Re: [ox] Fwd: Werthaltigkeit von Informationsguetern
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Sat, 13 Sep 2003 09:08:34 +0200
On Saturday 13 September 2003 05:29, Holger Weiss wrote:
> > > > Problem ist halt das nie verschleißend. Wenn es wirklich um eine
> > > > Übertragung geht, dann muss da auch was weniger werden. Ansonsten
> > > > ist es eine nicht versiegende Quelle von Reichtum. Was ja
> > > > plausibel klingt.
> > >
> > > Bezueglich Gebrauchwert ja, aber eine nicht versiegende Quelle von
> > > Tauschwert, die keine Arbeit erfordert, waere hoechst unplausibel
> > > ;-)
> >
> > Ohne TW macht die Kategorie GW aber keinen Sinn: Nur wo TW ist auch
> > GW. Das ist ein Kategorienpaar. GW ist nichts Ewiges, sondern
> > historisch bestimmt, nämlich an die Warenproduktion gebunden.
>
> Huch? Diese These ist mir voellig neu, und ich kann sie nicht
> nachvollziehen.
Habe ich erwartet;-)
> Eine Staerke von Marx' Analyse ist doch gerade die
> Unterscheidung zwischen nicht formspezifischem Inhalt auf der einen
> Seite (Gebrauchswert, Arbeitsprozess, Mehrprodukt usw.) und der
> spezifischen Form, die dieser Inhalt annimmt, auf der anderen (im
> Kapitalismus Tauschwert, Verwertungsprozess, Mehrwert usw.). Die
> Analyse des Kapitalismus erfolgt durchgehend nach diesem Muster: Marx
> schaut sich an, welche historisch bestimmte Form der historisch
> unbestimmte Inhalt hier jeweils annimmt. Gebrauchswert wird seit
> Menschengedenken produziert, die Form des Tauschwerts nimmt er nur
> innerhalb der Warenproduktion an.
Ich glaube, es ist bei Marx nicht so eindeutig wie du ihn lesen willst.
Ich will keine Marx-Exegese betreiben.
Mein Argument ist eher strukturlogisch: Wenn ich in einem
wissenschaftlichen Prozess einen historischen Prozess logisch (nicht
faktisch) rekonstruiere, dann müssen meine Kategorien in der Lage sein,
den rekonstruierten Prozess isomorph abzubilden. Also: Wenn in der
Entwicklungslogik ein qualitativer Übergang stattfindet, muss sich das
auch begrifflich niederschlagen. Das bedeutet umgekehrt, dass es nur sehr
wenige Begriffe gibt, die sich sozusagen "durchziehen".
Beispiel: Gesellschaft ist der allgemeine Begriff, der für die gesamte
Existenzzeit der Menschheit gültig ist, es ist ein ontischer Begriff, es
ist eine Seinsbestimmung des Menschen. Warengesellschaft hingegen ist
eine historisch spezifische (und, wie ich postuliere, vergängliche) Form.
Da wirst du mir vermutlich zustimmen, es entspricht deiner Argumentation
von oben.
Ich meine nun jedoch, dass das für den Gebrauchswert genau nicht zutrifft.
Aus Faulheitsgründen zitiere ich mich selbst (aus:
http://www.opentheory.org/kw48_01-3/text.phtml?action=hideall)
>>
Es macht methodologisch auch keinen Sinn, von einer vorgängigen Existenz
von Gebrauchswert und gebrauchswertschaffender Arbeit auszugehen, zu der
dann mit dem Kapitalismus der Tauschwert und die wertschaffende Arbeit
hinzutritt: Wenn es sich bei der warenproduzierenden Gesellschaft um eine
qualitativ neue historische Vergesellschaftungsform handelt, dann müssen
diesen qualitativ neuen Formen auch qualitativ neue Kategorien
entsprechen, die die Entwicklungslogik »isomorph« widerspiegeln [6].
Gebrauchswert und (Tausch-)Wert sowie konkrete und abstrakte Arbeit sind
kategoriale Paare, die den analytischen Zugriff auf einen
Realwelt-Sachverhalt erlauben. Gebrauchswert oder (Tausch-)Wert sind also
keine eigenständigen Entitäten, sondern es sind Aspekte einer Sache,
nämlich der Ware. Genauso gibt es keine »konkrete« oder »abstrakte«
Arbeit als separate Vorgänge, es sind Aspekte der Lohnarbeit. Deswegen
macht es keinen Sinn, solche Kategorien jenseits der warenproduzierenden
Gesellschaft in verdinglichter Form als distinkte Entitäten zu behandeln.
Marx unterläuft also ein Kategorienfehler, wenn er schreibt: »Als
Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit ...
ewige Naturnotwendigkeit, um ... das menschliche Leben zu vermitteln"
(Kapital, S. 57), er mischt eine Kategorie der warenproduzierenden
Gesellschaft in eine viel allgemeinere, überhistorische Aussage. Aber auf
solche Sätze konnten und können sich in der Tat textexegetische
Marxologen samt des Traditionsmarxismus berufen.
Kategorial sind also Zeitaspekt und Nützlichkeitsaspekt von »Arbeit«
allgemeiner als Gebrauchs- und Tauschwertaspekt von »Arbeit«. Sie sind
logisch-historisch vorgelagert. (...)
<<
> Oder wie unterscheidet sich mein Produkt in einer nicht
> warenproduzierenden Gesellschaft Deines Erachtens von einem
> Gebrauchswert?
Es ist keine Ware.
> Wie auch immer, wenn es bei Marx um "Wissen" geht, dann AFAICS immer um
> frei verfuegbares Wissen, um "Freie Software". _Dieses_ Wissen dient
> schon immer als kostenlose Ressource der Produktion. Ich sprach aber
> ausschliesslich von proprietaerem Wissen, also von Software oder
> sonstiger Information, die nicht kopiert werden kann oder darf. _Diese_
> unterscheidet sich bezueglich der (Re-)Produktion ihres Tauschwerts
> m.E. qualitativ nicht von einem Toaster.
Das würde bedeuten, dass allein die Rechtsform - um eine andere
Unterscheidung geht es hier nicht - bestimmt, ob ein Produkt kostenlose
Ressource oder Ware ist. Diese Annahme halte ich für falsch.
Ciao,
Stefan
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