louis althusser:
ideologie + ideologische staatsapparate
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Über die Reproduktion der
Produktionsbedingungen1
Wir müssen nun etwas ins Blickfeld rücken, was wir in unserer
Analyse nur einen kurzen Augenblick gestreift haben als wir von der
Notwendigkeit sprachen, die Produktionsmittel zu erneuern; damit die Produktion
möglich ist. Das war ein Hinweis am Rande. Wir werden ihn nun für sich
selbst untersuchen.
Wie Marx schon sagte, weiss selbst ein Kind, dass eine
Gesellschaftsformation, die nicht die Bedingungen der Produktion zur gleichen
Zeit reproduziert, wie sie überhaupt produziert, kein Jahr überleben
würde2. Die letztliche Bedingung
der Produktion ist also die Reproduktion
der Produktionsbedingungen. Sie ist "einfach" (nur die Bedingungen der
vorhergehenden Produktion reproduzierend) oder "erweitert" (sie
erweiternd). Lassen wir im Augenblick letztere Unterscheidung beiseite.
Was ist nun die Reproduktion der Produktionsbedingungen?
Wir betreten hier ein Gebiet, das zugleich sehr vertraut (seit dem 2. Band
des "Kapital") und eigenartig verkannt ist. Die hartnäckigen
Evidenzen (ideologische Evidenzen vom empiristischen Typ) vom Standpunkt der
alleinigen Produktion her oder gar der einfachen produktiven Praxis, (die selber
abstrakt ist im Verhältnis zur Produktion), vereinen sich so sehr mit
unserem alltäglichen "Bewußtsein", daß es
äußerst schwierig ist, um nicht zu sagen fast unmöglich, zum
Standpunkt der Reproduktion aufzusteigen. Jedoch bleibt ausserhalb dieses
Standpunktes alles abstrakt (mehr als partiell: deformiert) - selbst auf der
Ebene der Produktion und, um so mehr, der einfachen Praxis.
Versuchen wir die Dinge mit Methode zu betrachten. Um unsere Darlegung zu
vereinfachen und davon ausgehend, daß jede Gesellschaftsformation auf
einer dominierenden Produktionsweise beruht, können wir sagen, daß
der Produktionsprozeß die bestehenden Produktivkräfte in und unter
bestimmten Produktionsverhältnissen in Bewegung setzt. Daraus folgt,
daß, um existieren zu können, jede Gesellschaftsformation,
während sie produziert und um produzieren zu können, die Bedingungen
ihrer Produktion reproduzieren muß. Sie muß also reproduzieren:
1) die Produktivkräfte
2) die Produktionsverhältnisse.
Reproduktion der Produktionsmittel
Alle Welt (die bürgerlichen Ökonomen, die mit einer nationalen
Rechnungsführung arbeiten, oder die modernen "makroökonomischen
Theoretiker" inbegriffen) erkennt heute, auf Grund der bahnbrechenden
Darlegung von Marx im 2. Band des "Kapital", daß keine
Produktion möglich ist, ohne daß die Reproduktion der materiellen
Produktionsbedingungen erfolgt: die Reproduktionsbedingungen der
Produktionsmittel.
Jeder beliebige Ökonom, sich darin nicht von einem beliebigen
Kapitalisten unterscheidend, weiß, daß man jedes Jahr für den
Ersatz dessen sorgen muß, was sich aufbraucht oder abnutzt in der
Produktion: Rohstoffe, feste Anlagen (Gebäude), Produktionsinstrumente
(Maschinen) usw. Wir sagen: beliebiger Ökonom = beliebiger Kapitalist, weil
sie beide den Standpunkt des Betriebs vertreten, indem sie nur die Begriffe der
finanziellen Abrechnungspraxis des Betriebes kommentieren.
Aber wir wissen, Dank dem (Genie von Quesnay, der als erster dieses "in
die Augen springende" Problem erkannt hat, und dem Genie von Marx, der es
gelöst hat, daß die Reproduktion der materiellen
Produktionsbedingungen nicht auf der Ebene des Betriebes gedacht werden kann;
denn dieser existiert dort nicht in seinen realen Bedingungen. Was sich auf der
Ebene des Betriebes abspielt, ist eine Wirkung, die nur die Notwendigkeit der
Reproduktion deutlich macht, aber in keiner Weise ermöglicht, ihre
Bedingungen und Mechanismen zu denken.
Es genügt kurz nachzudenken, um sich davon zu überzeugen: Herr
Kapitalist X, der in seiner Weberei Wollstoffe produziert, muß seinen
Rohstoff, seine Maschinen usw. "reproduzieren". Aber nicht er
produziert sie für seine Produktion, sondern andere Kapitalisten: ein
großer Schafzüchter aus Australien, Herr Y, ein großer
Metallunternehmer, der Werkzeugmaschinen produziert, Herr Z. usw. usf., die
ihrerseits, um diese Produkte zu produzieren, die die Reproduktion der
Produktionsbedingungen von Herrn X ermöglichen, die Bedingungen ihrer
eigenen Produktion reproduzieren müssen, usw. bis ins Unendliche - das
Ganze in derartigen Proportionen, daß auf dem nationalen Markt, wenn nicht
auf dem Weltmarkt, die Nachfrage an Produktionsmitteln (zur Reproduktion) durch
das Angebot abgedeckt werden kann.
Um diesen Mechanismus, der auf einen "Faden ohne Ende"
hinausläuft, denken zu können, muß man dem "globalen"
Vorgehen von Marx folgen und insbesondere die Zirkulationsverhältnisse des
Kapitals zwischen dem Sektor 1 (Produktion der Produktionsmittel) und dem Sektor
2 (Produktion der Konsumtionsmittel) sowie die Realisierung des Mehrwerts im 2.
und 3. Band des "Kapital" studieren.
Reproduktion der Arbeitskraft
Jedoch wird etwas den Leser zweifellos überrascht haben. Wir haben von
der Reproduktion der Produktionsmittel gesprochen - und nicht von der
Reproduktion der Produktivkräfte. Wir haben also die Reproduktion dessen,
was die Produktivkräfte von den Produktionsmitteln unterscheidet
übergangen, nämlich die Reproduktion der Arbeitskraft.
Wenn die Beobachtung dessen, was sich im Betrieb abspielt, insbesondere die
Untersuchung der finanziellen Rechnungspraxis der Amortisations- und
Investitionsvoraussagen, uns ein annäherndes Bild von der Existenz des
materiellen Vorgangs der Reproduktion geben konnte, so betreten wir nun ein
Gebiet, für das die Beobachtung dessen, was sich im Betrieb abspielt, wenn
nicht völlig, so doch fast gänzlich blind ist, und das aus einem guten
Grund: die Reproduktion der Arbeitskraft erfolgt hauptsächlich
außerhalb des Betriebes.
Wie erfolgt die Reproduktion der Arbeitskraft?
Sie erfolgt, indem der Arbeitskraft die materielle Möglichkeit ihrer
Reproduktion gegeben wird: durch den Lohn. Der Lohn taucht in der
Rechnungsführung jedes Betriebes auf, aber als "Kapital
Arbeit"3 und nicht als
Bedingung der materiellen Reproduktion der Arbeitskraft.
Dennoch wirkt er genau so, denn der Lohn repräsentiert nur den Teil des
durch die Verausgabung der Arbeitskraft produzierten Wertes, der zu ihrer
Reproduktion unbedingt notwendig ist. Verstehen wir richtig: Unbedingt notwendig
zur Wiederherstellung der Arbeitskraft des Lohnabhängigen (für seine
Wohnung, seine Kleidung und seine Nahrung; kurz alles, was er braucht, um sich
am nächsten Morgen - jeden Morgen, den Gott schafft - am Fabriktor melden
zu können); fügen wir hinzu: unbedingt notwendig zur Erziehung der
Kinder, in denen sich der Arbeiter reproduziert (in x Exemplaren: x kann dabei
sein gleich 0, l, 2, usw.) als Arbeitskraft.
Ich erinnere daran, daß diese Wertmenge (der Lohn), der zur
Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist, nicht bestimmt wird durch die
alleinigen Bedürfnisse eines "biologischen" Minimaleinkommens,
sondern durch die Bedürfnisse eines historischen (Marx bemerkte: die
englischen Arbeiter brauchen Bier und die französischen Wein), also
historisch variablen Minimums.
Auch weise ich darauf hin, daß dieses Minimum doppelt historisch ist,
insofern es nicht bestimmt ist durch die von der Kapitalistenklasse
"anerkannten" historischen Bedürfnisse der Arbeiterklasse,
sondern durch die im proletarischen Klassenkampf durchgesetzten historischen
Bedürfnisse (ein doppelter Klassenkampf; gegen die Erhöhung der
Arbeitszeit und gegen die Senkung der Löhne). Dennoch genügt es nicht,
der Arbeitskraft die materiellen Bedingungen ihrer Reproduktion zu geben, um sie
als Arbeitskraft zu reproduzieren. Ich habe gesagt, daß die zur
Verfügung stehende Arbeitskraft "kompetent" sein muß, d.h.
fähig im komplexen System des Produktionsprozesses eingesetzt zu werden.
Die Entwicklung der Produktivkräfte und die historisch konstitutive Form
der Einheit der Produktivkräfte zu einem gegebenen Zeitpunkt produzieren
als Ergebnis, daß die Arbeitskraft (verschieden) qualifiziert sein und
also als solche reproduziert werden muß. Verschieden bedeutet: je nach den
Erfordernissen der gesellschaftlich-technischen Arbeitsteilung, dh. an ihren
verschiedenen "Posten" und "Beschäftigungsarten".
Wie aber erfolgt diese Reproduktion der (unterschiedlichen) Qualifikation der
Arbeitskraft in einem kapitalistischen Regime? Im Unterschied zu den
Gesellschaftsformationen der Sklaverei und der Leibeigenschaft tendiert diese
Reproduktion dahin (es handelt sich um ein tendenzielles Gesetz), nicht mehr
"an Ort und Stelle" gesichert zu werden (Anlernung in der Produktion
selbst), sondern mehr und mehr außerhalb der Produktion: durch das
kapitalistische Schulsystem und durch andere Instanzen und Institutionen.
Was aber lernt man in der Schule? Man gelangt mehr oder weniger weit in der
Ausbildung, aber man lernt auf jeden Fall lesen, schreiben, zählen - also
einige Techniken sowie noch einige andere Dinge, u.a. Elemente (die
rudimentär oder grundlegend im Gegenteil sein können) einer
"wissenschaftlichen oder literarischen Kultur", die direkt verwendbar
sind an den verschiedenen Posten der Produktion (eine Ausbildung für die
Arbeiter, eine andere für die Techniker, eine dritte für die
Ingenieure und eine weitere für die Manager usw.). Man lernt also
"Fähigkeiten".
Daneben und auch gleichzeitig mit diesen Techniken und Kenntnissen lernt man
auf der Schule die "Regeln" des guten Anstands, dh. des Verhaltens,
das jeder Träger der Arbeitsteilung einhalten muß, je nach dem
Posten, den er einzunehmen "bestimmt" ist: Regeln der Moral, des
staatsbürgerlichen und beruflichen Bewußtseins, was klarer
ausgedrückt heißt: Regeln der Einhaltung der
gesellschaftlich-technischen Arbeitsteilung und letztlich Regeln der durch die
Klassenherrschaft etablierten Ordnung: Man lernt dort auch "gut
französisch sprechen", gut "zu redigieren", d.h. faktisch
(für die zukünftigen Kapitalisten und ihre Knechte) "gut zu
kommandieren", dh. (als Ideallösung) gut zu den Arbeitern "zu
sprechen" usw.
Um diese Tatsache in einer mehr wissenschaftlichen Sprache auszudrücken,
können wir sagen, daß die Reproduktion der Arbeitskraft nicht nur die
Reproduktion ihrer Qualifikation erfordert, sondern auch gleichzeitig eine
Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die Regeln der etablierten Ordnung, dh.
für die Arbeiter die Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die herrschende
Ideologie und für die Träger der Ausbeutung und Unterdrückung
eine Reproduktion der Fähigkeit, gut mit der herrschenden Ideologie
umzugehen, um auch "durch das Wort" die Herrschaft der herrschenden
Klasse zu sichern.
Mit anderen Worten: die Schule (aber auch andere Institutionen des Staates
wie die Kirche oder andere Apparate wie die Armee) lehren
"Fähigkeiten, aber in Formen, die die Unterwerfung unter die
herrschende Ideologie oder die Beherrschung ihrer "Praxis" sichern.
Alle Träger der Produktion, der Ausbeutung und der Unterdrückung - von
den "Berufsideologen" (Marx) ganz zu schweigen - müssen auf die
eine oder andere Weise von dieser Ideologie "durchdrungen"sein, um
"bewußt ihre Aufgabe wahrzunehmen - entweder als Ausgebeuteter (die
Proletarier) oder als Ausbeuter (die Kapitalisten), als Gehilfen der Ausbeuter
(die Manager), als Hohe Priester der herrschenden Ideologie (deren
"Funktionäre") usw. usf. Die Reproduktion der Arbeitskraft macht
also deutlich, daß ihre conditio sine qua non nicht nur die Reproduktion
ihrer "Qualifikation" ist, sondern auch die Reproduktion ihrer
Unterwerfung unter die herrschende Ideologie oder der "Praxis" dieser
Ideologie, bei folgender Präzisierung: daß es nicht genügt
"sowohl als auch" zu sagen, denn es wird deutlich, daß die
Reproduktion der Qualifikation der Arbeitskraft erfolgt in den Formen der
ideologischen Unterwerfung.
Auf diese Weise stoßen wir aber auf die Wirksamkeit einer 'neuen
Realität: der Ideologie.'
Hier muß ich zwei Bemerkungen machen. Die erste, um unsere Analyse der
Reproduktion zusammenzufassen.
Wir haben soeben kurz die Formen der Reproduktion der Produktionskräfte
untersucht, dh. der Produktionsmittel einerseits und der Arbeitskraft
andererseits. Aber wir haben noch nicht die Frage der Reproduktion der
Produktionsverhältnisse angeschnitten. Diese Frage ist aber eine Kernfrage
der marxistischen Theorie der Produktionsweise. Sie übergehen ist eine
theoretische Unterlassung - schlimmer : ein schwerer politischer Fehler.
Wir werden also darauf eingehen. Aber um die Mittel dazu zu haben,
müssen wir ein weiteres Mal einen großen Umweg machen.
Die zweite Bemerkung ist die, daß wir, um diesen Umweg zu machen,
gezwungen sind, auf unsere alte Frage zu antworten: was ist eine
Gesellschaft?
Basis und Überbau
Ich habe bei anderer Gelegenheit4
den revolutionären Charakter der
marxistischen Konzeption des "sozialen Ganzen" im Unterschied zur
hegelianischen "Totalität" betont. Ich habe gesagt (und diese
These nahm nur die berühmten Aussagen des historischenMaterialismus wieder
auf), daß Marx die Struktur jeder Gesellschaft begreift als konstituiert
durch die verschiedenen "Ebenen" oder "Instanzen", die durch
eine spezifische Determination einander zugeordnet (articulés) sind: die
ökonomische Basis ("Einheit" der Produktivkräfte und der
Produktionsverhältnisse) und der Überbau, der selbst zwei
"Ebenen" oder "Instanzen" umfaßt: die
juristisch-politische (das Recht und den Staat) und die Ideologie (die
verschiedenen Ideologien, religiöse, moralische, juristische, politische,
usw.).
Außer ihrer theoretisch-pädagogischen Bedeutung (die den
Unterschied Marx - Hegel deutlich macht) hat diese Darstellung folgenden
äußerst wichtigen theoretischen Vorteil: sie erlaubt es, in die
theoretische Anordnung ihrer grundlegenden Begriffe einzufügen, was ich ihr
jeweiliges Wirksamkeitsmerkmal genannt habe. Was ist darunter zu verstehen?
Jeder kann sich leicht davon überzeugen, daß diese Vorstellung von
der Struktur jeder Gesellschaft als einem Gebäude mit einer Basis,
über der sich die zwei "Etagen" des Überbaus erheben, eine
Metapher, ist, genauer: eine räumliche Metapher, einen Topos
5. Wie jede
Metapher gibt diese Metapher vor, etwas zu zeigen. Was? Nun, genau folgendes:
daß die beiden oberen Etagen sich nicht alleine (in der Luft)
"halten" könnten, wenn sie nicht auf ihrer Basis ruhen
würden. Die Metapher des Gebäudes hat also zum Ziel, vor allem die
"Determinierung in letzter Instanz" durch die ökonomische Basis
zu zeigen. Diese räumliche Metapher bewirkt also die Zuordnung eines
Wirksamkeitsmerkmals zur Basis, das bekannt ist durch die berühmten Worte:
Determinierung in letzter Instanz dessen, was sich in den "Etagen"
(des Überbaus) abspielt, durch das, was sich in der ökonomischen Basis
abspielt.
Auf Grund dieses Wirksamkeitsmerkmals "in letzter Instanz erhalten die
"Etagen" des Überbaus natürlich andere Wirksamkeitsmerkmale
zugeordnet. Welche Art Merkmale?
Man kann sagen, daß die Etagen des Überbaus nicht determinierend
in letzter Instanz sind, sondern bestimmt durch die Wirksamkeit der Basis;
daß, wenn sie auf ihre (noch nicht definierte) Weise determinierend sind,
so sind sie es als determiniert durch die Basis.
Ihr Wirksamkeitsmerkmal (oder Determinierungsmerkmal) wird in der
marxistischen Tradition als bestimmt durch die Determination in letzter Instanz
durch die Basis auf zwei Arten gedacht: 1) es gibt eine "relative
Autonomie" des Überbaus gegenüber der Basis; 2) es gibt eine
"Rückwirkung" des Überbaus auf die Basis.
Wir können daher sagen, daß es der große theoretische
Vorteil des marxistischen Topos ist, also der räumlichen Metapher vom
Gebäude (Basis und Überbau), gleichzeitig deutlich zu machen,
daß Fragen der Determination (oder des Wirksamkeitsmerkmals)
äußerst wichtig sind; zu zeigen, daß die Basis in letzter
Instanz das ganze Gebäude bestimmt; und folglich, dazu zu zwingen, das
theoretische Problem der Art der dem Überbau eigenen
"abgeleiteten" Wirksamkeit zu stellen, d.h. dazu zu zwingen, das zu
denken, was die marxistische Tradition zugleich a1s relative Autonomie des
Überbaus wie auch der Rückwirkung des Überbaus auf die Basis
bezeichnet.
Der Hauptmangel dieser Darstellung der Struktur einer jeden Gesellschaft in
der räumlichen Metapher des Gebäudes ist natürlich, daß sie
eine Metapher ist: d.h. daß sie beschreibend bleibt. Es scheint mir
nunmehr wünschenswert und möglich, die Dinge anders darzustellen. Man
verstehe mich richtig: ich lehne keineswegs die klassische Metapher ab, da sie
ja selbst dazu zwingt, über sie hinausgehen. Und ich werde nicht über
sie hinausgehen, um sie als hinfällig abzulehnen. Ich will lediglich
versuchen zu denken, was sie uns in der Form einer Beschreibung gibt.
Ich glaube, daß ausgehend von der Reproduktion es möglich und
notwendig ist zu denken, was das Wesen der Existenz und der Natur des
Überbaus ausmacht. Es genügt, sich auf den Standpunkt der Reproduktion
zu begeben, damit sich mehrere der Fragen aufklären, deren Existenz die
räumliche Metapher vom Gebäude anzeigt, ohne ihnen eine begriffliche
Antwort zu geben.
Meine grundlegende These ist, daß es nur möglich ist, diese Fragen
zu stellen (und darauf zu antworten) vom Standpunkt der Reproduktion aus.
Ich werde kurz von diesem Standpunkt aus das Recht, den Staat und die
Ideologie untersuchen. Und ich werde gleichzeitig aufzeigen, was geschieht vom
Standpunkt der Praxis und der Produktion einerseits und dem der Reproduktion
andererseits.
Der Staat
Die marxistische Tradition ist eindeutig: der Staat wird vom
"Manifest" und vom "18. Brumaire" an (und in allen
späteren klassischen Texten, vor allem von Marx über die Pariser
Commune und von Lenin über "Staat und Revolution") explizit als
repressiver Apparat verstanden. Der Staat ist eine
"Unterdrückungsmaschine", die es den herrschenden Klassen (im l9.
Jhd. der Bourgeoisie und der "Klasse" der Großgrundbesitzer)
erlaubt, ihre Herrschaft über die Arbeiterklasse zu sichern, um sie dem
Prozeß der Abpressung des Mehrwerts (dh. kapitalistischen Ausbeutung) zu
unterwerfen.
Der Staat ist dabei vor allem das, was die Klassiker des Marxismus als
Staatsapparat bezeichnet haben. Man versteht unter diesem Begriff nicht nur den
spezialisierten Apparat (im engeren Sinne), dessen Existenz und Notwendigkeit
wir ausgehend von der juristischen Praxis erkannt haben, d.h. die Polizei, die
Gerichte, die Gefängnisse; sondern auch die Armee, die (das Proletariat hat
diese Erfahrung mit seinem Blut bezahlen müssen) direkt eingreift als
ergänzende repressive Macht in letzter Instanz, wenn die Polizei und ihre
spezialisierten Hilfstruppen "von den Ereignissen überrollt"
werden; und über all dem: der Staatschef, die Regierung und die
Verwaltung:
In dieser Weise dargelegt berührt die marxistisch-leninistische
"Theorie" des Staates das Wesentliche, und es kann keinen Augenblick
ein Zweifel darüber bestehen, daß man sich bewußt werden
muß, daß dies wirklich das Wesentliche ist. Der Staatsapparat, der
den Staat definiert als repressive Ausführungs- und Interventionsmacht
"im Dienste der herrschenden Klassen" im Klassenkampf, den die
Bourgeoisie und ihre Verbündeten gegen das Proletariat führen, ist in
der Tat der Staat und definiert in der Tat seine grundlegende
"Funktion".
Von der beschreibenden Theorie zur Theorie im eigentlichen Sinne
Jedoch auch hier bleibt, wie ich es bereits über die Metapher vom
Überbau) gesagt habe, die Darlegung der Natur des Staates zum Teil
beschreibend.
Da ich dieses Adjektiv (beschreibend) noch öfters benutzen werde, sind
ein paar Worte der Erklärung zur Vermeidung jeglicher
Mißverständnisse notwendig.
Wenn ich von der Metapher des Gebäudes oder der marxistischen
"Theorie" des Staates sage, daß es beschreibende Konzeptionen
oder Darstellungen ihres Objektes sind, so habe ich dabei keinen kritischen
Hintergedanken. Ich habe vielmehr allen Grund zu glauben, daß die
großen wissenschaftlichen Entdeckungen nicht vermeiden können, durch
die Phase einer, wie ich es nennen werde, beschreibenden "Theorie" zu
gehen. Das wäre die erste Phase jeder Theorie, zumindest auf dem Gebiet,
das uns beschäftigt (dem der Wissenschaft von den Gesellschaftsformationen.
Als solche sollte man - meiner Meinung nach muß man es - diese Phase als
eine Übergangsphase begreifen, die notwendig ist zur Entwicklung der
Theorie. Daß sie vorübergehend ist, kennzeichne ich mit meinem
Ausdruck: "beschreibende T'heorie", indem ich in der Verbindung der
Begriffe, die ich benutze, so etwas wie einen "Widerspruch" auftreten
lasse. Der Begriff "Theorie" hebt sich nämlich z.T. ab vom
Adjektiv "beschreibend", das mit ihm gekoppelt ist. Das soll
bedeuten:1. daß die "beschreibende Theorie" wirklich und ohne
jeden möglichen Zweifel der Beginn ohne Rückkehr der Theorie ist, aber
2., daß die "beschreibende" Form, in der sich die Theorie
darstellt vermittels der diesem "Widerspruch" eigenen Wirksamkeit,
eine Entwicklung der Theorie erfordert, die über die Form der
"Beschreibung" hinausgeht.
Konkretisieren wir unseren Gedanken, indem wir zu unserem vorliegenden
Gegenstand zurückkehren: dem Staat.
Wenn ich sage, daß die marxistische "Theorie" des Staates,
die uns vorliegt, z.T. "beschreibend" bleibt, so heißt das
zunächst und vor allem, daß diese "Theorie" ohne jeden
möglichen Zweifel der wirkliche Beginn der marxistischen Staatstheorie ist
und daß dieser Beginn uns das Wesentliche gibt, d.h. das entscheidende
Prinzip für jede spätere Entwicklung der Theorie.
Ich sage in der Tat, daß die beschreibende marxistische
Staatstheorie richtig ist, weil man ohne weiteres die große Mehrzahl der
zu beobachtenden Fakten des Bereichs, den sie betrifft, in Entsprechung bringen
kann zu der Definition, die sie von ihrem Objekt gibt. Die Definition des
Staates als Klassenstaat, der als unterdrückender Staatsapparat existiert,
erklärt in der Tat auf bahnbrechende Weise alle zu beobachtenden Fakten in
den verschiedenen Unterdrückungsordnungen, auf welchem Gebiet auch immer:
von den Massakern im Juni 48 und der Pariser Commune, vom Blutsonntag im Mai
1905 in Petrograd, von der Resistance, von Charonne usw. . . bis zu den
einfachen (und relativ harmlosen) Eingriffen einer "Zensur", die die
"Nonne" von Diderot verbietet oder ein Stück von Gatti über
Franco; sie erklärt alle direkten oder indirekten Formen der Ausbeutung und
der Ausrottung der Volksmassen (die imperialistischen Kriege); sie erklärt
jene subtile tagtägliche Beherrschung, wo z.B. in den Formen der
politischen Demokratie aufbricht, was Lenin mit dem Worten von Marx als Diktatur
der Bourgeoisie bezeichnet hat.
Jedoch stellt die beschreibende Staatstheorie eine Phase der
Konstituierung der Theorie dar, die selber ihr "darüber hinaus
gehen" fordert. Denn es ist klar, daß wenn auch die angegebene
Definition uns in der Tat die Mittel gibt, die
Unterdrückungsmaßnahmen zu identifizieren und zu erkennen und sie auf
den Staat, der als unterdrückender Staatsapparat konzipiert ist, zu
beziehen, so schafft doch dieses "in Beziehung setzen" eine besondere
Art der Evidenz, auf die wir in wenigen Augenblicken zurückkommen werden:
"Ja, so ist es, das ist sehr wahr!.6
Außerdem bringt die
Akkumulation von Fakten unter der Definition des Staates - wenn sie auch dessen
Beschreibung vervielfältigt - die Definition des Staates (selbst) nicht
wirklich voran, dh. seine wissenschaftliche Theorie. Jede beschreibende Theorie
läuft auf diese Weise Gefahr, die unbedingt notwendige Entwicklung der
Theorie zu "blockieren". Deshalb meine ich, ist es, um diese
beschreibende Theorie zu einer Theorie im eigentlichen Sinne au entwickeln, dh.
um tiefgreifender die Mechanismen des Staates in ihrer Wirksamkeit zu verstehen,
unbedingt notwendig, etwas der klassischen Definition des Staates als
Staatsapparat hinzuzufügen. Das Wesen der marxistischen Staatstheorie
Fassen wir zunächst einen wichtigen Punkt genauer: der Staat (und
seine Existenz in seinem Apparat) haben nur einen Sinn in Bezug auf die
Staatsmacht. Der ganze politische Klassenkampf dreht sich um den Staat.
Verstehen wir uns richtig: um den Besitz, d.h. die Übernahme und die
Erhaltung der Staatsmacht durch eine bestimmte Klasse oder ein Bündnis von
Klassen oder Fraktionen von Klassen. Diese erste Konkretisierung zwingt uns
also, zu unterscheiden zwischen der Staatsmacht (Erhaltung der Staatsmacht oder
Übernahme der Staatsmacht), dem Ziel des politischen Klassenkampfes
einerseits und dem Staatsapparat andererseits.
Wir wissen, daß der Staatsapparat intakt bleiben kann - wie es die
bürgerlichen "Revolutionen" des 19. Jahrhunderts in Frankreich
(1830,1848) oder die Staatsstreiche (der 2. Dezember, Mai 1958) oder die
Zusammenbrüche des Staates (Zusammenbruch des Kaiserreichs 1870,
Zusammenbruch der 3. Republik 1940) oder das politische Aufkommen der
Kleinbourgeoisie (1890 - 95 in Frankreich) usw. beweisen - ohne daß der
Staatsapparat davon berührt oder verändert wird: er kann intakt
bleiben bei politischen Ereignissen, die den Besitz der Staatsmacht betreffen.
Selbst nach einer sozialen Revolution wie der von 1917 ist ein großer Teil
des Staatsapparates intakt geblieben trotz der Eroberung der Staatsmacht durch
die Allianz des Proletariats mit der armen Bauernschaft: Lenin hat es oft genug
betont.
Man kann sagen, daß die Unterscheidung zwischen Staatsmacht und
Staatsapparat ein Teil der marxistischen "Theorie" des Staates ist, in
expliziter Form seit dem "18. Brumaire und den "Klassenkämpfen in
Frankreich" von Marx.
Um in dieser Frage die "marxistische Staatstheorie"
zusammenzufassen, können wir sagen, daß die Klassiker des Marxismus
immer behauptet haben: 1) der Staat ist der unterdrückende (repressive)
Staatsapparat; 2) man muß die Staatsmacht vom Staatsapparat unterscheiden;
3) das Ziel des Klassenkampfes betrifft die Staatsmacht und in der Folge die
Benutzung des Staatsapparates durch die Klassen (oder ein Bündnis von
Klassen oder von Fraktionen der Klassen), die die Staatsmacht inne haben, auf
der Grundlage ihrer Klassenziele; und 4) das Proletariat muß die
Staatsmacht erobern, um den bestehenden bürgerlichen Staatsapparat zu
zerschlagen und ihn in einer ersten Phase durch einen völlig anderen
proletarischen Staatsapparat ersetzen und dann in den späteren Phasen eine
radikale Entwicklung einleiten, nämlich die der Zerstörung des Staates
(Ende der Staatsmacht und jedes Staatsapparates).
Von daher ist das, was ich der "marxistischen Staatstheorie"
hinzuzufügen vorschlage, bereits ganz und gar in ihr enthalten. Aber es
scheint, daß diese so vervollständigte Theorie noch z.T. beschreibend
bleibt, obwohl sie nun komplexe und differenzierte Elemente umfaßt, deren
Wirksamkeit und deren Spiel nicht verstanden werden können ohne die
Zuhilfenahme einer zusätzlichen theoretischen Vertiefung.
Die ideologischen Staatsapparate
Man muß also der "marxistischen Staatstheorie" etwas anderes
hinzufügen. Wir müssen hier vorsichtig vorgehen auf einem Gebiet, auf
dem uns zwar die marxistischen Klassiker schon seit langem vorausgegangen sind,
aber ohne in einer theoretischen Form die entscheidenden Fortschritte, die ihre
Erfahrungen und ihr haben. Ihre Erfahrungen und ihr Vorgehen sind faktisch vor
allem auf dem Gebiet der politischen Praxis stehen geblieben.
Die marxistischen Klassiker haben faktisch, d.h. in ihrer politischen
Praxis, den Staat als eine komplexere Realität behandelt, als es die durch
die "marxistische Staatstheorie" gegebene Definition tut, selbst wenn
sie in der eben dargelegten Weise vervollständigt ist. Sie haben diese
Komplexität in der Praxis anerkannt, aber sie nicht in einer entsprechenden
Theorie zum Ausdruck gebracht7.
Ich will versuchen, schematisch diese
entsprechende Theorie zu skizzieren. Deshalb schlage ich folgende These vor. Um
die Staatstheorie voranzutreiben, ist es unbedingt notwendig, nicht nur die
Unterscheidung zwischen Staatsmacht und Staatsapparat zu berücksichtigen,
sondern auch eine andere Realität, die offensichtlich auf der Seite des
(unterdrückenden) Staatsapparates steht, aber nicht mit ihm verschmilzt.
Ich werde diese Realität mit ihrem Begriff bezeichnen: die ideologischen
Staatsapparate. Was sind die ideologischen Staatsapparate (ISA)?
Sie sind nicht identisch mit dem (unterdrückenden) Staatsapparat.
Erinnern wir daran, daß in der marxistischen Theorie der Staatsapparat
folgendes umfasst: die Regierung, die Verwaltung, die Armee, die Polizei, die
Gerichte, die Gefängnisse usw:, die zusammen das bilden, was ich nunmehr
den Repressiven Staatsapparat nennen werde. "Repressiv" zeigt an,
daß der Staatsapparat auf der Grundlage der Gewalt arbeitet, zumindest im
Ernstfall (denn z.B. die administrative Unterdrückung kann nicht physische
Formen annehmen).
Ich bezeichne als Ideologische Staatsapparate eine bestimmte Anzahl von
Realitäten, die sich dem unvoreingenommenen Beobachter in Form von
unterschiedlichen und spezialisierten Institutionen darbieten. Ich schlage eine
empirische Liste vor, die natürlich detailliert untersucht werden, in Frage
gestellt, verbessert und verändert werden muß. Bei allen
Einschränkungen, die dieses Erfordernis mit sich bringt, können wir im
Augenblick folgende Institutionen als Ideologische Staatsapparate bezeichnen
(die Reihenfolge der Aufzählung hat keine besondere Bedeutung):
- der religiöse ISA (das System der verschiedenen Kirchen), - der
schulische ISA (das System der verschiedenen öffentlichen und privaten
Bildungsinstitutionen), - der familiäre ISA8
- der juristische ISA9
- der politische ISA (das politische System, zu dem u.a. die
verschiedenen Parteien gehören), - der gewerkschaftliche ISA, - der
ISA der Information (Presse, Radio, Fernsehen usw.), - der kulturelle ISA
(Literatur, Kunst, Sport usw.).
Ich sage: die ISA sind nicht mit dem (repressiven) Staatsapparat identisch.
Worin unterscheiden sie sich? Zum einen können wir beobachten,
daß es einen (repressiven) Staatsapparat gibt gegenüber einer
Vielzahl Ideologischer Staatsapparate. Vorausgesetzt sie existiert, so ist die
Einheit, die diese Vielzahl der ISA bildet, nicht unmittelbar sichtbar.
Zum anderen können wir feststellen, daß, während der
einheitliche (repressive) Staatsapparat ganz zum öffentlichen Sektor
gehört, der größte Teil der ISA (in ihrer scheinbaren
Zerstreutheit) im Gegenteil dem privaten Sektor angehört. Privat sind die
Kirchen, die Parteien, die Gewerkschaften, die Familien, einige Schulen, die
Mehrzahl der Zeitungen, die kulturellen Unternehmen usw. usf.
Lassen wir unsere erste Beobachtung einen Augenblick beiseite. Aber man wird
zweifellos die zweite aufgreifen, um zu fragen, mit welchem Recht ich als
ideologische Staatsapparate Institutionen bezeichnen kann, die in ihrer Mehrzahl
keinen öffentlichen Status besitzen, sondern ganz einfach private
Institutionen sind. Als bewußter Marxist war Gramsci bereits mit einem
Satz diesem Einwand zuvorgekommen. Die Unterscheidung zwischen dem
Öffentlichen und dem Privaten ist eine Unterscheidung, die dem
bürgerlichen Recht innewohnt und die gültig ist bei (untergeordneten)
Gebieten, wo das bürgerliche Recht seine "Macht" ausübt. Das
Gebiet des Staates entzieht sich ihm, denn es steht "über dem
Recht": Der Staat, der der Staat der herrschenden Klasse ist, ist weder
öffentlich noch privat, er ist vielmehr die Bedingung jeder Unterscheidung
zwischen öffentlich und privat. Wiederholen wir das vom Standpunkt unserer
Ideologischen Staatsapparate. Es kümmert nicht, ob die Institutionen, die
sie bilden, "öffentlich" oder "privat" sind. Was
kümmert, ist ihre Funktionsweise. Private Institutionen können
durchaus "funktionieren" als Ideologische Staatsapparate. Eine ein
wenig genauere Analyse eines beliebigen ISA würde genügen, um dies zu
beweisen.
Aber kommen wir zum Wesentlichen. Was die ISA vom (repressiven)
Staatsapparat unterscheidet, ist folgender grundlegender Unterschied: der
repressive Staatsapparat "arbeitet" auf der Grundlage der Gewalt,
während die Ideologischen Staatsapparate auf der Grundlage der Ideologie
"arbeiten". Wir können dies genauer formulieren, indem wir
diese Unterscheidung berichtigen. Ich sage daher, daß jeder Staatsapparat,
ob er nun repressiv oder ideologisch ist, zugleich auf der Grundlage der Gewalt
und der Ideologie "arbeitet", aber mit einem sehr wichtigen
Unterschied, der eine 'Verwechslung der Ideologischen Staatsapparate mit dem
(repressiven) Staatsapparat verbietet. Der (repressive) Staatsapparat arbeitet
als solcher nämlich auf massive Weise in erster Linie auf der Grundlage der
Repression (die physische inbegriffen), während er nur in zweiter Linie auf
der Grundlage der Ideologie arbeitet. (Es gibt keinen rein repressiven Apparat).
Beispiele: die Armee und die Polizei arbeiten auch auf der Grundlage der
Ideologie, sowohl um ihren eigenen Zusammenhalt und ihre Reproduktion zu
sichern, als auch mit den "Werten", die sie nach außen
propagieren.
Gleichermaßen muß man sagen, - aber in entgegengesetzter Richtung
-, daß die ideologischen Staatsapparate auf massive Weise in erster Linie
auf der Grundlage der Ideologie arbeiten, während sie aber in zweiter Linie
auf der Grundlage der Repression arbeiten; auch wenn sie im Grenzfall - aber nur
im Grenzfall - sehr gemildert, versteckt, ja sogar symbolisch ist. (Es gibt
keinen rein ideologischen Apparat.) Auf diese Weise "dressieren" die
Schule und die Kirchen mit den entsprechenden Methoden der Strafe, des
Ausschlusses, der Auswahl usw. nicht nur ihre Priester, sondern auch deren
Pfarrkinder. Auf diese Weise die Familie... Auf diese Weise der Kulturelle ISA
(die Zensur, um nur sie zu nennen) ... usw. Ist es nötig zu
erwähnen, daß diese Determination eines "doppelten"
Arbeitens (in erster Linie, in zweiter Linie) auf der Grundlage der Repression
und der Ideologie je nachdem, ob es sich um den (repressiven) Staatsapparat oder
die Ideologischen Staatsapparate handelt, es erlaubt zu verstehen, wie sich
ständig sehr subtile, offen ausgesprochen oder stillschweigende,
Verbindungen knüpfen zwischen der Bewegung des (repressiven)
Staatsapparates und der Bewegung der Ideologischen Staatsapparate? Das
tägliche Leben bietet uns zahllose Beispiele, die man jedoch im Detail wird
studieren müssen, um über diese einfache Beobachtung
hinauszugehen.
Diese Bemerkung bringt uns jedoch auf die Spur, um zu verstehen, was die
Einheit des angeblich disparaten Systems der ISA ausmacht. Wenn die ISA auf
massive Weise in erster Linie auf der Grundlage der Ideologie
"arbeiten", so wird ihre Unterschiedlichkeit durch diese Arbeit selbst
vereinheitlicht, in dem Maße wie die Ideologie, auf deren Grundlage sie
arbeiten, immer faktisch, trotz ihrer Vielfältigkeit und ihrer
Widersprüche, vereinheitlicht wird unter der herrschenden Ideologie, die
diejenige der "herrschenden Klasse" ist. Wenn wir davon ausgehen
wollen, daß im Prinzip die "herrschende Klasse die Staatsmacht
innehat (in einer offenen Form, oder - häufiger - vermittels eines
Bündnisses von Klassen oder von Fraktionen von Klassen) und insofern
über den (repressiven) Staatsapparat verfügt, so können wir
annehmen, daß die gleiche herrschende Klasse aktiv wird in den
Ideologischen Staatsapparaten in dem Maße, in dem letztlich auf der
Grundlage ihrer eigenen Widersprüche die herrschende Ideologie in den
Ideologischen Staatsapparaten realisiert wird. Natürlich ist es völlig
etwas anderes, ob man mit Hilfe von Gesetzen und Dekreten im (repressiven)
Staatsapparat vorgeht oder ob man vermittels der herrschenden Ideologie in den
Ideologischen Staatsapparaten "vorgeht". Man wird diesen Unterschied
detailliert untersuchen müssen - aber er wird dennoch nicht das Bestehen
einer grundlegenden Identität verbergen können. Unseres Wissens nach
kann keine herrschende Klasse dauerhaft die Staatsmacht innehaben, ohne
gleichzeitig die Hegemonie über und in den Ideologischen Staatsapparaten
auszuüben. Ich will nur ein Beispiel und Beweis bringen: die brennende
Sorge Lenins, den Ideologischen Staatsapparat des Schulwesens zu revolutionieren
(unter anderem), um dem sowjetischen Proletariat, das die Staatsmacht erobert
hatte, überhaupt die Zukunft der Diktatur des Proletariats zu sichern,
sowie den Übergang zum Sozialismus10.
Diese letzte Bemerkung versetzt uns in die Lage zu verstehen, warum die
Ideologischen Staatsapparate nicht nur das Kampfobjekt, sondern auch der Ort des
Klassenkampfes und oft harter Formen des Klassenkampfes sind. Diejenige Klasse
(oder Bündnis von Klassen), die an der Macht ist, herrscht nicht so leicht
in den ISA wie im (repressiven) Staatsapparat. Nicht nur weil dort die
früheren herrschenden Klassen lange noch starke Positionen behalten
können, sondern auch weil der Widerstand der ausgebeuteten Klassen dort die
Mittel und die Gelegenheit finden kann, um sich Gehör zu verschaffen,
entweder indem sie die dort existierenden Widersprüche nutzen oder indem
sie sich Kampfpositionen erobern11.
Fassen wir unsere Bemerkungen zusammen.
Wenn die These, die ich vorgebracht habe, begründet ist, so müssen
wir die klassische marxistische Staatstheorie wiederaufnehmen, wobei wir einen
Punkt präzisieren. Ich sage, daß man unterscheiden muß zwischen
der Staatsmacht (und ihrem Besitz durch. . .) einerseits und dem Staatsapparat
andererseits. Aber ich füge hinzu, daß der Staatsapparat zwei Teile
umfaßt: der Teil der Institutionen, die den repressiven Staatsapparat
darstellen einerseits, und der Teil der Institutionen, die den Teil der
ideologischen Staatsapparate darstellen andererseits.
Aber wenn dem so ist, kommt man nicht darum herum, sich folgende Frage zu
stellen, selbst auf dem noch sehr summarischen Stand unserer Angaben: Welches
ist genau das Maß für die Rolle der Ideologischen Staatsapparate? Was
kann wohl die Grundlage für ihre Bedeutung sein? Mit anderen Worten: Wem
entspricht die Funktion" dieser Ideologischen Staatsapparate, die nicht auf
der Grundlage der Repression arbeiten, sondern der Ideologie?
Über die Reproduktion der Produktionsverhältnisse
Wir können nun auf unsere zentrale Frage antworten, die über lange
Seiten hinweg unbeantwortet geblieben ist: wie erfolgt die Reproduktion der
Produktionsverhältnisse?
In der Sprache des Topos (Basis, Überbau) kann man sagen: sie erfolgt zu
einem sehr großen Teil12
durch den juristisch-politischen und
ideologischen Überbau.
Aber da wir der Auffassung waren, daß es unbedingt notwendig ist, diese
noch beschreibende Sprache zu überwinden, können wir sagen: sie
erfolgt zu einem großen Teil12 durch die Ausübung der Staatsmacht in
den Staatsapparaten, dem (repressiven) Staatsapparat einerseits und den
Ideologischen Staatsapparaten andererseits.
Man erinnere sich an das, was im Vorangegangenen gesagt worden ist und was
ich in folgenden drei Grundzügen jetzt zusammenfassen möchte:
1. Alle Staatsapparate funktionieren sowohl auf der Grundlage der Repression
wie der Ideologie mit folgendem Unterschied, daß der (repressive)
Staatsapparat auf massive Weise in erster Linie auf der Grundlage der Repression
arbeitet, während die Ideologischen Staatsapparate massiv und in erster
Linie auf der Grundlage der Ideologie arbeiten.
2. Während der (repressive) Staatsapparat ein organisiertes Ganzes
darstellt, dessen verschiedene Glieder zentralisiert sind unter einer
Befehlseinheit, nämlich der der Klassenkampfpolitik angewandt durch die
politischen Vertreter der herrschenden Klassen, die die Staatsmacht innehaben, -
sind die Ideologischen Staatsapparate vielfältig, unterschieden,
"relativ autonom" und in der Lage, ein objektives Feld für
Widersprüche zu liefern, in denen sich in mal begrenzten, mal extremen
Formen die Auswirkungen der Zusammenstöße zwischen dem
kapitalistischen Klassenkampf und dem proletarischen Klassenkampf sowie ihrer
untergeordneten Formen ausdrücken.
3. Während die Vereinheitlichung des (repressiven) Staatsapparates
erfolgt durch seine zentralisierte Organisation, die unter der Leitung der
Vertreter der herrschenden Klassen zusammengefaßt ist und die die
Klassenkampfpolitik der sich an der Macht befindlichen Klassen ausführt, -
erfolgt die Vereinheitlichung der verschiedenen Ideologischen Staatsapparate
zumeist in widersprüchlichen Formen durch die herrschende Ideologie, die
diejenige der herrschenden Klasse ist.
Wenn man diese Kennzeichen berücksichtigt, so, kann man sich die
Reproduktion der Produktionsverhältnisse13
auf folgende Weise vorstellen,
als eine Art "Arbeitsteilung".
Die Funktion des repressiven Staatsapparates besteht vor allem darin, als
repressiver Apparat mit (physischer oder nichtphysischer) Gewalt die politischen
Bedingungen der Reproduktion der Produktionsverhältnisse zu sichern, welche
letzten Endes Ausbeutungsverhältnisse sind. Der Staatsapparat trägt
nicht nur zu einem großen Teil dazu bei, sich selbst zu reproduzieren (es
existieren im kapitalistischen Staat Dynastien von Politikern, militärische
Dynastien usw.), sondern auch und vor allem schafft der Staatsapparat durch die
Repression (von der brutalsten physischen Gewalt bis zu einfachen
administrativen Anordnungen oder Verboten, zur offenen oder versteckten Zensur
usw.) die politischen Bedingungen für die Arbeit der Ideologischen
Staatsapparate.
Denn sie sind es tatsächlich, die zu einem großen Teil die
Reproduktion der Produktionsverhältnisse selbst gewährleisten unter
dem "Schild" des repressiven Staatsapparates. An dieser Stelle ist
entscheidend die Rolle der herrschenden Ideologie, die die der herrschenden
Klasse ist, welche die Staatsmacht innehat. Vermittels der herrschenden
Ideologie wird die (manchmal knarrende) "Harmonie" zwischen dem
repressiven Staatsapparat und zwischen den Ideologischen Staatsapparaten selbst
geschaffen. Das führt uns dazu, auf Grund der Verschiedenartigkeit der
ideologischen Staatsapparate in ihrer einzigen, weil gemeinsamen Funktion der
Reproduktion der Produktionsverhältnisse, folgende Hypothese
anzunehmen.
Wir haben nämlich für die gegenwärtigen kapitalistischen
Gesellschaftsformationen eine relativ hohe Anzahl von ideologischen
Staatsapparaten aufgeführt: der schulische Apparat, der religiöse
Apparat, der familiäre Apparat, der politische Apparat, der
gewerkschaftliche Apparat, der Informationsapparat; der "kulturelle"
Apparat usw.
Dagegen stellen wir für die Gesellschaftsformationen der (im allgemeinen
als feudal bezeichneten) "leibeigenschaftlichen" Produktionsweise
fest, daß, wenn auch ein einziger repressiver Staatsapparat existiert, der
formal nicht nur seit der absolutistischen Monarchie, sondern seit den ersten
bekannten antiken Staaten dem uns geläufigen sehr ähnlich ist, die
Anzahl der ideologischen Staatsapparate weniger groß und ihre Besonderheit
verschieden ist. Wir stellen zum Beispiel fest, daß im Mittelalter die
Kirche (der religiöse ideologische Staatsapparat) eine Reihe von Funktionen
anhäufte, die heute mehreren voneinander unterschiedenen ideologischen
Staatsapparaten zufallen und die neu sind gegenüber der hier erwähnten
Vergangenheit. Dies betrifft vor allem die schulischen und. kulturellen
Funktionen. Neben der Kirche existierte der familiäre Ideologische
Staatsapparat, der eine bedeutende Rolle spielte, die nicht vergleichbar ist
derjenigen, die er in den kapitalistischen Gesellschaftsformationen spielt. Die
Kirche und die Familie waren aber, auch wenn es so scheinen mag, nicht die
einzigen Ideologischen Staatsapparate. Es gab auch einen politischen
Ideologischen Staatsapparat (die Generalstände, das Parlament, die
verschiedenen politischen Gruppen und Ligen als Vorläufer der modernen
politischen; Parteien und das ganze politische System von den freien Gemeinden
bis zu den Städten). Es gab auch einen mächtigen
"vorgewerkschaftlichen" Ideologischen Staatsapparat, wenn man diese
zwangsläufig anachronistische Formulierung einmal wagen darf (die
mächtigen Händler- und Bankiersvereinigungen, ebenso die
Gesellenvereinigungen usw.). Das Verlagswesen und die Information selbst haben
eine unbestreitbare Entwicklung durchgemacht, ebenso die Schauspiele, die
zunächst integrale Bestandteile der Kirche waren und dann immer mehr von
ihr unabhängig wurden.
Jedoch ist es absolut evident, daß in der historisch
vorkapitalistischen Periode, die wir in großen Zügen untersuchen, ein
dominierender Ideologischer Staatsapparat existiert hat, nämlich die
Kirche, die auf sich nicht nur die religiösen Funktionen, sondern auch die
schulischen und zu einem guten Teil die Funktion der Information und der
"Kultur" vereinigte. Wenn der gesamte ideologische Kampf vom 16. bis
zum 19. Jahrhundert, vom ersten Anstoß der Reformation angefangen, sich
auf einen antiklerikalen und antireligiösen Kampf konzentriert hat, so ist
das kein Zufall, sondern geschah auf Grund der dominierenden Rolle des
religiösen Ideologischen Staatsapparates.
Die Französische Revolution hatte vor allem als Ziel und Erfolg nicht
nur, daß die Staatsmacht von der feudalen Aristokratie zur
kapitalistischen Handelsbourgeoisie überging, daß zum Teil der alte
repressive Staatsapparat zerschlagen und durch einen neuen ersetzt wurde (z.B.
das nationale Volksheer), - sondern auch, daß der Ideologische
Staatsapparat Nr.1 angegriffen wurde: die Kirche. Von daher die Zivilverfassung
des Klerus, die Beschlagnahme der Kirchengüter und die Schaffung neuer
Ideologischer Staatsapparate, um den religiösen Ideologischen Staatsapparat
in seiner dominierenden Rolle zu ersetzen.
Natürlich ist das nicht von selbst gegangen: Beweis dafür ist das
Konkordat, die Restauration und der lange Klassenkampf zwischen der
Land-Aristokratie und der industriellen Bourgeoisie während des ganzen 19.
Jahrhunderts um die Etablierung der bürgerlichen Hegemonie über die
Funktionen, die vormals die Kirche innegehabt hatte: vor allem durch die Schule.
Man kann sagen, daß die Bourgeoisie sich auf den neuen politischen,
parlamentarisch-demokratischen Ideologischen Staatsapparat gestützt hat,
der in den ersten Jahren der Revolution geschaffen und später nach langen
Kämpfen einige Monate lang 1848 und während mehrerer Jahrzehnte nach
dem Sturz des zweiten Kaiserreichs restauriert wurde, um gegen die Kirche zu
kämpfen und sich deren ideologische Funktionen zu bemächtigen. Kurz:
um nicht nur ihre politische Hegemonie, sondern auch ihre ideologische Hegemonie
auszuüben, die unbedingt notwendig ist zur Reproduktion der
kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
Daher meine ich, ist es erlaubt, folgende These aufzustellen, auch wenn dies
einige Risiken beinhaltet. Ich glaube, daß derjenige Ideologische
Staatsapparat, der in den reifen kapitalistischen Formationen in eine
dominierende Position gebracht worden ist, am Ende eines gewaltigen politischen
und ideologischen Klassenkampfes gegen den früheren dominierenden
Ideologischen Staatsapparat, der schulische Ideologische Staatsapparat ist.
Diese These mag paradox erscheinen, wo doch für jedermann klar ist,
nämlich in der ideologischen Vorstellung, die die Bourgeoisie sich selbst
und den Klassen, die sie ausbeutet, geben will, daß der dominierende
Ideologische Staatsapparat in den kapitalistischen Gesellschaftsformationen
nicht die Schule, sondern der politische Ideologische Staatsapparat ist,
nämlich das demokratisch-parlamentarische Regime und entsprechend die
Volksabstimmung und der Kampf der Parteien.
Jedoch zeigt die Geschichte und selbst die jüngste, daß die
Bourgeoisie sehr wohl sich mit von der parlamentarischen Demokratie
verschiedenen politischen Ideologischen Staatsapparaten zufrieden geben konnte
und kann: das Kaiserreich, ob Nr. l oder Nr. 2, die konstitutionelle Monarchie
(Louis XVIII., Charles X.), die parlamentarische Monarchie (Louis-Philippe), die
Präsidialdemokratie (de Gaulle), um nur von Frankreich zu sprechen. In
England sind die Dinge noch manifester. Die Revolution war dort besonders
"erfolgreich", vom bürgerlichen Standpunkt aus gesehen. Denn im
Unterschied zu Frankreich, wo die Bourgeoisie - übrigens auf Grund der
Ungeschicklichkeit des niederen Adels - gezwungen war zu akzeptieren, sich durch
bäuerliche und plebeische "revolutionäre Tage" an die Macht
bringen zu lassen, was sie ungeheuer viel gekostet hat, konnte sich die
englische Bourgeoisie mit der Aristokratie "arrangieren" und mit ihr
den Besitz der Staatsmacht und die Nutzung des Staatsapparates für eine
sehr lange Zeit "teilen" (Frieden zwischen den Menschen der
herrschenden Klassen, die guten Willens sind!). In Deutschland sind die Dinge
noch frappierender; denn dort hielt die imperialistische Bourgeoisie vermittels
eines politischen ideologischen Staatsapparates, wo die kaiserlichen Junker (als
Symbol: Bismarck) sowie ihre Armee und Polizei ihr als Schild und
Führungspersonal gedient haben, ihren spektakulären Einzug in die
Geschichte, bevor sie die Weimarer Republik "durchquerte", und sich
dem Nazismus anvertraute.
Es gibt also gute Gründe anzunehmen, daß das, was die Bourgeoisie
hinter dem Spiel ihres politischen ideologischen Staatsapparates, der den
Vordergrund der Szene beherrschte, als ihren Ideologischen Staatsapparat
Nr.1 aufbaute, also als dominierenden, das Schulwesen war, das faktisch in
seinen Funktionen den früheren dominierenden Ideologischen Staatsapparat,
nämlich die Kirche ersetzt hat. Man kann sogar hinzufügen: das Gespann
Schule-Familie hat das Gespann Kirche-Familie ersetzt.
Warum ist der schulische Apparat faktisch der dominierende Ideologische
Staatsapparat in den kapitalistischen Gesellschaftsformationen und wie
funktioniert er?
Für den Augenblick möge es genügen, daß man sagt:
1. - Alle ideologischen Staatsapparate, um welche es sich auch immer handelt,
tragen zum gleichen Ergebnis bei: der Reproduktion der
Produktionsverhältnisse, d.h. der kapitalistischen
Ausbeutungsverhältnisse.
2. - Jeder von ihnen trägt zu diesem einzigen Ergebnis bei auf eine Art
und Weise, die ihm eigen ist. Der politische Apparat, indem er die Individuen
der politischen Staatsideologie unterwirft, der "demokratischen", der
"indirekten" (parlamentarischen) oder der "direkten"
(plebiszitären oder faschistischen) Ideologie. Der Informationsapparat,
indem er alle "Bürger" durch Presse, Rundfunk und Fernsehen mit
einer täglichen Ration Nationalismus, Chauvinismus, Liberalismus,
Moralismus usw. vollstopft. Ebenso der kulturelle Apparat (die Rolle des Sports
im Chauvinismus ist von erstem Rang). Der religiöse Apparat, indem er in
Predigten und anderen großen Zeremonien wie Geburt, Heirat und Tod daran
erinnert, daß der Mensch nur Asche ist, es sei denn, er liebt seine
Brüder so sehr, daß der demjenigen, der ihn ohrfeigt, die andere
Backe hinhält. Der familiäre Apparat. . . Das genügt.
3. - Dieses Konzept wird bestimmt durch eine einzige Partitur, die lediglich
dann und wann durch Widersprüche (jene der Reste der ehemaligen
herrschenden Klassen, jene der Arbeiter und ihrer Organisationen) durcheinander
gebracht wird: die Partitur der Ideologie der augenblicklich herrschenden
Klasse, die in ihre Musik die ehrwürdigen Themen des Humanismus der
Großen Vorfahren integriert, die vor dem Christentum das Griechische
Wunder und später die Größe Roms, die Ewige Stadt, geschaffen
haben, sowie die Themen des besonderen und allgemeinen Interesses
(Intéret général) usw., Nationalismus, Moralismus,
Ökonomismus.
4. - In diesem Konzert spielt jedoch ein ideologischer Staatsapparat
tatsächlich die dominierende Rolle, obwohl man seiner Musik kaum Gehör
schenkt: sie ist so geräuschlos! Es handelt sich um die Schule. Sie
nimmt vom Kindergarten an Kinder aller sozialen Klassen auf und vom Kindergarten
angefangen prägt sie ihnen mit neuen wie mit alten Methoden jahrelang -
Jahre, in denen das Kind am leichtesten "verwundbar" ist, weil
eingeklemmt zwischen Staatsapparat Familie und Staatsapparat Schule -
"Fähigkeiten" ein, die in herrschender Ideologie verpackt sind
(Französisch, Rechnen, Naturkunde, Naturwissenschaften,
Literaturgeschichte) oder aber ganz einfach die herrschende Ideologie im reinen
Zustand (Moral, Staatsbürgerkunde, Philosophie). Ungefähr mit 16
Jahren "fällt" eine enorme Masse von Kindern "in die
Produktion": die Arbeiter oder kleinen Bauern. Ein anderer Teil der
Schuljugend macht weiter: und koste es, was es wolle, kommen sie ein Stück
weiter, um unterwegs zu "fallen" und die Posten der unteren und
mittleren Kader, der Angestellten, der unteren und mittleren Beamten sowie von
Kleinbürgern jeder Art zu besetzen. Ein letzter Teil erreicht die Gipfel,
entweder um in intellektuelle Halbarbeitslosigkeit zu verfallen oder um neben
den "Intellektuellen des Gesamtarbeiters" zu Trägern der
Ausbeutung (Kapitalisten, Manager), zu Trägern der Unterdrückung
(Militärs, Polizisten, Politiker, Verwaltungsfachleute usw.) oder zu
Berufsideologen (Priester aller Art, deren Mehrheit überzeugte
"Laien" sind) zu werden. Jede Gruppe, die unterwegs "fällt,
ist praktisch mit der Ideologie versehen, die ihrer Rolle in der
Klassengesellschaft entspricht: der Rolle des Ausgebeuteten (mit stark
"entwickeltem" "professionellen", "moralischen",
"staatsbürgerlichen", "nationalen" und unpolitischen
Bewußtsein); der Rolle des Trägers der Ausbeutung (Fähigkeit zu
befehlen und zu Arbeitern zu sprechen: die "menschlicher
Beziehungen"), der Rolle der Träger der Unterdrückung
(Fähigkeit zu befehlen und sich "ohne Diskussion" Gehorsam zu
verschaffen oder mit der Demagogie der Rhetorik von politischen Führern
vorzugehen) oder der Berufsideologen (in der Lage, die Gehirne mit dem
notwendigen Respekt zu behandeln, dh. die entsprechende Verachtung, Erpressung,
Demagogie, angepaßt den Akzenten der Moral, der Tugend, der
"Transzendenz", der Nation, der Rolle Frankreichs in der Welt
usw.).
Sicherlich, viele von diesen kontrastierenden Tugenden (Bescheidenheit,
Resignation, Unterwerfung einerseits, Zynismus, Verachtung, Hochmut, Sicherheit,
Größe, ja Schönrederei und Geschicklichkeit andererseits) lassen
sich auch in den Familien, in der Kirche, in der Armee, in schönen
Büchern, in Filmen und selbst auf den Sportplätzen erlernen. Aber kein
ideologischer Staatsapparat verfügt soviele Jahre über die
obligatorische Zuhörerschaft (und die immerhin kostenlos ist. . .) der
Gesamtheit der Kinder der kapitalistischen Gesellschaftsformationen - 5 bis 6
Tage pro Woche und 8 Stunden am Tag.
Durch das Erlernen von einigen Fähigkeiten, die verpackt sind in
eine massive Einprägung der Ideologie der herrschenden Klasse, werden
jedoch zu einem Großteil die Produktionsverhältnisse einer
kapitalistischen Gesellschaftsformation reproduziert, dh. die Verhältnisse
von Ausgebeuteten zu Ausbeutern und Ausbeutern zu Ausgebeuteten. Die
Mechanismen, die dieses für das kapitalistische Regime lebensnotwendige
Ergebnis produzieren, sind natürlich bedeckt und verborgen durch eine
Ideologie der Schule, die allgemein vorherrscht, denn sie stellt eine der
grundlegenden Formen der herrschenden bürgerlichen Ideologie dar: eine
Ideologie, die die Schule als ein neutrales Feld darstellt, das ohne Ideologie
(weil weltlich) ist, wo Lehrer, die das Gewissen" und die "Freiheit
" der Kinder achten, die ihnen (vertrauensvoll) überlassen sind durch
deren "Eltern" (welche ebenfalls frei sind, d.h. Besitzer ihrer
Kinder), sie durch das eigene Beispiel, die Kenntnisse, die Literatur und ihre
"befreienden Tugenden hinführen zur Freiheit, zur Moralität und
zur Verantwortlichkeit von Erwachsenen. Ich bitte diejenigen Lehrer um
Verzeihung, die unter furchtbar schlechten Bedingungen versuchen, gegen die
Ideologie, gegen das System und gegen die Praktiken, in denen sie gefangen sind,
die wenigen Waffen zu richten, die sie in der Geschichte und dem Wissen, das sie
"lehren, finden können. Sie sind eine Art Helden. Aber sie sind
selten, und wieviele (die Mehrheit) haben noch nicht einmal den Beginn eines
Zweifels bezüglich der "Arbeit" die das System (das sie
übersteigt und zerstört) ihnen zu vollbringen auferlegt; schlimmer
noch, wieviele setzen ihr Leben und ihren Einfallsreichtum daran, diese Arbeit
mit äußerster Gewissenhaftigkeit durchzuführen (die
berühmten neuen Methoden!). Sie bemerken dies so wenig, daß sie
selbst durch ihre Ergebenheit dazu beitragen, diese ideologische Vorstellung von
der Schule zu pflegen und zu nähren, die heute unseren Zeitgenossen die
Schule ebenso "natürlich" und unentbehrlich und sogar
wohltätig macht, wie vor einigen Jahrhunderten die Kirche unseren Vorfahren
"natürlich", unentbehrlich und großmütig erschienen.
Faktisch ist die Kirche heute in ihrer Funktion als dominierender Ideologischer
Staatsapparat durch die Schule ersetzt worden. Diese ist gekoppelt mit der
Familie, ebenso wie einst die Kirche mit der Familie gekoppelt war. Man kann
daher sagen, daß die unvergleichbar tiefe Krise, die in der ganzen Welt
das Schulsystem vieler Staaten erfaßt hat, zumeist verbunden mit einer
(bereits im Manifest angekündigten) Krise, die das Familiensystem
erschüttert, einen politischen Sinn erhält, wenn man
berücksichtigt, daß die Schule (und das Paar Schule-Familie) den
dominierenden Ideologischen Staatsapparat darstellt: den Apparat, der eine
determinierende Rolle bei der Reproduktion der Produktionsverhältnisse
einer in ihrer Existenz durch den weltweiten Klassenkampf bedrohten
Produktionsweise spielt.
BEMERKUNGEN ZUR IDEOLOGIE
Als wir den Begriff des ideologischen Staatsapparates formulierten und
sagten, der ISA "arbeite auf der Grundlage der Ideologie", war von
einer Realität die Rede, auf die näher einzugehen ist: die Ideologie.
Bekanntlich wurde der Ausdruck Ideologie von Cabanais, Destutt de Tracy und
ihren Freunden geprägt, die als ihr Objekt die (genetische) Theorie der
Ideen bestimmten. Als Marx 50 Jahre später diesen Begriff übernimmt,
gibt er ihm von seinen Jugendwerken an einen ganz anderen Sinn. Unter Ideologie
wird nun verstanden: ein System von Ideen und Vorstellungen, das das
Bewußtsein eines Menschen oder einer gesellschaftlichen Gruppe beherrscht.
In seinem ideologisch-politischen Kampf, den er seit den Artikeln der
"Rheinischen Zeitung" führte, wurde Marx sehr bald gezwungen,
sich mit dieser Realität auseinanderzusetzen und seine ersten Intuitionen
weiterzuentwickeln. Wir stoßen hier jedoch auf ein erstaunliches
Paradoxon. Alles schien Marx in die Richtung zu drängen, eine Theorie der
Ideologie zu formulieren. In der Tat bietet die "Deutsche Ideologie-nach
den Manuskripten von 44 eine explizite Theorie der Ideologie, jedoch. . . diese
ist, wie wir gleich sehen werden, nicht marxistisch. Was das "Kapital"
betrifft, so enthält es zahlreiche Hinweise für eine Theorie der
Ideologie (wovon die Ideologie der Vulgärökonomen die sichtbarste
ist), es enthält jedoch nicht diese Theorie selbst. die weitgehend von
einer allgemeinen Theorie der Ideologie abhängt. Ich nehme das Risiko auf
mich, hierzu eine erste und sehr schematische Skizze vorzulegen. Wenn auch die
im Folgenden formulierten Thesen nicht improvisiert sind, können sie jedoch
nur durch weitergehende Untersuchungen aufrechterhalten und bewiesen, d.h.
bestätigt oder richtiggestellt werden. Die Ideologie hat keine Geschichte
Zuvor einige Worte zur Begründung und Rechtfertigung eines solchen
Unternehmens der Formulierung einer Theorie der Ideologie im Allgemeinen und
nicht einer Theorie der spezifischen Ideologien, die, in welcher Form auch immer
(religiöser, moralischer, rechtlicher oder politischer) immer nur Ausdruck
von Klassenpositionen sind. Unter doppeltem Aspekt also, wie soeben gezeigt
wurde, gilt es, eine solche Theorie der Ideologien in Angriff zu nehmen. Man
wird sehen, daß eine Theorie der Ideologien in letzter Instanz auf der
Geschichte der Gesellschaftsformationen basiert, also der in einer
Gesellschaftsformation zusammengefaßten Produktionsweise und der in ihnen
sich entwickelnden Klassenkämpfe. In diesem Sinne ist es klar, daß
von einer Theorie der Ideologien im Allgemeinen nicht die Rede sein kann, denn
die Ideologien, in der obigen zweifachen Weise bestimmt, klassenmäßig
und regional, haben eine Geschichte, deren Bestimmung in letzter Instanz
außerhalb der durch sie determinierten einzelnen Ideologien liegt, obwohl
sie sie betrifft. Wenn ich jedoch den Versuch unternehme, eine Theorie der
Ideologie im Allgemeinen zu formulieren, und diese Theorie eines der Elemente
ist, von denen die Theorien der Ideologien abhängen, so unterliegt dem eine
paradox erscheinende Auffassung, die ich folgendermaßen formuliere: Die
Ideologie hat keine Geschichte. Wie man sich erinnern wird, findet sich diese
Formulierung wörtlich in einem Abschnitt der "Deutschen
Ideologie". Marx sagt dies im Zusammenhang mit der Metaphysik, die, so
heißt es dort, ebensowenig eine Geschichte besitzt wie die Moral (wir
können hinzufügen: und alle anderen Formen der Ideologie).
In der "Deutschen Ideologie" steht diese Formulierung in einem
offen positivistischen Kontext. Ideologie wird hier begriffen als pure Illusion,
reiner Traum, als Nichts. Ihre ganze Wirklichkeit liegt außerhalb ihrer
selbst. Folglich wird die Ideologie als eine imaginäre Konstruktion
begriffen, deren Stellung exakt dem theoretischen Status des Traums in der
Literatur von Freud entspricht. Für die Autoren vor Freud war der Traum
nichts als ein rein imaginäres und daher bedeutungsloses Resultat von
"Tagresten", die sich in einer willkürlichen Zusammensetzung und
Ordnung darboten, zum Teil "verkehrt", kurz, in Unordnung. Für
sie war der Traum leere Einbildung, bar jeder Bedeutung, die mit geschlossenen
Augen völlig willkürlich aus Resten der einzig vollständigen und
positiven Wirklichkeit "zusammengebastelt" ist, - der des Tages. Dies
ist genau der Status der Philosophie und der Ideologie (denn die Philosophie
erscheint hier als Ideologie par excellence) in der "Deutschen
Ideologie".
So ist die Ideologie für Marx ein Gespinst der Einbildung, ein reiner
Traum, leer und nichtig, zusammengesetzt aus den "Tagresten" der
einzig vollständigen und positiven Wirklichkeit, = der der konkreten
Geschichte der konkreten, materiellen, materiell ihre Existenz produzierenden
Individuen. In dieser Hinsicht also hat die Ideologie in der "Deutschen
Ideologie" keine Geschichte, denn ihre Geschichte liegt außerhalb
ihrer selbst, dort, wo die einzig existierende Geschichte existiert, die der
konkreten Individuen, etc. Die These der "Deutsche Ideologie",
daß die Ideologie keine Geschichte hat, ist also eine rein negative, denn
sie bedeutet zugleich:
1) Die Ideologie als ein purer Traum ist nichts (ein Traum, der durch eine
unbekannte Macht, wenn nicht durch die Entfremdung der Arbeitsteilung, erzeugt
wird, - aber auch dies ist wieder eine negative Bestimmung).
2) Daß die Ideologie keine Geschichte hat, soll nicht heißen,
daß sie außerhalb der Geschichte steht, (im Gegenteil: sie ist
lediglich der schwache, leere und verkehrte Reflex der realen Geschichte), sie
hat aber keine eigene Geschichte (histoire à elle).
Die von mir vertretene These, auch wenn sie formell mit ihr
gleichlautend ist, unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von der
positivistisch-historizistischen der "Deutschen Ideologie".
Ich bin nämlich der Auffassung, daß die Ideologien sehr wohl eine
eigene Geschichte haben (wenn diese auch in letzer Instanz determiniert ist
durch den Klassenkampf); und ich glaube andererseits, gleichzeitig sagen zu
können, daß die Ideologie im Allgemeinen eine Geschichte hat; nicht
in dem negativen Sinn, daß ihre Geschichte außerhalb ihrer selbst
liegt, sondern in einem absolut positiven Sinn.
Dieser Sinn ist positiv, sofern es stimmt, daß die Ideologie dadurch
gekennzeichnet ist, daß sie eine Struktur und eine Funktionsweise besitzt,
die sie zu einer nicht-historischen, d.h. omnihistorischen Realität machen;
dies in dem Sinn, daß diese Struktur und Funktionsweise in der gesamten
Geschichte, - Geschichte hier im Sinne des Manifests, als Geschichte von
Klassenkämpfen verstanden, dh. Geschichte von Klassengesellschaften.
Um dem Gesagten einen theoretischen Rückhalt zu geben, nehme ich das
Traumbeispiel wieder auf, diesmal im Rahmen der Freudschen Konzeption. Ich
würde sagen, daß unsere These, die Ideologie habe keine Geschichte,
mit der Freudschen These in direkte Beziehung gesetzt werden muß,
derzufolge das Unbewußte ewig ist, dh. keine Geschichte hat. (Die
Bezugnahme auf Freud ist keinesfalls willkürlich, sondern im Gegenteil
theoretisch notwendig, denn zwischen den beiden Thesen besteht ein innerer
Zusammenhang).
Wenn unter ewig verstanden wird, nicht jede (zeitliche-) Geschichte
transzendierend, sondern allgegenwärtig, transhistorisch, also der Form
nach unveränderlich über die ganze Geschichte sich erstreckend, dann
greife ich den Freudschen Ausdruck Wort für Wort auf und formuliere: Die
Ideologie ist ewig, ebenso wie das Unbewußte. Und ich füge hinzu,
daß mir die Tatsache, daß die Ewigkeit des Unbewußten in einem
Zusammenhang steht mit der Ewigkeit der Ideologie im Allgemeinen, diese
Bezugnahme theoretisch gerechtfertigt erscheinen läßt. Ich halte es
daher für legitim, eine Theorie der Ideologie im Allgemeinen zu
formulieren, wie Freud eine Theorie des Unbewußten im Allgemeinen
formuliert hat. Um begriffliche Vieldeutigkeiten zu vermeiden, ist es sinnvoll,
sich darauf zu einigen, den Begriff der Ideologie zu benutzen, wenn von der
Ideologie im Allgemeinen die Rede ist; von ihr wurde gesagt, daß sie keine
Geschichte hat, oder was dasselbe bedeutet, daß sie ewig ist, d.h. in
ihrer unveränderlichen Form allgegenwärtig in der ganzen Geschichte (=
die Geschichte der aus gesellschaftlichen Klassen bestehenden
Gesellschaftsformationen). Ich beschränke mich zunächst auf die
"Klassengesellschaften" und ihre Geschichte.
Die Ideologie ist eine "Darstellung" des imaginären
Verhältnisses der Individuen zu ihren wirklichen Lebensbedingungen
Um zu unserer zentralen These über Struktur und Funktionsweise der
Ideologie zu kommen, muß ich zunächst zwei Thesen formulieren, eine
negative und eine positive. Die erste bezieht sich auf den Gegenstand, der in
der imaginären Form der Ideologie "dargestellt" ist; der zweite
bezieht sich auf die Materialität der Ideologie.
These l: Die Ideologie stellt das imaginäre Verhältnis der
Individuen zu ihren wirklichen Lebensbedingungen dar.
Gewöhnlich versteht man unter religiöser, moralischer, rechtlicher
und politischer Ideologie usw. ebensoviele "Weltanschauungen. Wohlgemerkt
gibt man jedoch zu - es sei denn, man erlebt eine dieser Ideologien als die
Wahrheit (zum Beispiel wenn man an Gott, an die Pflicht, an die Gerechtigkeit;
etc. glaubt) - daß die Ideologie, die man von einem kritischen
Gesichtspunkt aus betrachtet, indem man sie untersucht wie der Ethnologe die
Mythen einer "primitiven Gesellschaft", daß die
"Weltanschauungen" weitgehend imaginär sind, d.h. nicht "der
Wirklichkeit entsprechen".
Dennoch, obwohl man annimmt, daß sie nicht mit der Realität
übereinstimmen, folglich eine Illusion darstellen, nimmt man ebenso an,
daß sie eine Anspielung auf die Wirklichkeit darstellen und daß man
sie nur zu "interpretieren" hat, um unter ihrer imaginären
Darstellung der Welt die Wirklichkeit dieser Welt wiederzuentdecken. (Ideologie
= Illusion/ Anspielung).
Es gibt verschiedene Arten von Erklärungen, von denen die bekanntesten
die mechanistische und die "hermeneutische" sind. Der ersten zufolge,
die im 18. Jahrhundert geläufig war, ist Gott die imaginäre
Darstellung des wirklichen Königs. Die zweite stammt von den ersten
Kirchenpatern und wurde später von Feuerbach und der in seinem Gefolge
entstehenden theologisch-philosophischen Schule aufgegriffen; so zum Beispiel
von dem Theologen Barth und anderen. (So ist für Feuerbach etwa Gott das
Wesen des wirklichen Menschen.)
Unter der Bedingung der Interpretation der imaginären Transposition und
Verkehrung der Ideologie gelangt man - und darin trifft man das Wesen der Sache
- zu dem Schluß, daß "die Menschen sich ihre wirklichen
Lebensbedingungen in imaginärer Gestalt darstellen." Diese
Interpretation läßt leider eine Kleinigkeit unbeantwortet: Warum
haben die Menschen diese imaginäre Transposition ihrer wirklichen
Lebensbedingungen "nötig", um sich ihre wirklichen
Lebensbedingungen "darzustellen"?
Die erste Antwort (die des 18. Jahrhunderts) schlägt uns eine einfache
Lösung vor: schuld daran sind die Priester und die Despoten. Sie haben
schöne Lügen "erfunden", damit die Leute in dem Glauben Gott
zu gehorchen entweder den Priestern oder den Despoten gehorchen; beide machten
meistens bei diesem Betrug gemeinsame Sache, entweder dienten die Priester den
Despoten oder umgekehrt, je nach der politischen Position der betreffenden
"Theoretiker". Es gibt also einen Grund für die imaginäre
Transposition der wirklichen Lebensbedingungen: es ist die Existenz einiger
weniger zynischer Männer, deren Beherrschung und Ausbeutung des
"Volkes" sich auf eine falsche Darstellung der Welt stützt, die
sie sich ausgedacht haben, um sich die Geister gefügig zu machen und ihre
Vorstellungen zu beherrschen. Die zweite Antwort (die von Feuerbach, welche
Marx Wort für Wort in seinen Jugendwerken reproduziert) ist
"tiefer", dh. genauso falsch. Sie sucht und findet ebenfalls einen
Grund für die imaginäre Transposition und Deformation der wirklichen
Lebensbedingungen der Menschen, kurz für die ins Reich der Einbildung
entfremdete Darstellung der wirklichen Lebensbedingungen der Menschen. Nicht die
Priester und die Despoten und deren eigene aktive Phantasie wie die passive
ihrer Opfer sind der Grund. Sondern die materielle Entfremdung, die in den
Lebensbedingungen der Menschen selbst herrscht. So verteidigt Marx in der
"Judenfrage" und anderswo die Feuerbachsche Idee, daß die
Menschen sich eine entfremdete (= imaginäre) Vorstellung (representation)
von ihren Lebensbedingungen bilden, weil diese Lebensbedingungen selbst
entfremdend sind (in den "Manuskripten von 1844": weil diese
Bedingungen durch das Wesen der entfremdeten Gesellschaft beherrscht werden -
die "entfremdete Arbeit").
Alle diese Erklärungen nehmen die These, die sie vorbringen und auf die
sie sich stützen, wörtlich, nämlich, daß das, was sich in
der imaginären Darstellung der Welt, die eine Ideologie enthält,
spiegelt, die Existenzbedingungen der Menschen, ihre wirkliche Welt ist.
Ich wiederhole nun eine These, die ich bereits formuliert habe: nicht ihre
wirklichen Lebensbedingungen, nicht die wirkliche Welt, "stellen sich"
die "Menschen" in der Ideologie "dar", sondern es ist vor
allem ihr Verhältnis zu diesen Lebensbedingungen, welches ihnen in der
Ideologie dargestellt ist. Dieses Verhältnis bildet das Zentrum jeder
ideologischen und folglich imaginären Darstellung der Welt. In diesem
Verhältnis muß also die "Ursache" enthalten sein, die die
imaginäre Deformation der ideologischen Darstellung der wirklichen Welt
erklärbar macht. Oder vielmehr - um die Ausdrucksweise von der Ursache
einmal beiseite zu lassen -, formuliere ich die These: Es ist die imaginäre
Natur dieses Verhältnisses, die die ganze imaginäre Deformation
trägt, welche man in jeder Ideologie beobachten kann (wenn man nicht in ihr
befangen ist).
Um sich einer marxistischen Ausdrucksweise zu bedienen: wenn es stimmt,
daß die Darstellung der wirklichen Lebensbedingungen der Menschen als
Agenten der Produktion, der Ausbeutung, der Unterdrückung, der
Ideologisierung und der wissenschaftlichen Praxis, in letzter Instanz
abhängt von den Produktionsverhältnissen und den von ihnen
abgeleiteten Verhältnissen, dann kann gesagt werden, daß jede
Ideologie in ihrer notwendigen imaginären Deformation nicht die
existierenden Produktionsverhältnisse und die von ihnen abgeleiteten
Verhältnisse darstellt, sondern vor allem das (imaginäre)
Verhältnis der Individuen zu den Produktionsverhältnissen und den aus
ihnen abgeleiteten Verhältnissen. In der Ideologie ist also nicht das
System der wirklichen Verhältnisse dargestellt, die das Leben der
Individuen beherrschen, sondern ihr imaginäres Verhältnis zu den
wirklichen Verhältnissen, in denen sie leben.
Damit wird die Frage nach dem "Grund" der imaginären
Deformation der wirklichen Verhältnisse in der Ideologie hinfällig und
muß durch eine andere ersetzt werden: Warum ist die den Individuen
gegebene Darstellung ihres individuellen Verhältnisses zu den
gesellschaftlichen Verhältnissen, die ihre Lebensbedingungen und ihr
individuelles wie ihr kollektives Leben beherrschen, notwendig imaginär?
Und worin besteht die Natur dieses Imaginären? So gestellt, schließt
die Frage jede Erklärung durch eine "Clique"14
von Individuen
(Priestern oder Despoten) als Urhebern der großen ideologischen
Mystifikation ebenso aus wie die Erklärung durch den entfremdeten Charakter
der wirklichen Welt. Warum wird sich im Fortgang unserer Darstellung zeigen.
Für den Augenblick beschränken wir uns hierauf. These 2: Die Ideologie
hat eine materielle Existenz. Wir haben diese These bereits gestreift, als wir
sagten, daß die "Ideen" oder "Darstellungen" etc., aus
denen die Ideologie sich zusammenzusetzen scheint, materielle Existenz
besäßen und nicht etwa ideale, ideelle oder geistige. Wir haben sogar
darauf hingewiesen, daß die ideale, ideelle und geistige Existenz der
"Ideen" ganz und gar einer Ideologie der "Ideen" und der
Ideologie angehört; wir fügen hinzu, einer Ideologie dessen, was diese
Auffassung seit der Herausbildung der Wissenschaften zu
"begründen" scheint: das nämlich, was sich die in diesen
Wissenschaften Tätigen in ihrer spontanen Ideologie als (wahre oder
falsche) "Ideen" vorstellen. Diese These ist selbstverständlich
soweit lediglich eine unbewiesene Behauptung. Wir verlangen lediglich, daß
ihr, sagen wir im Namen des Materialismus, ein wohlwollendes Vorurteil
entgegengebracht wird. Ein Beweis würde längere Ausführungen
notwendig machen.
Diese Annahme von der nicht-geistigen, sondern materiellen Existenz der
"Ideen" und anderer "Darstellungen" ist eine Voraussetzung,
um unsere Analyse des Wesens der Ideologie fortführen zu können. Oder
anders gesagt, sie dient uns einfach zur Herausarbeitung eines Zusammenhangs,
den jede ernsthaftere Analyse einer beliebigen Ideologie für jeden auch nur
wenig kritischen Beobachter unmittelbar und empirisch zeigt.
Bei der Untersuchung der ideologischen Staatsapparate und ihrer Praktiken
haben wir gesagt, daß jeder von ihnen die Realisation einer Ideologie
darstelle (wobei die Einheit dieser verschiedenen regionalen Ideologien - die
religiöse, moralische, rechtliche, politische, ästhetische etc. -
durch ihre Subsumtion unter die herrschende Ideologie gewährleistet wird).
Wir greifen diese These hier wieder auf: Eine Ideologie existiert immer in einem
Apparat und dessen Praxis oder Praktiken. Diese Existenz ist materiell.
Die materielle Existenz in einem Apparat und dessen Praktiken besitzt
selbstverständlich nicht die gleichen Eigenschaften wie die materielle
Existenz eines Pflastersteins oder eines Gewehrs. Wir behaupten aber - auch auf
die Gefahr hin, als Neoaristoteliker angesehen zu werden (es sei im übrigen
bemerkt, daß Marx Aristoteles sehr hoch einschätzte) - daß
"die Materie in mehrfachem Sinn genannt wird", oder besser, daß
sie unter verschiedenen Bedingungen existiert, die alle letzten Endes in der
"physischen" Materie ihre Wurzel haben.
Um festzustellen, was dies bedeutet, betrachten wir einfach, was sich in den
"Individuen" abspielt, die in der Ideologie leben, dh. in einer
bestimmten (religiösen, moralischen etc.) Darstellung der Welt, deren
imaginäre Deformation abhängig ist von dem imaginären
Verhältnis der Individuen zu ihren Lebensbedingungen, dh. in letzter
Instanz zu den Produktions- und Klassenverhältnissen (Ideologie =
imaginäres Verhältnis zu wirklichen Verhältnissen). Wir
behaupten, daß dieses imaginäre Verhältnis selbst materielle
Existenz besitzt.
Wir stellen nun folgendes fest.
Ein Individuum glaubt an Gott oder an die Pflicht oder die Gerechtigkeit.
Dieser Glaube hängt (für alle, dh. für die, die in einer
ideologischen Darstellung der Ideologie leben, welche die Ideologie auf
bloße per Definition mit geistiger Existenz ausgestattete Ideen reduziert)
ab von den Ideen eben dieses Individuums, also einem Subjekt mit einem
Bewußtsein, in dem seine Glaubensvorstellungen enthalten sind. Vermittels
des so etablierten ausschließlich ideologischen, "begrifflichen"
Instrumentariums (ein Subjekt mit einem Bewußtsein, in dem es die Ideen,
an die es glaubt, frei bildet und anerkennt) ergibt sich das (materielle)
Verhalten des betreffenden Individuums dann ohne weiteres. Das fragliche
Individuum verhält sich in der einen oder anderen Weise, entscheidet sich
für dieses oder jenes praktische Verhalten und vor allem: es nimmt als
Subjekt an bestimmten festgelegten Praktiken teil, nämlich den Praktiken
des ideologischen Staatsapparates, von dem seine bei vollem Bewußtsein
freigewählten Ideen "abhängen". Wenn es an Gott glaubt, geht
es in die Kirche, um am Gottesdienst teilzunehmen, kniet nieder, betet,
beichtet, tut Buße (diese war einst materieller Art im heute
geläufigen Sinn des Wortes) und es bereut natürlich und macht weiter
etc. Wenn es an die Pflicht glaubt, so wird es ein dementsprechendes Verhalten
an den Tag legen, das sich in gewisse rituelle, "den guten Sitten
entsprechende" Praktiken einfügt. Glaubt es an die Gerechtigkeit, so
wird es sich den Regeln des Rechts widerspruchslos fügen und
möglicherweise, wenn diese verletzt werden, protestieren, Petitionen
unterschreiben und an Demonstrationen teilnehmen etc.
Dieses Schema zeigt uns also, daß man bei einer ideologischen
Auffassung der Ideologie gezwungen ist anzuerkennen, daß jedes
Subjekt", das mit einem "Bewußtsein" ausgestattet ist und
an "Ideen" glaubt, die sein "Bewußtsein" ihm eingibt
und freiwillig akzeptiert, - daß dieses Subjekt "seinen Ideen
entsprechend handeln" muß, also die ihm als freiem Subjekt eigenen
Ideen in die Handlungen seiner materiellen Praxis übersetzen muß.
Macht es das nicht, dann "ist etwas nicht in Ordnung".
Wenn es nicht das tut, zu was es seinem Glauben nach verpflichtet wäre,
so macht es etwas anderes, was immer noch gemäß demselben
idealistischen Schema die Vermutung nahelegt, daß es andere als die von
ihm öffentlich geäußerten Ideen im Kopf hat und daß es
diesen anderen Ideen entsprechend als "inkonsequenter" ("Niemand
ist freiwillig boshaft"), zynischer oder perverser Mensch handelt.
In jedem Fall also erkennt die Ideologie der Ideologie trotz ihrer
imaginären Deformation an, daß die "Ideen" eines
menschlichen Subjekts in seinen Handlungen existieren oder existieren
müssen; andernfalls liefert ihm die Ideologie andere, seinen Handlungen
(selbst wenn sie pervers wären) entsprechende Ideen. Diese Ideologie
spricht von Handlungen: Wir werden von Handlungen sprechen, die sich in
bestimmte Praktiken einfügen. Und wir konstatieren weiter, daß diese
Praktiken durch Rituale, in welche sie sich einfügen, innerhalb der
materiellen Existenz eines ideologischen Apparates geregelt werden. Hierbei kann
es sich bloß um einen ganz kleinen Teil dieses Apparates handeln: ein
kleiner Gottesdienst in einer kleinen Kirche, eine Beerdigung, ein Sportkampf in
einem Sportverein, ein Tag in einer Schulklasse oder eine Versammlung oder
Kundgebung einer politischen Partei etc. Pascals defensiver
"Dialektik" verdanken wir übrigens jene großartige
Formulierung, die es uns ermöglichen wird, die Ordnung des begrifflichen
(notionnel) Schemas der Ideologie umzustülpen. Pascal sagt ungefähr
folgendes: "Kniee nieder und bewege die Lippen wie zum Gebet und Du wirst
glauben". Damit stößt er in skandalöser Weise die
bestehende Ordnung der Dinge um, wie Christus bringt er nicht den Frieden,
sondem die Zwietracht und sogar den Skandal, was sehr wenig christlich ist (denn
wehe dem, der den Skandal ans Tageslicht bringt). Glückseliger Skandal, der
ihn in jansenistischer Herausforderung eine Sprache sprechen läßt,
die die Wirklichkeit beim Namen nennt.
Man wird uns gestatten, Pascal seinen Argumenten des ideologischen Kampfes
innerhalb des religiösen ISAs seiner Zeit zu überlassen und uns wenn
möglich einer marxistischeren Ausdrucksweise zu bedienen, insbesondere da
wir uns hier auf Neuland begeben.
Ausgehend von der Betrachtung eines Subjekts (irgendein Individuum) sagen wir
also, daß die Ideen, an die es glaubt, materielle Existenz haben, insofern
seine Ideen seine materiellen Handlungen sind, die sich einfügen in
materielle Praktiken, welche durch materielle Rituale geregelt werden. Diese
Rituale werden ihrerseits bestimmt durch den materiellen ideologischen Apparat,
von dem die Ideen des betreffenden Subjekts abhängen. Natürlich werden
die vier in unserer These enthaltenen Adjektive "materiell" durch
unterschiedliche Modalitäten affiziert: Die Materialität eines Gangs
zur Messe, des Niederkniens, einer Geste der Bekreuzigung oder der mea culpa,
eines Satzes, eines Gebets, einer Reue, einer Buße, eines Blicks, eines
Händedrucks, einer Rede mit jemand anderem oder "mit sich selbst"
(das Gewissen) ist nicht von ein und derselben Materialität. Wir lassen die
Theorie der Verschiedenheit der Bedingungen der Materialität hier
beiseite.
Übrig bleibt, daß mit dieser Umkehrung der Dinge es sich dennoch
um keine "Umkehrung" handelt; wir stellen vielmehr fest, daß
bestimmte Bezeichnungen ganz einfach aus unserer Darstellung verschwunden sind,
während andere weiterhin darin vorkommen sowie neue Ausdrücke
auftauchen.
Verschwunden ist: der Ausdruck Ideen.
Geblieben: die Ausdrücke Subjekt, Bewußtsein, Glaube, Handlungen.
Neu hinzugekommen: die Ausdrücke Praktiken, Rituale, Ideen, Apparat.
Es handelt sich also nicht um eine Umkehrung (höchstens in dem Sinne,
wie von einem Regierungsumsturz die Rede ist oder davon, daß ein Glas
umgestülpt wird), sondern eher um eine ziemlich seltsame Umbildung (wenn
auch nicht-ministerieller Art), denn wir gelangen dadurch zu folgendem
Ergebnis:
Die Ideen als solche sind verschwunden (insofern sie mit einer idealen,
geistigen Existenz behaftet sind); und zwar insofern sich zeigte, daß ihre
Existenz nicht zu trennen war von den Handlungen bestimmter Praktiken, die von
Ritualen geregelt werden, welche ihrerseits in letzter Instanz durch einen
ideologischen Apparat defmiert sind. Daraus ergibt sich also, daß ein
Subjekt handelt, insofern es durch das folgende System bewegt wird (hier
dargestellt in der durch seine wirkliche Determination bestimmte Reihenfolge):
eine in einem materiellen ideologischen Apparat existierende Ideologie, die
bestimmte materielle durch ein materielles Ritual geregelte Praktiken
vorschreibt, wobei diese Praktiken wiederum in den materiellen Handlungen eines
Subjekts existieren, das mit vollem Bewußtsein seinem Glauben entsprechend
agiert.
Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die folgenden Bezeichnungen
beibehalten wurden: Subjekt, Bewußtsein; Glauben, Handlungen. Dieser Folge
entnehmen wir den zentralen und entscheidenden Begriff des Subjekts, von dem
alles abhängt.
Wir können nun sofort die beiden folgenden zusammenhängenden Thesen
formulieren:
1. Nur durch und in einer Ideologie existiert Praxis.
2. Nur durch das Subjekt und für Subjekte existiert Ideologie.
Dies ermöglicht es uns, jetzt zu unserer zentralen These zu
kommen.
Die Ideologie ruft die Individuen als Subjekte an
Diese These dient einfach zur Verdeutlichung unserer letzten Auffassung,
daß die Ideologie nur durch und für die Subjekte existiert.
Wohlgemerkt, Ideologie existiert immer nur für konkrete Subjekte und diese
Bestimmung der Ideologie ist nur möglich durch das Subjekt und zwar durch
die Kategorie des Subjekts und dessen Funktionsweise.
Wir wollen damit sagen, daß, selbst wenn die Kategorie des Subjekts
unter der Bezeichnung Subjekt erst seit dem Auftreten der bürgerlichen
Ideologie, vor allem der Rechtsideologie15
existiert, sie (die auch unter
anderen Bezeichnungen funktionieren kann, z.B. bei Plato als Seele, Gott etc.)
die konstitutive Kategorie jeder Ideologie überhaupt ist, was auch immer
ihre Bestimmung (regional oder klassenmäßig) und welches auch immer
ihr historischer Ort sein mag - denn die Ideologie hat keine Geschichte.
Wenn wir sagen, daß die Kategorie des Subjekts für jede Ideologie
konstitutiv ist, so muß jedoch zugleich sofort hinzugefügt werden,
daß die Kategorie des Subjekts nur insofern konstitutiv für jede
Ideologie ist, als es die Funktion jeder Ideologie ist (sie wird durch diese
Funktion definiert), die konkreten Individuen als Subjekte zu
"konstituieren". In diesem Spiel doppelter Konstitution besteht die
Funktionsweise jeder Ideologie, ist doch die Ideologie nichts anderes als ihre
Funktionsweise in den materiellen Formen der Existenz dieser Funktionsweise.
Zum Verständnis des folgenden muß gesagt werden, daß sowohl
der Leser wie der Verfasser dieser Zeilen selbst Subjekte sind, also
ideologische Subjekte (was eine Tautologie ist); dh. sowohl der Verfasser wie
der Leser dieser Zeilen leben "spontan" oder auch
"naturwüchsig" in der Ideologie, entsprechend unserer
Formulierung, daß "der Mensch von Natur aus ein ideologisches Tier
ist".
Eine ganz andere Frage ist es, daß der Verfasser dieser Abhandlung, die
beansprucht wissenschaftlich zu sein, als "Subjekt" in
"seiner" Abhandlung überhaupt nicht in Erscheinung tritt (denn
jede wissenschaftliche Abhandlung ist per Definition eine Abhandlung ohne
Subjekt, es gibt ein "Subjekt der Wissenschaft" nur in einer Ideologie
der Wissenschaft). Doch lassen wir diese Frage einmal beiseite.
Wie Paulus es treffend sagte: "Im Logos haben wir das Sein, die Bewegung
und das Leben", nur setzen wir statt Logos Ideologie. Daraus folgt,
daß für den Leser wie für mich die Kategorie des Subjekts eine
primäre "Evidenz" ist (Evidenzen sind immer primär): Es ist
klar, daß er und ich (freie, moralische etc.) Subjekte sind. Wie alle
Evidenzen, diejenigen eingeschlossen, durch die ein Wort "eine Sache
bezeichnet" oder eine "Bedeutung besitzt" (hierher gehören
auch die Evidenzen der "Transparenz" der Sprache), ist auch die
"Evidenz", daß der Leser und ich Subjekte sind - und daß
das keine Probleme aufwirft - ein ideologischer Effekt, ein elementarer
ideologischer Effekt.16 Ohne daß es auffiele, denn es handelt sich ja um
"Evidenzen", ist es das Spezifikum der Ideologie, die Evidenzen als
Evidenzen den Subjekten aufzudrängen, die als solche nicht
wiederzuerkennen17 gar nicht möglich ist
und angesichts derer unsere unvermeidliche und natürliche Reaktion einfach
die ist, laut und in der "Stille des Bewußtseins auszurufen:"
Das ist evident! Genau so ist es! Das ist wahr!"
In dieser Reaktion macht sich die Funktion des ideologischen Wiedererkennens
geltend, die eine der beiden Funktionen der Ideologie als solcher ausmacht (ihr
Gegenstück ist die Funktion des Nichterkennens (meconnaissance).
Um ein sehr "konkretes" Beispiel zu wählen: Wir alle werden
schon einmal erlebt haben, daß, wenn ein Freund bei uns anklopft und wir
durch die geschlossene Tür die Frage stellten "Wer ist da?", die
Antwort kam "Ich bin es" (denn "das ist evident"). Wir
erkennen dann auch in der Tat wieder: "Das ist er oder sie". Wir
öffnen die Tür und sehen: "Es ist wirklich sie". Um ein
anderes Beispiel zu wählen: Wenn wir auf der Straße jemandem,
begegnen, den wir (wieder-) erkennen, so geben wir ihm ein Zeichen, daß
wir ihn wiedererkannt haben (und daß wir gesehen haben, daß er uns
wiedererkannt hat), indem wir ihm "Guten Tag, mein Lieber" sagen und
ihm die Hand schütteln (die zumindest in Frankreich übliche materielle
rituelle Praxis des ideologischen Wiedererkennens im Alltag; in anderen
Ländern herrschen andere Rituale).
Mit diesen Vorbemerkungen und konkreten Illustrationen will ich bloß
darauf hinweisen, daß Sie und ich immer schon Subjekte sind und als solche
ständig ideologische Wiedererkennungsrituale praktizieren, die uns die
Gewißheit geben', ganz einfach konkrete, einzigartige, unverwechselbare
und (selbstverständlich) unersetzbare Subjekte zu sein. Die Schrift, die
ich im Augenblick zu Papier bringe, und die I,ektüre, mit der Sie im
Augenblick 15) beschäftigt sind, sind in dieser Beziehung ebenfalls Rituale
des ideologischen Wiedererkennens; hierzu gehört auch die
"Evidenz", mit der sich Ihnen die "Wahrheit" oder der
"Irrtum" meiner Reflexionen aufdrängt.
Die Tatsache jedoch, daß wir uns gegenseitig als Subjekte
anerkennen und daß wir in den praktischen Ritualen des elementarsten
täglichen Lebens funktionieren (Händedruck, sich beim Namen nennen,
das Wissen, daß Sie einen eigenen Namen "haben", selbst wenn ich
ihn nicht kenne, der Sie als einmaliges Subjekt identifizierbar macht etc.) -
dieses Wiedererkennen verhilft uns lediglich zum "Bewußtsein"
unserer fortwährenden (ewigen) Praxis des ideologischen Wiedererkennens
(ihr Bewußtsein, d.h. ihr Wiedererkennen) - keinesfalls jedoch verhilft
sie uns zur wissenschaftlichen Erkenntnis des Mechanismus dieses
Wiedererkennens. Diese Erkenntnis ist aber unser Ziel, wenn wir, obwohl wir in
der Ideologie und vom Zentrum der Ideologie sprechen, eine Abhandlung
konzipieren wollen, die mit der Ideologie zu brechen versucht und riskiert, der
Beginn einer wissenschaftlichen Abhandlung (ohne Subjekt) über die
Ideologie zu sein.
Um den Nachweis zu führen, warum die Kategorie des Subjekts für die
Ideologie konstitutiv ist, die nur darin besteht, die konkreten Subjekte als
Subjekte zu konstituieren, werde ich mich einer besonderen Darstellungsweise
bedienen; sie ist konkret genug, um wiedererkannt zu werden, und abstrakt genug,
um noch denkbar zu sein oder gedacht zu werden und zugleich eine Erkenntnis
hervorzubringen.
In einer ersten Formulierung würde ich sagen: Durch die Funktionsweise
der Kategorie des Subjekts ruft jede Ideologie die konkreten Individuen als
konkrete Subjekte an (toute idéologie interpelle les individus concrets
en sujets concrets).
Dieser Satz impliziert zunächst die Unterscheidung in konkrete
Individuen einerseits und konkrete Subjekte andererseits, obwohl es auf dieser
Ebene kein konkretes Subjekt gibt, dem nicht ein konkretes Individuum
zugrundeläge.
Wir drücken in dem obigen Satz aus, daß die Ideologie derart
"wirkt" oder "funktioniert", daß sie durch eine ganz
bestimmte Operation, die wir Anrufung nennen, aus der Masse der Individuen (sie
rekrutiert alle) Subjekte "rekrutiert" oder diese Individuen in
Subjekte "verwandelt" (sie verwandelt alle). Man kann sich diese
Anrufung nach dem Muster der einfachen und alltäglichen Anrufung durch
einen Polizeibeamten vorstellen: "He, Sie da!"19
Angenommen die vorgestellte Szene spiele sich auf der Straße ab und das
angerufene Individuum wendet sich um. Es wird durch diese einfache Wendung um
180 Grad zum Subjekt. Warum? Weil es damit anerkannt hat, daß der Anruf
"sehr wohl" ihm galt und "niemand anders als es angerufen
wurde". Wie durch Erfahrungen belegt, verfehlen diese praktischen
Telekommunikationen der Anrufung praktisch niemals ihren Mann; sei es durch
mündlichen Zuruf oder durch Pfeifen, der so angerufene weiß immer,
daß er es ist, der gemeint war. Dies ist auf alle Fälle ein
merkwürdiges Phänomen, das nicht allein durch ein
"Schuldgefühl" erklärt werden kann, trotz der Vielzahl der
Leute, die "sich etwas vorzuwerfen haben".
Um uns die Sache zu erleichtern und um der größeren Klarheit
willen, mußten wir natürlich bei der Darstellung unseres kleinen
theoretischen Schauspiels die Dinge in einer Reihenfolge präsentieren, mit
einem davor und einem danach, dh. in der Form einer zeitlichen Aufeinanderfolge.
Es gibt Leute, die gehen spazieren. Irgendwo (gewöhnlich hinter ihnen) ist
der Anruf zu hören: "He, Sie da!" · Ein Individuum wendet
sich um - in 90 % der Fälle ist es der angeredete - in dem Glauben, der
Ahnung, dem Wissen, er sei gemeint, und erkennt damit an, daß "sehr
wohl er es ist", an den sich der Anruf richtete. In Wirklichkeit spielt
sich dies alles nicht in einer zeitlichen Aufeinanderfolge ab. Die Existenz der
Ideologie und die Anrufung der Individuen als Subjekte ist ein und dasselbe.
Wir können hinzufügen: Das, was dem Anschein nach außerhalb
der Ideologie sich abspielt (genau gesagt auf der Straße), spielt sich in
Wirklichkeit in der Ideologie ab. Was sich also in Wirklichkeit in der Ideologie
abspielt, scheint sich also außerhalb ihrer abzuspielen. Deshalb glauben
sich diejenigen, die sich in der Ideologie befinden, laut Definition
außerhalb der Ideologie. Wir haben es hier mit einem der Effekte der
Ideologie zu tun, dem der praktischen Ableugnung des ideologischen Charakters
der Ideologie durch die Ideologie; die Ideologie sagt nie: "Ich bin
ideologisch". Man muß außerhalb der Ideologie sein, d h. im
Besitz der wissenschaftlichen Einsicht, um sagen zu können: ich bin in der
Ideologie, was ein ganz aussergewöhnlicher Fall ist, oder - und dies ist
der allgemeine Fall - ich war in der Ideologie. Es ist nur allzu bekannt,
daß der Vorwurf, man befinde sich in der Ideologie, immer nur den anderen
gegenüber gemacht wird, nie sich selbst gegenüber (es sei denn, man
ist wirklich Marxist oder Spinozist, was in diesem Fall identisch ist). Was auf
den Satz hinausläuft, daß die Ideologie (für sich genommen) kein
Äußeres (dehors) besitzt, daß sie dagegen zugleich für die
Wissenschaft und die Wirklichkeit nur Äußere ist.
Dieser Zusammenhang ist zweihundert Jahre vor Marx, der ihn zwar praktiziert
hat, jedoch im Einzelnen nicht entwickelt hat, von Spinoza vollständig
erklärt worden. Lassen wir jedoch diesen Punkt beiseite, obwohl er
schwerwiegende Konsequenzen nicht nur theoretischer, sondern vor allem
politischer Art hat; so hängt beispielsweise die gesamte Theorie der Kritik
und Selbstkritik, eine goldene Regel der Praxis des marxistisch-leninistischen
Klassenkampfes, davon ab.
Die Ideologie ruft also die Individuen als Subjekte an. Da sie ewig ist,
müssen wir jetzt die Zeitlichkeit, in der wir das Funktionieren der
Ideologie dargestellt haben, beseitigen und sagen: Die Ideologie hat sich
immer-schon ( toujours-deja) an die Individuen als Subjekte gerichtet, was
wiederum auf die Präzisierung hinausläuft, daß die Individuen
immer-schon durch die Ideologie' als Subjekte angesprochen werden. Damit
gelangen wir schließlich zu unserer letzten These: Die Individuen sind
immer-schon Subjekte. Die Individuen sind also in Bezug auf die Subjekte, die
sie immer-schon sind, "abstrakt". Dies mag paradox erscheinen.
Daß ein Individuum immer-schon, selbst vor seiner Geburt, ein Subjekt
ist, ist nichts weiter als die einfache, für jeden überprüfbare
Wirklichkeit und keinesfalls paradox. Daß die Individuen bezogen auf die
Subjekte, die sie immer-schon sind, immer "abstrakt" sind, hat Freud
gezeigt, indem er darauf hinwies, mit welch einem ideologischen Ritual die
Erwartung einer "Geburt, dieses "freudige Ereignis", umgeben ist.
Jeder weiß, wie sehr und wie die Geburt eines Kindes erwartet wird. Mit,
anderen sehr prosaischen Worten (wenn wir uns darauf einigen, die
"Gefühle" beiseite zu lassen, dh. die Formen der familiären
Ideologie, sei sie nun väterlich, mütterlich, die der Ehepartner oder
brüderlich, in denen die Ankunft eines Kindes erwartet wird): Es steht von
vornherein fest, daß es den Namen des Vaters tragen wird und damit eine
Identität besitzt und durch niemand anderen zu ersetzen sein wird. Bevor
das Kind also überhaupt geboren ist, ist es immer-schon Subjekt, dazu
bestimmt in und durch die spezifische familiäre ideologische Konfiguration,
in der es nach der Zeugung "erwartet" wird. Es versteht sich von
selbst, daß bei aller Einmaligkeit diese familiäre, ideologische
Konfiguration eine feste Struktur besitzt und daß in dieser
unerbittlichen, mehr oder weniger "pathologischen" Struktur
(vorausgesetzt dieser Begriff habe einen definierbaren Sinn) das ehemalige
zukünftige Subjekt (1`ancien futur-sujet) "seinen" Platz
"finden" muß, dh. zu dem geschlechtlichen Subjekt (Junge oder
Mädchen) werden muß, das es bereits von vornherein gewesen ist. Man
wird begreifen, daß dieser Zwang und diese ideologische Vorausfestlegung
sowie alle Rituale der Aufzucht und später der Erziehung in der Familie im
Zusammenhang stehen mit den Studien Freuds über die Formen der
prägenitalen und genitalen "Phasen" der Sexualität, also
über den "Eingriff" dessen, was Freud vermittels seiner
Auswirkungen als das Unbewußte entdeckt hat. Aber lassen wir auch diesen
Punkt beiseite. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Was uns jetzt interessiert,
ist die Art und Weise, wie die "Schauspieler" dieser Aufführung
der Anrufung und ihre respektiven Rollen sich in der Struktur jeder Ideologie
widerspiegeln.
Ein Beispiel: Die religiöse Ideologie des Christentums
Da die formale Struktur einer jeden Ideologie immer die gleiche ist,
können wir uns damit begnügen, ein einziges, jedermann
zugängliches Beispiel zu untersuchen; wir fügen hinzu, daß sich
der gleiche Nachweis für die moralische, rechtliche, politische,
ästhetische etc. Ideologie liefern ließe.Da die formale Struktur
einer jeden Ideologie immer die gleiche ist, können wir uns damit
begnügen, ein einziges, jedermann zugängliches Beispiel zu
untersuchen; wir fügen hinzu, daß sich der gleiche Nachweis für
die moralische, rechtliche, politische, ästhetische etc. Ideologie liefern
ließe.Da die formale Struktur einer jeden Ideologie immer die gleiche ist,
können wir uns damit begnügen, ein einziges, jedermann
zugängliches Beispiel zu untersuchen; wir fügen hinzu, daß sich
der gleiche Nachweis für die moralische, rechtliche, politische,
ästhetische etc. Ideologie liefern ließe.
Wenden wir uns also der religiösen Ideologie des Christentums zu. Wir
werden uns einer rhetorischen Figur bedienen und sie zum Sprechen
bringen, d.h. wir werden in einer fiktiven Rede das zusammentragen, was
sie sagt, und zwar nicht nur in ihren beiden Testamenten, durch ihre
Theologen, in ihren Predigten, sondern auch in ihren Praktiken, in ihren
Ritualen, Zeremonien und Sakramenten. Sie sagt ungefähr folgendes.
Sie sagt: Ich wende mich an Dich, jenes menschliche Wesen mit dem Namen Peter
(jedes Individuum wird bei Namen genannt und zwar in einem passiven Sinn, denn
es ist nie es selbst, das sich seinen Namen gibt), um Dir zu sagen, daß
Gott existiert und daß Du in seiner Schuld bist. Und sie fügt hinzu:
Gott spricht zu Dir mit meiner Stimme (die Heilige Schrift hat die Worte Gottes
festgehalten, die Tradition hat sie überliefert, durch die Unfehlbarkeit
des Papstes sind ihre strittigen Stellen für immer eindeutig
festgelegt worden). Sie sagt: Ich sage Dir, wer Du bist: Du bist Peter! Und ich
sage Dir, wo Du herstammst: Du bist geschaffen vom ewigen Vater, auch wenn Du
1920 nach Christus zur Welt gekommen bist! Und ich sage Dir, welches Dein Platz
in der Welt ist und was Du zu tun hast! Gehorchst Du dem Gebot der
Nächstenliebe, so wirst Du gerettet werden. Du Peter, und wirst
eins werden mit dem Verklärten Leib Christi! etc. .
Diese Rede ist nur allzu bekannt und banal und doch enthält sie zugleich
etwas sehr überraschendes.
Denn wenn die religiöse Ideologie sich an die Individuen20
wendet, um
sie in Subjekte zu verwandeln, indem sie das Individuum Peter
anruft, um aus ihm ein Subjekt zu machen, das die Freiheit besitzt, dem Ruf,
d.h. den Geboten Gottes zu gehorchen oder nicht; wenn sie sie bei ihrem Namen
nennt und damit anerkennt, daß sie immer-schon als Subjekte angerufen
sind, die eine persönliche Identität besitzen (bis zu dem Punkt,
daß der Christus Pascals sagt: ;,Für Dich habe ich diesen Tropfen
meines Blutes vergossen); wenn sie die Individuen in einer Weise anruft,
daß diese antworten: Ja, ich bin es! ; wenn sie von ihnen die
Anerkennung erhält, daß sie in der Tat die Stellung, einen festen
Ort, in der Welt einnehmen, die sie ihnen vorschreibt, so daß sie sagen:
Es ist die Wahrheit, ich Arbeiter, Chef, Soldat bin
hier in diesem Jammertal; wenn sie von ihnen die Anerkennung einer
höheren Bestimmung - ewiges Leben oder ewige Verdammnis - erhält,
entsprechend dem Respekt oder der Verachtung mit denen sie die Gebote
Gottes, das zur Liebe gewordene Gesetz, behandeln; - wenn dies alles sich so
abspielt (in den bekannten rituellen Praktiken der Taufe, der Konfirmation, der
Kommunion, der Beichte und der letzten Ölung etc. . .), dann müssen
wir feststellen, daß diese ganze Prozedur, durch welche die
christlichen religiösen Subjekte in Szene gesetzt werden, von einem
eigenartigen Phänomen beherrscht wird: Die Existenz einer solchen Vielzahl
religiöser Subjekte ist nur möglich unter der absoluten Bedingung,
daß ein anderes Subjekt, ein einziges und absolutes Subjekt existiert,
nämlich Gott.
Wir einigen uns darauf, dieses neue und einzigartige Subjekt durch
Großbuchstaben zu kennzeichnen, um es von den gewöhnlichen zu
unterscheiden.
Es zeigt sich also, daß die Anrufung der Individuen als Subjekte die
Existenz eines ANDEREN, EINZIGEN und zentralen SUBJEKTS voraussetzt,
in dessen Namen die religiöse Ideologie alle Individuen als Subjekte
anruft. In aller Klarheit findet sich dies in der Bibel, die zu Recht die
Schrift genannt wird21.
Zu jener Zeit sprach der Herr
(Jahve) zu Moses aus einer Wolke. Und der Herr rief Moses: `Moses!` `Hier bin
ich`. sprach Moses, `ich bin Moses, Dein Diener, sprich und ich werde Dich
hören.` Und der Herr sprach zu Moses und sagte ihm: `Ich bin, der ich
bin.` Gott bezeichnet sich also als das SUBJEKT par excellence, das durch
sich und für sich ist (Ich bin, der ich bin), und der sein
Subjekt ruft, das Individuum, das ihm durch seinen Anruf selbst unterworfen ist,
nämlich das Individuum mit dem Namen Moses. Und der so angerufene und bei
seinem Namen genannte Moses, der erkannt hat, daß es sehr wohl
er war, den Gott gerufen hat, erkennt damit zugleich an, daß er Subjekt
ist, Subjekt von Gott, Gott unterworfenes Subjekt, Subjekt durch das SUBJEKT und
dem SUBJEKT unterworfen. Der Beweis: Er gehorcht ihm und veranlaßt,
daß sein Volk den Geboten Gottes gehorcht.
Gott ist also das SUBJEKT und Moses und die unzähligen Subjekte des
Volkes Gottes sind seine angerufenen Gesprächspartner: seine Spiegel, seine
Reflexe. Sind die Menschen nicht geschaffen nach dem Bilde Gottes? Wie die
gesamte theologische Literatur zeigt, braucht Gott die Menschen, auch wenn er
sehr wohl darauf verzichten könnte . .; braucht das SUBJEKT die
Subjekte ebenso wie die Menschen Gott, die Subjekte das SUBJEKT brauchen. Besser
noch: Gott braucht die Menschen, das große SUBJEKT die Subjekte, selbst
noch in der schrecklichsten Entstellung seines Bildes in ihnen, wenn sich die
Subjekte dem Laster hingeben, d.h. wenn sie sündigen.
Besser noch: Gott verdoppelt sich selbst und schickt seinen Sohn auf die Erde
als ein von ihm verlassenes einfaches Subjekt (die lange Klage im
Ölbaumgarten endet am Kreuz); Subjekt aber SUBJEKT, Mensch aber Gott, um
das zu vollbringen, was die schließliche Erlösung vorbereitet: die
Auferstehung Christi. Gott muß also sich selbst zum Menschen
machen, das SUBJEKT muß zum Subjekt werden, um den sinnlich
greifbaren, mit den Augen sichtbaren und mit den Händen spürbaren
(siehe den Heiligen Thomas) Beweis für die Subjekte zu liefern, daß
sie nur Subjekte, dem SUBJEKT Unterworfene sind, um am Tage des Jüngsten
Gerichts wie Christus in den Schoß des Herrn zurückzukehren, d.h. in
das SUBJEKT22.
Übersetzen wir diese erstaunliche Notwendigkeit der Verdopplung des
SUBJEKTS in Subjekte und des SUBJEKTS selbst in das Subjekt-SUBJEKT in eine
theoretische Sprache.
Wir stellen fest, daß die Struktur jeder Ideologie, durch welche die
Individuen im Namen eines absoluten und einzigen SUBJEKTS als Subjekte angerufen
werden, spiegelhaft (speculaire) ist, und zwar in doppelter Weise: diese
spiegelhafte Verdopplung ist für die Ideologie konstitutiv und
gewährleistet ihr Funktionieren. Dies bedeutet, daß sich jede
Ideologie um einen Mittelpunkt dreht, daß das ABSOLUTE SUBJEKT den
einzigen Mittelpunkt bildet und um sich herum die unendliche Zahl der Individuen
als Subjekte anruft, und zwar in einem doppelten Spiegelverhältnis: die
Ideologie unterwirft einerseits die Subjekte dem SUBJEKT; wobei sie ihnen
vermittels des SUBJEKTS, in dem jedes Subjekt sein eigenes (gegenwärtiges
wie zukünftiges) Bild vor Augen hat, die Gewißheit bietet, daß
es sich wirklich um sie und um ES handelt; andererseits erkennt Gott
innerhalb der Familie (die Heilige Familie, denn die Familie ist ihrem Wesen
nach heilig) in ihnen die Seinen, d.h. daß jene, die Gott
anerkennen und sich in ihm wiedererkennen, gerettet werden. Fassen wir zusammen,
was wir nun über die Ideologie im Allgemeinen wissen.
Die doppelte Spiegelstruktur der Ideologie gewährleistet
gleichzeitig:
1) die Anrufung der Individuen als Subjekte
2) ihre Unterwerfung unter das SUBJEKT
3) die gegenseitige Anerkennung zwischen den Subjekten und dem SUBJEKT sowie
der Subjekte untereinander und schließlich die Anerkennung des Subjekts
durch sich selbst23.
4)die absolute Gewißheit, daß alles in der Tat so ist und alles
bestens gehen wird, solange die Subjekte nur erkennen, was sie sind, und sich
dementsprechend verhalten: Also sei es.
Resultat: Gefangen in diesem vierfachen System der Anrufung als Subjekte, der
Unterwerfung unter das SUBJEKT, der allgemeinen Anerkennung und der absoluten
Gewißheit funktionieren die Subjekte in den meisten
Fällen ganz von alleine, mit Ausnahme der
schädlichen Subjekte, durch deren Verhalten der Eingriff dieser
oder jener Abteilung des repressiven Staatsapparates provoziert wird. Die
große Masse der (guten) Subjekte funktionieren dagegen sehr wohl
ganz von alleine, d.h. innerhalb der Ideologie (deren konkrete
Formen in den ideologischen Staatsapparaten verwirklicht sind). Sie fügen
sich in die von den Ritualen der ISAs beherrschten Praktiken ein. Sie
anerkennen das Bestehende24,
daß es in der Tat so ist und
nicht anders, daß man Gott gehorchen muß, seinem Gewissen, dem
Pfarrer, de Gaulle, dem Chef und dem Ingenieur, daß man seinen
Nächsten lieben muß wie sich selbst etc. Ihr konkretes
materielles Verhalten ist nichts anderes als die lebendige Verkörperung des
bewundernswerten Wortes ihres Gebetes: Also sei es!
Ja, die Subjekte funktionieren ganz von alleine. Das ganze
Geheimnis dieser Wirkung liegt in den beiden ersten Momenten des vierfachen
Systems, von dem wir gesprochen haben, oder wenn man so will, in der
Vieldeutigkeit des Ausdrucks Subjekt. Die geläufige Bedeutung dieses Wortes
ist 1. eine freie Subjektivität, also ein Zentrum von Initiativen, das der
Urheber seiner Handlungen ist, für die es die Verantwortung trägt; 2.
ein unterworfenes Individuum, das einer höheren Autorität unterworfen
ist und keine andere Freiheit als die der freiwilligen Unterwerfung besitzt. In
der letzten Bedeutung liegt der Sinn jener Vieldeutigkeit, die nur den Effekt
wiederspiegelt, der sie hervorruft: das Individuum wird als (freies) Subjekt
angerufen, damit es sich freiwillig den Befehlen des SUBJEKTS fügt, damit
es also (freiwillig) sich in die Unterwerfung fügt und folglich von
allein die Gesten und Handlungen seiner Unterwerfung
vollzieht. Subjekte existieren nur durch und für ihre
Unterwerfung. Sie funktionieren daher ganz von alleine.
Also sei es!. . . . Dieses Wort, das den angestrebten Effekt
anzeigt, ist zugleich ein Beweis dafür, daß es nicht von Natur
aus so ist; von Natur aus will sagen: außerhalb dieses Gebets,
also außerhalb der ideologischen Intervention. Das Wort beweist, daß
es so sein muß, damit die Dinge sind, was sie sein müssen; sprechen
wir es aus: damit die Reproduktion der Produktionsverhältnisse bis in den
Produktions- und Zirkulationsprozeß Tag für Tag im
Bewußtsein gewährleistet sind, d.h. im Verhalten der
Individuen-Subjekte in ihren jeweiligen Stellungen, die ihnen die
gesellschaftlich-technische Arbeitsteilung in der Produktion, der Ausbeutung,
der Repression, der Ideologisierung, der wissenschaftlichen Praxis etc. zuweist.
Worum handelt es sich in der Tat bei diesem Mechanismus der spiegelhaften
Anerkennung des SUBJEKTS und der durch die Anrufung als Subjekte gesetzten
Individuen? Worum handelt es sich bei der Gewißheit, die den Subjekten
durch das SUBJEKT gegeben wird, wenn sie sich freiwillig in ihre Unterwerfung
unter die Gebote des SUBJEKTS fügen? Die Realität, von der
in diesem Mechanismus die Rede ist und die notwendigerweise in den Formen der
Anerkennung nicht erkannt wird (Ideologie = Wiedererkennen/Nichterkennen), ist
in der Tat letztlich die Reproduktion der Produktionsverhältnisse und der
aus ihnen abgeleiteten Verhältnisse.
Januar April 1969
PS.
- Wenngleich diese sehr schematischen Thesen einige Aspekte der
Funktionsweise des Überbaus und seiner Interventionsweise in die Basis
erhellen, so sind sie doch ohne Frage abstrakt und lassen notwendig wichtige
Probleme ungelöst, auf die noch kurz eingegangen werden muß:
1) das Problem des Gesamtprozesses der Realisierung der Reproduktion der
Produktionsverhältnisse.
Als ein Element dieses Prozesses tragen die ISAs zu dieser Reproduktion bei.
Der Standpunkt ihres bloßen Beitrages bleibt jedoch abstrakt.
Diese Reproduktion kann nur innerhalb des Produktions- und
Zirkulationsprozesses realisiert werden, und zwar durch den Mechanismus dieser
Prozesse, durch welche die Ausbildung der Arbeiter "vollendet" wird
und ihnen Stellen zugewiesen werden etc. In dem inneren Mechanismus dieser
Prozesse kommen die Auswirkungen der verschiedenen Ideologien zum Tragen, vor
allem der rechtlich-moralischen Ideologie.
Dieser Standpunkt bleibt jedoch immer noch abstrakt. Denn in einer
Klassengesellschaft sind die Produktionsverhältnisse
Ausbeutungsverhältnisse, also Verhältnisse von antagonistischen
Klassen. Die Reproduktion der Produktionsverhältnisse, letztes Ziel der
herrschenden Klasse, kann daher keine bloße technische Operation sein, in
der die Individuen für die verschiedenen ihnen zugewiesenen Stellen
innerhalb der "technischen" Arbeitsteilung ausgebildet und verteilt
werden. In Wirklichkeit existiert die "technische" Arbeitsteilung nur
in der Ideologie der herrschenden Klasse: Jede "technische"
Arbeitsteilung, jede "technische" Organisation der Arbeit ist nur die
Form und die Hülle einer gesellschaftlichen (= klassenmäßigen)
Teilung und Organisation der Arbeit. Die Reproduktion der
Produktionsverhältnisse kann daher nur ein Vorgang sein, der durch die
Klassen bestimmt wird. Sie wird verwirklicht durch einen Klassenkampf, in dem
sich herrschende und ausgebeutete Klasse gegenüberstehen.
Solange man ihn nicht vom Standpunkt des Klassenkampfes aus betrachtet,
bleibt der Gesamtprozeß der Realisierung der Reproduktion der
Produktionsverhältnisse folglich abstrakt. Seine Betrachtung vom Standpunkt
der Reproduktion ist also in letzter Instanz seine Betrachtung vom Standpunkt
des Klassenkampfes.
2) Das Problem der Klassennatur der Ideologien in einer
Gesellschaftsformation.
Der Mechanismus der Ideologie im Allgemeinen ist eine Sache. Wir haben
gesehen, daß er sich auf einige Prinzipien reduzierte, die aus wenigen
Worten bestanden (nicht weniger dürftig als jene, die auch bei Marx die
Produktion im Allgemeinen oder bei Freud das Unbewußte im Allgemeinen
bestimmen. Wenngleich er eine bestimmte Realität besitzt, ist dieser
Mechanismus bezogen auf die wirklichen ideologischen Formationen dennoch
abstrakt.
Es wurde der Gedanke geäußert, die Ideologien realisierten sich in
Institutionen, in deren Ritualen und Praktiken, den ISAs. Es konnte gezeigt
werden, daß sie in dieser Gestalt zu jener Form des Klassenkampfes
beitragen, der für die herrschende Klasse lebenswichtig ist - der
Reproduktion der Produktionsverhältnisse. Aber auch dieser Gesichtspunkt,
so real er auch sein mag, bleibt abstrakt.
Der Staat und seine Apparate sind in der Tat nur unter dem Gesichtspunkt des
Klassenkampfes zu begreifen, als Apparat des Klassenkampfes, der die
Klassenunterdrückung sichert und die Bedingungen der Ausbeutung und ihre
Reproduktion garantiert. Aber es gibt keinen Klassenkampf ohne antagonistische
Klassen. Wer Klassenkampf der unterdrückenden Klasse sagt, der sagt auch
Widerstand, Aufstand und Klassenkampf der unterdrückten Klasse.
Deshalb sind die ISAs nicht die Realisation der Ideologie im Allgemeinen, sie
sind auch nicht die reibungslose Realisation der Ideologie der herrschenden
Klasse. Die Ideologie der herrschenden Klasse wird weder durch die Gnade des
Himmels noch durch die Tatsache der bloßen Machtübernahme zur
herrschenden Ideologie, sondern durch die Installierung von ISAs, in denen diese
Ideologie verwirklicht ist und sich verwirklicht. Diese Installierung der ISAs
geht nun jedoch nicht ohne weiteres vonstatten; sie ist vielmehr Gegenstand
dauernder und erbitterter Klassenkämpfe: Zunächst gegen die alten
herrschenden Klassen und deren Positionen in den alten und neuen ISAs, dann
gegen die augebeutete Klasse.
Auch dieser Standpunkt des Klassenkampfes in den ISAs bleibt noch abstrakt.
Zwar ist der Klassenkampf in den ISAs ein bisweilen wichtiger und
symptomatischer Aspekt des Klassenkampfes; so z.B. der anti-religiöse Kampf
im 18. Jahrhundert, so die "Krise" des schulischen ISA in den heutigen
kapitalistischen Ländern. Der Klassenkampf in den ISAs ist jedoch nur ein
Aspekt des Klassenkampfes, der weit über den Rahmen der ISAs hinausgeht.
Die Ideologie, die eine machthabende Klasse in ihren ISAs zur herrschenden
macht, "verwirklicht" sich zwar in ihnen, aber sie geht über sie
hinaus, weil sie von anderswoher kommt. Ebenso geht die Ideologie, die eine
beherrschte Klasse erfolgreich in und gegen diese ISAs verteidigen kann,
über diese hinaus, weil sie von anderswoher kommt.
Nur vom Klassenstandpunkt, d.h. vom Standpunkt des Klassenkampfes aus lassen
sich die Ideologien, die innerhalb einer Gesellschaftsformation existieren,
begreifen. Von hier aus wird es nicht nur möglich, die Verwirklichung der
herrschenden Ideologie in den ISAs und die Formen des Klassenkampfes zu
begreifen, deren Sitz und Gegenstand zugleich die ISAs sind. Sondern auch und
vor allem von hier aus wird es verständlich, wo die Ideologien, die sich in
den ISAs realisieren und die in ihnen aufeinanderprallen, herkommen. Denn
wenngleich die ISAs die Form darstellen, in der die Ideologie der herrschenden
Klasse sich notwendig verwirklichen muß, und zugleich die Form, an der die
Ideologie der beherrschten Klasse sich notwendig messen muß und der sie
sich entgegenstellen muß, so "entstehen" die Ideologien jedoch
nicht in den ISAs, sondern aus den im Klassenkampf involvierten
gesellschaftlichen Klassen, ihren Lebensbedingungen, ihrer Praxis, ihren
Kampferfahrungen etc.
April 1970
Fußnoten
1
der hier abgedruckte Text besteht aus
zwei Auszügen aus einer Studie, an der der Verf. arbeitet; er legte Wert
auf den Titel "Anmerkungen für eine Untersuchung. Die hierin
vorgetragenen Gedanken sind lediglich als Diskussionsbeitrag gedacht. (Anm. d.
Red. von 'La Pensee')
2
Brief an Kugelmann,11.7.1868, MEW 32, S. 5523 Marx
hat den wissenschaftlichen Begriff geliefert: "das variable
Kapital.
3
Marx hat den wissenschaftlichen Begriff geliefert:
"Das variable Kapital".
4
In "Für Marx, Frankfurt/M.1968 und
"Das Kapital lesen, Reinbek 1972
5
Topos, vom griechischen topos: Ort. Ein Topos stellt
in einem bestimmten Raum die jeweiligen Orte dar, die von dieser oder jener
Realität eingenommen werden: so ist das Ökonomische unten (an der
Basis), der Überbau darüber.
6
Vgl. weiter hinten: "Über die
Ideologie"
7
Gramsci ist meines Wissens der einzige, der jenen Weg
gegangen ist, den wir einschlagen. Er hatte jenen "eigenartigen
Einfall, daß der Staat sich nicht auf den (repressiven) Staatsapparat
reduziert, sondern, daß er - wie er sagte - eine Reihe von Institutionen
der staatlichen Gesellschaft ("societe civile) umfasse: die
Kirche, die Schulen, die Gewerkschaften usw. Gramsci hat leider seine
Intuitionen nicht systematisiert, die im Zustand scharfsinniger, aber partieller
Anmerkungen geblieben sind. (vgl. Gramsci, "Oeuvres Choisies, Editions
Sociales, S..290, 291 (Anm. 3), 293, 295, 436 und "Lettres de Prison,
Editions Sociales S. 313
8
Die Familie erfüllt offensichtlich (auch) andere
"Aufgaben als die eines ISA. Sie greift ein in die Reproduktion der
Arbeitskraft. Sie ist, je nach den Produktionsweisen, Produktionseinheit und
(oder) Konsumtionseinheit.
9
Das "Recht gehört sowohl zum (repressiven)
Staatsapparat als auch zum System der ISA.
10
In einem pathetischen Text von 1937 hat Krupskaja die Geschichte der
verzweifelten Versuche Lenins und dessen, was sie für seinen
Mißerfolg hielt, erzählt. ("Le chemin parcouru).
11
Was hier mit wenigen Worten über den Klassenkampf in den ISA
gesagt wird, ist natürlich weit davon entfernt, die Lage des Klassenkampfes
erschöpfend darzustellen. Um diese Frage anzugehen, muß man sich zwei
Prinzipien vergegenwärtigen. Das erste Prinzip ist von Marx im
"Vorwort zur Kritik. . formuliert worden: "In der Betrachtung
solcher Umwälzungen der sozialen Revolution muß man stets
unterscheiden zwischen der materiellen naturwissenschaftlich treu zu
konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen
und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder
philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses
Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten. Der Klassenkampf
drückt sich also aus und findet statt in ideologischen Formen, also auch in
den ideologischen Formen der ISA. Aber der Klassenkampf geht weit über
diese Formen hinaus, und weil er über sie hinausgeht, kann der Kampf der
ausgebeuteten Klassen sich auch in den Formen der ISA ausüben, also die
Waffe der Ideologie gegen die sich an der Macht befindlichen Klassen richten.
Dies auf Grund des zweiten Prinzips: der Klassenkampf geht über die ISA
hinaus, weil er seine Wurzeln woanders hat als in der Ideologie, nämlich in
der Basis, in den Produktionsverhältnissen, die
Ausbeutungsverhältnisse sind und die die Grundlage für die
Klassenverhältnisse bilden.
12
Zu einem großen Teil. Denn die Produktionsverhältnisse
werden zunächst reproduziert durch die Materialität des
Produktionsprozesses und des Zirkulationsprozesses. Aber man darf nicht
vergessen, daß die ideologischen Verhältnisse unmittelbar in diesen
Prozessen anwesend sind.
13
Für den Teil der Reproduktion, zu dem der repressive
Staatsapparat und die Ideologischen Staatsapparate beitragen.
14
Ich benutze mit Absicht diesen sehr modernen Ausdruck. Denn die
"Erklärung einer bestimmten politischen Abweichung (Rechts- oder
Links-opportunismus) durch den Einfluß einer Clique ist sogar unter
Kommunisten sehr geläufig.
15
Die Rechtsideologie benutzt die juristische Kategorie des
"Rechtssubjekts, um daraus einen ideologischen Begriff zu machen: Der
Mensch ist von Natur aus ein Subjekt.
16
Die Linguisten und alle, die bei der Linguistik zu verschiedenen
Zwecken Rat suchen, scheitern oft an ihrer Unfähigkeit, das Spiel der
ideologischen Effekte in jeder Kommunikation (discours) zu begreifen - die
wissenschaftlichen Abhandlungen davon nicht ausgenommen.
17
Althusser benutzt hier das Wort
reconnaitre in dem Doppelsinn von wiedererkennen und anerkennen. In der
deutschen Übersetzung wird die jeweils dominierende Bedeutung verwandt.
(Anm.d.Übers.)
18
Man beachte: Diese beiden im Augenblick sind ein erneuter Beweis
dafür, daß die Ideologie ewig ist, denn sie sind durch eine beliebig
große Zeitspanne voneinander entfernt; ich schreibe diese Zeilen am 6.
April 1969 und Sie lesen sie irgendwann.
19
Die polizeiliche Praxis der "Anrufung" (hier besser
"Aufforderung" - Anm.d.Ü.), bei der es um die Kontrolle von
"Verdächtigen" geht, ist eine "spezielle" Form der
täglichen, einem Ritual gehorchenden Anrufung
20
Obwohl wir wissen, daß das Individuum immer schon Subjekt ist,
benutzen wir weiterhin diesen Ausdruck wegen des Kontrasteffektes, den er
erzeugt.
21
Ich zitiere nicht wörtlich, jedoch
"wahrheitsgemäß und dem Geist entsprechend.
22
Das Dogma von der Dreieinigkeit ist die Theorie der Verdopplung des
SUBJEKTS (des Gottvaters) in das Subjekt (den Gottsohn) und ihres
Spiegelverhältnisses (der Heilige Geist).
23
Als Theoretiker der Allgemeinen Anerkennung ist Hegel, ohne es zu
wissen, ein ausgezeichneter "Theoretiker der Ideologie; leider endet
er jedoch in der Ideologie des absoluten Wissens. Feuerbach ist ein
erstaunlicher "Theoretiker" des Spiegelverhältnisses; leider
endet er jedoch in der Ideologie des Menschlichen Wesens. Um zu einer Theorie
der Gewißheit (garantie) zu gelangen, muß zu Spinoza
zurückgegangen werden.
24
das Bestehende im Original in deutsch (Anm.d.Übers.)
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