Debord, Guy:
Die Gesellschaft des Spektakels
und andere Texte
Das wichtigste Buch über den Mai 1968 erschien bereits 1967. Es hieß "Die Gesellschaft des Spektakels" und analysierte die Funktionsweise des Spektakels, die Prinzipien von Macht und Herrschaft in der bürgerlichen Gesellschaft.
Das Buch beeinflusste eine ganze Generation französischer Intellektueller. In den zwei Jahrzehnte später erscheinenden "Kommentaren" überprüft Debord seine Thesen und führt sein Hauptwerk fort.
ist als Buch erhältlich bei:
http://www.edition-tiamat.de/Gesamtverzeichnis/critica diabolis/lieferbare.htm
dort nach Gesellschaft suchen (keine Preisangabe dort)
Aber auch in den Weiten des Internet gibt es das Buch als Textdatei.
Einen Link will ich hier lieber nicht angeben, um mir unnoetigen Aerger zu ersparen:
Siehe dazu: http://www.heise.de/newsticker/meldung/62829
Tiamat-Verlag laesst Link in einem Online-Seminar untersagen
Tja die Produktionsmittel sind aber da schon weiter als die Produktionsverhaeltnisse.
Aber mensch muss up to date sein:
In Zukunft vielleicht nicht mehr ueber google.de suchen, sondern Proxys und/oder
auslaendische Suchmaschinen waehlen!!!:
Wg.:
google.de zensiert noch offen ;-):
Eine Suche in google.de fuehrte zu Folgendem:
"Als Reaktion auf eine gesetzliche Forderung, die Google nach lokalem Recht
gestellt wurde, haben wir 1 Seite(n) aus dieser Suchergebnisseite entfernt. Sie können die Beschwerde,
die dieser Entfernung zugrunde liegt, unter ChillingEffects.org lesen."
Unter http://www.chillingeffects.org/notice.cgi?sID=815
stand unter anderem Folgendes:
German regulatory body reported illegal material
December 14, 2005
...
Recipient Information:
[Private]
Google, Inc.
Sent via:
Re:
A URL that otherwise would have appeared in response to your search,
was not displayed because that URL was reported as illegal by a German
regulatory body.
Ihre Suche hätte in den Suchergebnissen einen Treffer generiert, den
wir Ihnen nicht anzeigen, da uns von einer zuständigen Stelle in
Deutschland mitgeteilt wurde, dass die entsprechende URL unrechtmäßig
ist.
Auszug aus http://www.chillingeffects.org/international/faq.cgi:
The varying substantive law of different countries means postings
legal in one country might be unlawful in another. For example,
French law outlaws public exhibition of Nazi symbols;
U.S. law would protect that speech under the First Amendment.
Jurisdiction, where and under what laws a person can be sued,
matters too. Just because a website is accessible anywhere doesn't
mean its proprietor can be sued anywhere.
Wie das (mit das ist die Nutzung von Produktionsmittel zum Zwecke der Darbietung von Texten zu geringem Preis) geht,
ist in
http://www.linke-buecher.de/404.html grob beschrieben.
Eigeninitiative ist natuerlich Vorraussetzung.
Sogar die Eingabe von:
Die ersten Erfolge des Kampfes der Internationale brachten sie dazu, sich von
den konfusen Einflüssen der herrschenden Ideologie zu befreien, die in ihr
fortbestanden
in google.de fuehren zu brauchbaren Treffern.
Wie Internetseiten ohne ladbare (fuer Juristen) Adressen installiert werden können, ist in
http://www.linke-buecher.de/anleitung-zur-anonymitaet.htm
angedeutet.
Fuer Menschen mit Zeit und sehr großem Sicherheitsbeduerfnis:
http://www.linke-buecher.de/texte/internet/Anonymitaet-im-Internet-mit-Handy.html
Nachfolgender Auszug stammt uebrigens aus:
http://www.textz.com/debord/die_gesellschaft_des_geistigen_eigentums.txt
Der Text in obiger Seite ist eine Neuuebersetzung mit einigen Aenderungen
(Spektakel wurde z.B. mit Geistigem Eigentum uebersetzt - das ist zwar falsch,
weil das Spektakel um das Geistige Eigentum nur ein Teil des Spektakels ist,
aber zur Zeit ist dieser Streit ein wichtiger Teil des Spektakels).
Die zitierten Stellen stimmen aber mit dem "Original" ueberein, soweit dies bei
Uebersetzungen behauptet werden kann.
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Die ersten Erfolge des Kampfes der Internationale brachten sie dazu, sich von
den konfusen Einflüssen der herrschenden Ideologie zu befreien, die in ihr
fortbestanden. Aber die Niederlage und die Unterdrückung, die sie bald erfuhr,
stellten einen Konflikt zwischen zwei Auffassungen der proletarischen
Revolution in den Vordergrund, die beide eine autoritäre Dimension beinhalten,
durch welche die bewußte Selbstbefreiung der Klasse aufgegeben wird.
Tatsächlich war der unversöhnlich gewordene Streit zwischen Marxisten und
Bakunisten zweifach, indem er zugleich die Macht in der revolutionären
Gesellschaft und die gegenwärtige Organisation der Bewegung betraf, und beim
Ãœbergang von dem einen dieser Aspekte zu dem anderen kehren sich die Positionen
der Gegner um. Bakunin bekämpfte die lllusion einer Abschaffung der Klassen
durch den autoritären Gebrauch der Staatsmacht, weil er die Neubildung einer
herrschenden bürokratischen Klasse und die Diktatur der Gelehrtesten oder
derer, die dafür gehalten werden, voraussah. Marx, der glaubte, daß ein
untrennbares Reifen der wirtschaftlichen Widersprüche und der demokratischen
Erziehung der Arbeiter die Rolle des proletarischen Staates auf eine einfache
Phase der Legalisierung neuer gesellschaftlicher Beziehungen, die sich objektiv
durchsetzen, beschränken würde, denunzierte bei Bakunin und seinen Anhängern
den Autoritarismus einer konspirativen Elite, die sich absichtlich über die
Internationale gestellt hatte, mit der extravaganten Absicht, der Gesellschaft
die unverantwortliche Diktatur der Revolutionärsten oder derer, die sich als
solche werden bezeichnet haben, aufzuzwingen. Bakunin sammelte tatsächlich
seine Anhänger in einer derartigen Perspektive: "Als unsichtbare Piloten müssen
wir den Volkssturm aus seiner Mitte heraus lenken, aber nicht durch eine
offensichtliche Gewalt, sondern durch die kollektive Diktatur aller Verbündeten.
Durch eine Diktatur ohne Schärpe, ohne Titel und ohne offizielles Recht, die
aber um so mächtiger ist, als sie nicht den äußeren Schein der Gewalt besitzt".
So haben sich zwei entgegengesetzte ldeologien der Arbeiterrevolution bekämpft,
die beide eine zum Teil wahre Kritik enthielten, aber die Einheit des Denkens
der Geschichte verloren und sich selbst als ideologische Autorität errichteten.
Mächtige Organisationen, wie die deutsche Siozialdemokratie und die Iberische
Anarchistische Förderation, haben treu der einen oder der anderen dieser
Ideologien gedient; und überall unterschied sich das Ergebnis weit von dem, was
gewollt war.
92
Den Zweck der proletarischen Revolution als unmittelbar gegenwärtig anzusehen,
bildet zugleich die Größe und die Schwäche des wirklichen anarchistischen
Kampfes (denn in seinen individualistischen Varianten bleiben die Ansprüche des
Anarchismus lächerlich). Vom geschichtlichen Denken der modernen Klassenkämpfe
behält der kollektivistische Anarchismus einzig die Schlußfolgerung, und seine
absolute Forderung nach dieser Schlußfolgerung äußert sich gleichfalls durch
seine entschlossene Verachtung der Methode. Seine Kritik des politischen Kampfes
ist daher abstrakt geblieben, während seine Wahl des wirtschaftlichen Kampfes
selbst nur gemäß der lllusion einer endgültigen Lösung behauptet wird, welche
mit einem Schlag am Tag des Generalstreiks oder des Aufstandes auf diesem Boden
erkämpft wird. Die Anarchisten haben ein Ideal zu verwirklichen. Der Anarchismus
ist die noch ideologische Negation des Staates und der Klassen, d.h. der
gesellschaftlichen Bedingungen selbst der abgesonderten Ideologie. Er ist die
Ideologie der reinen Freiheit, die alles gleichmacht und jede Idee des
geschichtlichen Ãœbels beseitigt. Dieser Gesichtspunkt der Fusion aller
Teilforderungen hat dem Anarchismus das Verdienst eingebracht, die Ablehnung
aller bestehenden Verhältnisse für die Gesamtheit des Lebens zu repräsentieren
und nicht hinsichtlich einer privilegierten kritischen Spezialisierung, aber da
diese Fusion im Absoluten, nach der individuellen Laune, vor ihrer
tatsächlichen Verwirklichung, betrachtet wird, hat sie den Anarchismus auch zu
einer allzu leicht merklichen Zusammenhangslosigkeit verdammt. Der Anarchismus
hat nur in jedem Kampf seine gleiche einfache totale Schlußfolgerung zu
wiederholen und wieder aufs Spiel zu setzen, denn diese erste Schlußfolgerung
war von Anfang an mit der vollständigen Vollendung der Bewegung gleichgesetzt
worden. Bakunin konnte daher im Jahre 1873, als er die Föderation des Jura
verließ, schreiben: "In den letzten neun Jahren wurden innerhalb der
Internationale mehr Ideen entwickelt als nötig sind, um die Welt zu retten,
wenn Ideen allein die Welt retten könnten, und ich glaube nicht, daß irgend
jemand imstande ist, noch eine neue zu erfinden. Die Zeit der Ideen ist vorbei,
die Zeit für Tatsachen und Taten ist gekommen." Ohne Zweifel behält diese
Auffassung vom geschichtlichen Denken des Proletariats diese Gewißheit, daß die
Ideen praktisch werden müssen, aber sie verläßt den geschichtlichen Boden, wenn
sie voraussetzt, daß die adäquaten Formen für diesen Übergang zur Praxis schon
gefunden sind und nicht mehr verändert werden.
93
Die Anarchisten, die sich ausdrücklich von der Gesamtheit der Arbeiterbewegung
durch ihre ideologische Ãœberzeugung unterscheiden, reproduzieren untereinander
diese Trennung der Kompetenzen, indem sie einen günstigen Boden für die
informelle Herrschaft der Propagandisten und Verteidiger ihrer eigenen
Ideologie über jede anarchistische Organisation schaffen, und diese Spezialisten
sind im allgemeinen um so mittelmäßiger, als ihre intellektuelle Tätigkeit
hauptsächlich darauf ausgeht, einige endgültige Wahrheiten zu wiederholen. Die
ideologische Achtung vor der Einstimmigkeit in der Entscheidung hat vielmehr
die unkontrollierte Autorität von Spezialisten der Freiheit in der Organisation
selbst begünstigt, und der revolutionäre Anarchismus erwartet vom befreiten Volk
die gleiche Art von Einstimmigkeit, welche mit den gleichen Mitteln erreicht
wird. Im übrigen hat die Weigerung, den Gegensatz zwischen den Bedingungen einer
im derzeitigen Kampf gruppierten Minderheit und denen der Gesellschaft freier
Individuen in Betracht zu ziehen, eine ständige Trennung der Anarchisten im
Moment der gemeinsamen Entscheidung genährt, wie das Beispiel einer Unzahl
anarchistischer Aufstände in Spanien zeigt, die örtlich begrenzt waren und
örtlich niedergeschlagen wurden.
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Die im echten Anarchismus mehr oder weniger ausdrücklich unterhaltene Illusion
ist das ständige nahe Bevorstehen einer Revolution, die der Ideologie und der
aus ihr abgeleiteten praktischen Organisationsform durch ihre augenblickliche
Vollendung Recht geben soll. Der Anarchismus hat 1936 wirklich eine soziale
Revolution und den fortgeschrittensten Entwurf einer proletarischen Gewalt
geleitet, den es jemals gegeben hat. In diesem Umstande ist noch zu bemerken,
daß einerseits das Signal eines allgemeinen Aufstandes durch das Pronunciamento
der Armee aufgezwungen worden war. Indem diese Revolution in den ersten Tagen
nicht vollendet worden war, nämlich aufgrund der Existenz einer Franquistischen
Macht in der Hälfte des Landes, die stark vom Ausland unterstützt wurde,
während die restliche internationale proletarische Bewegung bereits besiegt
war, und aufgrund des Fortbestandes bürgerlicher Kräfte oder anderer
staatssozialistischer Arbeiterparteien im Lager der Republik, zeigte sich
andererseits die organisierte Anarchistenbewegung unfähig, die halben Siege der
Revolution auszudehnen oder selbst zu verteidigen. Ihre anerkannten Chefs
wurden Minister und Geiseln des bürgerlichen Staates, der die Revolution
zerschlug, um den Bürgerkrieg zu verlieren.
95
Der "orthodoxe Marxismus" der II. Internationale ist die wissenschaftliche
Ideologie der sozialistischen Revolution, die ihre ganze Wahrheit mit dem
objektiven Prozeß in der Wirtschaft und mit dem Fortschritt einer Anerkennung
dieser Notwendigkeit in der von der Organisation erzogenen Arbeiterklasse
identisch setzt. Diese Ideologie findet das Vertrauen in die pädagogische
Beweisführung wieder, das den utopischen Sozialismus charakterisiert hatte,
ergänzt es aber durch eine kontemplative Bezugnahme auf den Lauf der Geschichte:
eine derartige Haltung hat jedoch ebenso die Hegelsche Dimension einer totalen
Geschichte wie auch das unbewegliche Bild der Totalität verloren, das in der
utopischen Kritik (am stärksten bei Fourier) vorhanden war. Aus einer solchen
wissenschaftlichen Haltung, der natürlich nichts anderes übrig blieb, als
zumindest symmetrische sittliche Alternativen wiederzubeleben, stammen die
Albernheiten Hilferdings, wenn er präzisiert, daß die Anerkennung der
Notwendigkeit des Sozialismus keine "Anweisung zu praktischem Verhalten ist.
Denn etwas anderes ist es, eine Notwendigkeit zu erkennen, etwas anderes, sich
in den Dienst dieser Notwendigkeit zu stellen" (Das Finanzkapital). Diejenigen,
die verkannt haben, daß für Marx und das revolutionäre Proletariat das
einheitliche geschichtliche Denken von einer anzunehmenden praktischen Haltung
nicht zu unterscheiden war, mußten normalerweise Opfer der Praxis werden, die
sie gleichzeitig angenommen hatten.
96
Die Ideologie der sozialdemokratischen Organisation stellte sie unter die
Gewalt der Lehrer, die die Arbeiterklasse erzogen, und die angenommene
Organisationsform war die adäquate Form dieser passiven Schulung. Die Teilnahme
der Sozialisten der II. Internationale an den politischen und wirtschaftlichen
Kämpfen war ohne Zweifel konkret, aber zutiefst unkritisch. Sie wurde im Namen
der revolutionären Illusion, gemäß einer offenbar reformistischen Praxis
geführt. So sollte die revolutionäre Ideologie gerade durch den Erfolg derer
zerschlagen werden, die ihre Träger waren. Die Absonderung der Abgeordneten und
der Journalisten in der Bewegung verleitete diejenigen, die ohnehin schon unter
den bürgerlichen Intellektuellen abgeworben worden waren, zur bürgerlichen
Lebensweise. Die Gewerkschaftsbürokratie machte gerade diejenigen, die aus den
Kämpfen der Industriearbeiter heraus abgeworben und aus ihnen herausgezogen
worden waren, zu Maklern der als Ware zu ihrem gerechten Preis zu verkaufenden
Arbeitskraft. Damit ihrer aller Tätigkeit etwas Revolutionäres behalten hätte,
wäre es erforderlich gewesen, daß der Kapitalismus in diesem Moment außerstande
gewesen wäre, diesen Reformismus, den er politisch in ihrer legalistischen
Agitation tolerierte, wirtschaftlich zu tragen. Eine solche Unverträglichkeit
wurde von ihrer Wissenschaft gesichert und von der Geschichte jederzeit
widerlegt.
97
Dieser Widerspruch, dessen Realität Bernstein ehrlich aufzeigen wollte, weil er
der Sozialdemokrat war, der von der politischen Ideologie am weitesten entfernt
war und sich am offensten der Methodologie der bürgerlichen Wissenschaft
angeschlossen hatte, - diese Realität wurde auch von der reformistischen
Bewegung der englischen Arbeiter aufgezeigt, indem sie auf eine revolutionäre
Ideologie verzichtete -, sollte dennoch erst durch die geschichtliche
Entwicklung selbst unwiderlegbar bewiesen werden. Bernstein hatte, obwohl er im
übrigen voll von Illusionen war, bestritten, daß eine Krise der
kapitalistischen Produktion auf wunderbare Weise die Sozialisten zur Tat
zwingen würde, die nur durch eine legitime Salbung die Erbschaft der Revolution
antreten wollten. Der Augenblick tiefgreifender gesellschaftlicher Umwälzung,
der mit dem ersten Weltkrieg eintrat, bewies zweimal, wenn er auch an
Bewußtseinsbildung fruchtbar war, daß die sozialdemokratische Hierarchie die
deutschen Arbeiter nicht revolutionär erzogen hatte, sie in keiner Weise zu
Theoretikern gemacht hatte: zuerst, als sich die große Mehrheit der Partei dem
imperialistischen Krieg anschloß und dann, als sie in der Niederlage die
spartakistischen Revolutionäre zermalmte. Der Exarbeiter Ebert glaubte noch an
die Sünde, denn er gab zu, die Revolution "wie die Sünde" zu hassen. Und dieser
gleiche Arbeiterführer erwies sich später als guter Vorläufer der
sozialistischen Repräsentation, die sich wenig später dem Proletariat in
Rußland und anderswo als absoluter Feind entgegenstellen sollte, als er das
genaue Programm dieser neuen Entfremdung formulierte: "Sozialismus heißt viel
arbeiten."
98
Lenin war als marxistischer Denker nur der konsequente und treue Kautskyaner,
der die revolutionäre Ideologie dieses "orthodoxen Marxismus" unter den
russischen Bedingungen anwandte, die die reformistische Praxis nicht zuließen,
welche im Gegenteil von der II. Internationale durchgeführt wurde. Die äußere
Führung des Proletariats, die vermittels einer den zu "Berufsrevolutionären"
gewordenen Intellektuellen unterstellten, disziplinierten, geheimen Partei
handelt, besteht hier in einem Beruf, der mit keinem Führungsberuf der
kapitalistischen Gesellschaft paktieren will (übrigens war das politische
Regime des Zarismus außerstande, eine solche Öffnung zu bieten, deren Basis in
einem fortgeschrittenen Stadium der Macht der Bourgeoisie besteht). Sie wird
also zum Beruf der absoluten Führung der Gesellschaft.
99
Der autoritäre ideologische Radikalismus der Bolschewisten hat sich mit dem
Krieg und dem Zusammenbruch der internationalen Sozialdemokratie angesichts des
Krieges weltweit entfaltet. Das blutige Ende der demokratischen Illusionen der
Arbeiterbewegung hatte aus der ganzen Welt ein Rußland gemacht, und der
Bolschewismus, der den ersten revolutionären Bruch, den diese Krisenepoche mit
sich gebracht hatte, beherrschte, bot dem Proletariat aller Länder sein
hierarchisches und ideologisches Modell an, um mit der herrschenden Klasse
"russisch zu sprechen". Lenin hat dem Marxismus der II. Internationale nicht
vorgeworfen, eine revolutionäre ldeologie zu sein, sondern keine mehr zu sein.
100
Derselbe geschichtliche Moment, in dem der Bolschewismus in Rußland für sich
selbst siegte, und die Sozialdemokratie siegreich für die alte Welt kämpfte,
bezeichnet die vollendete Entstehung einer Ordnung der Dinge, welche im
Mittelpunkt der Herrschaft des modernen Spektakels steht: die
Arbeiterrepräsentation hat sich radikal der Klasse entgegensetzt.
101
"In allen früheren Revolutionen", schrieb Rosa Luxemburg in der Roten Fahne vom
21. Dezember 1918, "traten die Kämpfer mit offenem Visier in die Schranken:
Klasse gegen Klasse, Programm gegen Programm. In der heutigen Revolution treten
die Schutzgruppen der alten Ordnung nicht unter eigenen Schildern und Wappen
der herrschenden Klassen, sondern unter der Fahne einer "sozialdemokratischen
Partei" in die Schranken. Würde die Kardinalfrage der Revolution offen und
ehrlich: Kapitalismus oder Sozialismus lauten, ein Zweifeln, ein Schwanken wäre
in der großen Masse des Proletariats heute unmöglich". So entdeckte die
radikale Strömung des deutschen Proletariats wenige Tage vor ihrer Zerstörung
das Geheimnis der neuen Bedingungen, die der gesamte vorherige Prozeß (zu dem
die Arbeiterrepräsentation erheblich beigetragen hatte) geschaffen hatte: die
spektakuläre Organisation der Verteidigung der bestehenden Ordnung, das
gesellschaftliche Reich des Scheins, wo keine "Kardinalfrage" mehr "offen und
ehrlich" gestellt werden kann. Die revolutionäre Repräsentation des
Proletariats war in diesem Stadium zugleich der Hauptfaktor und das zentrale
Ergebnis der allgemeinen Verfälschung der Gesellschaft geworden.
102
Die Organisation des Proletariats nach dem bolschewistischen Modell, die aus
der russischen Rückständigkeit und dem Verzicht der Arbeiterbewegung der
fortgeschrittenen Länder auf den revolutionären Kampf entstanden war, traf auch
in der russischen Rückständigkeit alle Bedingungen, durch welche diese
Organisationsform zur konterrevolutionären Verkehrung geführt wurde, die sie
bewußtlos in ihrem Urkeim enthielt; und der wiederholte Verzicht der Masse der
europäischen Arbeiterbewegung auf das Hic Rhodus, hic salta der Periode 1918
-1920, dieser Verzicht, der die gewaltsame Zerstörung ihrer radikalen
Minderheit einschloß, begünstigte die vollständige Entwicklung des Prozesses
und so konnte sich dessen verlogenes Ergebnis vor der Welt als die einzige
proletarische Lösung behaupten. Die Ergreifung des staatlichen Monopols der
Repräsentation und der Verteidigung der Macht der Arbeiter, die die
bolschewistische Partei rechtfertigte, ließ sie zu dem werden, was sie war: die
Partei der Eigentümer des Proletariats, die die vorherigen Formen des Eigentums
im wesentlichen beseitigte.
103
Alle die Bedingungen der Liquidierung des Zarismus, die in der stets
unbefriedigenden theoretischen Debatte der verschiedenen Tendenzen der
russischen Sozialdemokratie seit zwanzig Jahren in Betracht gezogen wurden -
Schwäche der Bourgeoisie, Gewicht der Bauernmehrheit, entscheidende Rolle eines
konzentrierten und schlagkräftigen, aber im Lande höchst minoritären
Proletariats - zeigten endlich ihre Lösung in der Praxis durch eine
Gegebenheit, die in den Hypothesen nicht vorhanden war: die revolutionäre
Bürokratie, die das Proletariat führte, gab, indem sie den Staat ergriff, der
Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft. Die rein bürgerliche Revolution war
unmöglich, die "demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern" war sinnlos, die
proletarische Macht der Sowjets konnte sich nicht gleichzeitig gegen die Klasse
der besitzenden Bauern, gegen die nationale und internationale weiße Reaktion
und gegen ihre eigene Repräsentation behaupten, welche als Arbeiterpartei der
absoluten Herren des Staates, der Wirtschaft, der Rede und bald auch des Denkens
entäußert und entfremdet war. Die Theorie der permanenten Revolution von
Trotzki und Parvus, der sich Lenin tatsächlich im April 1917 anschloß, war die
einzige, die für die im Verhältnis zur gesellschaftlichen Entwicklung der
Bourgeoisie zurückgebliebenen Länder wahr wurde, aber dies erst nach der
Einführung dieses unbekannten Faktors: der Klassengewalt der Bürokratie. Die
Konzentration der Diktatur in den Händen der obersten Repräsentation der
Ideologie wurde in den zahlreichen Auseinandersetzungen innerhalb der
bolschewistischen Führung am konsequentesten von Lenin verteidigt. Lenin hatte
gegenüber seinen Gegnern jedesmal insofern Recht, als er die Lösung
unterstützte, die die vorangegangenen Entscheidungen der minoritären absoluten
Macht implizierten: die den Bauern staatlich verweigerte Demokratie mußte auch
den Arbeitern verweigert werden, was darauf hinauslief, sie auch den
kommunistischen Gewerkschaftsführern und in der ganzen Partei und schließlich
bis hoch in die Spitze der hierarchischen Partei zu verweigern. Auf dem X.
Kongreß, im Moment, in dem der Sowjet von Kronstadt mit Waffen niedergeschlagen
und unter Verleumdungen begraben worden war, kam Lenin in der Auseinandersetzung
mit den linksradikalen Bürokraten, die in der "Arbeiteropposition" organisiert
waren, zu dem Schluß, dessen Logik Stalin bis hin zu einer vollkommenen Teilung
der Welt fortführte: "Hier oder dort mit einem Gewehr, aber nicht mit der
Opposition. Wir haben genug von der Opposition."
104
Die Bürokratie, die als einzige Eigentümerin eines Staatskapitalismus
übriggeblieben war, sicherte nach Kronstadt, zur Zeit der "neuen
Wirtschaftspolitik", zuerst ihre Macht im Inneren durch eine zeitweilige Allianz
mit der Bauernschaft, so wie sie sie nach außen verteidigte, indem sie die in
den bürokratischen Parteien der III. Internationale eingereihten Arbeiter als
Hilfskraft der russischen Diplomatie benutzte, um jede revolutionäre Bewegung zu
sabotieren und bürgerliche Regierungen zu unterstützen, von denen sie einen
Beistand in der Weltpolitik erwartete (die Macht der Kuomintang im China
1925-1927, die Volksfront in Spanien und Frankreich usw.). Aber die
bürokratische Gesellschaft mußte ihre eigene Vollendung mit Hilfe des Terrors
über die Bauernschaft fortführen, um die brutalste ursprünglichste
kapitalistische Akkumulation der Geschichte durchzuführen. Diese
Industrialisierung der stalinistischen Epoche enthüllt die letzte Realität der
Bürokratie: Sie ist die Fortsetzung der Macht, der Wirtschaft, die Rettung des
Wesentlichen der Warengesellschaft durch die Aufrechterhaltung der Arbeit als
Ware. Sie ist der Beweis der unabhängigen Wirtschaft, die die Gesellschaft so
weit beherrscht, daß sie für ihre eigenen Ziele die Klassenherrschaft
wiederherstellt, die sie notwendig braucht, was mit anderen Worten heißt, daß
die Bourgeoisie eine autonome Macht geschaffen hat, die, solange diese Autonomie
besteht, so weit gehen kann, daß sie ohne Bourgeoisie auskommt. Die totalitäre
Bürokratie ist nicht "die letzte Klasse, die Eigentümer der Geschichte" wäre,
wie Bruno Rizzi meinte, sondern lediglich eine herrschende Ersatzklasse für die
Warenwirtschaft. Das geschwächte kapitalistische Privateigentum wird durch ein
vereinfachtes, nicht so verschiedenartiges, als kollektives Eigentum der
bürokratischen Klasse konzentriertes Nebenprodukt ersetzt. Diese
unterentwickelte Form einer herrschenden Klasse ist auch der Ausdruck der
wirtschaftlichen Unterentwicklung und kennt nur die Perspektive, diesen
Entwicklungsrückstand in bestimmten Gegenden der Welt einzuholen. Die nach dem
bürgerlichen Modell der Absonderung organisierte Arbeiterpartei hat für diese
Ergänzungsaufgabe der herrschenden Klasse den hierarchisch-staatlichen Rahmen
geschaffen. Anton Ciliga notierte in einem Gefängnis Stalins, daß "die
technischen Organisationsprobleme sich als gesellschaftliche Probleme erwiesen"
(Lenin und die Revolution).
105
Die revolutionäre Ideologie, d.h. die Kohärenz des Getrennten - dessen größte
voluntaristische Anstrengung der Leninismus bildet -, die die Verwaltung einer
Realität innehat, die sie abweist, wird mit dem Stalinismus wieder zu ihrer
Wahrheit in der Inkohärenz gelangen. In diesem Augenblick ist die Ideologie
keine Waffe mehr, sondern ein Ziel. Die Lüge, die nicht mehr widerlegt wird,
wird zum Wahnsinn. In der totalitären ideologischen Proklamation ist die
Realität ebenso wie der Zweck aufgelöst: alles, was sie sagt, ist alles, was
ist. Sie ist ein lokaler Primitivismus des Spektakels, dessen Rolle jedoch in
der Entwicklung des Weltspektakels wesentlich ist. Die Ideologie, die sich hier
materialisiert, hat nicht die Welt wirtschaftlich verändert, wie der zum Stadium
des Ãœberflusses gelangte Kapitalismus: sie hat lediglich die Wahrnehmung
polizeilich verändert.
106
Die machthabende totalitär-ideologische Klasse ist die Macht einer verkehrten
Welt: je stärker sie ist, um so mehr behauptet sie, daß sie nicht existiert,
und ihre Stärke dient ihr zunächst dazu, ihre Nichtexistenz zu behaupten. Nur in
diesem Punkt ist sie bescheiden, denn ihre offizielle Nichtexistenz muß auch
mit dem nec plus ultra der geschichtlichen Entwicklung zusammenfallen, das man
gleichzeitig angeblich ihrer unfehlbaren Führung verdanken soll. Die überall
zur Schau gestellte Bürokratie muß für das Bewußtsein die unsichtbare Klasse
sein, so daß das ganze gesellschaftliche Leben verrückt wird. Die
gesellschaftliche Organisation der absoluten Lüge folgt aus diesem
grundlegenden Widerspruch.
107
Der Stalinismus war die Schreckensherrschaft innerhalb der bürokratischen
Klasse selbst. Der Terrorismus, der die Macht dieser Klasse begründet, muß auch
diese Klasse treffen, denn sie hat als besitzende Klasse keine juristische
Garantie, keine anerkannte Existenz, die sie auf jedes ihrer Mitglieder
ausdehnen könnte. Ihr wirkliches Eigentum ist versteckt, und sie ist nur mit
Hilfe des falschen Bewußtseins zur Eigentümerin geworden. Das falsche
Bewußtsein behauptet seine absolute Macht nur durch den absoluten Terror, in
dem jede wahre Begründung endlich verloren geht. Die Mitglieder der
machthabenden bürokratischen Klasse haben nur insofern kollektiv das
Besitzungsrecht über die Gesellschaft, als sie bei einer grundlegenden Lüge
mitwirken: Sie müssen die Rolle des eine sozialistische Gesellschaft führenden
Proletariats spielen; sie müssen die dem Text der ideologischen Untreue treuen
Schauspieler sein. Aber die wirkliche Mitwirkung bei diesem Verlogensein muß
selbst als eine wahrhaftige Mitwirkung anerkannt werden. Kein Bürokrat kann
individuell sein Recht auf die Macht behaupten, denn sich als einen
sozialistischen Proletarier zu erweisen, würde heißen, sich als das Gegenteil
eines Bürokraten zu zeigen; und sich als einen Bürokraten zu erweisen, ist ihm
unmöglich, denn die offizielle Wahrheit der Bürokratie ist ihr Nichtsein. So
befindet sich jeder Bürokrat in der absoluten Abhängigkeit einer zentralen
Garantie der Ideologie, die eine kollektive Mitwirkung aller der Bürokraten an
ihrer "sozialistischen Macht" anerkennt, welche sie nicht vernichtet. Wenn die
Bürokraten insgesamt über alles entscheiden, kann der Zusammenhalt ihrer
eigenen Klasse nur durch die Konzentration ihrer terroristischen Macht in einer
einzigen Person gesichert werden. In dieser Person liegt die einzige praktische
Wahrheit der machthabenden Lüge: die unbestreitbare Festsetzung ihrer stets
berichtigten Grenze. In letzter Instanz bestimmt Stalin, wer schließlich
besitzender Bürokrat ist; d.h. wer als "machthabender Proletarier" oder als
"vom Mikado und Wallstreet gekaufter Verräter" bezeichnet werden muß. Die
bürokratischen Atome finden nur in der Person Stalins das gemeinsame Wesen
ihres Rechts. Stalin ist dieser Herr der Welt, der sich auf diese Weise die
absolute Person ist, für deren Bewußtsein kein höherer Geist existiert. "Der
Herr der Welt hat das wirkliche Bewußtsein dessen, was er ist, der allgemeinen
Macht der Wirklichkeit, in der zerstörenden Gewalt, die er gegen das ihm
gegenüber stehende Selbst seiner Untertanen ausübt". Während er die Macht ist,
die den Boden der Herrschaft bestimmt, ist er ebenso "das zerstörende Wühlen in
diesem Boden".
108
Wenn sich die durch den Besitz der absoluten Macht absolut gewordene Theologie
von einer parzellierten Kenntnis zu einer totalitären Lüge verwandelt hat, ist
das Denken der Geschichte so vollkommen vernichtet worden, daß die Geschichte
selbst auf der Ebene der empirischen Kenntnis nicht mehr existieren kann. Die
totalitäre bürokratische Gesellschaft lebt in einer immerwährenden Gegenwart, in
welcher für sie alles, was geschehen ist, nur als für ihre Polizei zugänglicher
Raum existiert. Der schon von Napoleon formulierte Vorsatz, "die Energie der
Erinnerungen monarchisch zu leiten", hat in einer ständigen Manipulation der
Vergangenheit nicht nur in ihren Bedeutungen, sondern auch in ihren Tatsachen
seine volle Konkretisierung gefunden. Aber der Preis dieser Befreiung von jeder
geschichtlichen Realität ist der Verlust des für die geschichtliche
Gesellschaft des Kapitalismus unentbehrlichen, rationellen Bezuges. Es ist
bekannt, wieviel die wissenschaftliche Anwendung der zum Wahnsinn gewordenen
Ideologie die russische Wirtschaft gekostet hat und sei es auch nur durch den
Betrug Lyssenkos. Dieser Widerspruch der eine industrialisierte Gesellschaft
verwaltenden totalitären Bürokratie, die zwischen ihrem Bedarf an Rationellem
und ihrer Ablehnung des Rationellen gefangen ist, bildet auch einen der
Hauptmängel dieser Bürokratie gegenüber der normalen kapitalistischen
Entwicklung. So wie die Bürokratie die Landwirtschaftsfrage schlechter lösen
kann, als es die kapitalistische Entwicklung vermag, so steht sie ihr
schließlich ebenfalls in der Industrieproduktion nach, welche autoritär auf der
Basis des Irrealismus und der verallgemeinerten Lüge geplant wird.
109
Die revolutionäre Arbeiterbewegung zwischen den beiden Kriegen wurde durch das
vereinte Wirken der stalinistischen Bürokratie und des faschistischen
Totalitarismus, der seine Organisationsform der in Rußland probierten
totalitären Partei entlehnt hatte, vernichtet. Der Faschismus war eine
extremistische Verteidigung der von der Krise und der proletarischen Subversion
bedrohten bürgerlichen Wirtschaft, d.h. er war der Belagerungszustand in der
kapitalistischen Gesellschaft, durch den sich diese Gesellschaft rettet und sich
eine erste Notrationalisierung gibt, indem sie den Staat in ihre Verwaltung
massiv eingreifen läßt. Aber eine solche Rationalisierung ist selbst mit der
ungeheuren Irrationalität ihres Mittels belastet. Wenn auch der Faschismus die
Verteidigung der Hauptpunkte der konservativ gewordenen bürgerlichen Ideologie
(die Familie, das Eigentum, die Sittenordnung, die Nation) übernimmt, indem er
das Kleinbürgertum mit den Arbeitslosen vereinigt, die aufgrund der Krise
verwirrt oder durch die Ohnmacht der sozialistischen Revolution enttäuscht sind,
so ist er selbst keineswegs durch und durch ideologisch. Er gibt sich als das,
was er ist: eine gewaltsame Auferstehung des Mythos, der die Teilnahme an einer
Gemeinschaft verlangt, die durch archaische Pseudowerte definiert wird: die
Rasse, das Blut, den Führer. Der Faschismus ist der technisch ausgerüstete
Archaismus. Sein verfaulter Ersatz des Mythos wird im spektakulären Zusammenhang
der modernsten Mittel des Dressierens und der Täuschung wieder aufgenommen. So
ist er einer der Faktoren bei der Herausbildung des modernen Spektakelwesens, so
wie ihn sein Anteil an der Zerstörung der alten Arbeiterbewegung zu einer der
Gründermächte der gegenwärtigen Gesellschaft macht; aber da der Faschismus auch
die kostspieligste Form der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung ist,
mußte er normalerweise, als er durch rationellere und stärkere Formen dieser
Ordnung beseitigt wurde, vom Vordergrund der Bühne abtreten, auf der die
kapitalistischen Staaten die großen Rollen spielen.
110
Als es der russischen Bürokratie endlich gelungen war, sich der Reste des
bürgerlichen Eigentums zu entledigen, die ihre Herrschaft über die Wirtschaft
behinderten, diese für ihren eigenen Gebrauch zu entwickeln und im Ausland unter
den Großmächten anerkannt zu werden, will sie in Ruhe ihre eigene Welt
genießen, und deren Teil von Willkür abschaffen, der auf sie selbst wirkte: sie
denunziert den Stalinismus ihres Ursprungs. Aber eine derartige Denunziation
bleibt stalinistisch, willkürlich, unerklärt und ständig berichtigt, denn die
ideologische Lüge ihres Ursprungs kann niemals offenbart werden. So kann sich
die Bürokratie weder kulturell noch politisch liberalisieren, denn ihr Bestehen
als Klasse hängt von ihrem ideologischen Monopol ab, das in seiner ganzen
Schwere ihren einzigen Eigentumstitel bildet. Die Ideologie hat zwar die
Leidenschaft ihrer positiven Behauptung verloren, aber was davon als
gleichgültige Trivialität übrigbleibt, hat noch die repressive Funktion, die
geringste Konkurrenz zu verbieten, und die Ganzheit des Denkens
gefangenzuhalten. Die Bürokratie ist daher mit einer Ideologie verknüpft, an
die niemand mehr glaubt. Was terroristisch war, ist lächerlich geworden, aber
diese Lächerlichkeit selbst kann sich nur dadurch aufrechterhalten, daß sie im
Hintergrund den Terrorismus aufbewahrt, von dem sie sich freimachen möchte. So
bekennt sich die Bürokratie gerade in dem Moment, in dem sie auf dem Boden des
Kapitalismus ihre Ãœberlegenheit beweisen will, als arme Verwandte des
Kapitalismus. So wie ihre tatsächliche Geschichte ihrem Recht widerspricht, und
ihre auf plumpe Weise aufrechterhaltene Unwissenheit ihren wissenschaftlichen
Ansprüchen zuwiderläuft, so wird ihr Plan, in der Produktion eines
Warenüberflusses mit der Bourgeoisie zu rivalisieren, dadurch behindert, daß
ein derartiger Überfluß in sich seine implizierte Ideologie trägt und
normalerweise von einer unendlich ausgedehnten Freiheit falscher spektakulärer
Wahlmöglichkeiten begleitet wird, von einer Pseudofreiheit, die mit der
bürokratischen Ideologie unvereinbar bleibt.