[ox] TELEPOLIS: Die Rueckkehr des Feudalismus mit andere...
- From: smerten oekonux.de (Stefan Merten)
- Date: Tue, 28 Jan 2003 18:30:31 +0100
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Stefan Merten <smerten@oekonux.de> gesandt.
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Auf diese Geschichte bin ich durch einen CONTRASTE-Artikel aufmerksam
geworden. Der Artikel hier ist schon etwas älter, beschreibt aber ganz
gut das Problem. Intellectual Propery Rights bei den Brötchen...
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Die Rückkehr des Feudalismus mit anderen Mitteln
Peter Mühlbauer 09.10.2000
Landwirte kämpfen gegen Lizenzgebühren für selbst produziertes Saatgut
Wenig beachtet und abseits der anderen Debatten um Patent- und
Urheberrechte spüren Landwirte in Deutschland derzeit die Auswirkungen
einer bereits vor Jahren erfolgten Ermächtigung der Hersteller von
Saatgut zum Schutze ihres "geistigen Eigentums". Plötzlich müssen die
Landwirte auch für selbst hergestelltes Saatgut Lizenzgebühren in Höhe
von 80% des Kaufpreises von neuem Saatgut bezahlen und sehen sich
zunehmender Kontrolle durch den Verband der Saatguthersteller
ausgesetzt. Blüht ähnliches auch Personen, die ihren Lebensunterhalt
nicht mit Saatgut, sondern mit Software erwirtschaften?
Bis 1997 konnten Bauern selbst gezogenes Saatgut, das auf der Basis von
geschütztem Saatgut gewachsen war, kostenfrei nachbauen. Seit 1997
können u.a. Kartoffeln, Getreide und Raps zwar nachgebaut werden,
allerdings muss nach § 10a Abs. 3 des Sortenschutzgesetzes ein Entgelt
bezahlt werden. Andere Sorten dürfen überhaupt nicht nachgebaut werden.
Die Ereignisse vermitteln einen Vorgeschmack dessen, was passieren
kann, wenn einer Industrie umfassende neue Eigentumsrechte eingeräumt
werden. Die gesetzlichen Grundlagen der jetzigen Prozesse wurden zu
einer Zeit beschlossen, als sich noch kaum jemand um exzessive
Ausweitungen des Schutzes von geistigem Eigentum Gedanken machte: Im
März 1991 beschlossen die in der International Union for the Protection
of New Varieties of Plants (UPOV) [1] Staaten und Unternehmen eine
Gebührenpflicht für den Einsatz von Saatgut, welches einmal geschützten
Sorten entsprang. Kaum jemand nahm von der Änderung dieses Abkommens
Notiz.
1994 wurde die Übereinkunft auf europäischer Ebene mit der
EG-Verordnung Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den
gemeinschaftlichen Sortenschutz und einer weiteren Verordnung für
Ausnahmeregelungen umgesetzt. Erst danach erfuhren erste informierte
Bauern davon, was auf sie zukam. Vom Umfang der Kontrollen und von der
Höhe der Gebühren ahnten sie allerdings noch nichts - sprach doch die
Verordnung davon, dass die Nachbaugebühren "deutlich niedriger" liegen
sollten als der Neupreis für zertifiziertes Saatgut. Hellhörig
gewordene Bauern wie Adi Lambke, Sprecher der Interessengemeinschaft
gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren, die
Landwirtschaftsministerium, Sortenamt und Bauernverband befragten,
scheiterten lange an einer Mischung aus Auskunftsverweigerung und
bürokratischer Ineffizienz der Gesetzgebungs- und Verbandsmaschinerie:
Man wusste nichts, man war "nicht zuständig", man hatte "keine Zeit"
oder schickte nichtssagende Informationsbroschüren, ohne auf konkrete
Fragen einzugehen.
Ohne vorherige öffentliche Diskussion schloss der Deutsche
Bauernverband 1996 schließlich ein Kooperationsabkommen zur Umsetzung
der Gebührenpflicht mit dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter
(BDP). 1997 wurden die in der Übereinkunft beschlossenen Erweiterungen
der Rechte der Pflanzenzüchter mit der Änderung des
Sortenschutzgesetzes (SortSchG) [2] in Deutschland durchsetzbares
Recht.
Landwirtschaftsministerium und Bauernverband schieben sich gegenseitig
die Schuld für die derzeitige Situation zu. Der Bauernverband
behauptet, bis 1991 gegen die Änderung des internationalen Abkommens
gekämpft zu haben. Trotzdem schloss er ein Kooperationsabkommen ohne
weitreichende Information und Beteiligung der Bauern, das erheblich
höhere Lizenzgebühren zuließ, als in der EG-Verordnung vorgesehen.
Dieses Abkommen diente der Bundesregierung als Grundlage für die
Änderung des Sortenschutzgesetzes. Aus diesem Grunde werden Proteste
von Bauern beim Landwirtschaftsministerium mit der Bemerkung
abgeschmettert, die Regelungen seien ja dem Kooperationsabkommen des
Bauernverbandes mit den Pflanzenzüchtern angepasst.
Obwohl das Sortenschutzrecht Teil des Privatrechts ist, werden den
Exekutivorganen der Pflanzenzüchter durch die Auskunftspflicht
Eingriffsmöglichkeiten in die Privatsphäre der Landwirte eingeräumt,
die denen staatlicher Organen ähnlich sind. So müssen auch Bauern, die
eigentlich von der Gebührenpflicht befreit sind, jederzeit mit einer
Überprüfung ihres Status im Rahmen von Kontrollen der
Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) rechnen und dafür sogar
entsprechende Nachweise bereithalten. Reagieren Bauern nicht sofort auf
die Wünsche der Kontrolleure, werden Strafgelder verhängt. Sogar den
bürokratischen Apparat für ihre eigene Kontrolle müssen die Bauern
selbst finanzieren. Die unpopulären Gebühren werden - auch wegen der
Art ihrer Eintreibung - weniger als Kaufpreis für ein Produkt, denn als
Steuern wahrgenommen. Manche Bauern vergleichen die Gebühren und
Kontrollen der Nachbauregelung mit den Abgaben, die Bauern im
Feudalismus an ihre Herren zu liefern hatten. Unter besonderen Beschuss
geriet die STV, die keiner Kontrollinstanz unterworfen ist, nachdem
bekannt wurde, dass sie auch für nicht geschützte Sorten unberechtigt
Nachbaugebühren eingezogen hat.
Eine Regelung, die geistiges Eigentum schützen sollte, führte so zur
materiellen Enteignung der Bauern an den von ihnen selbst gezogenen
Feldfrüchten. Dabei behindert die Sortenschutzverordnung eher die
Entwicklung besserer Sorten, weil schon für die bestehenden kassiert
werden kann. Der Anreiz zur Entwicklung von Sorten, deren Kauf wegen
neu entwickelter Vorzüge für die Bauern lohnenswert ist, geht verloren.
Das Eintreiben von Gebühren auf ein Monopol ist lohnender als die
Entwicklung konkurrenzfähiger Produkte im Wettbewerb.
Erst nachdem die negativen Auswirkungen für die Bauern spürbar wurden,
regte sich langsam Protest. Viele Bauern verweigern mittlerweile die
Abgabe ihrer Nachbauerklärung. Die sensibilisierten Landwirte
befürchten sogar eine Ausweitung des Urheberrechtsschutzes zugunsten
von Tierzuchtfirmen.
Pro zuständigem Landgericht und Oberlandesgericht finanziert die
Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren
einen Musterprozess gegen die weitreichenden Kontrollbefugnisse der STV
und gegen die überhöhten Gebühren. Aber auch die STV verklagt
massenhaft Bauern, welche die Auskunft verweigern. Allein im September
gingen mehr als 900 Klagen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH gegen
Bauern an zwei Zivilkammern des Münchner Landgerichts ein.
Was die grundsätzliche Gebührenpflicht betrifft, ist aus Sicht der
Bauern das Kind, wie geschildert, bereits vor Jahren in den Brunnen
gefallen. Gegen die Höhe der Lizenzgebühren und die Kontrollpraxis der
STV bestehen allerdings durchaus noch juristische Chancen auf
Besserung. Das Oberlandesgericht Braunschweig stellte am 29. Juni
dieses Jahres fest, dass eine Auskunftspflicht für nur in Deutschland
geschützte Sorten [3] nicht besteht, empfahl gleichzeitig aber die
Vorlage beim Bundesgerichtshof. Bis in diesem Verfahren eine
Entscheidung fällt, müssen die niedersächsischen Bauern nur über die
EU-weit geschützten Sorten [4] Auskunft geben. Das Oberlandesgericht
Frankfurt hat die Auskunftsklage gegen einen Bauern ausgesetzt und dem
Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Europäischen
Sortenschutzbestimmungen einen "allgemeinen Auskunftsanspruch"
beinhalten. Neben den Gerichten hätte aber auch die Bundesregierung
durchaus noch Spielraum, die negativen Auswirkungen der Übereinkunft
einzudämmen: Eine Begrenzung der Zahlung von Nachbaugebühren auf
höchstens drei Nachbaujahre wäre z.B. eine Einschränkung, die das
internationale Abkommen durchaus zuließe.
Nutznießer der Regelung sind vor allem Chemiekonzerne, welche die
Rechte am Saatgut halten. Heute gehören fast alle Saatguterzeuger zu
Konzernen wie Novartis [5] (früher Sandoz und Ciba-Geigy) oder
Monsanto [6]. Seit die Erteilung von gentechnischen Patenten in den USA
und später in Europa erlaubt wurde, konzentrieren diese Unternehmen
ihre Forschung auf das Erlangen von Monopolsystemen mittels Gentechnik.
1998 wurde in den USA ein Patent auf ein Verfahren gewährt, das die
Sterilisierung von Saatgut erlaubt. Der Konzern Monsanto lizensierte
bereits vor Jahren sein Saatgut über Anbauverträge, in denen sich die
Landwirte unter anderem verpflichten mussten, lediglich die
Pestizidmarken des Konzerns zu benutzen und auch Jahre nach dem Kauf
des Saatguts Inspektoren das Konzerns Zutritt zu den Feldern zu
gewähren ( Saatgutkonzerne am Weg zum Genmonopol [7]). In Deutschland
hat der Gesetzgeber durch die Übertragung weitgehender Befugnisse an
die Sortenschutzinhaber solche Vertragspraktiken zur Monopolsicherung
teilweise sogar überflüssig gemacht.
In den USA bestand eine erhebliche personelle und finanzielle
Vernetzung des Monsanto-Konzerns mit der Ernährungs- und
Arzneimittelbehörde FDA. Die Informations- und Verhandlungspolitik des
Deutschen Bauernverbandes, dessen Kooperationsabkommen als spezielle
Vereinbarung sogar den von der EU festgelegten Höchstsatz für
Nachbaugebühren aushebelte, bietet Spekulationen über ähnliche
Vernetzungen auch in Deutschland durchaus Raum. Vor allem, wenn man
bedenkt, dass in Ländern wie Frankreich aufgrund eines Boykotts der
dortigen Bauernverbände bisher noch gar keine Nachbaugebühren
eingeführt wurden.
In den Nachbaugebühren zeigt sich der Urheberrechtsschutz, der nicht im
Naturrecht wurzelt, sondern im Grundsatz die staatliche Subvention
bestimmter Arten von Produktion ist, in seiner nackten Form: Legte das
Urheberrechtsgesetz noch strenge Schranken schöpferischer Leistung im
Werk fest, die jedoch mit dem zunehmenden Schutz von Software immer
mehr ausgehebelt wurden, so tritt im Sortenschutzgesetz bar jeden
Vorwands schöpferischen Leistung der reine Investitionsschutzcharakter
der Gebühren offen zutage.
Blüht solch eine umfassende Überwachung und Massenklagen zur
Durchsetzung von Lizenzgebühren, wie sie derzeit bei Landwirten
geschieht, auch Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht mit Saatgut,
sondern mit Software erwirtschaften? Sollen GEM [8], VG Wort [9], oder
Medienkonzerne mit ähnlich umfassenden Auskunftsrechten wie der Verband
der Sortenschutzinhaber ausgestattet werden? Eine umfassenden Kontrolle
ist hier, sind erst einmal die gesetzlichen Grundlagen geschaffen,
sogar noch leichter möglich. Fragt sich, ob eine informiertere
Bevölkerung ähnlich weitreichende Befugnisse für die Medien- und
Softwareindustrie ( Der Kampf um das intellektuelle Eigentum [10])
verhindern kann und bei anderen, das Licht der Öffentlichkeit
scheuenden, heimlichen Gesetzgebern wie der WIPO [11] und der
WTO [12]oder bei der anstehenden Europäischen Urheberrecht-Richtlinie (
Streit über Urheberrecht-Richtlinie in der EU [13]) wachsamer sein
wird.
Links
[1] http://www.upov.int/eng/index.htm
[2] http://transparent.com/gesetze/sortschg.html
[3] http://www.bundessortenamt.de
[4] http://www.cpvo.fr
[5] http://www.novartis.com
[6] http://www.monsanto.com
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/2384/1.html
[8] http://www.gema.de/aktuell/pm_computer.html
[9] http://www.vgwort.de
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/2472/1.html
[11] http://www.wipo.org
[12] http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/trips_e.htm
[13] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/8193/1.html
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