. Er kann sich das Wissen kaufen. Trotzdem hat er sie entdeckt und festgestellt, dass dort auch seine beiden Adornos zu haben waren. Eigentlich nur zu lesen, aber das ist für ihn eins. Seine Anwaltskanzlei Senfft, Kersten, Voss-Andrea & Schwenn haben umgehend einen Brief an die Berliner Postadresse von Sebastian Lütgert geschickt. Der war aber gerade in New York, und so verstrich die Frist von fünf Tagen, die sie ihm gesetzt hatten, ohne dass er auch nur ahnte, dass Reemtsma ihm seine Adornos verbot. Lütgert mag sich nicht auf dem Niveau von Reemtsma und Senfft über Rechtsfragen streiten. Er nahm die beiden Texte vom Server, sobald er den Brief gelesen hatte. Nur war inzwischen die Rechnung für das in Abwesenheit des Beschuldigten eröffnete förmliche Gerichtsverfahren mit Ordnungsstrafen und Anwaltsgebühren aufgelaufen: 3.021 Euro. Eine Unsumme für Adorno in jedem Sinn. Denn so viel hat Lütgert einfach nicht, für Reemtsma wiederum ist das so gut wie nichts. Die Rechnung blieb offen, die Anwälte bestellten den Gerichtsvollzieher, um notfalls die Ersatzhaft zu erzwingen. Lütgert wusste sich nicht mehr zu helfen und bat schließlich Reemtsma persönlich um Hilfe. Der Streit war ja nie aus bösem Willen entstanden, also möge man ihm doch in Adornos Namen die Gerichtsschulden erlassen. Ein Stipendium in derselben Höhe wäre jedenfalls der Sache dienlicher als ein Aufenthalt im Gefängnis, schrieb Lütgert freundlich, wenn auch nicht ohne Ironie: "Welche Gegenleistungen ich zu erbringen hätte, würde ich gerne mit Ihnen besprechen." Würde Reemtsma Adorno lesen und nicht nur besitzen, hätte er einen erfreulichen Fall von Systemresistenz erkennen müssen. Ein autoritärer Charakter ist Lütgert zweifellos nicht, und Reemtsma hätte ihn allein deswegen schon mindestens zum Kaffee einladen müssen. Um wenigstens über Adorno zu reden. Oder über das Internet und den E-Mail-Verkehr, der in der Kanzlei Senfft nicht bekannt ist. Denn eine E-Mail hätte ihn immer erreicht, auch in New York, sagt Lütgert. Er hat in etlichen anderen Fällen Abmahnungen von Verlagen sofort Folge geleistet. Nur waren die per E-Mail gekommen, über das Internet, in dem auch der angebliche Rechtsverstoß stattfand. Aber Reemtsma schreibt keine Mails und liest keinen Adorno. Er besitzt nur Papiere. Von Walter Benjamin zum Beispiel. Dafür will er in Berlin demnächst ein Museum eröffnen. Damit man sieht, was er hat. Lesen? Online? Niemals. Lütgert bekam keine Antwort von Reemtsma, sondern noch einen Brief von Senfft und Partner, der ihm eine Gnadenfrist bis zum 23. Februar setzt. Wenn er dann nicht zahlt, muss er in den Knast. Für Adorno und dafür, dass Jan Philipp Reemtsma, der große Förderer des kritischen Denkens und stets zur Stelle, wenn es darum geht, die Gegenwart von bösen Schatten der deutschen Vergangenheit zu reinigen, zwei seiner Texte besitzt. Für sich selbst hofft Lütgert noch, dass ihm Freunde das Geld irgendwie besorgen können. Seine Website ist weiterhin unter www.textz.org zu erreichen. http://www.taz.de/pt/2004/02/24/a0195.nf/text -------------------------------------------------------------------------------- Tages-Anzeiger, Zürich, 24. Februar 2004 Kulturgüter in den digitalen Käfig gesperrt Seit der Gratistauschbörse Napster tobt der Konflikt um die digitale Nutzung. Sogar Non-Profit-Kulturorganisationen sind inzwischen davon betroffen. Von Felix Stalder Die Auseinandersetzungen um den Umgang mit digitalen Kulturgütern nimmt immer merkwürdigere Züge an. In den USA verklagen die grossen Musiklabels zunehmend ihre eigenen Kunden, in der Hoffnung, mit ein paar Hundert exemplarischen Strafen die Massen von der Teilnahme an Internettauschbörsen abschrecken zu können. Bisher scheint diese Taktik, die bald auch nach Europa kommen könnte, keine eindeutige Wirkung zu zeigen. Es bleibt fraglich, ob ein Geschäftsmodell, das der eigenen Kundschaft grundsätzlich feindlich gegenübersteht, zukunftsträchtig sein kann. Eine ganz andere Auseinandersetzung bewegt derzeit die digitalen Kulturschaffenden in Deutschland. Die Hamburger Reemtsma-Stiftung geht dieser Tage ungewöhnlich scharf gegen das Berliner Kulturprojekt textz.com vor. Im Zentrum des Streites stehen pikanterweise zwei Texte des Philosophen Theodor W. Adorno, die von textz.com zum freien Download angeboten werden, obwohl die Reemtsma-Stiftung über deren exklusive Verwertungsrechte verfügt. Juristisch gesehen ist der Fall klar, textz.com verstösst gegen das Urheberrecht. Aber dass gerade Texte von Adorno im Zentrum der Auseinandersetzung um die Grenzen unabhängiger kultureller Projekte im Internet stehen, gibt dem Fall eine besonders absurde Note. Denn wohl kaum ein Philosoph oder Soziologe hat sich so kritisch wie Adorno mit der Rolle der Kulturindustrie befasst. Dazu kommt: Die Klage wurde nicht von einem kommerziellen Verleger, sondern von einer prominenten, progressiven Stiftung angestrengt, die sich die Förderung von Wissenschaft und Kultur auf die Fahnen geschrieben hat. Dies zeigt, dass sich der Konflikt nicht in traditionelle Kategorien von links-rechts, kommerziell versus nicht kommerziell fassen lässt. Unterschiedliche Sichtweisen Es geht um zwei radikal unterschiedliche Visionen der kulturellen Wissensordnung der Zukunft, die mächtig in die Gegenwart hineinwirkt. Auf der einen Seite steht die Vorstellung, dass Information ein handelbares Produkt sei, auf der andern jene von Information als einem Ideenfluss. Die Anhänger der ersten Sichtweise argumentieren mit dem moralischen Recht und der wirtschaftlichen Notwendigkeit der totalen Kontrolle der digitalen Kulturgüter durch die Urheber oder Rechteinhaber. Hier bedeutet die Vernetzung in erster Linie neue Möglichkeiten, digitale Güter viel weitgehender als bisher kommerziell zu nutzen. Neue technologische Plattformen, so genannte Digital-Rights-Management-(DRM-)Systeme, sollen es ermöglichen, jede nicht lizensierte Nutzungsform auszuschliessen. Dank DRM soll beispielsweise genau bestimmt werden können, wie oft ein elektronisches Buch gelesen oder ein Song gehört werden kann, bevor eine neue Lizenz erworben werden muss. Die Unzulänglichkeiten der jetzigen Technologien bedeutet nicht, dass diese Vision mittelfristig unmöglich ist, denn sehr viel weiter gehende Systeme sind bereits in Entwicklung. Die Befürworter dieser Vision argumentieren nicht nur mit dem Schutz der Rechte, sondern auch mit der Fairness gegenüber den Konsumenten, die nur noch so viel zu bezahlen hätten, wie sie wirklich nutzen. Die andere Sichtweise sieht in der Vernetzung primär die Chance, den Zugang zu Kulturgütern radikal zu vereinfachen, neue Formen von Öffentlichkeit zu schaffen und neue kulturelle Ausdrucksformen zu erproben. Hier steht weniger die kommerzielle Auswertung im Zentrum als vielmehr die Möglichkeit der kulturellen Innovation, die bedroht würde, wenn nur noch von den Rechteinhabern abgesegnete Verwendungsformen erlaubt wären. Innovation sei nur möglich, wenn mit Rohmaterial frei umgegangen werden könne. Unvereinbare Positionen Im Moment gehen beide ss ihre Visionen unvereinbar sind, und schlagen einen zunehmend schrillen Ton an. Schon eine einzige ungeschützte Kopie eines Werkes droht die Geschäftsmodelle, die auf lückenloser Kontrolle beruhen, zu untergraben. Mit Hilfe von DRM soll der Geist der unkontrollierten Nutzung in die Flasche des geregelten Vertriebs zurückbugsiert werden. Die freien Kulturschaffenden sehen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht, weil die Kontrolle es ihnen unmöglich machen würde, weiterhin frei mit digitaler Information zu arbeiten. Für die Gesellschaft stellt sich die Frage, ob jetzt das Experimentierfeld Internet mit DRM geschlossen werden soll oder ob nicht gerade die Kulturschaffenden ermutigt werden sollen, die Möglichkeiten digitaler Kommunikation weiterzuerforschen. Adornos Sympathien hätten wohl bei den Kulturschaffenden gelegen. Nur hat er leider seine Rechte abgetreten. http://tagesanzeiger.ch/ -------------------------------------------------------------------------------- De:Bug, Berlin, 20. Februar 2004 Das IFS besteht auf sein Verwertungsrecht und das gerade bei Adorno-Schriften... Eigentlich hätte man solch ein Verhalten dem vom Tabakerben-Mäzen Jan-Philipp Reemtsma geleiteten Hamburger Institut für Sozialforschung nicht unbedingt zugetraut, welches sich vor allem als Wissensvermittler und kritischer Beobachter der Aufarbeitung der Deutschen Vergangenheit Lorbeeren verdient hat. Nicht nur Aufarbeiten tut man jedoch in jenem Elfenbeinturm, sondern auch archivieren. U.a. kümmert sich im Hause ISF auch um unseren geliebten Adorno, dessen Texte man teilweise auch verwertet und die nötigen Rechte besitzt. Genau zwei seiner Texte, die eigentlich jeden etwas angehen sollten, "Jargon der Eigentlichkeit" und "Anti-Semitism and Fascist Propaganda" wurden von der Plattform textz.com ins Netz gestellt, gerade um sie möglichst vielen Verfügbar zu machen. Jaja genau: Textz.com - the & between Copy und Paste, dieser vielbeachtete Versuch dafür zu sorgen, dass Texte, die jeden etwas angehen sollen, auch von allen gelesen werden können. Weil wir wissen: Urheber- und Verwertungsrechte sind in vielen Fällen der Wissensvermehrung eher hinderlich als dienlich... Wohl aber nicht das ISF: Anstelle eines Hinweises per Mail, wie z.B. das Hause Suhrkamp es schon erfolgreich durchexerziert hatte, um geschütztes Material von der Textz-Seite zu bannen, meldete sich alsbald eine 5-köpfige Anwaltskanzlei bei Sebastian Lütgert, dem Kurator der Seite. Ende vom Lied: Haftbefehl, knapp 3000 Euro Kosten trotz heruntergenommenen Link auf die betroffenen Dokumente und ein Schreiben des Kurators an Herrn Reemtsma mit der Bitte eines Stipendiums um die Kosten so far begleichen zu können. Bei soviel Ignoranz werden wir natürlich ganz ganz wütend, ist doch das ISF auch Nutzniesser der öffentlichen Förderung, und basiert nicht nur auf den Nikotin-Millionen des Vorsitzenden! Aber scheinbar muss man, wenn man erstmal ganz oben (Hochkultur) ist, das aufkeimende Bisschen Subkultur im Literarischen Bereich am besten noch im Keim ersticken, um sich seine Pfründe nicht abnehmen zu lassen !? Und erst recht, wenn es im Internet geschieht!? Herr Reemtsma, soviel Paranoia tut nicht not. Zitieren wir mal Michael Moore: Bitte schämen Sie sich. http://www.textz.com/adorno bob http://www.de-bug.de/news/2322.html -------------------------------------------------------------------------------- Heise Online, Hannover, 20. Februar 2004 Adorno online, Reemtsma und der Haftbefehl Die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur hat den Erlass eines Haftbefehls gegen den Betreiber einer subkulturellen Bücher-Site beantragt. Auslöser des mit harten Bandagen geführten Rechtsstreits war das Auftauchen zweier Texte von Theodor W. Adorno auf der Site textz.com. Die Werke "Jargon der Eigentlichkeit" und "Anti-Semitism and Fascist Propaganda" standen in der subkulturellen Online-Bücherecke monatelang zum freien Download zur Verfügung. Die Stiftung, die Jan Philipp Reemtsma ins Leben gerufen hat, sah sich dadurch in den Verwertungsrechten verletzt, die sie für beide Texte innehat. Sebastian Lütgert, der Administrator der Untergrund-Site, steht mit einem Bein im Gefängnis. Der Berliner findet die Sache nur noch "absurd", da es sich seiner Ansicht nach bei textz.com "nicht um einen gewerblichen Vertrieb für raubkopierte Literatur handelt, sondern um ein kollektiv betriebenes Forschungsprojekt". Auf der Domain komme vor allem eine "künstlerische Arbeit" zum Tragen, was sich laut Lütgers selbst "bei einer oberflächlichen Betrachtung" ergebe. Wer immer die beanstandeten Textdateien abgelegt habe, nehme "außer der Freiheit der Kunst" nichts für sich in Anspruch. "Er oder sie trübt nicht einmal hinter dem Komma die Bilanz eines Verlegers, verursacht weder materiell noch immateriell einem Eigentümer Schaden und gefährdet in keiner Weise die Integrität anderer, privater oder öffentlicher Archive", versuchte der Programmierer dem Erben des Tabakkonzerns in einem Brief Mitte Januar klar zu machen. Zudem seien die Gesammelten Werke Adornos im Netz längst an anderen Stellen digital verfügbar. In Hamburg stießen die Einwände Lütgerts bislang nicht auf offene Ohren. Der Haftbefehl wurde zwar bis 23. Februar ausgesetzt. Doch der Berliner Netzaktivist soll auf jeden Fall rund 2300 Euro zahlen für eine von ihm verlangte Unterlassungserklärung und die dafür entstandenen Kosten der Hamburger Kanzlei Senfft, Kersten, Voss-Andreae & Schwenn. Sie vertritt die Reemtsma-Stiftung. Lütgert hat die inkriminierten Dateien längst unzugänglich gemacht. Er betrachtet den "Fall" nicht als seine Privatsache und sieht sich zudem außer Stande, die geforderte Summe zu zahlen. Es sei höchstens denkbar, erklärte der Gesuchte gegenüber heise online, das Geld in Raten bis zum Jahr 2039 abzuzahlen, in dem die Urheberrechte an beiden Stücken verfallen. "Das wären knapp sechs Euro im Monat", rechnet Lütgert vor, "wenn die Stiftung auf Zinsen verzichtet." Andernfalls würde er sich gezwungen sehen, an die Spendenwilligkeit der Nutzer zu appellieren. Dass der Streit derart verfahren ist, liegt an der Tatsache, dass sich Lütgert nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der ersten Abmahnungen längere Zeit in New York aufhielt. So verpasste er auch eine mit Dringlichkeitsvermerk angesetzte Anhörung am Hamburger Landgericht, die bereits im August 2002 stattfand. Reemtsmas Anwaltskanzlei hält den Haftbefehl nun für gerechtfertigt. Sie wirft Lütgert vor, es "trotz zahlreicher Zahlungsaufforderungen seit über einem Jahr nicht für nötig befunden [zu] haben, sich zu Ihren rechtswidrigen Handlungen und den dadurch verursachten Schaden zu erklären". Man habe zum "letzten Mittel" gegriffen, um die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu ermitteln. Der Künstler, der langfristige Verwertungsrechte als eines der Haupthindernisse auf dem Weg in die Wissensgesellschaft betrachtet, verweist dagegen auf die besondere Ironie der Angelegenheit. "Mir scheint, als ließen sich gerade in den Schriften, über die wir streiten, Hinweise darauf finden, dass ihr Verfasser nicht im Sinn hatte, mit seinem Werk geistigen Besitz zu schaffen, der von seinen späteren Eigentümern vor Deutschen Landgerichten gegen ein Weiterleben in den Künsten einklagbar sein sollte", schrieb Lütgert an Reemtsma und bat gleichzeitig um ein Stipendium in Höhe der im Raum stehenden Forderung. Adorno hätte es sicher nicht für gut befunden, dass im Namen des "geistigen Eigentums" inzwischen "Tag für Tag Enteignungen vollzogen, Grundrechte außer Kraft gesetzt und handfeste Verbrechen begangen werden." Frühere Beanstandungen der Site durch Verwerter, wie etwa 2002 im Fall Suhrkamp, hätten sich auch außergerichtlich beilegen lassen. Die Anwälte der Stiftung sind trotzdem weiter der Auffassung, dass die Pflege des Werks Adornos nicht "in Form von unberechtigten Raubkopien und durch das Internet" möglich sei. Es bleibe wissenschaftlichen Interessierten ja unbenommen, "die Werke kostenfrei in den Staatsbibliotheken auszuleihen". Zudem könne jeder daraus gemäß der urheberrechtlichen Bestimmungen zitieren. Stefan Krempl http://heise.de/newsticker/meldung/44771