Aus: Aspects of India's Economy; Vol. 33-34, R.U.P.E. - Research Unit for Political Economy. http://home.arcor.de/r.u.p.e/index.htm
Der Irak:
Von der Kolonie zur Halbkolonie
Einzug
des Imperialismus
Im Iraq, dem östlichsten Land der
arabischen Welt, liegt die vielleicht erste grosse Zivilisation der Welt.
In alten Zeiten hiess es Mesopotamien ("Land zwischen den Flüssen" -
Euphrat und Tigris), als Irak ist es seit dem 7. Jahrhundert bekannt.
Jahrhundertelang war Bagdad eine reiche und pulsierende Stadt, das
intellektuelle Zentrum der arabischen Welt. Vom 16. Jahrhundert bis 1918
war Irak Teil des ottomanischen Reiches. Das Land war in drei Provinzen
aufgeteilt, Mosul im Norden, Bagdad im Zentrum und Basra im Süden. In der
ersten Provinz lebten vor allem Kurden, in der zweiten sunnitische Araber,
in der dritten Schiiten.
Mit dem Niedergang des
ottomanischen Reiches dehnten Grossbritannien und Frankreich ihren
Einfluss auf seinem Gebiet aus. Sie bauten vor allem Riesenprojekte wie
Eisenbahnen und den Suez-Kanal; die arabischen Länder verschuldeten sich
hoch bei britischen und französischen Banken.
Am Beginn des 20.
Jahrhunderts regierte Britannien direkt in Aegypten, Sudan und am
persischen Golf, während Frankreich in Libanon und Syrien die Vormacht
hatte. Iran war zwischen britischem und russischen Einfluss aufgeteilt.
Die Aufteilung des ottomanischen Kuchens von der Türkei bis zur arabischen
Halbinsel stand auf der Tagesordnung der imperialistischen Mächte.
Als Deutschland, ein Spätstarter im imperialistischen
Reigen, seinen Einfluss in der Region durch den Erwerb einer
'Konzession' für den
Bau einer Eisenbahn von Europa nach Bagdad ausdehnen wollte, läuteten in
Grossbritannien die Alarmglocken. Die britische Regierung, vor allem ihre
Kriegsmarine, hatte die strategische Bedeutung des Erdöls erkannt und es
vermutete, dass die Region reich daran sei. Die Briten investierten 2,2
Millionen £ in die englisch-persische Oelgesellschaft (eine britische
Firma, die im Iran arbeitete) und erhielten so die absolute
Aktienmehrheit. Gulbenkian, ein abenteuerlustiger armenischer Unternehmer,
war der Meinung, dass es auch im Irak Oel geben müsse. Aus seiner
Initiative heraus entstand die Türkische Petroleum Company (TPC). 50
Prozent gehörten den Briten, 25 Prozent den Deutschen und 25 Prozent Royal
Dutch Shell (was wiederum Holländern und Briten gehörte).
Der 1. Weltkrieg (1914 -
1918) verdeutlichte den Imperialisten die Bedeutung der Kontrolle über das
Oel für militärische Zwecke. So wurde es auch dringend notwendig, die
Oelquellen zu kontrollieren. Nach der Kriegserklärung an die Ottomanen,
ging im Südirak eine britische Streitmacht an Land (ein Grossteil waren
Soldaten aus Indien) und eroberte Bagdad 1917. Mosul wurde im November
1918 überrannt und der kurz vorher abgeschlossene Waffenstillstand mit den
Türken gebrochen.
Während des Krieges führten
die Briten zwei geheime, sich widersprechende Verhandlungsrunden.
Die erste war mit Sharif
Hussein aus Mekka. Als Belohnung für einen arabischen Aufstand gegen die
Türken versprachen die Briten den Arabern, die Unabhängigkeit nach dem
Krieg zu unterstützen. Sie bestanden jedoch darauf, dass Bagdad und Basra
spezielle britische Interessenzonen seien. Dort seien "spezielle
administrative Arrangements" notwendig, um "unsere gegenseitigen
ökonomischen Interessen zu schützen".
Die zweite
Verhandlungsrunde, eine schamlose Verletzung der ersten, lief zwischen
Briten und Franzosen. Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 sah vor, dass der
Irak zwischen den beiden Mächten aufgeteilt würde: Die nördliche Provinz
ginge an Frankreich und die beiden andern an Grossbritannien. Für seine
Zustimmung sollte das zaristische Russland mit Gebieten in der
nordöstlichen Türkei entschädigt werden. Als im November 1917 die
bolschewistischen Revolutionäre die Macht ergriffen und die Geheimverträge
des Zarenregimes, einschliesslich des Sykes-Picot-Abkommens,
veröffentlichten, erfuhren die Araber, wie sie verraten worden waren.
Irak
unter britischer Herrschaft
Nach dem Krieg wurden die Reste
des deutschen und des ottomanischen Reiches unter den Siegern aufgeteilt.
Die britischen Versprechungen zur arabischen Unabhängigkeit waren schnell
begraben. Frankreich erhielt das Mandat für Syrien und Libanon,
Grossbritannien das Mandat für Palästina und Irak. (Das 'Mandat'system war
eine kaum verschleierte koloniale Herrschaft, die vom Völkerbund, dem
Vorgänger der UNO, geschaffen worden war. Territorien, die früher den
Ottomanen gehörten, sollten als Mandat von den siegreichen
imperialistischen Mächten 'geführt' werden, bis sie die Fähigkeit zur
Selbstherrschaft bewiesen hatten.)
Britannien drohte mit Krieg,
um die ölreiche Provinz um Mosul im Irak zu halten. Die Franzosen traten
Mosul im Austausch für die englische Unterstützung in Libanon und Syrien
und für einen 25-prozentigen Anteil an der TPC ab.
Von Anfang an machte den Briten die
anti-imperialistische Agitation im Irak zu schaffen. 1920 brach nach der
Verkündung des britischen Mandats über Irak eine Revolte gegen die
britischen Herrscher aus, die sich rasch ausbreitete. Die Briten
unterdrückten den Aufstand unbarmherzig - unter anderem durch Luftangriffe
auf irakische Dörfer (das Gleiche hatten sie ein Jahr früher in indischen
Punjab getan, um die Rowlatt-Agitation zu unterbinden). 1920 schlug der
Kriegsminister Winston Churchill vor, dass Mesopotamien "billig durch mit
Gasgranaten ausgerüstete Flugzeuge zu kontrollieren wäre; zur
Unterstützung bräuchte es nur 4'000 britische und 10'000 indische
Soldaten". Diese Politik wurde formell auf der Konferenz in Kairo 1921
angenommen. ("The Hidden History of the Iraq War", Edward Greer,
Monthly Review, Mai 1991)
Briten
setzen einen Herrscher ein
Aufgewühlt von der Revolte,
hielten die Briten es für klug, eine Fassade aufzuziehen. (In den Worten
des Aussenministers Curzon wollte Britannien in den arabische Gebieten
eine "arabische Fassade, die unter britischer Führung herrscht und
verwaltet, an der Spitze ein einheimischer Muslim und soweit möglich einen
arabischen Stab... Es sollte keine wirkliche Eingliederung der eroberten
Gebiete in die Herrschaftsstrukturen des Eroberers geben. Die
Eingliederung sollte vielmehr durch legalistische Floskeln wie
Protektorat, Einflusssphäre, Pufferstaat etc. verschleiert werden.") Der
britische Hochkommissar ernannte Emir Faisal I. vom Haschemiten-Stamm aus
Mekka (der von den Franzosen aus ihrem Mandat Syrien vertrieben worden
war) zum irakischen König. Die Marionette Faisal unterzeichnete prompt
einen Beistandsvertrag mit Grossbritannien, der in weiten Teilen den
Mandatsbedingungen entsprach. Das löste so starke nationalistische
Proteste aus, dass das ganze Kabinett zurücktreten musste und der
britische Hochkommissar mehrere Jahre lang diktatorische Vollmachten
übernahm. Im grossen Massstab wurden nationalistische Führer ins Ausland
verbannt. (In diesen Jahren gärte die ganze Region, auch in Palästina und
Syrien brachen anti-imperialistische Kämpfe aus.) Die Briten entwarfen
auch eine irakische Verfassung, die dem König praktisch diktatorische
Rechte über das Parlament einräumte.
Ausgedehnte Demonstrationen für
eine komplette Unabhängigkeit verzögerten in Bagdad 1925 die Zustimmung zu
diesem Vertrag. Der Hochkommissar konnte die Ratifizierung nur mit der
Drohung, die verfassunggebende Versammlung aufzulösen, erzwingen. Noch vor
der Ratifizierung des Beistandpaktes - bevor es also eine irakische
Regierungsfassade gab, erhielt die Türkische Petroleum Company eine neue
Konzession für den ganzen Irak, trotz der weitverbreiteten Opposition und
des Rücktritts zweier Minister. (Unter anderem erpressten die Briten Irak
mit der Drohung, sie würden die ölreiche Provinz Mosul in den
Verhandlungen mit den Türken an diese abtreten. Das Gegenteil forderten
sie in den bereits erwähnten Verhandlungen mit den Franzosen. Sogar die
Ländergrenzen in dieser Region wurden nur nach dem Gutdünken der
imperialistischen Ausbeutung festgelegt. Am ärgsten litten die Kurden
darunter, deren Gebiet von den Imperialisten zwischen Türkei, Syrien, Irak
und Iran aufgeteilt wurde.)
Die Konzessionsbedingungen, die
praktisch das ganze Land betrafen und bis ins Jahr 2000 gültig waren,
waren unverschämt: Der Preis für eine Tonne Oel war vier Schilling (1£ =
20 Schilling). Für dieses aussergewöhnliche Werbegeschenk erhielt der
Marionettenkönig Faisal eine persönliche Gratifikation von 40'000£. Um die
Verteidigung dieser Konzession als ihr 'legitimes Recht' würden die
Oelkonzerne ein halbes Jahrhundert kämpfen.
Streit
ums Oel
Mit der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg
fiel sein Anteil an der Türkischen Petroleum Company Grossbritannien in
den Schoss. Damit konnte Britannien das Land fast allein beherrschen.
Gleichzeitig war eine neue Kräftekonstellation unter den imperialistischen
Mächten entstanden; die Lage war nicht länger haltbar. Grossbritannien war
trotz des grössten Weltreichs im Niedergang. Abgeschlagen im Wettbewerb
mit den anderen Industrienationen, versuchte es verzweifelt, seine
ökonomische Stärke durch seinen ausschliesslichen Zugriff auf die Kolonien
zu sichern. Dagegen forderten die USA, die neue, führende kapitalistische
Macht, man müsse die "Tore öffnen", um die Besitztümer der alten
Kolonialmächte auszubeuten. Zwei Jahre
nach dem Ende des ersten Weltkrieges schrieb der amerikanische Präsident
Woodrow Wilson:
"Mir ist es klar, dass wir am Vorabend eines
Wirtschaftskrieges der grimmigsten Art stehen und ich fürchte, das
Grossbritannien mit der gleichen Wildheit um sich schlagen wird, wie
Deutschland es viele Jahre lang getan hat." (Joe Stork: Middle East Oil and the Energy Crisis;
1975; p.14)
Amerikanische Oelgesellschaften
verlangten mit Regierungsunterstützung einen Anteil an der Türkischen
Petroleum Company. 1928 besassen zwei amerikanische Firmen, Jersey
Standard und Socony (später hiessen sie Exxon und Mobil, heute nach der
Fusion Exxon-Mobil) 23.75 Prozent der Aktien, gleichviel wie die Briten,
Franzosen und Royal Dutch-Shell. Die meisten der grossen Oelkonzerne der
Welt waren so in der Türkischen Petroleum Company vertreten. Jetzt heisst
die Firma Irakische Petroleum Company - IPC).
Streit mit
dem Nationalismus
Die fortdauernde Opposition gegen
ihre Herrschaft zwang die Briten schliesslich, Irak 1932 'Unabhängigkeit'
zu gewähren. Aber dies geschah erst, nachdem Grossbritannien einen neuen
Vertrag ausgehandelt hatte, der eine "enge Allianz" zwischen den beiden
Ländern vorsah und eine "gemeinsame Verteidigungspolitik", faktisch die
Fortsetzung der indirekten Herrschaft durch die Briten. Grossbritannien
behielt seine Stützpunkte in Basra und westlich des Euphrat. Faisal sass
weiterhin auf dem irakischen Thron.
Aber auch eine solche
'Unabhängigkeit' dauerte nicht lange. 1941 inszenierten Teile der Armee
und politische Parteien einen Staatsstreich gegen den König und waren
drauf und dran, mit den Achsenmächten zu paktieren, um ihre Freiheit von
den Briten zu erreichen. Grossbritannien marschierte wieder einmal im Irak
ein und besetzte das Land, setzte den König wieder ein und ein
Marionettenkabinett unter Führung ihres Schosshundes Nuri as-Said (den sie
in den turbulenten Jahren 1925-58 14mal zum Premierminister machten).
Nach dem Kriegsende 1945 dauerte
die britische Besatzung an. 1948 wurde das Kriegsrecht eingeführt, um die
Proteste gegen die Entwicklung in Palästina zu zerschlagen (wo die
Palästinenser vertrieben wurden und der neue zionistische Staat ihr Land
an sich riss). Zu diesem Zeitpunkt unterschrieb die irakische Regierung
einen neuen Bündnisvertrag mit Grossbritannien, der Irak verpflichtete, in
den Aussenpolitik keine Schritte zu unternehmen, die im Gegensatz zu den
britischen Interessen standen. Ein gemeinsames britisch-irakisches
Verteidigungsgremium wurde eingesetzt. Aber als der Premierminister mit
diesem Deal in der Tasche aus London zurückkehrte, zwang ihn ein Aufstand
in Bagdad zum Rücktritt. Der Vertrag wurde abgelehnt. In den Folgejahren
forderten nationalistische Kräfte die Verstaatlichung der Oelindustrie
(wie es Iran im Jahre 1951 getan hatte).
1952 gab es erneut einen Aufstand
von Studenten und 'Extremisten'. Die Polizei war nicht mehr Herr der Lage.
Der Regent rief die Armee zur Hilfe, die die öffentliche Ordnung
wiederherstellte. Der Generalstab regierte das Land länger als zwei Monate
unter Kriegsrecht. 1954 wurden alle politischen Parteien verboten.
Zunehmende Einmischung der USA in der Region
Was es bedeutete, sich gegen die
Oelkonzerne aufzulehnen, zeigte sich im benachbarten Iran. Dort hatte die
Regierung unter Mossadeq 1951 British Petroleum verstaatlicht. Dafür
handelte sich das Land einen verheerenden, zweijährigen Boykott durch alle
Oelgiganten ein, die Regierung wurde 1953 durch einen von der CIA
geführten Putsch gestürzt. (Der verantwortliche CIA-Mann wurde später
Vizepräsident von Gulf Oil.)
Grössere Oelfelder in der Golfregion
Unterstützung in der arabischen
Welt, in der Aegypten und Irak um die Führung kämpften. In jener Zeit lief
eine antiimperialistische Welle durch die arabischen Länder, die die
Stabilität der prowestlichen Marionettenregime bedrohte.
Die USA wurden zum neuen Gendarmen
der Region, der jede Agitation gegen den Imperialismus und die von ihm
abhängigen Staaten unterdrückte. Beispielsweise zerschlugen 1953
Saudi-Arabien und Irak Streiks der Oelarbeiter mit Hilfe von Truppen und
Kriegsrecht. Waffenlieferungen durch die USA erfolgten auf dem Fuss. 1957
verhaftete der jordanische König (ein Cousin ersten Grades des irakischen
Königs) seinen Premierminister, löste das Parlament auf, zerschlug die
politischen Parteien und warf seine Gegner in Konzentrationslager. All das
geschah mit wirtschaftlicher und militärischer Hilfe durch die USA. 1958
versuchte die rechtsstehende libanesische Regierung mit amerikanischer
Ausrüstung die nationalistische Opposition zu zerschlagen. Auf Betreiben
der USA gründeten Irak, Türkei und Pakistan, alle pro USA-Grossbritannien,
eine Allianz gegen die Sowjetunion, den Bagdad-Pakt. (Später wurde er als
METO - Mideast Treaty Organisation und CTO - Central Treaty Organisation
bekannt; Grossbritannien und Iran traten ebenfalls bei). Irak, das einzige
arabische Land in diesem Pakt wurde von Nasser öffentlich verurteilt.
3.2 Nationalisierung
Im Juli 1958 ergriff eine
Armeefraktion unter der Führung von Abdel Karim Qasim die Macht im Irak,
richtete den König und Nuri as-Said hin und rief unter breitem
öffentlichen Beifall die Republik aus. Zum ersten Mal wurde in einem
ölproduzierenden Land ein Marionettenregime gestürzt. Die neue Führung
appellierte schon in seiner ersten Erklärung an das antiimperialistische
Bewusstsein der Massen: "Mit der Hilfe Gott des Allmächtigen und der
Unterstützung des Volkes und der Streitkräfte haben wir das Land von der
Herrschaft einer korrupten Bande befreit, die vom Imperialismus zur
Ruhigstellung des Volkes eingesetzt worden war."
Sofort verlegten die USA und
Grossbritannien Truppen in den Libanon und nach Jordanien, um eine
Invasion im Irak vorzubreiten. Dummerweise für die USA war das gestürzte
Regime im Irak so verhasst, dass sich niemand fand, der den amerikanischen
Plan unterstützt hätte. Trotzdem stellte die USA ein Ultimatum und drohte
mit Intervention, wenn das neue Regime seine Oelinteressen nicht
respektieren würde. Die Putschisten ihrerseits erklärten wiederholt, dass
dies nicht geschehen würde. Erst dann wurden die britischen und
amerikanischen Truppen wieder abgezogen. Irak weiss also, was es heisst,
von einer imperialistischen Invasion bedroht zu werden.
Der Druck des Volkes und der Gegenangriff der
Konzerne
Trotz der Versprechungen an die
Amerikaner blieb das neue irakische Regime unter dem Druck der
Oeffentlichkeit. Die irakischen Massen erwarteten, dass der Sturz des
Marionettenkönigs zu einem neuen Vertrag oder zu einer Ausrangierung der
IPC-Konzession aus der Kolonialzeit führen würde. (Nach Tanzer hatten die
Oelgesellschaften insgesamt keine 50 Millionen Dollar im Irak investiert.
Danach konnten sie alle weiteren Investitionen problemlos aus den Profiten
des Oelgeschäfts finanzieren. Storck nennt eine Zahl von 322.9 Millionen
Dollar Profit alleine im Jahr 1963. - Michael Tanzer, The Energy Crisis,
World Struggle for Power and Wealth, 1974, p. 59; Stork, p. 119.) Sogar
Iran und Saudi-Arabien hatten bessere Bedingungen als Irak, weil ihre
Konzessionen nicht das ganze Land abdeckten. Im Irak gehörte der IPC das
gesamte Territorium.
Da die Eigentümer der IPC, in
erster Linie die amerikanischen und britischen Oelriesen(1)(Franzosen und
Holländer waren weiterhin Teilhaber, blieben aber im Hintergrund;
insbesondere Frankreich wurde vom Irak als Unterstützer seiner Interessen
angesehen.), in der ganzen Welt Oelfelder besassen, bestimmten nicht die
Produktionskosten, sondern komplexe, strategische Ueberlegungen, welche
Oelfelder zuerst ausgebeutet würden. Sie waren nicht in Eile, die
Förderung im Irak zu steigern oder neue Raffinerien zu bauen. Die
Einrichtungen der IPC standen nur auf 0.5 Prozent ihres Konzessionslandes.
Als das Qasim-Regime verlangte, dass die IPC 60 Prozent des Territoriums
aufgebe, die Oelproduktion und die Zahl der Raffinerien verdopple,
drosselte die IPC die Produktion. Die Oelkonzerne hatten beschlossen, am
Irak ein Exempel zu statuieren, um jedes andere ölproduzierende Land davon
abzuhalten, Rückgrat zu zeigen.
Qasim beantwortete die
Unnachgiebigkeit der Oelkonzerne mit dem Rückzug aus dem Bagdad-Pakt,
löste die Bindung an das englische Pfund, unterzeichnete 1959 ein
ökonomisches und technisches Hilfsabkommen mit der Sowjetunion, schloss
den britischen Stützpunkt Habbaniya und hob das amerikanische
Hilfsprogramm auf. 1961 führte er Verhandlungen mit der IPC und
verabschiedete Gesetz Nr. 80. Danach durfte die IPC ihre bisherigen
Einrichtungen weiter ausbeuten, aber die restlichen 99.5 Prozent des
Landes kamen in Regierungsbesitz zurück.
Die Konzerne antworteten mit einer
weiteren Drosselung ihrer Förderung. Im Gegenzug kündigte Qasim 1963 die
Gründung einer neuen, staatlichen Oelgesellschaft an, um die Oelproduktion
im eigenen Land anzukurbeln. Er veröffentlichte auch eine amerikanische
Note, die Irak mit Sanktionen bedrohte, wenn er seine Position nicht
aufgebe. Vier Tage später wurde er durch einen Staatstreich gestürzt, den
das Pariser Magazin L'Express "vom CIA angeregt" nannte. (Tanzer, p.
52)
Der Staatsstreich 1963 und die Verhandlungen mit der
IPC
Diesen Coup führte eine Allianz
aus Ba'ath-Partei(ihr voller Name ist: Arabische Sozialistische Ba'ath
Partei; "Ba'ath" bedeutet "Wiedergeburt") und eines Teils der Armee aus.
Aber die Ba'ath-Partei wurde von ihren Partnern bald wieder von der Macht
ausgeschlossen. Die neuen Herren gewährten der IPC auch prompt noch einmal
0.5 Prozent des Konzessionsgebietes, einschliesslich des reichen
Rumaila-Feldes im Norden, das die IPC zwar entdeckt, aber bisher nicht
ausgebeutet hatte. Die IPC beteiligte sich auch an einem Joint Venture mit
der neuen Iraq National Oil Company (INOC): So sollte ein Grossteil des
verstaatlichten Gebietes erforscht und entwickelt werden.
Die Vereinbarung wurde jedoch von
nationalistischen arabischen Kräften verurteilt und das Regime zögerte
jahrelang, es zu ratifizieren. Inzwischen war der arabisch-israelische
Krieg 1967 ausgebrochen, an dem sich Irak beteiligte. Israel besetzt mit
amerikanischer Unterstützung Gebiete in Syrien, Aegypten und Jordanien.
Die diplomatischen Verbindungen zwischen Irak und den USA wurde gekappt.
Nach dem Krieg 1967 war die antiamerikanische und antibritische Stimmung
so stark, dass sich das irakische Regime nicht getraute, das
Rumaila-Oelfeld an die IPC zurückzugeben. Stattdessen brachte die
Regierung Gesetz Nr. 97 heraus, nach dem nur die INOC für die Oelförderung
im ganzen Land ausserhalb der 0,5 Prozent IPC-Konzessionsland zuständig
war.
Zwischen 1961 und 1968 erhöhte die
IPC ihre Produktion im Irak nur um einen Bruchteil dessen, was die
gleichen Oelkonzerne in den fügsamen Ländern Iran, Kuwait und
Saudi-Arabien mehr förderten. Da die Zahlungen der IPC an die irakische
Regierung von der Oelförderung abhingen und das Staatseinkommen wiederum
stark von diesen Zahlungen, bedeutete die Taktik der Oelkonzerne für Irak
grosse finanzielle Härten und verhinderten eine Reihe von
Entwicklungsprojekten. Nach einem geheimen US-Dokument bohrte die IPC ihre
Bohrlöcher in eine falsche Tiefe und baggerte andere wieder zu, um die
Oelförderung zu drosseln. Das lange anhaltende Patt forderte einen hohen
Preis vom Irak: "über ein Dutzend Jahre wirtschaftliche Stagnation,
politische Instabilität und Auseinandersetzungen." (Stork, p.194. Aus
dieser Quelle stammt der Grossteil der obigen Zusammenfassung.)
Saddam Hussein kommt an die Macht
Ein Staatsstreich 1968 brachte
wieder die Ba'ath-Partei an die Macht (Saddam Hussein wurde damals
Vizepräsident, stellvertretender Vorsitzender des revolutionären
Kommandorates und zunehmend der wahre Kopf). Die Partei verfolgte
weiterhin den Kurs, die Oelindustrie aus den Klauen des IPC zu befreien.
1972 wurde die IPC schliesslich verstaatlicht, ihre Aktionäre erhielten
eine Kompensationszahlung von 300 Millionen Dollar (die praktisch durch
eine Zahlung der Gesellschaft von 345 Millionen Dollar für zurückliegende
Schulden ausgeglichen wurde). Das Land wandte sich an Frankreich und die
Sowjetunion, um technische Ausrüstung und Kredite zu erhalten. Die Sowjets
entwickelten das Rumaila-Feld mehr oder weniger im Zeitplan bis 1972.
Für die Sowjets war der Irak ein
wichtiger Durchbruch in der Region: Im Gegensatz zu Aegypten (wo sie 1972
hinausgeworfen wurden) und Syrien, mit denen sie Beziehungen pflegten,
hatte der Irak riesige Oelreserven. Es winkten lukrative Oelverträge,
weitere Investitionen in Osteuropa von den Oelprofiten, massive
Waffenverkäufe und die Aussicht auf einen grösseren sowjetischen Einfluss
in der Region. Auch Frankreich hielt seine Beziehungen zur irakischen
Oelindustrie aufrecht. (Bezeichnenderweise brachte Irak, trotz der
überwältigenden Bedeutung des Erdöls für seine Wirtschaft und der hohen
Kosten der Abhängigkeit von ausländischen Firmen, nicht das Mass an
technologischer Selbständigkeit in diesem Bereich zustande, wie es zur
gleichen Zeit das sozialistische China schaffte. Vielmehr versuchte der
Irak die Bindungen an die anglo-amerikanischen Oelkonzerne dadurch zu
lösen, indem er sich an andere fortgeschrittene Länder band.)
Das irakische
Nationalisierungsprogramm fand vor dem Hintergrund wachsender Zustimmung
auch bei amerikafreundlichen Regierungen in der Region statt. Radikale
arabische Oelexperten (vor allem Abdullah Tariki) regten die öffentlichen
Phantasien an, mit ihren gut dokumentierten Enthüllungen über die
Ausplünderung des Oelreichtums der arabischen Länder. Die OPEC verlangte
bessere Bedingungen für ihr Oel. In Libyen stürzte eine Gruppe junger
Offiziere unter Führung von Muammar Qaddafi die Monarchie und ging auf
Konfrontationskurs mit den Konzernen. Der bewaffnete Kampf der
Palästinenser wurde geboren. Die Niederlage der arabischen Armeen gegen
Israel im Krieg 1973 schürte die antiamerikanische Stimmung weiter. Der
Prozess gipfelte im arabischen Oelembargo gegen die westlichen Staaten und
einem massiven Steigen des Preises, den die arabischen Länder für den
Verkauf ihres Oels erhielten. Irak spielte als einer der grossen
Erdoelproduzenten (nach Saudi-Arabien liegen im Irak die zweitgrössten
Reserven auf der Welt) eine Schlüsselrolle in dieser
Auseinandersetzung.
Bis zum Sturz der Monarchie 1958
war Irak ein grossteils bäuerliches Land. Erst nach der Entfernung des
Marionettenkönigs wurden einige Entwicklungsprojekte angepackt. Nach 1973
stiegen als Auswirkung der höheren Oelpreise die Wohlfahrtsausgaben des
Staates in beträchtlichem Umfang. Viele neue Wohnungen wurden gebaut und
der Lebensstandard stieg stark an. Das Regime ging jedoch noch weiter und
initiierte ein breite Palette von Projekten zur Diversifizierung der
Industrie: Abbau der Importe von Fertigprodukten, Ausbau der
landwirtschaftlichen Produktion, Reduzierung der Agrarimporte und ein
starker Ausbau von Nicht-Oel-Exporten. Grosse Summen wurden in die
Infrastruktur, vor allem in die Wasseraufbereitung, in Strassen,
Eisenbahnen und die Elektrifizierung auf dem Dorf gesteckt. Die technische
Ausbildung wurde stark ausgebaut und eine Generation qualifizierter Kräfte
für die Industrie herangezogen.
Diese Massnahmen standen in
eindrucksvollem Kontrast zu den Scheichtümern Saudi-Arabiens, Kuwaits und
der Vereinigten Arabischen Emirate. In diesen Ländern wurde nur ein Teil
der gewaltig gestiegenen Einnahmen nach 1973 für die Steigerung des
Lebensstandards der Untertanen des Königs verwendet. Der Rest wurde in
ausländischen Banken und in (amerikanischen) Staatsanleihen angelegt. So
waren die USA nicht grundsätzlich durch die steigenden Oelpreise
gefährdet: Wenn es höhere Preise zahlen musste, floss doch das meiste
wieder in seinen finanziellen Sektor zurück. Im Gegensatz dazu investierte
Iraq einen weit höheren Anteil seiner Oeleinkünfte im Land und hatte unter
den arabischen Staaten die am meisten diversifizierte Wirtschaft.
Man muss auch sehen, dass das
kulturelle Klima im Irak und die Fortschritte in bestimmten Gebieten des
sozialen Lebens von den islamischen Fundamentalisten verabscheut wird. Bis
1991 stieg das Bildungsniveau im Irak rasch, auch unter den Frauen. Für
sie war Irak vielleicht das freieste Land in der ganzen Region, Frauen
ergriffen auch verschiedene Berufe.
3.3 Iran-Irak-Krieg: im amerikanischen Interesse
1979 war Saddam der effektive
Führer Iraks: Er wurde Präsident und Vorsitzender des revolutionären
Kommandorates. Die ganze Region stand an einem kritischen
Scheidepunkt.
Zum einen war die Säule der USA in
Westasien, der Schah von Persien, von einem massiven Volksaufstand
gestürzt worden, den die USA einfach nicht unterdrücken konnten. Dies
führte zu Befürchtungen, dass in der ganzen Region ähnliche Entwicklungen
auftreten könnten.
Zum andern hatte Saddam im Irak
den Oelreichtum des Landes auch für eine massive Aufrüstung benutzt.
Rüstungsausgaben verschlangen 1979 8,4Prozent des Bruttosozialprodukts.
Seit 1958 war Irak zunehmend ein bedeutender Markt für hochentwickelte
Waffensysteme aus der Sowjetunion geworden und wurde als Teil des
sowjetischen Lagers angesehen. 1972 unterzeichnete Iraq einen
15-Jahres-Freundschafts-Vertrag mit der Sowjetunion über wirtschaftliche
und militärische Zusammenarbeit. Das irakische Regime bemühte sich um die
Entwicklung oder den Ankauf von Atomwaffen. Neben Israel hatte der Iran
die einzige Armee, die sich mit der irakischen messen konnte. Aber als der
Schah 1979 gestürzt wurde, wurde vieles der iranischen Ausrüstung, die aus
den USA stammte, unbrauchbar.
Die irakische Invasion im Iran
1980 (unter dem Vorwand der Lösung von Grenzstreitigkeiten) löste so zwei
grössere Probleme für die USA: Für das nächste Jahrzehnt sollten zwei der
führenden Militärmächte der Region, keine bis dahin den USA gegenüber
freundlich eingestellt, in einem erschöpfenden Konflikt miteinander
beschäftigt sein. Solche Konflikte zwischen Drittweltländern schaffen für
die imperialistischen Mächte viele Möglichkeiten, neuen Halt vor Ort zu
suchen. Und so geschah es auch in diesem Fall.
Trotz seiner engen Bindungen an
die UdSSR, wandte sich Irak für die Hilfe im Krieg gegen den Iran an den
Westen. Und erhielt sie massenhaft. Wie Saddam Hussein später enthüllte,
entschieden die USA und Irak am Vorabend der Invasion im Iran, ihre
diplomatische Beziehungen wiederaufzunehmen, die nach dem Krieg 1967
abgebrochen worden waren. (Die offizielle Wiederaufnahme wurde ein paar
Jahre hinausgeschoben, um die Zusammenhänge nicht zu deutlich werden zu
lassen.) Formell wurden die Beziehungen 1984 wiederhergestellt, obwohl die
USA wussten, dass der Irak chemische Waffen gegen die Iraner einsetzte und
ein UNO-Team das bestätigt hatte. (Der Abgesandte des damaligen
US-Präsidenten Reagan war kein anderer als der derzeitige
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.) 1982 nahm das US-Aussenministerium
Irak von der Liste der "staatlichen Sponsoren des Terrorismus" und wehrte
Versuche des US-Kongresses ab, der den Irak 1985 wieder auf die Liste
setzen wollte. Vor allen Dingen verhinderten die USA die Verurteilung der
Giftgas-Angriffe im UNO-Sichheitsrat. 1986 stimmten die USA als einziges
Land gegen eine Resolution des Sicherheitsrates, die Iraks Einsatz von
Senfgas gegen iranische Truppen verurteilen wollte. Wir werden weiter
unten sehen, dass die USA direkt in diese Greueltat verwickelt waren.
Ein flotter Handel entwickelte
sich, um den Irak mit Nachschub zu versorgen. Grossbritannien stieg neben
Frankreich als Hauptwaffenlieferant ein. Irak importierte Uran aus
Portugal, Frankreich und Italien und fing mit deutscher Hilfe an, Anlagen
zur Anreicherung von Uran zu bauen. Die USA sorgten für massive Kredite
aus den Klientenstaaten wie Kuwait und Saudi-Arabien für Iraks wachsende
Rüstungsausgaben. Die US-Regierung stellte "Ernte-Spritz"-Helikopter zur
Verfügung, die 1988 für Giftgasangriffe verwendet wurden, genehmigten den
Export von Dow Chemicals Chemikalien für den Einsatz gegen Menschen,
unterstützten eigene Luftwaffenoffiziere in der Zusammenarbeit mit ihren
irakischen Ansprechpartnern (seit 1986), stimmten Technologieexporten an
Iraks Raketenbeschaffungsagentur zu, die die Reichweite der irakischen
Raketen erhöhen wollten. Im Oktober 1987 und April 1988 griffen
amerikanischen Streitkräfte selbst iranische Schiffe und Oelplattformen
an.
Militärisch versorgten die USA
Irak nicht nur mit Satellitendaten und Informationen über iranische
Truppenbewegungen, sondern entwarfen auch detaillierte Schlachtpläne für
die irakischen Truppen. Dies wurde vor kurzem von ehemaligen Offizieren
der Defence Intelligence Agency (DIA) in der New York Times enthüllt
(18.8.2002). All das geschah zu einer Zeit, als der Irak weltweit für
seinen wiederholten Einsatz chemischer Waffen gegen Iran verurteilt wurde.
Ein DIA-Kader meinte dazu: "Wenn Irak unterlegen wäre, hätte es
katastrophale Auswirkungen auf Kuwait und Saudi-Arabien gehabt und die
ganze Region wäre vielleicht verloren gegangen (für den amerikanischen
Einfluss - Aspects). Das stand im Hintergrund der Politik.
Eine der Schlachten, für die die
USA einen fertigen Schlachtplan lieferten, war die Eroberung der
strategisch wichtigen Fao-Halbinsel durch Irak 1988. Da die Iraker
schliesslich in grossem Umfang Senfgas einsetzten, ist es klar, dass die
amerikanische Planung den Einsatz solcher Waffen stillschweigend
einschloss. DIA-Offiziere inspizierten die Fao-Halbinsel, nachdem sie von
irakischen Kräften wiedererobert worden war und sie berichteten über den
ausgedehnten Einsatz von Chemiewaffen, aber ihre Vorgesetzten waren nicht
interessiert. Oberst Walter P. Lang, DIA-Offizier zu der Zeit, meinte
dazu, dass "der Einsatz von Gas durch die Iraker auf dem Schlachtfeld kein
Thema von besonderer strategischer Bedeutung war". Die DIA, behauptete er,
"hätte niemals den Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten akzeptiert,
aber der Einsatz gegen militärische Ziele wurde im Ueberlebenskampf des
Iraks als unvermeidlich angesehen." (Wir werden weiter unten sehen, dass
die irakische Armee Chemiewaffen auch breit gegen kurdische Zivilisten
eingesetzt hat. Die DIA-Offiziere streiten ab, dass sie "in die Planung
der Militäroperationen verwickelt waren, bei denen diese Angriffe
geschahen.") In den Worten eines anderen DIA-Offiziers: "Sie (die Iraker)
wurden immer besser" und nach einer gewissen Zeit wurde der Einsatz von
Chemiewaffen " in den Plan für jede grössere Operation integriert". Ein
ehemaliger Teilnehmer an dem Programm sagte zur 'New York Times', dass die
höheren Beamten der Reagan-Administration nichts unternahmen, was die
Fortsetzung des Programms behindert hätte. "Das Pentagon war über Iraks
Gaskrieg nicht sehr entsetzt", sagt ein Veteran des Programms. "Es war nur
eine andere Art, Menschen zu töten. Kugel oder Phosgen-Gas, das machte
keinen Unterschied.", sagte er. Die Wiedereroberung der Halbinsel Fao war
ein Wendepunkt in dem Konflikt und brachte Iran an den
Verhandlungstisch.
Eine Anfrage im US-Senat 1995
brachte zufällig ans Licht, dass der Irak von den USA während des
Iran-Irak-Krieges Proben von allen Bakterienstämmen erhalten hatte. Der
Irak machte daraus Bio-Waffen. Die Stämme wurden vom Center for Disease
Control and Prevention (sic!) und vom American Type Culture Collection an
die Orte geschickt, die später von UN-Waffeninspektoren als Teil des
irakischen biologischen Waffenprogramms ausgemacht wurden. (Times of
India, 2.10.2002)
Es ist voll Ironie, wenn man die
USA heute über Saddam Husseins Angriffe auf die Kurden reden hört. Dieser
Angriff hatten die volle Unterstützung der USA:
"Als Teil der Anfal-Kampagne gegen die Kurden
(Februar - September 1988), setzte das irakische Regime in breitem Masse
chemische Waffen gegen seine eigene Bevölkerung ein. Zwischen 50'000 und
186'000 Kurden wurden bei diesen Angriffen getötet, 1'200 Dörfer wurden
zerstört und 300'000 Kurden wurden vertrieben. Diese Kampagne wurde mit
der Zustimmung des Westens durchgeführt. Anstatt dass sie die Massaker an
den Kurden verurteilt hätten, bauten die USA ihre Unterstützung des Iraks
noch aus. Sie beteiligten sich an den irakischen Angriffen auf iranische
Einrichtungen, jagten zwei Oelplattformen in die Luft und zerstörten eine
iranische Fregatte einen Monat nach dem Angriff von Halabja. Innerhalb von
zwei Monaten förderten US-Beamte Firmenkontakte durch ein staatliches
irakisches Forum. Die US-Administration war gegen einen Gesetzentwurf, der
Kredite an Irak stoppen wollte und blockierte das Gesetz schliesslich. Die
USA stimmten dem Export von Dual-Use-Gütern zu; nach Halabja wurde dieser
Export noch verdoppelt. Schriftliche Garantien des Irak über die zivile
Anwendung reichten dem US-Handelsministerium, das keine Lizenzen und
Bescheinigungen (wie bei vielen anderen Ländern üblich) verlangte. Die
Bush-Administration genehmigte den Export von fortgeschrittenen
Datenübertragungsgeräten im Wert von 695'000 Dollar, am Tag bevor Irak in
Kuwait einmarschierte." ("The dishonest case for war on Iraq" von Alan
Simpson, MP, und Dr Glen Rangwala, Labour Against the War Counter-Dossier,
17.09.2002)
Das volle Ausmass der
amerikanischen Komplizenschaft in den irakischen
"Massenvernichtungswaffen"-Programmen wurde im Dezember 2002 deutlich, als
Irak einen 11'800-seitigen Bericht über diese Programme an den
UNO-Sicherheitsrat übergab. Die USA bestanden darauf, dass sie den Bericht
vor irgend jemand anderem zu sehen bekamen, sogar vor den
Waffeninspektoren. Sie sorgten prompt dafür, dass 8'000 Seiten entfernt
wurden, bevor die nicht permanenten Mitglieder den Bericht zu Gesicht
bekamen. Irak hat offensichtlich eine Liste mit amerikanischen
Gesellschaften, deren Namen in dem Bericht stehen, an eine deutsche
Zeitung 'Die Tageszeitung' weitergegeben. Neben amerikanischen Firmen
waren auch deutsche Firmen schwer verwickelt. (Siehe Anhang II) (Saddam
Husseins Einsatz von Chemiewaffen war, wie auch seine Unterdrückung der
Opposition im Innern, immer auch im Interesse der USA: Während der Einsatz
in Zeiten der Allianz zwischen beiden Ländern geduldet und unterstützt
wurde, wird er in Krisen- und Kriegszeiten routinemässig für
Propagandazwecke ausgenützt)
Vor diesem geschichtlichen
Hintergrund müssen wir die strategischen und ökonomischen Seiten der
scheinbar unerklärlichen Kehrtwendung der USA in ihrer Irak-Politik seit
1990 verstehen lernen.
3.4 Iraks Qual
Der Iran-Irak-Krieg endete 1990
damit, dass beide Seiten, unter anderen Umständen wohlhabende und mächtige
Länder, schreckliche Verluste hinnehmen mussten. Der 'Krieg der Städte'
richtete sich gegen grössere Bevölkerungszentren und Industrieanlagen auf
beiden Seiten, vor allem Oelraffinerien. Iran, ohne den ständigen Zufluss
hochentwickelter Waffen und amerikanischer Hilfe konnte die irakische
Angriffe mit Hilfe von 'menschlichen Wellen' junger Freiwilliger,
teilweise noch halber Kinder, zurückschlagen. Wenn die Taktik auch
funktionierte, waren die Verluste jedoch enorm. Die Angst vor einem
Aufstand im Innern brachte die iranischen Führer nach dem Fall der
Halbinsel Fao 1988 an den Verhandlungstisch mit Irak.
Auch die Wirtschaft Iraks brauchte
dringend einen Wiederaufbau. Entwicklungsprogramme waren ein ganzes
Jahrzehnt lang vernachlässigt worden. Die Erforschung und Entwicklung der
fabelhaften Oelvorkommen des Landes hatten stagniert. Für die Bezahlung
der Kriegskosten hatte Irak eine Schuld im Ausland von 80 Milliarden
Dollar angehäuft - über die Hälfte davon von den Golfstaaten. Iraks Führer
konnten für den schrecklichen Preis des Krieges nichts vorweisen, sie
waren verzweifelt.
Eine Gelegenheit für die USA
Für die Vereinigten Staaten war
dies jedoch eine zufriedenstellende Situation, die sogar noch grössere
Gewinne versprach. Der erschöpfte Iran war nicht länger eine grössere
Bedrohung der US-Interessen in der Region. Wie wir sehen werden, schuf die
instabile Lage Iraks Bedingungen, unter denen die USA ein zentrales Ziel
erreichen konnten: eine dauerhafte Truppenstationierung in Westasien. Die
direkte Kontrolle über die westasiatischen Oelquellen (die die reichsten
und am billigsten zugänglichen Quellen der ganzen Welt sind) würde es den
USA erlauben, das Oelangebot und damit die Preise nach seinen
strategischen Interessen zu manipulieren. Dadurch wäre auch die weltweite
amerikanische Vorherrschaft gegen jeden zukünftigen Herausforderer
gefestigt. (Dieser Aspekt wird weiter unten behandelt).
Die Situation auf der Welt war
günstig für solch einen Plan. Die Sowjetunion stand am Rande des
Zusammenbruchs und unfähig, eine amerikanische Intervention in der Region
zu verhindern. Auch die europäischen, japanischen oder chinesischen
Bedenken blieben ohne grosse Konsequenzen. Die wirkliche Hürde war die
Opposition der arabischen Massen gegen eine solche Anwesenheit
amerikanischer Truppen, mehr noch gegen ihre dauerhafte Festsetzung.
Es brauchte also einen
glaubwürdigen Grund für eine amerikanische Intervention und eine
fortgesetzte Gegenwart.
Ein Schock für Irak
Nach der engen
amerikanisch-irakischen Zusammenarbeit während des 10jährigen
Iran-Irak-Krieges, die oben beschrieben ist, ist es kaum überraschend,
dass Saddam Hussein vom Westen eine Kompensation für seinen Krieg gegen
den Iran erwartete und zuversichtlich war, dass seine Forderungen auf
offene Ohren stossen würden. Da der Krieg vom Westen und auch den
Golfstaaten (Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien) als
defensive Aktion geplant war, die verhindern sollte, dass der Iran die
ganze Region überrennt, nahm Saddam an, dass die Golfstaaten dem Irak
nicht nur die angehäuften Schulden streichen würden, sondern dass diese
Staaten auch beim verzweifelt notwendigen Wiederaufbau der irakischen
Wirtschaft helfen würden.
Genau das Gegenteil geschah. Die
amerikanischen Klientenstaaten (Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate,
Saudi-Arabien) fuhren ihre Produktion in die Höhe und verlängerten so den
Zusammenbruch der Oelpreise, der 1986 begonnen hatte. Auf den
kriegsverwüsteten Irak hatte dies verheerende Auswirkungen. Oel machte die
Hälfte des irakischen Bruttoinlandproduktes aus und den Grossteil der
Staatseinnahmen. Für die irakische Wirtschaft war ein Zusammenbruch der
Oelpreise eine Katastrophe. Er würde auch die Wiederbewaffnung Iraks
behindern.
Eine weitere, bemerkenswerte
Entwicklung war, dass Kuwait Oel aus dem Feld vom Süd-Rumaila stahl. Nahe
der irakischen Grenze wurden Schrägbohrungen niedergebracht. Rumaila liegt
fast ganz im Irak. Wenn man dran denkt, dass Kuwait selbst genügend Oel
hat, erscheint dieser Diebstahl des irakischen Oels als bewusste
Provokation. Man sollte sich auch daran erinnern, dass Irak nicht nur
konkrete Grenzstreitigkeiten mit Kuwait hatte, sondern schon wiederholt
Anspruch auf ganz Kuwait erhoben hatte. (1) (Kuwait wurde mit Zustimmung
seines Herrschers 1871 Teil der Basra-Provinz des ottomanischen Reiches.
Nach dem ersten Weltkrieg und der Besetzung Iraks machten die Briten
jedoch eine eigene Provinz aus Kuwait. Als sie Irak 1932 die
'Unabhängigkeit' gaben, schlossen sie Kuwait nicht im irakischen
Territorium ein. Erst 1961 zogen sie aus dem ölreichen und strategisch
gelegenen Flecken ab. Zwischen Iran und Kuwait eingeklemmt, hat Irak nur
einen winzigen und verletzbaren Zugang zum Meer.) Vor diesem Hintergrund
kann man sich nur schwer vorstellen, dass das kleine, nur leicht
bewaffnete Kuwait einen provokativen Akt wie Schrägbohrungen ins
Territorium des gut bewaffneten Irak ohne einen Anstoss durch die USA
durchgeführt hätte.
Saddams Bitte
Es sieht so aus, dass Saddam
glaubte, er könne mit einer Invasion drohen oder nach einer Invasion
Kuwait als Einsatz für seine Forderungen auf den Tisch bringen, vor allem
die Annullierung seiner Schulden und eine Einschränkung der Oelproduktion
der Golfstaaten. Die Abschrift einer Unterredung Saddams mit der
amerikanischen Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, eine Woche vor der
Invasion Kuwaits 1990, ist bezeichnend für das Verhältnis zwischen beiden
Staaten. Weder erscheint Saddam als Grössenwahnsinniger, noch betont er
Iraks historische, rechtmässige Ansprüche auf Kuwait. Vielmehr betont er
seine finanzielle Notlage. Er bittet um amerikanisches Verständnis, indem
er ausdrücklich auf die Dienste Iraks für die USA und ihre Klientenstaaten
in der Region hinweist:
"Wir trafen die Entscheidung, diplomatische
Beziehungen mit den USA aufzunehmen, 1980 zwei Monate vor dem Krieg
zwischen uns und dem Iran. Als der Krieg anfing, stellten wir die Aufnahme
der Beziehungen zurück, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir hofften
auch, dass der Krieg bald zu Ende wäre. Aber weil der Krieg so lange
dauerte und um die Tatsache zu betonen, dass wir ein blockfreies Land
[also nicht Teil des sowjetischen Blocks] sind, war es wichtig, die
Beziehungen zu den USA wiederaufzunehmen. 1984 entschieden wir uns dazu...
Wir erhofften uns davon ein besseres Verständnis und eine bessere
Zusammenarbeit... Wir handelten miteinander während des Krieges und auf
verschiedenen Ebenen... Irak hatte am Ende des Krieges eine Schuldenlast
von 40 Milliarden Dollar, ohne die Hilfe, die arabische Staaten gaben und
die von einigen auch als Schuld angesehen wird. Und das, obwohl sie
wissen, wie auch Ihnen bekannt ist, dass sie ohne Irak diese Summen gar
nicht hätten. Dass die Zukunft der ganzen Region völlig anders ausgesehen
hätte.
Wir mussten uns mit der Politik der fallenden
Oelpreise auseinandersetzen... Der Preis fiel bis auf 12 Dollar pro Fass
und eine Reduktion des ohnehin schon bescheidenen irakischen Haushalts um
weiter 6 - 7 Milliarden ist eine Katastrophe... Wir hatten gehofft, dass
die amerikanische Administration bald die korrekten Entscheidungen in
Bezug auf ihr Verhältnis mit Irak fällen würden... Aber als eine bewusste
und geplante Politik den Oelpreis nach unten drückte, bedeutete das einen
neuen Krieg gegen Irak. Militärischer Krieg tötet Menschen durch
ausbluten, ein Wirtschaftskrieg tötet die Menschlichkeit, indem er den
Menschen die Möglichkeit raubt, einen guten Lebensstandard zu haben.
Kuwait und die Emirate führten genau diese Politik durch, die darauf
abzielte, Iraks Position zu verschlechtern und seinen Menschen die
Möglichkeit eines höheren wirtschaftlichen Standards zu haben.
Und Sie wissen, dass unsere Beziehungen zu den Emiraten und zu Kuwait gut
waren... Ich habe die amerikanischen Aussagen über ihre Freunde in der
Region gelesen. Natürlich hat jeder das Recht, sich seine Freunde
auszusuchen. Da haben wir keine Einwände. Aber Sie wissen, dass nicht Sie
es waren, die ihre Freunde während des Irankriegs geschützt hatten. Ich
versichere Ihnen, US-Truppen hätten die Iraner nicht aufhalten können,
wenn sie die Region überrannt hätten, ausser durch den Einsatz von
Atomwaffen... Ihre Gesellschaft würde nicht 10'000 Tote in einer einzigen
Schlacht akzeptieren. Sie wissen auch, dass Iran dem Waffenstillstand
nicht zugestimmt hat, weil die USA nach der Befreiung von Fao eine
Oelplattform bombardiert hat.
Sieht so die Belohnung Iraks aus, dafür, dass er die
Stabilität der Region gesichert hat und sie vor einer unbekannten Flut
schützte?... Es ist nicht angemessen, von unserem Volk zu verlangen, dass
es acht Jahre lang Ströme von Blut vergiessen muss und ihm dann zu sagen:
'Jetzt musst du die Aggression von Kuwait und den Emiraten ertragen oder
von Amerika oder von Israel.'... Wir sehen Amerika nicht als unseren
Feind. Wir würden es gern als Freund sehen und wir versuchen, Freunde zu
sein. Aber im letzten Jahr gab es wiederholte amerikanische Aeusserungen,
die deutlich machten, dass uns Amerika nicht als Freund ansieht."
(New York Times International, 23.09.1990)
Kalkulierte Antwort
Ohne die schon erwähnten Absichten
Amerikas zu kennen, wäre Glaspies Antwort an Saddam rätselhaft gewesen.
Die Unterhaltung fand zu einem Zeitpunkt statt, als Irak massenweise
Truppen an der kuwaitischen Grenze zusammengezogen hatte. Es hatte auch
erklärt, dass es Kuwaits Handlungen als Aggression ansah: Die ganze Welt
konnte sehen, dass der Irak eine Invasion starten wollte. In Anbetracht
der späteren amerikanischen Antwort hätte man erwartet, dass die USA eine
Woche vor der Invasion eine klare Botschaft rüberbringen würde: Dass die
Antwort der USA auf eine Invasion eine militärische Intervention wäre.
Stattdessen antwortete der Botschafter in den mildest-möglichen Begriffen
("Besorgnis") und betonte, dass
„wir keinen Standpunkt zu innerarabischen Konflikten
(haben), wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait. Ich war in den späten
60er Jahren in der amerikanische Botschaft in Kuwait. Wir hatten damals
die Anweisung, dass wir keine Meinung zu diesem Thema äussern sollten und
dass das Thema keinen Bezug zu Amerika habe. [Der damalige Aussenminister]
James Baker hat unsere Sprecher angewiesen, diese Anweisung zu betonen.
Wir hoffen, dass Sie dieses Problem mit den geeigneten Methoden über Klibi
oder Präsident Mubarak lösen können. Wir hoffen nur, dass diese Themen
bald geklärt sind.
Darf ich Sie, vor diesem Hintergrund, bitten, sich
unsern Standpunkt zu der Frage anzuhören? Meine Einschätzung nach 25
Jahren Dienst in dieser Region ist, dass ihr Ziel die starke Unterstützung
Ihrer arabischen Brüder haben muss. Ich spreche vom Oel. Aber Sie, Herr
Präsident, haben einen schrecklichen und schmerzhaften Krieg gekämpft.
Offen gesagt, sehen wir nur, dass Sie massiv Truppen im Süden
zusammengezogen haben. Normalerweise würde uns das nicht interessieren.
Aber wenn man das im Zusammenhang mit Ihren Aussagen am Nationalfeiertag
sieht, wenn wir die Details der beiden Briefe des Aussenministers lesen
und wenn wir den irakischen Standpunkt anschauen, dass die Massnahmen der
Emirate und Kuwaits letztlich eine Aggression gegen Irak darstellen, dann
denke ich schon, dass ich besorgt sein sollte. Aus diesem Grund erhielt
ich den Auftrag, Sie im Geist der Freundschaft - nicht im Geist der
Konfrontation nach Ihren Absichten zu fragen."
Dies ist ein klarer Hinweis, dass
die USA zwar 'besorgt' über eine Invasion wären, sie jedoch Abstand halten
und die Angelegenheit als Problem zwischen arabischen Staaten behandeln
würden, das man durch Verhandlungen löst. So legte Saddam Amerikas
wirkliche Absichten völlig falsch aus. Seine Invasion in Kuwait, einem
souveränen Staat und Mitglied der UNO, gab den USA die Gelegenheit,
schnell den Sicherheitsrat zu mobilisieren und eine weltweite Koalition
gegen Irak zu formieren. Entscheidend war, dass sein Einfall in einen
arabischen Staat eine Situation schuf, in der eine Reihe von arabischen
Staaten, wie Aegypten, Syrien und Saudi-Arabien an der Koalition
teilnehmen konnten.
Friedlicher Abzug ein "Alptraumszenario"
Die Resolution 661 des
UNO-Sicherheitsrates wurde im August 1990 verabschiedet, verlangte den
sofortigen und bedingungslosen Abzug aus Kuwait und verhängte Sanktionen
gegen Irak. Die Sanktionen blieben nur für den Zeitraum in Kraft , den die
USA brauchten, um genügend Truppen in die Region zu verlegen und die
internationale Finanzierung des Krieges sicherzustellen. Im November 1990
brachten die USA Resolution 678 durch den Sicherheitsrat, die den Einsatz
"aller notwendigen Mittel" vorsah, um die Besetzung Kuwaits zu beenden.
(3)(Die USA stellten die Verabschiedung dieser Resolution durch eine
aussergewöhnlich skrupellose Bestechungs- und Drohkampagne sicher. Jedes
verarmte Land im Sicherheitsrat, einschliesslich Zaire, Aethiopien und
Kolumbien erhielt ein Angebot mit Oel zu Sonderpreisen und die
Wiederaufnahme von Waffenhilfe, die früher wegen
Menschenrechtsverletzungen eingestellt worden waren. Nachdem Jemen sich
als einziges Land neben Kuba gegen die Resolution stimmte, fing ein
offenes Mikrophon die Reaktion des US-Botschafters auf, wie er zum
Vertreter Jemens sagte: "Das war die teuerste Stimme, die Sie jemals
abgegeben haben." Drei Tage später strichen die USA ihr komplettes
Entwicklungshilfebudget an Jemen in der Höhe von 70 Millionen
Dollar.(Phyllis Bennis, Before and After: U.S. Foreign Policy and the
September 11th Crisis (2002)) Die USA unterliefen alle diplomatischen
Versuche durch die UdSSR, europäische und arabische Länder, die weiterhin
den bedingungslosen Abzug des Irak wollten. In letzter Minute machte
Frankreich einen Vorschlag: Der Irak ziehe ab, wenn die USA einer
internationalen Friedenskonferenz zustimme (dies hätte auch die Diskussion
um die fortgesetzte illegale Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und
der Golanhöhen durch Israel und die nicht umgesetzte
Sicherheitsratsresolution 242 eingeschlossen, sowie die damalige Besetzung
des Südlibanon durch Israel). Aber auch diese Initiative wurde von den
Amerikanern und Briten abgeschossen. Im Dezember 1990 zitierte die Presse
eindrucksvoll amerikanische Offizielle, die sagten, ein friedlicher
irakischer Abzug wäre ein "Alptraumszenario". (Why Another War? A
Backgrounder on the Iraq Crisis, Sarah Graham-Brown and Chris Toensing,
Middle East Research and Information Project, 2002; von jetzt an:
MERIP)
"Fisch im Fass"
Der riesige Umfang und die
gnadenlose Taktik des Angriffs auf Irak 1991 legt nahe, dass die
amerikanischen Kriegsziele weit über die von der UNO gebilligte Mission
hinausging, die Saddam aus Kuwait vertreiben wollte. Die Militärmacht, die
von den USA, Grossbritannien und ihren Alliierten aufgebaut und eingesetzt
wurde, stand in einem krassen Missverhältnis zur irakischen Verteidigung.
Offensichtlich war die Absicht, Irak so schwer zu bestrafen, dass es allen
Nationen als Lektion dienen könnte, die sich gegen die Wünsche der USA
stellen wollten. Der Bombenkrieg des Golfkriegs war der heftigste seit
Vietnam. In 43 Tagen Krieg flogen die USA 109'876 Angriffe und warfen
84'200 Tonnen Bomben ab. Das entspricht fast der
monatlichen Bombentonnage des zweiten Weltkrieges, ausser dass die
Zerstörung viel effizienter war: Die Technologien waren viel besser und
die Luftabwehr des Iraks äusserst schwach. ("Airpower in the
Gulf War," Air and Space Power Mentoring Guide Essays II, pp. 72-73 (U.S.
Air Force 1999)
Solange der Krieg tobte,
organisierte das US-Militär sorgfältig inszenierte Pressekonferenzen, die
belegen sollten, dass die Bombenangriffen chirurgische Schläge gegen
ausschliesslich militärische Ziele waren. Das war durch eine neue
Generation neuer, lasergesteuerter 'smarter' Bomben möglich. Die
Wirklichkeit sah ganz anders aus: 93 Prozent der verwendeten Bomben der
Alliierten bestanden aus normalen, 'dummen' Bomben, die vor allem von
B-52-Bombern aus der Vietnam-Aera als Bombenteppiche abgeworfen wurden.
Etwa 70 Prozent der Bomben und Raketen verfehlten ihre Ziele, zerstörten
oft Privathäuser und töteten Zivilisten. (John MacArthur, Second Front:
Censorship and Propaganda in the Gulf War, 1993, p. 161) Die USA setzten
auch in verheerendem Ausmass Antipersonenbomben ein, einschliesslich
Benzin-Luft-Grananten und 7,5 Tonnen schwere 'Daisy-Cutter'
('Gänzeblümchenschneider'). Die konventionellen 'Daisy-Cutter' verursachen
Zerstörungen, die mit Atomangriffen vergleichbar sind und wurden von den
USA auch in Afghanistan eingesetzt. Napalm, auf Benzinbasis wurde gegen
die irakischen Schützengräben eingesetzt. 61'000 Streubomben, die 20
Millionen Minibomben verstreuten, töten bis heute Irakis [Etwa ein Drittel
dieser Minibomben explodierte 1991 nicht und liegt, einer Mine
vergleichbar, irgendwo] ("US urged to ban cluster bombs," Boston Globe,
18/12/02)
Es war vorhersehbar, dass diese
Art der Kriegsführung zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung führen
würde. In einem gut bekannten Vorfall wurden etwa 400 Männer, Frauen und
Kinder mit einem Schlag getötet, als die USA unter offensichtlicher
Verletzung der Genfer Konvention im Ameriya-Viertel in Westbagdad einen
Bunker angriffen. Tausende starben auf ähnliche Weise durch während des
Tages durchgeführte Angriffe auf Wohnviertel und Gewerbegebiete im ganzen
Land. (Needless Deaths in the Gulf War: Civilian Casualties
During the Air Campaign and Violations of the Laws of War, Human Rights
Watch 1991) Nach einer Schätzung der UNO starben an die 15'000 Zivilisten
durch die alliierten Bombenangriffe. (Collateral Damage: The health
and environmental costs of war on Iraq, MEDACT Report, November 2002;
diese konservative Zahl schliesst die hundertausende indirekter Opfer aus,
die an den Folgen der bewussten Zerstörung von Wasseraufbereitungsanlagen
und anderer ziviler Infrastruktur starben. Zuverlässige Zahlen über Opfer
und Schaden werden vielleicht nie zutage kommen, da beide Seiten ihre
Gründe haben, das wahre Ausmass herunterzuspielen.)
Unterdessen haben zwischen 100'000
und 200'000 irakische Soldaten ihr Leben in einem buchstäblichen
'Overkill' verloren. (Collateral Damage; "Washington Whispers," U.S. News
& World Report, 01.04.1991) Amerikanische Bombenteppiche auf die
irakischen Stellungen an der kuwaitisch-irakischen Grenze sorgten für die
grösste Zahl der Opfer. Dort lagen zehntausende schlecht ausgerüsteter und
schlecht ernährter Wehrpflichtiger hilflos in ihren Gräben. Die meisten
wollten sich ergeben, als der Bodenkrieg begann, aber die vorgehenden
alliierten Truppen konnten Gefangene nicht brauchen. Tausende wurden
lebendig begraben, als Panzer mit Pflügen und Bulldozer durch die
Befestigungsanlagen brachen und über Fuchslöcher rollten . (Patrick
Sloyan, "Buried Alive," Newsday, 12.09.1991)
Andere wurden gnadenlos
niedergemacht, als sie fliehen oder sich ergeben wollten. "Es war, als ob
jemand spät in der Nacht das Küchenlicht angemacht hätte und die
Kakerlaken huschen davon. Wir holten sie schliesslich aus ihren Löchern
und töteten sie", meinte Luftwaffenoberst Dick "Snake" White. (Bericht in
Newsday, zitiert in Douglas Kellner, The Persian Gulf TV War, 1992) John
Balzar von der Los Angeles Times berichtet, was die Infrarotfilme des
US-Angriffs zeigen: "Wie Schafe im Gatter. Irakische Infanteristen,
überrascht und völlig verängstigt, aus dem Schlaf gerissen und in einer
Feuerhölle auf der Flucht aus ihren Bunkern. Einer nach dem andern wurde
von Angreifern, die sie nicht sehen oder verstehen konnten, niedergemacht.
Einige wurden von den explodierenden 30mm-Granaten buchstäblich in Stücke
gerissen." (Zitiert in William Boot, "What We Saw; What We
Learned," Columbia Journalism Review, May/June 1991)
Da der Widerstand zwecklos und die
Kapitulation möglicherweise tödlich war, desertierten die irakischen
Soldaten, wo immer möglich. Am 26. Februar anerkannte Saddam das
Unvermeidliche und ordnete den Rückzug aus Kuwait an. Ueberlebende
Soldaten nutzten jedes Fahrzeug, dessen sie habhaft werden konnten, um
Richtung Heimat zu fliehen.
Trotz des errungenen,
überwältigenden Sieges setzten US- und britische Truppen ihren gnadenlosen
Angriff auf die fliehenden und wehrlosen irakischen Truppen fort. Auf
einer Strecke von hundert Kilometern von Kuwait nach Basra wurde ein
Massaker verübt, das US-Soldaten gleich "Truthahn-Schiessen" tauften: US
Flugzeuge bombardierten die beiden Enden der langen Konvois und beschossen
die eingeschlossen Fahrzeuge mit Bordwaffen und Feuerbomben. Tausende,
eingeschlossen eine unbekannte Zahl flüchtender Zivilisten, verbrannten
oder wurden in Fetzen geschossen. "Es war, wie wenn man auf Fische in
einem Fass schiesst", sagte ein US-Pilot. (Zeugnis von Joyce Chediak vor
der Untersuchungskommission des Internationalen Gerichtshofs für
Kriegsverbrechen am 11.Mai 1991; Time 18.5. 1991)
Die Logik hinter der
systematischen Zerstörung von Iraks ziviler Infrastruktur Die
Bombardierung des Irak begann am 16. Januar 1991. Anstatt sich darauf zu
beschränken, Irak aus Kuwait hinauszuwerfen oder nur militärische Ziele
anzugreifen, zerstörte die Bombenkampagne der US-geführten Koalition
systematisch die zivile Infrastruktur des Irak, einschliesslich
Elektrokraftwerken, Wasseraufbereitungs- und Abwasserreinigungsanlagen.
Das Bombardement würde länger als einen Monat lang fortgesetzt - ohne
jeden Versuch, mit Truppen den angeblichen Zweck der 'Operation
Wüstensturm' umzusetzen, nämlich den Irak aus Kuwait zu vertreiben.
Dass die USA genau wussten, was
sie taten, zeigen Geheimdienstberichte, die jetzt deklassifiziert
wurden
[die Geheimhaltung wurde aufgehoben]. Ein Papier mit dem Titel "Die
Verletzlichkeit der Wasseraufbereitung des Irak" vom 22.1.1991 (eine Woche
nach Kriegsbeginn) liefert die Logik hinter den Angriffen auf Iraks
Wasserversorgung: "Irak muss Spezialausrüstung und einige Chemikalien
zur Reinigung seines Trinkwassers importieren...Ohne einheimische Quellen
für Ersatzteile und einige wesentliche Chemikalien wird Irak die Versuche
fortsetzen, die UNO-Sanktionen zu umgehen und diese lebensnotwenigen Güter
zu importieren. Misserfolge dabei führen zu einem Mangel an Trinkwasser
für einen Grossteil der Bevölkerung. Das könnte zur vermehrtem Auftreten
von Krankheiten sorgen, wenn nicht gar zu Epidemien führen." Der
Import von Chlor unterlag Sanktionen und "neue Berichte weisen darauf hin,
dass die Chlorvorräte fast aufgebraucht sind." Der "Verlust der Fähigkeit
zur Wasseraufbereitung" wurde zur Tatsache. Obwohl es nicht so aussah, als
ob es sofort zusammenbrechen werde, käme es nach 6 Monaten oder mehr zum
"kompletten Stillstand" des Systems.
Sogar noch deutlicher schrieb die
US 'Defence Intelligence Agency' einen Monat später, dass "Bedingungen für
den Ausbruch ansteckender Krankheiten günstig sind, vor allem in
städtischen Gebieten, die vom Bombardement der Koalition betroffen
waren... Die derzeitigen Probleme bei der öffentlichen Gesundheit sind
zurückzuführen auf den Rückgang der normalen Präventivmedizin,
Abfallentsorgung, Wasserreinigung und -aufbereitung, Elektrizität und der
abnehmenden Fähigkeit, den Ausbruch von Krankheiten zu kontrollieren.
Jedes städtische Gebiet im Irak, dass Schäden an der Infrastruktur hat,
wird ähnliche Probleme haben." (S. Muralidharan, Frontline, 12/10/01;
Thomas J. Nagy, "The Secret Behind the Sanctions", The Progressive,
September 2001.[die Online-Version des Artikels hat Links zu den
Original-Dokumenten: http://www.progressive.org/0801issue/nagy0901.html])
Im Süden Iraks verschossen die USA
mehr als eine Million Geschosse mit Spitzen aus radioaktivem Uran. Das
führte später zu einem grösseren Anstieg bei Gesundheitsproblemen wie
Krebs und Missbildungen. Obwohl die USA jede Verbindung zwischen dem
Gebrauch von abgereichertem Uran (depleted uranium - DU) und diesen
Gesundheitsproblemen abstreiten, haben europäische Regierungen, nach der
Untersuchung von Beschwerden ihrer Veteranen des NATO-Angriffs auf
Jugoslawien, eine weitverbreitete radioaktive Verseuchung im Kosovo als
Ergebnis des Einsatz von DU-Geschossen bestätigt.
Manipulationen zur Rechtfertigung der teilweisen
Besetzung
Während des Konfliktes entschieden
sich die USA, nicht nach Bagdad zu marschieren und stoppten ihren
Vormarsch bei Basra und Nasiriyya. Offenbar hofften die Amerikaner darauf,
dass die Niederlage zu einem Sturz Saddam durch einen proamerikanischen
starken Mann aus den gleichen herrschenden Kreisen führen würde. (Die
Stabilität eines solchen Regimes wäre abhängig von der Erhaltung von
Saddams Elitestreitkräften, den Republikanischen Garden, die bei
Kriegsende in Verteidigungspositionen ausserhalb Bagdads zusammengezogen
war.) Die USA waren sich nicht sicher, welche politischen Kräfte sich
unter einem anderen Szenario entwickeln würden. Sie fürchteten, dass der
Süden Iraks, in dem vor allem schiitische Moslems wohnen, unter iranischen
Einfluss käme, wenn er sich abspaltete. Formale Unabhängigkeit der
kurdischen Regionen im Norden würde den nördlichen Nachbar, den wichtigen
US-Klientenstaat Türkei destabilisieren, die die Forderungen seines
grossen kurdischen Bevölkerungsanteils nach Unabhängigkeit brutal
unterdrückt.
Der damalige Präsident George H.
W. Bush, zettelte mit seinen Aufrufen, die Menschen sollten "die Dinge in
die eigenen Hände nehmen", eine Rebellion im Südirak an. Als der Aufstand
tatsächlich stattfand, blieb die massive amerikanische Besatzungsmacht,
die zu der Zeit noch in der Region war, ein stiller Zuschauer bei seiner
Unterdrückung. Als irakische Truppen die kurdischen Rebellen im Norden
gegen die türkische Grenze jagten, verhinderte die Türkei ihren
Uebertritt.
Die amerikanische Mittäterschaft
in beiden Fällen war so angelegt, dass sie zynischerweise dazu benutzt
werden konnte, um dauerhafte Verstösse gegen Iraks Souveränität zu
rechtfertigen. Die Resolution 688 des UNO-Sicherheitsrates vom April 1991
forderte von Irak, die "Unterdrückung zu stoppen", rief aber nicht zur
Durchsetzung mit militärischen Mitteln auf. Trotzdem rechtfertigten die
USA und Grossbritannien die Einrichtung von 'Flugverbotszonen' mit der
Resolution 688: Irakische Flugzeuge durften nicht nördlich des 36.
Breitengrades und südlich des 32. Breitengrades fliegen. Diese Zonen
wurden von US/UK-Patrouillen mit fast täglichen Bombardierungen
durchgesetzt. Nach dem Rückzug der UNO-Waffeninspekteure 1998 stieg der
monatliche Durchschnitt der Bomben von 250 kg auf 5000 kg. Britische und
amerikanische Flugzeuge griffen jetzt jedes Ziel an, das sie für einen
Teil des irakischen Luftabwehrsystems hielten. (MERIP, S.6). Zwischen 1991
und 2000 flogen US- und UK-Kampfflugzeuge mehr als 280'000 Angriffe.
Beamte der UNO haben dokumentiert, dass die Bomben routinemässig auch
Zivilisten und Viehherden trafen und wichtige Teile der zivilen
Infrastruktur zerstörten. (Anthony Arnove,
"Iraq Under Siege: Ten Years On", Monthly Review, Dezember
2000)
Sanktionen: Völkermord
Nach dem Krieg blieb Irak unter
einem umfassenden Sanktionsregime der UNO. Diese Sanktionen sollten erst
aufgehoben werden, wenn Irak die Resolution 687 erfüllt hatte:
Eliminierung der Programme für chemische, biologisch und atomare Waffen,
Zerstörung der Langstreckenraketen, ein Inspektionsregime, das die
Durchführung überwachen sollte, Zustimmung zu einer irakisch-kuwaitischen
Grenze unter UNO-Aufsicht, Kriegsreparationen und Rückgabe des
kuwaitischen Eigentums und der Kriegsgefangenen. Da die Umsetzung dieser
Bedingungen hinausgezögert werden konnte und von Kontroversen
gekennzeichnet war, konnten die Sanktionen unbefristet verlängert
werden.
Das Ergebnis war katastrophal; die
grösste aller Katastrophen in jenem Jahrzehnt der weltweiten ökonomischen
Katastrophen. Bis 1993 war die irakische Wirtschaft unter dem Würgegriff
der Sanktionen auf zwanzig Prozent der Grösse im Jahr 1979 geschrumpft und
schrumpfte im nächsten Jahr noch weiter. Ausgegebene monatliche
Lebensmittelrationen reichten für 10 - 15 Tage. (MERIP, S.7)
Obwohl "humanitäre Güter" vom
Embargo ausgeschlossen waren, war nicht genau definiert, was "humanitär"
war und musste vom Sanktionskomitee der UNO festgelegt werden. Später
setzten die Briten und Amerikaner die Resolution 986 durch, um die
wachsende Kritik an den Sanktionen aufzufangen und Gegenvorschlägen
Frankreichs und Russlands zuvorzukommen. Danach gingen die Einkünfte aus
Iraks Oelverkäufen auf ein Konto bei der UNO. Irak konnte dann
Bestellungen für humanitäre Güter aufgeben, die vom UN-Sicherheitsrat
geprüft wurden.
Die USA versuchten den Begriff
"humanitäre Güter" auf Nahrungsmittel und Medizin alleine zu beschränken.
Sie wollten so den Import von Ersatzteilen für Wasseraufbereitungsanlagen,
Kraftwerke, sanitäre Anlagen und Krankenhäuser verhindern. Unter den
Dingen, die das amerikanische Veto dem Irak mit der Begründung
'militärischer Nutzen' vorenthielt, waren Chemikalien, Laboreinrichtungen,
Generatoren, Kommunikationsanlagen, Ambulanzen (sie hatten Funkgeräte),
Anlagen zur Wasserchlorierung und sogar Bleistifte (es gibt auch
militärische Anwendungen für Grafit)(Arnove, S.17). Allein 2002
verhinderten die USA und Grossbritannien die Lieferung von Gütern im Wert
von 5,3 Milliarden Dollar (MERIP, S.8). Aber auch diese Zahl zeigt nicht
das volle Ausmass [der Sanktionen], weil das zurückgehaltene Reparaturteil
oft ganze Maschinen und Anlagen unbrauchbar machte.
Der 'Economist' (London), sonst
ein lebhafter Vertreter der amerikanischen Politik gegenüber dem Irak,
beschreibt die Bedingungen in dem belagerten Land im Jahre 2000:
"Sanktionen greifen in jedem Augenblick des Tages in
das Leben aller Iraker ein. In Basra, Iraks zweitgrösster Stadt, flackert
das Licht an und aus. Man weiss nie, zu welcher Stunde es verfügbar ist...
Dicke Abgaswolken aus primitiven Generatoren und Fahrzeugen hängen über
der Stadt. Wasser aus dem Hahn verursacht Durchfall, nur wenige können
sich Flaschenwasser leisten. Weil die Kanalisation zusammengebrochen ist,
stehen in der ganzen Stadt Tümpel mit stinkender Brühe, die an die
Oberfläche gedrückt hat. Der Ausfluss hat, zusammen mit der Vergiftung
stromaufwärts, die meisten Fische im Shatt el-Arab-Fluss getötet. Was noch
lebt ist ungeniessbar. Die Regierung kann Moskitos und Sandfliegen nicht
mehr bekämpfen; die Insekten haben sich ausgebreitet und mit ihnen die
Krankheiten. Die meisten der einst vielfältigen, städtischen
Dienstleistungen sind verschwunden. Die Archäologen schaufeln die mühselig
ausgegrabenen Ruinen wieder zu, weil ihnen die Chemikalien zum Präparieren
fehlen. Das Bewässerungssystem, das von der Regierung unterhalten wurde,
ist zusammengebrochen. Ein Grossteil der guten Aecker Iraks sind jetzt
entweder zu trocken oder zu salzig, um etwas anzubauen. Schafe und Rinder,
die nicht mehr durch die Impfprogramme der Regierung geschützt werden
können, fallen zu hundertausenden Krankheiten und Epidemien zum Opfer.
Viele Lehrer in den staatlichen Schulen erscheinen nicht mehr zur Arbeit.
Die trotzdem kommen, müssen lustlose, unterernährte Kinder unterrichten,
oft ohne Bücher, Tische oder sogar Wandtafeln." (8.4.2000, zitiert in
Arnove, p. 23)
In den ersten drei Jahren des
Oel-für-Nahrung-Regimes beschränkt die UNO die Ausgaben auf 170 Dollar für
einen Iraker jährlich. Von dieser mageren Summe wurde noch einmal 51
Dollar abgezogen und der Un-Kompensations-Kommission überwiesen. Dorthin
konnte sich jede Regierung, jede Organisation und jedes Individuum wenden,
die Kompensation als Folge des irakischen Angriffs auf Kuwait
beanspruchten. (Vom verbleibenden Rest wurde ein überproportionaler Anteil
unter US-Regie in den kurdischen Norden abgezweigt - 13 Prozent der
Bevölkerung, aber 20 Prozent der Zahlungen. Diese Region stand ja nicht
länger unter Bagdads Kontrolle. Die zynische Absicht dahinter war, zu
zeigen, dass es nicht die Sanktionen, sondern Saddams Schuld ist, wenn das
irakische Volk leidet.) Später entfernte die UNO die Obergrenze bei den
Oeleinnahmen Iraks, verhinderte aber die Wiederherstellung der irakischen
Oelindustrie. So blieben die Beschränkungen faktisch in Kraft.
1998 machte die UNO eine
landesweite Untersuchung der Gesundheits- und Ernährungssituation. Sie
fand heraus, die sich die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren
im Süd- und Zentralirak innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt hatte. Mit
anderen Worten: Bis 1998 waren eine halbe Million Kinder zusätzlich
gestorben. Jeden Monat liegt die Zahl der zusätzlichen Tode unter Kindern
bei 5'000. UNICEF schätzte 2002, dass 70 Prozent der Todesfälle von
Durchfällen und akuten Infektionen der Atmungsorgane herrühren. Das ist
das Ergebnis des Zusammenbruchs der zivilen Infrastruktur:
Wasserversorgung, Abwasserreinigung, Elektrizität - genau wie es der
US-Geheimdienst 1991 vorausgesagt hatte. Auch Erwachsene, vor allem
Aeltere und kranke Personen waren davon betroffen. Die Gesamtzahl aller
Opfer liegt nach einem UNICEF-Bericht aus 19997 bei 1,2 Millionen.
Die Beweise für die Auswirkungen
der Sanktionen kamen direkt von der Quelle: Dennis Halliday, humanitärer
Koordinator im Irak 1997-98, trat aus Protest gegen die Anwendung der
Sanktionen, die er "Völkermord" nannte, zurück. An seine Stelle trat Hans
von Sponeck, der im Jahr 2000 aus den gleichen Gründen zurücktrat. Jutta
Burghardt, die Direktorin des UN-Welternährungsprogramms, trat ebenfalls
zurück und sagte: "Ich unterstütze voll, was Herr von Sponeck sagt."
Es gibt keinen Raum für Zweifel:
Dieser Völkermord ist bewusste US-Politik. Am 12. Mai 1996 wurde Madeleine
Albright vom CBS-Reporter Lesley Stahl gefragt: "Wir haben gehört, dass
eine halbe Million Kinder gestorben ist. Ich meine, das sind mehr Opfer
als in Hiroshima. Und, was meinen Sie: Ist es diesen Preis wert?"
Albrights Antwort: "Ich denke, es ist eine schwere Wahl, aber wir denken,
es ist es wert."
3.5 Die Rückkehr der imperialistischen
Besatzung
'Waffeninspektion' als Mittel der Provokation,
Spionage und von Morden
Heute kann es keine Zweifel mehr
daran geben, dass UNSCOM, das UN-Waffeninspektionsteam von den USA zum
Werkzeug der Uebernahme Iraks gemacht wurde. UNSCOM hat sein Vorgehen
nicht nur fortwährend mit US- und Israels Geheimdiensten abgestimmt,
welche Orte zu inspizieren seien. Agenten dieser Dienste waren auch Teil
der Inspektionsteams. Scott Ritter, ein ehemaliger UN-Waffeninspekteur,
schreibt:
"Ich erinnere mich, wie es zu meiner Zeit als
Chefinspekteur im Irak in den Teams Dutzende extrem fitter
'Raketenexperten' und 'Logistikspezialisten' gab. Sie kamen von Einheiten
wie der US-Delta Force oder aus paramilitärischen CIA-Einheiten wie den
Special Activities Staff (beide spielen heute beim Konflikt in Afghanistan
eine Rolle). Diese Spezialisten spielten ihre berechtigte Rolle in dem
schwierigen Katz-und-Maus-Spiel der Entwaffnung Iraks. Ihre Berechtigung
hatten auch die Teams britischer Abhörspezialisten, die ich von 1996-98
leitete. Sie hörten die Gespräche in Husseins innerem Kreis ab. Andere
Geheimdienstexperten waren ebenfalls Teil der Inspektionsmannschaften. Die
Gegenwart dieser Personen wurde und wird von der irakischen Regierung als
nicht akzeptierbares Risiko für ihre nationale Sicherheit angesehen. Schon
1992 sahen die Iraker die Teams, die ich führte, als Gefahr für das Leben
ihres Präsidenten an." (Los Angeles Times, 16.06.2002)
Rolf Ekeus, der die
Waffeninspektionsmission von 1991-97 führte, enthüllte vor kurzem in einem
Interview im schwedischen Radio, dass er wusste, was los war: "Es gab
keinen Zweifel, dass die Amerikaner die Inspektionen so beeinflussen
wollten, dass sie bestimmte, fundamentale US-Interessen förderten." Der
Druck der USA schloss Versuche ein, "Krisen im Verhältnis zum Irak zu
schaffen, die in Verbindung zur gesamten politischen Situation,
international und vielleicht auch national, standen...Sie hatten den
Ehrgeiz, mit einer blanken Provokation eine Krise im Verhältnis zum Irak
zu erzeugen, zum Beispiel durch die Inspektion des
Verteidigungsministeriums. Vom irakischen Standpunkt aus war das eine
Provokation." Er sagte, die USA wollten Informationen darüber, wie die
irakischen Sicherheitsdienste organisiert wären und wie stark die
Streitkräfte sind. Und er sagte, er sei sich "bewusst", dass die USA
Informationen suchten, wo sich Saddam Hussein verstecke, "was interessant
wäre, wenn man ihn persönlich angreifen wolle". (Reuters, 30.07.2002)
Bis 1997, so heisst es in Ekeus'
Bericht an den Sicherheitsrat, sind 93 Prozent des irakischen
Waffenarsenals vernichtet worden. UNSCOM und die internationale
Atom-Energie-Behörde (IAEA) bestätigten, dass Iraks Atomprogramm nicht
mehr existierte und dass seine Langstreckenwaffen zerstört waren.
(Inspekteure der IAEA reisen bis heute in den Irak und melden den
Vollzug.) 1999 meldete ein Spezialgremium des Sicherheitsrates, dass die
irakischen Biowaffen-Anlagen (die wie schon erwähnt, von den USA geliefert
wurden) "zerstört sind und als harmlos angesehen werden müssen". Aus
Gründen, auf die wir noch später eingehen werden, wuchs der Druck, vor
allem Frankreichs und Russlands für die schrittweise Aufhebung der
Sanktionen.
Die USA sahen die Umsetzung der
UN-Resolution 687 durch Irak als Bedrohung ihrer fortgesetzten Pläne an,
Iraks Souveränität noch mehr zu zerfetzen. Ekeus wurde 1997 durch den
Australier Richard Butler ersetzt. Dieser kam dank amerikanischer Hilfe
auf den Posten und gab wenig auf die Meinung der anderen Mitglieder des
UN-Sicherheitsrates. Nach einer Serie von Konfrontationsversuchen, bei
denen er Orte wie das Verteidigungsministerium oder die Präsidentenpaläste
inspizieren wollte, beklagte sich Butler über die Nichtkooperation der
Iraker und zog die Inspekteure im November und Dezember 1998 ab, das
zweite Mal ohne Konsultation des Sicherheitsrates - ausser der USA. Das
geschah zur Vorbereitung der "Operation Wüstenfuchs" - einer
wolkenbruchartigen Bombenkampagne der Briten und Amerikaner im Süd- und
Zentralirak vom 16.-19. Dezember 1998. Bezeichnenderweise wandten sich die
USA und Grossbritannien vor dem Angriff nicht an den Sicherheitsrat.
Der grosse Preis
Neben den schrecklichen, direkten
humanitären Auswirkungen der Sanktionen, muss man im Kopf behalten, dass
eine andere Rechnung der USA die Sanktionen bis zur Invasion verlängern
wollte: Unter dem Sanktionenregime sind ausländische Investitionen im Irak
unmöglich. Auch kann die Oelindustrie des Landes nicht wiederaufgebaut
werden. Für die USA sind die Sanktionen so ein wichtiges Mittel, um andere
imperialistische Mächte daran zu hindern, ihren Fuss auf irakischen Boden
zu setzen - die irakische Geschichte wiederholt sich.
Irak hat ungeheure Oelreserven,
nur die saudischen sind grösser. Und sie können gleich billig wie das
saudische Oel gefördert werden. Es kann sein, dass zu den bereits
entdeckten 115 Milliarden Barrel Oel noch einmal die gleiche Menge
hinzukommt, die erst noch entdeckt werden muss. "Da seit den 70er Jahren
im Irak keine geologischen Untersuchungen mehr gemacht wurden, glauben
Experten, dass der wirklich vorhandene Oelreichtum die sicheren Reserven
weit übertreffen. Es könnten bis zu 250 Milliarden Barrel sein. Drei
Jahrzehnte voll politischer Unstabilität und Krieg verhinderten, dass Irak
55 seiner 70 vorhandenen Oelquellen entwickelt hat. Acht dieser Felder
können mehr als eine Milliarde Barrel 'leichtes Oel' enthalten - dicht an
der Oberfläche und billig zu fördern." (MERIP, S. 15) "So etwas gibt es
sonst nirgends auf der Welt", sagt Gerald Butt, Herausgeber des Middle
East Economic Survey: "Es ist der grosse Preis." ("West sees
glittering prizes ahead in giant oilfields", Michael Theodoulou and Roland
Watson, The Times, 11.07.2002)
Iraks
Vorkriegsproduktion lag bei 3 Millionen Barrel am Tag; die derzeitige
Produktionskapazität wird auf 2,8 Milliarden Barrel geschätzt. Wegen der
schlechten, veralteten Ausrüstung kann diese Zahl jedoch nicht erreicht
werden. Im Augenblick exportiert der Irak weniger als eine Million Barrel
am Tag. Man schätzt, dass die irakische Produktion mit entsprechenden
Investitionen innerhalb von fünf Jahren 7-8 Millionen Barrel am Tag
erreichen kann. Das entspricht Saudi-Arabiens gegenwärtiger Produktion von
7,1 Millionen Barrel am Tag, fast 10 Prozent des Weltbedarfs.
Die Ausdehnung der irakischen
Produktion ist unmöglich, solange die Sanktionen aufrechterhalten werden.
Die UNO warnte im Jahr 2000 vor einem "grösseren Zusammenbruch" in der
irakischen Oelindustrie, wenn keine Ersatzteile und Ausrüstung geliefert
würde. Die USA verlangten, dass jeder Extradollar nur "für kurzfristige
Verbesserungen der irakischen Oelindustrie benutzt werden sollten und
nicht für langfristige Reparaturen". Das US-Energieministerium sagte:
"Schon im Januar 2002 drückte der Chef des UN-Programms, Benon Sevan,
seine Besorgnis über den Umfang der Beschränkungen bei Verträgen zur
Oelquellenentwicklung aus. Er sagte, das ganze Programm drohe
zusammenzubrechen. Nach Sevan wurde fast 2'000 Verträge mit einem Wert von
5 Milliarden Dollar zurückgehalten, 80 Prozent davon von den USA." (zitiert
in "The word from the CIA: it's the oil, stupid", The Age,
23/9/02)
Vom Standpunkt der
US-Oelinteressen aus, waren die Sanktionen ein doppelschneidiges Schwert.
Wenn sie auch die internationale Konkurrenz kurzfristig am Zügel hielten,
schlossen sie die Ausbeutung von Oelreserven im geschätzten Wert von
mehreren Billionen [1Billion = 1000 Milliarden] Dollar aus. Der Krieg
gegen Saddam Hussein wird neben anderen Dingen auch zur Lösung dieses
Widerspruch geführt.
Im Juni 2001 schlugen Frankreich
und Russland im UN-Sicherheitsrat vor, die Einschränkungen ausländischer
Investitionen für die irakische Oelindustrie aufzuheben. Natürlich
wurde der Vorschlag von Amerikanern und Briten abgelehnt. Das
amerikanische Gesetz verbietet US-Firmen Investitionen im Irak. Alle
Verträge zur Entwicklung der irakische Oelfelder waren mit Firmen aus
anderen Ländern abgeschlossen worden. Am 19.08.2002 veröffentlichte das
Wall Street Journal folgende Tabelle. Sie stützt sich auf Informationen
der Oelkonzerne:
Gesellschaften
mit Verträgen mit dem Irak und die Reserven in den Feldern, die sie nach
der
Aufhebung der Sanktionen fördern könnten
Gesellschaft |
Land |
Reserven
(Mrd. Barrel
) |
Elf
Aquitaine* |
Frankreich |
9-20 |
Lukoil,
Zarubezneft, Mashinoimport |
Russland |
7.5-15 |
Total SA* |
Frankreich |
3.5-7 |
China National
Petroleum |
China |
unter 2 |
ENI/Agip |
Italien |
unter 2 |
*) jetzt Teil von TotalFinaElf
Lukoils Vertrag zur Förderung im
West-Quran-Feld wird auf 20 Mrd. Dollar geschätzt und Zarubeznefts
Konzession zur Förderung im bin Umar-Feld auf bis zu 90 Mrd. Dollar. Nach
Angaben der Zeitschrift "World Energy Outlook" der internationalen
Energieagentur könnte der Wert der Verträge, die Irak mit dem Ausland
abgeschlossen hat, 1,1 Billionen Dollar erreichen.
Einer der Hauptgründe für die
amerikanische Invasion im Irak ist die Annullierung dieser Verträge. "Die
Sorge meiner Regierung ist", sagte ein russischer Beamter bei der UNO dem
[englischen] Observer im Oktober, "dass die vereinbarten Konzessionen
zwischen Bagdad und zahlreichen Unternehmen aufgehoben werden. Dass
US-Gesellschaften den grössten Teil dieser Verträge übernehmen
werden...Ja, man könnte es so sagen, dass Washington das Oel an sich
reisst."
Auch Frankreich fürchtet
"ökonomische Verluste durch die amerikanischen Oelpläne am Ende eines
Krieges. Trotzdem wird es wohl die Invasion unterstützen:
"Regierungsquellen fürchten, Frankreich könnte aussen vor bleiben, wenn es
den Krieg nicht unterstützen und eine bedeutende militärische Präsenz
zeigen würde. Wenn es zum Krieg kommt, will Frankreich unbedingt eine
prestigeträchtigere Rolle im Kampf erhalten als 1991, wo es nur schwach
verteidigtes Gebiet besetzen durfte. Es gab schon Verhandlungen zwischen
der staatlichen TotalFinaElf-Gesellschaft und den USA über die
Neuverteilung der Oelgebiete unter den grossen Oelkonzernen der Welt."
(ibid)
Den "Griff nach dem Oel" machte
der frühere CIA-Direktor James R. Woolsey in einem Interview mit der
Washington Post deutlich: "Frankreich und Russland haben Oelgesellschaften
und Interessen im Irak. Man sollte ihnen sagen, dass wir unser Bestes tun
werden, um sicherzustellen, dass die neue Regierung und amerikanische
Gesellschaften mit ihnen zusammenarbeiten - wenn sie mithelfen, Irak eine
vernünftige Regierung zu verschaffen." Aber er fügte hinzu: "Wenn sie sich
auf Saddams Seite stellen, wird es schwierig bis unmöglich sein, die neue
Regierung zu einer Kooperation mit ihnen zu überreden." ("In Iraqi War
Scenario, Oil Is the Key Issue; US Drillers Eye Huge Petroleum Pool", Dan
Morgan und David B. Ottoway, Washington Post, 15.9.2002)
Ahmed Chalabi, Vorsitzender des in
London ansässigen 'Irakischen Nationalkongresses', der sich der taktischen
(und wahrscheinlich zeitweiligen) Unterstützung der Bush-Administration
erfreut, traf im Oktober in Washington mit Direktoren dreier US-Multis
zusammen, um die Aufteilung des irakischen Oelkuchens nach der US-Invasion
auszuhandeln. Chalabi sagte zur Washington Post: "Amerikanische
Gesellschaften werden die grossen Tiere beim irakischen Oel sein." Die
amerikanische Dominanz ist so krass, dass sogar Lord Browne, der Chef von
BP (früher als British Petroleum bekannt), davor warnte, dass britische
Oelgesellschaften aus dem Nachkriegs-Irak hinausgedrückt worden sind,
bevor auch nur ein Schuss der US-geführten Invasionstruppen gefallen ist."
(The Observer, 3.11.2002)
Die Logik der Invasion
Bei dieser Logik überrascht es
kaum, dass Bush und sein Kabinett die Invasion im Irak schon vor seinem
Amtsantritt im Januar 2001 geplant hatte. Der Plan wurde von einer
rechtsstehenden Denkfabrik für Dick Cheney, jetzt Vizepräsident, Donald
Rumsfeld, den Verteidigungsminister, Paul Wolfowitz, Rumsfelds
Stellvertreter, Bushs jüngeren Bruder Jeb Bush und Lewis Libby, Cheneys
Stabchef entworfen. Wie Neil Mackay im 'Sunday Herald' vom 15.09.2002
schreibt, verdeutlicht der Plan, dass Bushs Kabinett die militärische
Kontrolle über die Golfregion übernehmen wollte, unabhängig davon, ob
Saddam Hussein an der Macht sei oder nicht.
"Die Vereinigten Staaten haben jahrzehntelang
versucht, eine dauerhaftere Rolle bei der regionalen Sicherheit am Golf zu
spielen. Wenn der ungelöste Konflikt mit dem Irak auch die unmittelbare
Rechtfertigung liefert, übersteigt die Notwendigkeit der Anwesenheit einer
wesentlichen amerikanischen Streitmacht am Golf das Thema von Saddam
Husseins Regime." (Betonung hinzugefügt)
Ein Institut unter Leitung von
James Baker (Aussenminister von Bush Sr.) machte einen anderen Bericht für
Cheney im April 2001. Dieser hatte die gleiche Stossrichtung: "Irak bleibt ein
Störungsfaktor...im Oelfluss aus dem Mittleren Osten auf die
internationalen Märkte. Saddam Hussein hat auch seine Bereitschaft
bewiesen, die Oelwaffe und sein Exportprogramm zu nutzen, um die Oelmärkte
zu manipulieren." Der Bericht klagte, dass "Irak den Hahn
auf- und zudreht, wie es seinen strategischen Interessen gerade
passt." Weiter heisst es, dass es eine "Möglichkeit gebe, dass Saddam
Hussein über einen längeren Zeitraum Oel vom Markt zurückhalte", um den
Preisen zu schaden. Der Bericht empfiehlt, "dass die USA
schnell ihre Politik gegenüber dem Irak in militärischer,
energiepolitischer, ökonomischer und politisch-diplomatischer Hinsicht
überprüfen solle." Dieser Bericht war ein wichtiger Baustein des
nationalen Energieplans (dem "Cheney-Bericht"), den der amerikanische
Vizepräsident formulierte und der vom Weissen Haus anfangs Mai
herausgegeben wurde. Der Cheney-Bericht fordert ein wesentlich stärkeres
Engagement der USA in Regionen wie dem Persischen Golf, um den zukünftigen
Erdölbedarf sicherzustellen.
Nur Stunden nach den Attentaten
vom 11. September, befahl US-Verteidigungsminister Rumsfeld, ohne einen
Hinweis auf irakische Beteiligung zu haben, dem Militär, mit der
Vorbereitung von Angriffsplänen zu beginnen. Die Niederschrift der Sitzung
zitiert Rumsfeld. Er wolle "schnell die besten Informationen. Beurteilt,
ob sie gut genug sind, um S. H. [Saddam Hussein] gleichzeitig zu schlagen.
Nicht nur UBL [Usama bin Laden]". Weiter zitieren die Aufzeichnungen
Rumsfeld: "Geht massiv ran. Wischt alles auf. Zusammenhänge oder
keine."
Das ganze Buch kann hier runtergeladen werden: http://home.arcor.de/r.u.p.e/download.htm
Diskussion
) Die USA brauchten damals das irakische Oel nicht
für ihren eigenen Konsum: Grosse Funde in Amerika hatten zu einem
Ueberangebot geführt. Die amerikanischen Oelgesellschaften brauchten eine
Präsenz in Uebersee, um das weltweite Angebot einzuschränken und so die
Preise auf einem profitablen Niveau zu halten. Und die USA wollten als
neue Führungsmacht des Kapitalismus sicherstellen, dass die strategische
Resourcen der Welt unter ihre Kontrolle kamen. Später, nach dem 2.
Weltkrieg würde die USA ihre Kontrolle über das westasiatische Oel als ein
Mittel zur Vorherrschaft in Europa benutzen.
) Die wechselseitige Austauschbarkeit der Kader von
Oelkonzernen und Regierungsposten ist eine Tradition des politischen
Lebens der USA. Sie hat vorhersehbare Auswirkungen: In der gegenwärtigen
Administration sind Präsident Bush, Vizepräsident Cheney und die nationale
Sicherheitsberaterin Rice ehemalige Kader von Oelkonzernen.
) Die OPEC - Organisation of Petroleum
Exporting Countries wurde in Bagdad im September 1960 gegründet, um die
Oelpolitik der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen und zu koordinieren.
Gründungsmitglieder waren: Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und
Venezuela.
) Die Tatsache, dass die USA den Säkularismus Iraks
als Puffer gegen Khomeinis 'islamische Revolution' ansahen, durchkreuzt
die gelegentlichen, heutigen Versuche der USA, Saddam als Teil einer
globalen, fundamentalistischen, islamischen Verschwörung hinzustellen.
) Die USA benutzten gefälschte Satellitenaufnahmen,
um die Saudis zu überzeugen, dass auch an ihrer Grenze irakische Truppen
zusammengezogen würden und dass ihr Land auch angegriffen werden würde.
Das half bei der Ueberwindung der saudischen Sorgen in Bezug auf die
Stationierung von nicht muslimischen Truppen im Land von Mekka und
Medina.
) Die folgende Schilderung der
US-Massaker wurde von Jacob Levich beigetragen
) Am 24. Januar, nur eine Woche nach Beginn der
Luftangriffe, erklärte General Colin Powell, dass die USA die
"Luftüberlegenheit" erreicht hätten. Das ist normalerweise definiert als
der "Grad der Vorherrschaft in der Luft, die eigenen Land-, See- und
Luftstreitkräften erlaubt, ihre Operationen zu jeder Zeit und an jedem Ort
ohne das Eingreifen eines Gegners durchzuführen. Powell gab weiterhin
bekannt, dass Iraks Atomprogramm zerstört sei. (Dan Balz and Rick Atkinson, "Powell Vows to Isolate
Iraqi Army and 'Kill It'," Washington Post, 24.01.1991.) Trotzdem dauerten die Bombenangriffe weitere fünf
Wochen. Da sollte eine Lektion erteilt werden.
) Diese beiden Länder sind neben China
von Bagdad im Handel bevorzugt worden: Von den 18,29 Milliarden Dollar,
die die UNO erlaubt hatte, wickelten sie 5,48 Milliarden ab .
) Dass die Briten trotzdem bei der Invasion dabei
sind, liegt daran, dass sie ihre Interessen im ganzen gesehen durch die
US-Offensive abgedeckt sehen. Ausserdem ist es unwahrscheinlich, dass sie
komplett ausgeschlossen blieben, sie müssen sich nur hinter den
Amerikanern in der Schlange anstellen. |